Vergnügen, Angst und Routine: Ultraschallscreenings als Einstieg in die Zugzwänge pränataler Diagnostik

Autor/innen

  • Eva Sänger Goethe Universität Frankfurt

Schlagworte:

Schwangerschaft, Ultraschall, Medizin, Elternschaft, Vergnügen, Geburtshilfe

Abstract

Ultraschallscreenings in der Schwangerschaft sind risikoorientiert. Gefahren und Auffälligkeiten sollen so frühzeitig wie möglich erkannt werden. Ergebnisse des DFG-Projekts „Enacting Pregnancy. Ultraschallbilder in der pränatalen Diagnostik“ zeigen, dass Routine-Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerenvorsorge trotz der iatrogenen Erzeugung von Angst und Sorge sehr beliebt bei Schwangeren sind. In meinem Beitrag führe ich aus, dass diese medizinischen Untersuchungen auch unterhaltende Aspekte aufweisen, und die Untersuchungssituationen ein „vergnügliches“ Subjektivierungsangebot enthalten. Abschließend diskutiere ich, inwieweit auch diese unterhaltenden Aspekte der Ultraschalluntersuchungen dazu beitragen, dass Schwangere in die Zugzwänge pränataler Diagnostik verstrickt werden.

 

 

 

Autor/innen-Biografie

Eva Sänger, Goethe Universität Frankfurt

z.Zt. Vertretungsprofessorin für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft (gefördert durch die VW-Stiftung)

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Veröffentlicht

2015-12-23

Ausgabe

Rubrik

Ad-hoc: Medizinisch-ethisches Entscheiden am Lebensanfang zwischen Routinen und Krisen