Berufserfolg und die Planung eines aktiven Ruhestands.

Autor/innen

  • Heiner Meulemann Institut für Soziologie und Sozialpsychologie Universität zu Köln

Schlagworte:

Lebensplanung, Berufslaufbahn, Freizeit

Abstract

Der Ruhestand spiegelt sich bereits vor dem Eintritt als individuelle Krisensituation. Er verlangt eine Planung: Man kann sich mehr oder minder anspruchsvolle, alte oder neue Aktivitäten in Auge fassen oder den auferlegten Rückzug ins Privatleben hinnehmen. Zu vermuten ist, dass der Aktivitätsgrad des Geplanten mit dem bisherigen Berufserfolg ansteigt; denn mit beidem wird die Anerkennung anderer erstrebt. Zu vermuten ist weiter, dass der Aktivitätsgrad mit den früheren und aktuellen Freizeitpräferenzen sinkt. Das wird in einer Kohorte von 3240 Gymnasiasten des 10. Schuljahres 1969 im 16. Lebensjahr untersucht, von denen 1301 über ihren Lebensweg im 30., 43. und 56. Lebensjahr und im 56. Lebensjahr über ihre Ruhestandspläne wiederbefragt wurden.

Die Aktivität des geplanten Ruhestands wurde als Folge von drei Entscheidungen erhoben: Will man den Beruf fortsetzen oder nicht; wenn nein, will man sich zivilgesellschaftlich engagieren oder nicht; wenn nein, plant man eine produktive (also marktfähige und zertifizierte) oder konsumtive Aktivität. Der Berufserfolg wurde objektiv als Berufsprestige und Einkommen und subjektiv als Einschätzung des bisher Erreichten zu den drei Wiederbefragungszeitpunkten erhoben. Die Freizeitpräferenz wurde als Differenz zwischen den Wertschätzungen von Freizeit und Beruf zu den drei Wiederbefragungszeitpunkten erhoben. Weiterhin wurde die soziale Herkunft, Leistungsfähigkeit und Lebensplanung im 16. Lebensjahr als Prädiktor eingesetzt. Die Planung eines aktiven Ruhestands im 56. Lebensjahr wurde durch den Berufserfolg nicht beeinflusst, aber durch die Freizeitpräferenz vermindert und eine zielorientierte Lebensplanung im 16. Lebensjahr gefördert.

Der fehlende Einfluss des Berufserfolgs im Lebenslauf auf die Ruhestandsplanung im 56. Lebensjahr deutet darauf, dass der Ruhestand anders geplant wird als die berufliche Laufbahn. Die bis dahin gewahrte Identität tritt zurück. Sie unterliegt keiner Bewährung mehr, aber sie ist als Vergangenheit gegenwärtig. Sie ist eine erste, hintergründige Identität, vor die eine zweite treten kann, ohne durch sie präjudiziert zu sein. Weder werden die Ressourcen und Orientierungen der Herkunft gebraucht noch muss der Faden der bisherigen Lebensgeschichte weitergesponnen werden. Wer eine zweite Identität sucht, erlebt eine „späte Freiheit“ (Rosenmayr).

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Veröffentlicht

2015-12-23

Ausgabe

Rubrik

Sektion Alter(n) und Gesellschaft: Altern und Alter als individuelle und gesellschaftliche Krise?