Ungleiche Anerkennung? ‚Arbeit’ und ‚Liebe’ im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter

Autor/innen

  • Christine Wimbauer Institut für Sozialwissenschaften Humboldt-Universität zu Berlin Unter den Linden 6 10099 Berlin
  • Mona Motakef Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Sozialwissenschaften Postanschrift: Unter den Linden 6 10099 Berlin

Abstract

Im Zentrum des Beitrages stehen der Wandel von Erwerbsarbeit und dessen Auswirkungen auf das Verhältnis von ‚Arbeit‘ und ‚Leben‘. Mit der Pre­ka­ri­sie­rung von Arbeit wird eine Zunahme an unsicheren und nicht existenzsichernden Beschäftigungs­ver­hältnissen diagnostiziert, die bis in die Mittelschicht reicht. Da pre­käre Be­schäftigung auch als Verlust von sozialer Anerkennung erfahren werden kann, wer­den Auswirkun­gen auf den ganzen Lebenszusammenhang vermutet. Die Geschlechterforschung weist darauf hin, dass vor allem Frauen prekär beschäftigt waren und sind. Doch die Aus­weitung der Pre­ka­ri­sie­rung kann auch eine Verunsicherung des Geschlechterverhältnisses be­deuten, wenn v.a. über Erwerbsarbeit sozialisierte Männer ihre Er­näh­rer­rol­le verlieren (vgl. Motakef 2015).

Wir berichten aus einem laufenden DFG-Forschungsprojekt, das am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt ist und in dem eine anerkennungs- und geschlechtertheoretische Per­spektive (vgl. Wimbauer 2012) auf prekäre Beschäftigung im Lebenszusammenhang entwickelt wird. Im Zentrum steht die interaktive (Paar-)Praxis der Herstellung von Anerkennung und von (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Beschäftigten mit und ohne Paarbeziehung. In Verbindung von Prekarisierungs- und Anerkennungsforschung im Anschluss an Honneth und Butler werden die Ambivalenzen und Wechselwirkungen von prekärer Beschäftigung mit Paar- und Nahbeziehungen (Freundschaften und Familienbeziehungen), dem Haus­haltskontext, weiteren Lebensbereichen, mit Ge­schlech­terkonzepten und dem Ge­schlech­ter­verhältnis untersucht.

Mittels qualitativer Paar- und Einzelinterviews entlang einer rekonstruktiv-in­ter­sub­jektiven Forschungslogik erforschen wir Anerkennungschancen, das Verhältnis von ‚Ar­beit‘ und ‚Leben‘ / ‚Liebe‘ sowie (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Be­schäftigten: Wofür finden die Einzelnen in der Erwerbssphäre und in Nah­beziehungen An­er­kennung, wie nehmen sie dies wahr? Weitet sich Prekari­sie­rung auf den ganzen Le­bens­zusammenhang und damit auch auf Nah- und Paar­be­zie­hun­gen aus? Oder können Nah­beziehungen Einschränkungen von Anerkennung in der Er­werbssphäre mildern? Wie gestaltet sich dies bei Personen ohne Partner/in, die nicht über die An­er­ken­nungs­form ‚Liebe‘ im Bereich von Paar­be­zie­hun­gen verfügen? Und (wie) ver­ändern sich Geschlechterleitbilder, Vorstellungen von Männ­lich­keit und Ge­schlech­terverhältnisse durch prekäre Beschäftigung?

Literaturhinweise

Motakef, M. 2015: Prekarisierung. Bielefeld: transcript.

Wimbauer, C. 2012: Wenn Arbeit Liebe ersetzt. Doppelkarriere-Paare zwischen Anerkennung und Ungleichheit, Frankfurt am Main, New York: Campus.

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Veröffentlicht

2015-12-23

Ausgabe

Rubrik

Ad-hoc: Prekarisierung als Krisendiagnostik