Zur sozialstrukturellen Bedeutsamkeit hedonistischer Praktiken

Autor/innen

  • Sandra Matthäus Humboldt-Universität zu Berlin

Schlagworte:

Subjektivierung, Habitustheorie, Selbstverhältnis, Selbstwert, Affekt, psychische Krankheiten

Abstract

Der Beitrag untersucht ausgehend von Befunden der SINUS-Milieu-Studien die sozialstrukturelle Bedeutsamkeit hedonistischer Praktiken verstanden als freud-, lust- und genussgenerierende Praktiken. Hintergrund dabei bildet eine affekt- und werttheoretische Erweiterung der Habitustheorie Bourdieus, vor deren Hintergrund der praktisch-wertschätzende Selbstbezug im Sinne einer Selbstwertnorm als legitime Subjektivierungsform unserer Gesellschaft herausgearbeitet werden konnte. Ein solcher Selbstbezug ist dabei typischer für obere soziale Milieus unserer Gesellschaft, denn für untere. Freude, Lust und Genuss ist demnach, also bei Beachtung nicht nur des subjektiven Sinns, sondern v.a. des objektiven Sinns, als typischer für obere soziale Milieus anzusehen. Es kann darüber hinaus gezeigt werden, dass die Selbstwertnorm nicht nur Einfluss auf die vertikale Stratifizierung der Gesellschaft hat, sondern auch auf die Unterscheidung von normalen und unnormeln im Sinne von psychisch kranken Verhalten- und Seinsweisen. Insofern zeigt der Beitrag die doppelte Ordnungsfunktion des praktisch-wertenden Selbstbezugs im Zusammenhang mit der Selbstwertnorm auf. Er leistet darüber hinaus einen Beitrag zum besseren Verständnis der Ess/xistentialisierung sozialer Strukturen.

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Veröffentlicht

2016-05-17

Ausgabe

Rubrik

Ad-hoc: Hedonistische Routinen und die Lust an der Krise