Berufswahl als Karriere-Sackgasse? Unterschiedliche Aufstiegschancen in Männer- und Frauenberufen

Autor/innen

  • Britta Matthes Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg
  • Basha Vicari Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Nürnberg

Schlagworte:

Aufstiegschancen, Frauenberufe, Männerberufe, Berufsverlaufsdaten, Verweildauermodell

Abstract

Eigentlich stehen heutzutage Frauen wie Männern alle Berufe offen. Trotzdem hat sich an der Geschlechterzusammensetzung der Berufe – trotz großer Bemühungen seitens der Politik und Wirtschaft, Männerberufe für Mädchen schmackhaft zu machen und trotz ihrer teilweise besseren schulischen Leistungen – seit mehr als 30 Jahren wenig verändert. Frauen studieren oder erlernen nach wie vor häufiger typische Frauenberufe im dienstleistungs- oder sozialen Bereich während es Männer weiterhin verstärkt in die naturwissenschaftlichen, technischen und Industrieberufe zieht.

Doch die geschlechtsspezifische Berufswahl bleibt nicht folgenlos: Wie bereits empirisch belegt wurde, sinkt die Entlohnung mit dem Frauenanteil in einem Beruf, sodass Beschäftigte in Frauenberufen besonders wenig verdienen. In dieser Studie untersuchen wir, wie sich die geschlechtsspezifische Berufswahl auf die Aufstiegschancen für Frauen und Männer in typischen Frauen- und Männerberufen auswirkt. Dazu benutzen wir Daten aus der repräsentativen Befragung „Arbeiten und Lernen im Wandel“ (ALWA), in der zwischen 1956 und 1988 Geborene befragt wurden. Zunächst analysieren wir, wie sich die berufliche Mobilität in den ersten 10 Jahren nach dem Erwerbseinstieg in Frauen-, Männer und Mischberufen entwickelt hat. Es zeigt sich, dass Beschäftigte in Frauenberufen ihrem Einstiegsberuf besonders häufig treu bleiben. Jedoch gelingt ein formaler Aufstieg innerhalb des Einstiegsberufs in allen Berufsarten etwa gleich oft. Beschäftigte in Männerberufen nutzen aber viel häufiger auch einen Berufswechsel, um auf der Karriereleiter aufzusteigen.

Im Weiteren untersuchen wir, zu welchem Zeitpunkt ein Aufstieg realisiert werden kann und stellen fest, dass sich die Schere zwischen den Frauen- und Misch-/Männerberufen erst nach ca. vier Jahren öffnet und statistisch signifikante Unterschiede aufzeigt. Nach zehn Jahren haben dann etwa 20 Prozent der Beschäftigten in Frauenberufen und etwa 30 Prozent der Beschäftigten in Männer- oder Mischberufen einen formalen Aufstieg realisiert. Anschließend betrachten wir in multivariaten Analysen, wie sich die Beschäftigung für beide Geschlechter in den typischen Berufen auf ihre Aufstiegschancen auswirken. Wir finden empirische Evidenz dafür, dass Männer selbst in Frauen- und Mischberufen bessere Aufstiegschancen haben. Nur in Männerberufen unterscheiden sich die Aufstiegschancen zwischen den Geschlechtern nicht. Zum Abschluss diskutieren wir die Gründe für die unterschiedlichen Karriereopportunitäten und Implikationen für die Berufswahl.

Literaturhinweise

Abele-Brehm, A. E., Steif, M. 2004: Die Prognose des Berufserfolgs von Hochschulabsolventinnen und -absolventen. Zeitschrift für Arbeits-und Organisationspsychologie, 48. Jg., Heft 1, 4–16. http://econtent.hogrefe.com/doi/abs/10.1026/0932-4089.48.1.4 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Achatz, J., Gartner, H., Glück, T. 2005: Bonus oder Bias? Mechanismen geschlechtsspezifischer Entlohnung. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 57. Jg., Heft 3, 466–493. http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-322469 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Antoni, M., Drasch, K., Kleinert, C., Matthes, B., Ruland, M., Trahms, A. 2010: Arbeiten und Lernen im Wandel. Teil I: Überblick über die Studie - März 2011. 2. aktualisierte Fassung des Berichtes vom Mai 2010. FDZ-Methodenreport, Nr. 5/2010. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB. http://doku.iab.de/fdz/reporte/2010/MR_05-10.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Barnett, W. P., Baron, J. N., Stuart, T. E. 2000: Avenues of attainment: Occupational demography and organizational careers in the California civil service. American Journal of Sociology, Vol. 106, No. 1, 88-144. http://www.jstor.org/stable/10.1086/303107 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Bildungsreport Nordrhein-Westfalen 2012: Information und Technik Nordrhein-Westfalen. Statistische Analysen und Studien NRW, Band 75, Nr.10, https://webshop.it.nrw.de/gratis/Z089%20201254.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Buchmann, M., Kriesi, I., Pfeifer, A., Sacchi, S. 2002: Halb drinnen – halb draußen: Analysen zur Arbeitsmarktintegration von Frauen in der Schweiz. Zürich u.a.: Verlag Rüegger.
Hausmann, A.-C., Kleinert, C., Leuze, K. 2015: Entwertung von Frauenberufen oder Entwertung von Frauen im Beruf? Eine Längsschnittanalyse zum Zusammenhang von beruflicher Geschlechtersegregation. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 67. Jg., Heft 2, 217–242. http://dx.doi.org/10.1007/s11577-015-0304-y (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Imdorf, C. 2012: Wenn Ausbildungsbetriebe Geschlecht auswählen. Geschlechtsspezifische Lehrlingsselektion am Beispiel des Autogewerbes. In M. M. Bergman, S. Hupka-Brunner, T. Meyer, R. Samuel (Hg.), Bildung – Arbeit – Erwachsenwerden: Ein interdisziplinärer Blick auf die Transition im Jugend und jungen Erwachsenenalter. Wiesbaden: Springer, 243–263.
Jacobs, J. A. 1989: Revolving doors: Sex segregation and women's careers. Redwood City, CA: Stanford University Press.
Matthes, B., Biersack, W. 2009: Frauenberufe, Männerberufe: Karten neu gemischt. IAB-Forum 1/2009, 18–23. Nürnberg: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, http://doku.iab.de/forum/2009/Forum1-2009_Biersack_Matthes.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
McDonald’s Ausbildungsstudie 2013: Pragmatisch glücklich: AZUBIS zwischen Couch und Karriere. Eine Repräsentativbefragung junger Menschen im Alter von 15 bis unter 25 Jahren. Allensbach am Bodensee: Institut für Demoskopie Allensbach, http://www.schule-wirtschaft-hamburg.de/service/downloads/McDonalds_Ausbildungsstudie.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Organisation for Economic Cooperation and Development 2015: The ABC of gender equality in education: Aptitude, behaviour, confidence. Paris: PISA, OECD Publishing, https://www.oecd.org/pisa/keyfindings/pisa-2012-results-gender-eng.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Petersen, T., Saporta, I. 2004: The opportunity structure for discrimination. American Journal of Sociology, Vol. 109, No. 4, 852–901. http://www.jstor.org/stable/10.1086/378536 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Reskin, B. F., Bielby, D. D. 2005: A sociological perspective on gender and career outcomes. Journal of Economic Perspectives, Vol. 19, No. 1, 71–86. http://www.jstor.org/stable/4134993 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Solga, H., Pfahl, L. 2009: Doing Gender im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich. In J. Milberg (Hg.), Förderung des Nachwuchses in Technik und Naturwissenschaft. Berlin: Springer, 155–218. https://www.wzb.eu/www2000/bal/aam/pdf/2009-502_solga-pfahl.pdf (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Trappe, H. 2006: Berufliche Segregation im Kontext: Über einige Folgen geschlechtstypischer Berufsentscheidungen in Ost- und Westdeutschland. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 58. Jg., Heft 1, 50–78. http://dx.doi.org/10.1007/s11575-006-0003-z (letzter Aufruf 21. Juli 2017).
Williams, C. 1992: The glass escalator: Hidden advantages for men in the "female" professions. Social Problems, Vol. 39, No. 3, 253–267. http://www.jstor.org/stable/3096961 (letzter Aufruf 21. Juli 2017).

Downloads

Veröffentlicht

2017-09-24

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Frauenberufe – Männerberufe: Persistenz eines regulatorischen Prinzips?