Editorial

Autor/innen

  • Georg Vobruba

Abstract

 

»Viele Kritiker greifen schlechte Beispiele heraus und verallgemeinern sie. Wir müssen die Probleme aber konstruktiv angehen.«

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer spricht da? Ist es Günther Verheugen, der uns die Osterweiterung der Europäischen Union schmackhaft zu machen versucht? »Für eine Bewertung ist es zu früh … Wir nehmen … sehr ernst und forschen gerade nach den Ursachen.« Erklärt hier Joe Ackermann die Verantwortung der Banken in der Finanzkrise?

Nein. Es ist der Vizepräsident der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, der zu BAMA Stellung nimmt: »Es gibt Probleme bei der Umstellung, aber niemand kann von einem Versagen des ganzen Systems sprechen. Die Kritik ist unverantwortlich. Die Studenten sind ohnehin extrem verunsichert.«[1] Ich habe in solchen Sachen nur ungern Recht. Aber ich wusste es: Die Kritiker sind schuld.

Der B.A. fasziniert auf eigene Art. Die Studierenden wollen ihn nicht, jedenfalls nicht als endgültigen Abschuss ihres Studiums. Befragt man B.A.-Studierende nach ihren Plänen, so strebt die weit überwiegende Mehrheit an, bis zum M.A. weiter zu studieren. Dafür mögen zahlreiche Motive ausschlaggebend sein – jedenfalls treffen sie sich mit der Nachfragesituation auf dem Arbeitsmarkt: Die Mehrzahl der potentiellen Arbeitgeber kann mit dem B.A. nichts anfangen. Und die Profs dazwischen? Sind zerknirscht. Ich habe dazu bedauerlicherweise keine belastbaren Daten, aber ich höre: Wir haben uns einreden lassen, dass die Anderen bereits umstellen, dass wir ohnehin schon die Letzten sind, dass wir elend übrig bleiben, wenn wir nicht … Wir haben uns nicht ausreichend untereinander verständigt. Es ging alles zu rasch.

Eine Kollegin meinte, seit sie erlebt hat, wie Mehrheiten gegen ihren Willen den Übergang zu BAMA vollziehen, versteht sie auch weit dramatischere politische Selbstüberwältigungsprozesse besser.

Jedenfalls können wir jetzt sehen: Eine Minidosis an vorauseilendem Gehorsam bei jedem der vielen kleinen Schritte auf dem langen Weg der Implementation macht aus einem unverbindlichen Ideenpapier der EU- Bildungsminister hunderte neue Studienordnungen, an denen fast alle mitgewirkt haben und die fast niemand will.

BAMA ist eine hochschulpolitische Baustelle und wird bis auf weiteres eine hochschulpolitische Baustelle bleiben. Klar, das nervt, aber umso wichtiger, dass wir uns damit abgeben. Welche Möglichkeiten zeichnen sich ab?

Wenn sich der Staub ein wenig gelegt hat, die Einschreibeprogramme endlich überall funktionieren und mehr Empirie zu den Studienwünschen und -erfahrungen da ist, wird der nächste Streit darum gehen, ob die B.A.-Studiengänge verlängert oder verkürzt werden sollen. Also entweder eine Durchbruchstrategie, mit der der B.A. als Regelstudienabschluss gefestigt wird. Oder der geordnete Rückzug und die halboffizielle Bestätigung, dass der B.A. tatsächlich eine »Studienabbrecherbescheinigung« darstellt.

Bei der ersten Möglichkeit, der Durchbruchstrategie, wird die B.A.-Studiendauer auf, sagen wir, vier Jahre verlängert. Daran anschließend gibt es dann zwei Möglichkeiten. Entweder, es folgt ein M.A. Der wird unter zwei Jahren wohl kaum zu machen sein. Also sind wir bei sechs Jahren bis zu dem Abschluss, der etwa dem Magister/Diplom entspricht. Und dann vielleicht noch drei Jahre bis zur Promotion. Also neun Jahre. Oder es kommt zur allgemeinen Nutzung von short-track-Regeln. Das läuft dann auf die Abschaffung des M.A. hinaus.

Bei der zweiten Möglichkeit, dem geordneten Rückzug, wird der B.A. auf zwei Jahre verkürzt. Wird der Abschluss damit völlig unbrauchbar? Für die Beteiligten wohl, nicht aber für die Akademiker(innen)statistik. Denn auch geregelte Ausstiege nach einem vier-semestrigen B.A.-Studium könnten als akademische Abschlüsse verbucht werden.

Ich weiß schon, man kann darüber nicht so offen reden. Doch ganz unter uns, liebe Hochschulpolitiker, wir könnten uns doch augenzwinkernd so verständigen: BAMA bringt die notorisch niedrige Akademikerquote Deutschlands auf EU-Niveau. Fein. Aber hätte man das nicht einfacher haben können? Zum Beispiel, indem man die Krankenschwestern zu Akademikerinnen macht? Das hätte nur eines Federstrichs bedurft.

Ihr

Georg Vobruba

[1] Alle Zitate aus »Die Kritik ist unverantwortlich.« Rektor Wilfried Müller verteidigt das neue Studiensystem. Interview in der Süddeutschen Zeitung, 29. September 2008. S. 16.

Literaturhinweise

»Die Kritik ist unverantwortlich.« Rektor Wilfried Müller verteidigt das neue Studiensystem. Interview in der Süddeutschen Zeitung, 29. September 2008. S. 16.

Downloads

Veröffentlicht

2009-01-01

Am häufigsten gelesenen Artikel dieser/dieses Autor/in

1 2 3 4 5 > >>