Routinen der Krise - Krise der Routinen - 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
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<p>Der 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2014 mit dem Titel "Routinen der Krise - Krise der Routinen" fand vom 1.-10. Oktober 2014 an der Universität Trier statt. An dieser Stelle finden Sie alle von den Vortragenden eingereichten Beiträge.</p> <p>Zitiervorschlag:<br>Stephan Lessenich (Hg.) 2015: Routinen der Krise - Krise der Routinen. Verhandlungen des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Trier 2014.</p> <p> </p>Deutsche Gesellschaft für Soziologiede-DERoutinen der Krise - Krise der Routinen - 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie2367-4504<p>Beiträge im Verhandlungsband des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie werden unter der Creative Commons Lizenz "<span class="cc-license-title">Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International</span> <span class="cc-license-identifier">(CC BY-NC 4.0)" veröffentlicht. </span></p> <p><span class="cc-license-identifier">Dritte dürfen die Beiträge:</span></p> <ul> <li class="license by"> <p><strong>Teilen:</strong> in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten</p> </li> <li class="license by"> <p><strong>Bearbeiten</strong>: remixen, verändern und darauf aufbauen</p> </li> </ul> <p>unter folgenden Bedinungen: </p> <ul class="license-properties col-md-offset-2 col-md-8" dir="ltr"> <li class="license by"> <p><strong>Namensnennung</strong>: Dritte müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden<span id="by-more-container"></span></p> </li> <li class="license nc"> <p><strong>Nicht kommerziell</strong>: Dritte dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen</p> </li> </ul>Prekäre Selbstverständlichkeiten. Neun prekarisierungstheoretische Thesen zu Diskursen gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung*
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/31
<p>Es gibt eine neue<em> Sichtbarkeit</em> gegenüber gleichstellungspolitischen Belangen und feministischen Inhalten in medialen Öffentlichkeiten. Diese neue Sichtbarkeit kann nicht mit einer grundsätzlich neuen gesellschaftlichen <em>Selbstverständlichkeit</em> gegenüber emanzipatorischen Überlegungen und Forderungen kurz geschlossen werden, wie jüngere Diskurse gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung eindrücklich belegen.</p><p>Diese durchaus vielfältigen Diskurse nehmen einen gemeinsamen Ausgangspunkt in einer Kritik an pluralistischen Lebensmodellen, wobei Bemühungen der politischen Gleichstellung von Männern und Frauen in Erwerbsarbeit und Familie ebenso kritisiert werden wie die Vielfalt geschlechtlicher Lebensweisen. Auch gegen Einwanderung, insbesondere von Menschen mit muslimischem Glauben, wird protestiert. Dem sogenannten <em>Genderismus</em> sei es gelungen, eine neue Herrschaft zu errichten, durch die heterosexuelle, weiße Männer zu Opfern der neuen Gleichstellungspolitik wurden – so eine zentrale Behauptung dieser Diskurse. Eine andere immer wiederkehrende Behauptung lautet, dass es im öffentlichen Raum nicht mehr möglich sei, sogenannte Wahrheiten auszusprechen – ‚Wahrheiten‘, die in der Regel Fragen zum Verhältnis von Geschlecht, Sexualität und Nation berühren.</p><p>Die sozialen Positionierungen, die sich in den Diskursen gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung zusammenfinden, sind vielfältig, häufig bemühen sie rechte Argumentationsfiguren. Akteurinnen und Akteure finden sich etwa in der wertkonservativen Journalistik und Publizistik, in politischen Parteien (insbesondere der AFD), bei sogenannten Männerrechtlern und bei fundamentalistischen Christinnen und Christen. Die im Zuge der Diskurse gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung ins Feld geführten Thesen lassen sich mühelos widerlegen, so ist es durch Gleichstellungspolitik nicht zu einer Umkehrung privilegierter sozialer Positionen gekommen, wie Studien zur ungleichen Verteilung von Sorgearbeit sowie zur Segregation der Arbeitsmärkte unstrittig belegen (Wimbauer/Teschlade/Motakef 2012).</p><p>Es bleibt also zu fragen, was eigentlich hinter dieser Debatte steckt. Der neuralgische Punkt der Diskurse liegt, so unser Argument, darin, dass versucht wird, Erfahrungen der Prekarität und Prekarisierung in den Griff zu bekommen. In unserem Beitrag entfalten wir die Argumentation, dass Diskurse gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung auf vielfältigen Ebenen Reaktionen auf Prekarisierungsprozesse darstellen. Dabei gehen wir, geschlechtersoziologisch informiert, von einem weit gefassten Prekarisierungsbegriff aus (Motakef 2015), der materielle und symbolische Dimensionen kombiniert und die <em>Ambivalenzen</em> gegenwärtiger Prozesse ins Zentrum stellt.</p><p>Wir entfalten unsere Argumentation in neun Thesen: Diese umfassen Thesen zur Prekarisierung der Erwerbssphäre (These 1), des männlichen Ernährermodells (These 2) und dem Brüchigwerden moderner Gewissheiten (Doxa) (These 3). Wir schlagen die Deutung vor, dass Gleichstellungspolitik, Teile der Geschlechterforschung und damit verbundenen emanzipatorische (queer-)feministische, sexualpolitische und antirassistische Bewegungen ebenfalls zentrale Akteur_innen der Prekarisierung (von Gewissheiten) waren und auch weiterhin sind (These 4), diskutieren die These einer Prekarisierung der heterosexuellen Kleinfamilie (These 5) und lesen Prekarisierung als Produkt kapitalistischer Transformationsprozesse (These 6). Wir diskutieren die Tendenz der neoliberalen Aufwertung von Diversität (These 7), führen die These einer Komplizinnenschaft des antifeministischen Postfeminismus mit diesen Diskursen ein (These 8) und plädieren schließlich dafür, Erfahrungen der Prekarisierung und Prekarität politisch zu bewältigen (These 9).</p><p><strong>*</strong>Dieser Beitrag erscheint in folgender Publikation:</p><p>Wimbauer, C., Motakef, M., Teschlade, J.: Prekäre Selbstverständlichkeiten. Neun prekarisierungstheoretische Thesen zu Diskursen gegen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung. In S. Hark, P.-I. Villa (Hg.): (Anti-)Genderismus. Sexualität und Geschlecht als Schauplätze aktueller politischer Auseinandersetzungen. Bielefeld: transcript, i.E.</p>Christine WimbauerMona MotakefJulia Teschlade
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2016-05-152016-05-153713541355Worauf verzichtet man, wenn man keine Kausalitätsforschung betreibt? Eine tentative Skizze
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/73
Der Beitrag macht einen Vorschlag dafür, wie Kausalität zu konzeptualisiern und im Bereich des Sozialen anzuwenden ist.Rainer Greshoff
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2015-12-232015-12-233714411446Kausalität als pragmatisches Beobachtungsschema
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/151
<p>Um die widersprüchliche Vielfalt der Zurechnungen von Ursachen und Wirkungen zu beschreiben, welche Akteure für Alltagshandeln und wissenschaftliche Beobachtung anfertigen, ist ein pluralistischer und pragmatischer Kausalitätsbegriff erforderlich. Die manipulationistische Kausaltheorie hat gezeigt, dass die Zurechnung von Wirkungen auf Ursachen nie lediglich vom empirischen Faktenwissen abhängt, sondern immer auch die Einschätzung von Kontrafaktualen auf ihre Wahrscheinlichkeit und Wünschbarkeit erfordert. Diese Einschätzung divergiert jedoch zwischen verschiedenen „Beobachtern“.</p><p>Der Beitrag zeigt die Konvergenzen zwischen manipulationistischer und konstruktivistischer Kausalitätstheorie auf und diskutiert abschließend deren Verhältnis zur funktionalen Analyse.</p>Oliver E. Kuhn
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2015-12-232015-12-233714471457Die Pflege als vermittelnde Dritte im Krankenhausmanagement? Empirische Befunde zur Rolle der Pflegedirektor-/innen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/110
<div align="left"><hr align="left" size="1" width="33%" /></div><div align="left">Die Rolle der Pflege im Krankenhausmanagement ist in der soziologischen Krankenhausforschung bisher kaum aufgearbeitet. Angesichts des derzeit zu beobachtenden „epochalen Strukturwandels“ (Bode 2010: 63) im Gesundheitssektors ist dieser Umstand überraschend, legen doch Strukturänderungen wie die Einführung des DRG-Systems, die Konzipierung von Managementstudiengängen für das Krankenhauswesen oder der Einsatz von New-Publik-Management-Tools auch Änderungen in den Verhältnissen der professionellen Akteure zueinander, deren Aufgabenübernahme und Rollenausgestaltung nahe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Rolle die Pflegedirektorinnen im Krankenhaus einnehmen. Können sie als „vermittelnde Dritte“ begriffen werden, die neben Ökonomie (Geschäftsführung) und Medizin (Ärzte) eine eigene Position im Krankenhausmanagement ausbilden, oder reiben sie sich zwischen den beiden Polen auf? Und was bedeutet Vermittlung: kann damit das Überwinden von Professionsgrenzen gemeint sein, oder das Austarieren interner Spannungen?</div><div align="left">Die empirischen Befunde sind im Rahmen der DFG-geförderten Studie <em>Entscheidungsfindung im Krankenhausmanagement</em> enstanden. Es wurden 12 ExpertInneninterviews (Meuser/Nagel 1991) mit Pflegedirektorinnen aus deutschen Krankenhäusern durchgeführt mit der dokumentarischen Methode (Bohnsack 2003) ausgewertet.</div>Julian WolfAnne Ostermann
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2015-12-232015-12-2337621631Trust by design? Vertrauen als zentrale Ressource für die Cloud
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/146
Die Entwicklung hin zum Cloud-Computing und darauf basierenden Technologien stellt zweifellos eine der einschneidendsten Veränderungen in der jüngeren IT-Geschichte dar. Allgemein beschreibt der Begriff Cloud-Computing Modelle, in denen IT-Infrastrukturen, Plattformen und Dienste von den Nutzern nicht mehr selbst vorgehalten werden. Stattdessen werden diese als Dienstleistungen bezogen, die dynamisch, skalierbar und – räumlich wie organisatorisch – nicht mehr eindeutig zuordenbar sind. Dabei bieten Cloud-Technologien Nutzungsmöglichkeiten, die über die Verlagerung und ubiquitäre Verfügbarmachung von Rechen- und Speicherkapazität im Rahmen typischer IT-Anwendungen hinausgehen: Ein Großteil unserer täglichen Kommunikation wird über die Cloud abgewickelt. <br />Offensichtlich birgt diese Entwicklung das Potential, (nicht nur) individuelle Arbeits- und Lebenswelten entscheidend zu verändern – man denke nur an mit Sensorik und Aktorik gespickte Wohn- und Arbeitsräume –, genauso wie sie neue Geschäftsfelder eröffnet, neue Beziehungen zwischen Personen und Unternehmen impliziert und neue Formen der Kooperation bedingt. Die Relevanz für die Soziologie scheint also auf der Hand zu liegen. Umso erstaunlicher scheint es uns, dass das Phänomen Cloud Computing in seiner ganzen Breite bislang wenig Eingang in die soziologische Forschung gefunden hat.<br />An dieser Stelle setzt der vorliegende Beitrag an und versucht, die Cloud als eine grundlegende Infrastruktur für vernetztes Leben und Arbeiten stärker ins Blickfeld zu rücken. Insbesondere werden wir aufzeigen, warum sich Cloud-Computing als soziale Technologie im besten Sinne darstellt und inwiefern Vertrauen aus unserer Perspektive als Schlüsselressource für das Funktionieren des Prinzips Cloud-Computing fungiert. Daraus leiten wir die Forderung nach <em>trust by design</em> als Gestaltungprinzip für Cloud-Technologien und Anwendungen ab und präsentieren abschließend ein Implementationsbeispiel dieses Prinzips.Michael EggertDaniel Kerpen
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2015-12-222015-12-223717701782Digital Scientific Practice in Systems Medicine
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<p>The development of systems medicine has only been possible through the application of Information and Communication Technology (ICT) to handle the large volume and variety of data on health and disease. High-capacity databases and infrastructures based on ICT were established to support systematization and integration of data about complex physiological and pathological processes in cells and organisms. Although such infrastructures are essential for research and collaboration, they are often not regarded as being an integral part of the knowledge production itself. On the contrary, we argue that ICT is not only a science-supporting technology, but is deeply engraved in its scientific practices of knowledge generation. Findings supporting our argument are derived from an empirical case study in which we analysed the complex and dynamic relationship between systems medicine and information technology. The case under study was an international research project in which an integrated European ICT infrastructure was designed and developed in support of the systems oriented research community in oncology. By tracing the specific ways that systems medicine research produces, stores, and manages data in an ICT environment, this paper discusses the impact of ICT employed and to assess the consequences it may have for the process of knowledge production in systems medicine.</p>Imme PetersenRegine Kollek
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2016-12-122016-12-123717831792Max Weber und der Zufall
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<p style="margin: 0cm 0cm 0pt; line-height: 150%;"><span style="color: black;"><span style="font-family: Times New Roman; font-size: medium;">Der Begriff des Zufalls spielt in Webers Werk keine prominente Rolle, sitzt aber, verstanden als potentieller Eintritt unberechenbarer Nebenfolgen eines Einzelfalls, an einer wichtigen Schaltstelle in Webers Wissenschaftskonzept und tauch daher in verschiedenen Formen in einigen seiner wissenschaftstheoretischen Texte auf. Der Vortrag unternimmt den Versuch, Webers Verständnis dieses Begriffes unter Rückgriff auf zeitgenössische Arbeiten Eduard Meyers, Wilhelm Windelbands und Johannes von Kries‘ zu rekonstruieren.</span></span></p>Claudius Härpfer
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2015-12-202015-12-203710971105Max Weber-Rezeption zum Ende der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/284
<p class="DGS1">Max Weber-Rezeption zum Ende der Weimarer Republik, im Dritten Reich und in der Nachkriegszeit</p><p class="DGS2nach1">Christoph Steding und seine Kritiker in Politik und Wissenschaft</p>Carsten Klingemann
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2016-04-252016-04-253711061117Der andere „amerikanische“ Max Weber: Hans Gerths und C. Wright Mills’ „From Max Weber“ und dessen deutsche Rezeption
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<p> Der von Hans Gerth und C. Wright Mills 1946 herausgegebene Reader „From Max Weber“ besitzt eine starke internationale Wirkung. Bei einer Umfrage der „International Sociological Association“ aus dem Jahre 1997 zu den wichtigsten soziologischen Büchern des Jahrhunderts, belegt es z.B. – als einziges Werk, das zum großen Teil aus Übersetzungen besteht – den 88. Platz. Die in der Einleitung enthaltene, eigenständige Weber-Interpretation von Gerth und Mills ist auch von theoretischer Bedeutung, da sie sich von der bekannten und einflussreichen Lesart Webers von Talcott Parsons unterscheidet. In Deutschland ist sie jedoch fast gänzlich unbekannt, obwohl sie in kurz nach dem Krieg erschienenen deutschen Arbeiten zur amerikanischen Weber-Rezeption noch erwähnt wird.</p><p>In dem Artikel sollen deshalb die theoretischen und wissenschaftspolitischen Unterschiede der Weber-Interpretation von Gerth/Mills und von Parsons herausgearbeitet werden. Zudem soll der frühen deutschen Rezeption von „From Max Weber“ und den Gründen für dessen spätere geringe Wirkung nachgegangen werden. Überlegungen zu den Folgen der Nichtbeachtung dieser alternativen Lesart Webers für die deutsche Forschung sollen den Artikel beschließen.</p>Oliver Neun
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2015-12-232015-12-233711181139Solidarität und transnationale Netzwerkeinbettung: Einstellungen zu länderspezifischer Finanzhilfe in zwei europäischen Ländern
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<p>Die Europäische Finanzkrise stellt eine der härtesten Prüfungen für die EU dar. Ausgelöst von einer globalen Finanzkrise gerieten mehr und mehr EU Staaten in Staatsschuldenkrisen, die sie ohne Hilfe der EU nicht selbst lösen konnten. Da weder Kredite des IWF und der EU, noch die temporäre „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ ausreichten, wurde nach der Ergänzung des Lissabon-Vertrages um Artikel 136(3) der dauerhafte „Europäische Stabilitätsmechanismus“ implementiert, der als Einstieg in eine europäische Finanzpolitik gewertet werden kann. Soziologisch betrachtet finden wir hier eine bedeutende Vertiefung europäischer Systemintegration vor. Nun stellt sich die Frage, welche Effekte diese Systemintegration auf die europäischen Bürger ausübt, d.h. ob der Systemintegration auch eine Sozialintegration folgt. Als Indikator für geglückte Sozialintegration wird das Bestehen grenzüberschreitender informeller Solidarität unter den europäischen Bürgern herangezogen, die über Einstellungen zur länderspezifischen Finanzhilfe an die EU Mitgliedsstaaten Irland, Griechenland, Spanien und Italien operationalisiert wird. Analysiert werden Daten einer Umfragestudie „Fiskalische Solidarität in der Europäischen Union“ (FSEU), die 2012 in Deutschland und Portugal durchgeführt wurde.</p>Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die der beschleunigten Systemintegration folgende Sozialintegration begrenzt ist. Solidarische Einstellungen werden vorwiegend von der eigenen Betroffenheit bestimmt. So befürworten Portugiesen, deren Land selbst stark von der Finanzkrise stark betroffen ist, Finanzhilfe eher als Deutsche, die in einem wirtschaftlich stabilen Land leben. Personen mit europäischer Identität favorisieren länderspezifische Finanzhilfe, während nationalistisch eingestellte Personen diese zurückweisen. Zudem beeinflusst Netzwerkeinbettung die Entscheidung, ob Finanzhilfe gewährt werden soll. Regelmäßige Kontakte zu EU Ausländern rufen Ablehnung von Finanzhilfe an südeuropäische Länder und Irland hervor. Trennt man die Netzwerkkontakte nach Kontakten in die südeuropäischen EU-Mitgliedstaaten und Irland auf, so zeigt sich, dass Netzwerkeinbettung in Erstere Ablehnung und in Letzteres Akzeptanz von Finanzhilfe hervorrufen. So scheint die Netzwerkeinbettung die Einschätzung, ob bestimmte Länder würdige Empfänger von Finanzhilfe sind, die aus öffentlich zugänglichen Informationen getroffen werden, zu verstärken. Südeuropäische Länder scheinen in der öffentlichen Wahrnehmung selbstverschuldet in die Krise geraten zu sein und die Rückzahlungskapazität der Finanzhilfe erscheint begrenzt, da hier starke korrupte Strukturen vorherrschen, die wiederum durch auf Statuserhalt angelegte Wohlfahrtsysteme gefestigt werden. Zudem zeigen massive öffentliche Demonstrationen auf, dass die Finanzhilfe und Austeritätspolitik von den Bürgern unerwünscht ist. Irland hingegen erscheint als würdig bedürftig, da es weniger korrupte staatliche Strukturen aufweist, ein auf Eigeninitiative angelegtes liberales Wohlfahrtssystem hat und derart massive Demonstrationen gegen die Sparpolitik, wie sie in Südeuropa stattfanden, nicht erfolgten.Julia Häuberer
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2015-12-232015-12-23376274Die Eurokrise als Entdeckungsverfahren. Europäische Vergesellschaftungsprozesse im Spannungsfeld von System- und Sozialintegration
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/21
In diesem Beitrag wird die europäische Finanzmarkt-, Staatsschulden- und Wirtschaftskrise im Spannungsfeld von System- und Sozialintegration verortet. Herausgearbeitet wird zum einen, dass seit 2010 in der Eurozone eine koordinierte Wirtschaftspolitik auf eine nachholende, inkrementelle und fragmentierte Weise entwickelt wurde. Das Fehlen einer antizyklischen, auf europäischer Ebene koordinierten Wirtschaftspolitik führt jedoch zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit insbesondere in den südeuropäischen Ländern, zu einer stärkeren Differenzierung und Neuordnung der Verhältnisse von Zentrum und Peripherie und zu einer Erosion der Zustimmung zur EU. Weiterhin kann eine Europäisierung der Maßstäbe für die Bewertung der eigenen finanziellen Situation belegt werden. Die Diskrepanzen zwischen den systemischen und den sozialintegrativen Dimensionen der europäischen Integration erklären, warum die aktuelle Krise den Zusammenhalt der EU massiv untergraben kann. Zu beobachten ist somit eine „Rückkehr der Gesellschaft“ auf die europäische Bühne, nachdem die sozialstaatliche Absicherung der Europäer bislang alleine als Verantwortung der Nationalstaaten gesehen wurdeMartin Heidenreich
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2015-12-222015-12-22377587Altern und Alter als individuelle und gesellschaftliche Krise?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/188
<p>Einleitung zur Veranstaltung »Altern und Alter als individuelle und gesellschaftliche Krise?« der Sektion Alter(n) und Gesellschaft</p>Harald KünemundAndreas Motel-Klingebiel
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2015-12-212015-12-2137168169Der kurze Traum von der späten Freiheit: Zeitkonflikte älterer Pflegender
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/59
<p>Alltagsweltliche Vorstellungen vom Leben im Ruhestand basieren immer wieder auf der Annahme, endlich mehr Zeit zur freien Verfügung zu haben. Doch wie ist es um die Zeit jener Älterer bestellt, die sich im Ruhestand um einen pflegebedürftigen Angehörigen zu kümmern haben? Der vorliegende Beitrag nimmt sich dieser Personengruppe an und stellt erste Zwischenergebnisse aus einer Studie vor, in der das individuelle Zeithandeln von RuheständlerInnen untersucht wird, die ihre Partnerin bzw. ihren Partner pflegen. Mithilfe zweier kontrastierender Fallanalysen, durchgeführt in Orientierung an der Methodologie der Grounded Theory, wird unter anderem aufgezeigt, mit welchen Zeitkonflikten die pflegenden Angehörigen in ihrem Pflegealltag konfrontiert sind, wie sie damit umgehen und welche Bedeutung dem Geschlecht bzw. geschlechtsspezifischen Rollenverständnissen in der Pflegesituation zukommt.</p>Anne Münch
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2015-12-202015-12-2037170181Überalterungsdiskurs, Solidaritätssemantiken und Alterspolitik in der Schweiz im 20. Jahrhundert – eine Beziehungsgeschichte
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/134
<p>Die Schweiz ist eines der wenigen europäischen Länder, das seine staatliche Altersversicherung im Kontext des Überalterungsdiskurses eingeführt hatte: Erst 1948 stimmte die männliche Stimmbevölkerung der Alters- und Hinterlassenenversicherung zu. Der Artikel zeichnet die Formierung des Überalterungsdiskurses als Krisendiskurs nach und legt dar, wie dieser gesellschaftliche Solidaritätsforderungen popularisierte und einer Alterspolitik auf Bundesebene Vorschub leistete. Ein Vergleich mit der aktuellen Debatte soll zudem aufzeigen, welche unterschiedlichen Verwendungszwecke demografische Krisendiagnosen und -szenarien in der Sozialpolitik haben und welche politiklegitimierende Bedeutung dem Reden über (Generationen)solidarität zukommt.</p>Matthias Ruoss
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2015-12-232015-12-2337182191Demografischer Wandel als gesellschaftliche Krise – Deutsche Alterungsdiskurse der Gegenwart und die wachsende Kritik an deren Demografisierung und Dramatisierung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/68
<p>Unter dem Titel ›Deutschland 2014: der Mensch geht, der Wolf kommt‹ beschrieb Reiner Klingholz am 18.8.2004 in der Financial Times Deutschland ein ›düsteres Szenario‹ verfallender Schwundregionen und der ›Überalterung‹ der gesamten Republik, welche unfähig sei bspw. durch gesteuerte Zuwanderungspolitik zu reagieren. Die Relationen des absurden Vergleichs von zwei sich bis 2014 laut Klingholz verdreifachenden Wolfsrudeln mit vermeintlich um 13% schrumpfenden über 82 Millionen Menschen erscheinen ebenso fragwürdig wie Kassandrarufe von der ›tickenden demografischen Zeitbombe‹. Entgegen der dominierenden massenmedialen Krisenrhetorik nimmt die deutsche Bevölkerung in den letzten Jahren leicht zu – mit inzwischen doppelt so großem Wanderungssaldo wie in der letzten Bevölkerungsprojektion des Statistischen Bundesamts maximal angenommen wurde. Auch wenn Bevölkerungsprojektionen stets auf langfristige Prozesse zielen, zeigen beide Beispiele idealtypisch die seit längerem kritisierte ›Demografisierung‹ (Eva Barlösius). Warum werden Bevölkerungsprojektionen, trotz gegenteiliger Hinweise, in den Medien fast immer als Prognosen rezipiert? Fehlinterpretationen durch Journalist /-innen werden bereits seit längerem von renommierten Demograf/-innen thematisiert. Neu ist jedoch, dass dies bspw. in Bezug auf Fertilitätsmaße durchaus selbstreflexiv stattfindet. Bezüglich einseitiger Anwendung retrospektiver statt prospektiver Altersmaße bzw. chronologischen Alters als Berechnungsgrundlage des sogenannten ›Altenquotienten‹ steht eine derartige Reflexion noch aus, hätte aber fundamentale Konsequenzen. Demografisierung basiert folglich nicht nur auf Missverständnissen: der teilweise problematisch verengte ›formale Kern‹ der Demografie trägt dazu ebenso bei, wie die massenmediale Funktionslogik der Dramatisierung und konkrete politische bzw. ökonomische Interessen. Die Kernergebnisse einer Foucaultschen Diskursanalyse sowohl epistemologischer Grundlagen demografischen Zukunftswissens als auch deren massenmedialer Vermittlung<br /> in über 3.800 Presseartikeln von 2000 bis 2013 verdeutlichen eine demografisch ›legitimierte‹ Gouvernementalität vermeintlich unausweichlicher Sachzwänge. Die Gesellschaft wird bislang einem Krisendiskurs unterworfen, welcher im Hinblick auf seine epistemologischen Grundlagen keinesfalls so sicher und ›objektiv‹ ist, wie oftmals dargestellt.</p>Reinhard Messerschmidt
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2015-12-232015-12-2337192209Berufserfolg und die Planung eines aktiven Ruhestands.
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/18
Der Ruhestand spiegelt sich bereits vor dem Eintritt als individuelle Krisensituation. Er verlangt eine Planung: Man kann sich mehr oder minder anspruchsvolle, alte oder neue Aktivitäten in Auge fassen oder den auferlegten Rückzug ins Privatleben hinnehmen. Zu vermuten ist, dass der Aktivitätsgrad des Geplanten mit dem bisherigen Berufserfolg ansteigt; denn mit beidem wird die Anerkennung anderer erstrebt. Zu vermuten ist weiter, dass der Aktivitätsgrad mit den früheren und aktuellen Freizeitpräferenzen sinkt. Das wird in einer Kohorte von 3240 Gymnasiasten des 10. Schuljahres 1969 im 16. Lebensjahr untersucht, von denen 1301 über ihren Lebensweg im 30., 43. und 56. Lebensjahr und im 56. Lebensjahr über ihre Ruhestandspläne wiederbefragt wurden.<p class="InhaltlicherBericht">Die Aktivität des geplanten Ruhestands wurde als Folge von drei Entscheidungen erhoben: Will man den Beruf fortsetzen oder nicht; wenn nein, will man sich zivilgesellschaftlich engagieren oder nicht; wenn nein, plant man eine produktive (also marktfähige und zertifizierte) oder konsumtive Aktivität. Der Berufserfolg wurde objektiv als Berufsprestige und Einkommen und subjektiv als Einschätzung des bisher Erreichten zu den drei Wiederbefragungszeitpunkten erhoben. Die Freizeitpräferenz wurde als Differenz zwischen den Wertschätzungen von Freizeit und Beruf zu den drei Wiederbefragungszeitpunkten erhoben. Weiterhin wurde die soziale Herkunft, Leistungsfähigkeit und Lebensplanung im 16. Lebensjahr als Prädiktor eingesetzt. Die Planung eines aktiven Ruhestands im 56. Lebensjahr wurde durch den Berufserfolg nicht beeinflusst, aber durch die Freizeitpräferenz vermindert und eine zielorientierte Lebensplanung im 16. Lebensjahr gefördert.</p><p class="InhaltlicherBericht">Der fehlende Einfluss des Berufserfolgs im Lebenslauf auf die Ruhestandsplanung im 56. Lebensjahr deutet darauf, dass der Ruhestand anders geplant wird als die berufliche Laufbahn. Die bis dahin gewahrte Identität tritt zurück. Sie unterliegt keiner Bewährung mehr, aber sie ist als Vergangenheit gegenwärtig. Sie ist eine erste, hintergründige Identität, vor die eine zweite treten kann, ohne durch sie präjudiziert zu sein. Weder werden die Ressourcen und Orientierungen der Herkunft gebraucht noch muss der Faden der bisherigen Lebensgeschichte weitergesponnen werden. Wer eine zweite Identität sucht, erlebt eine „späte Freiheit“ (Rosenmayr).</p>Heiner Meulemann
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2015-12-232015-12-2337210220Gemeinsam interpretieren
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<p>Innerhalb der letzten 20 Jahre sind vermehrt Kommunikationssituationen und Kommunikationsprozesse zum Gegenstand qualitativer Forschungsprojekte erklärt worden. Bemerkenswerterweise wurden die Kommunikationsprozesse in wissenschaftlichen Interpretengruppen bei der Auswertung qualitativer Daten noch nicht hinreichend untersucht.</p><p>Der Beitrag führt ein in das Paradigma des Kommunikativen Konstruktivismus. Zudem wird diskutiert, welche Bedeutung diese wissenschaftsprogrammatische Ausrichtung für die Forschung hat, bevor zum Schluss ein Ausblick auf ein vorbereitetes Forschungsprojekt gegeben wird, indem die Praxis des gemeinsamen interpretierens sowohl wissenssoziologisch als auch psychoanalytisch und kommunikationssoziologisch rekonstruiert und erklärt werden soll.</p>Richard BettmannJo Reichertz
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2015-12-232015-12-233717521756Benachteiligung durch soziale Schließung? Netzwerke, soziales Kapital und geschlechtsspezifische Ungleichheit auf einem projektbasierten Arbeitsmarkt
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<p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">Dass Netzwerke wichtige Erfolgsressourcen insbesondere auf projektbasierten Arbeitsmärkten darstellen, ist in den Sozialwissenschaften ein Thema mit längerer Tradition </span><span style="font-size: medium;">(vgl. Lutter 2013)</span><span style="font-size: medium;">. Weniger klar dagegen ist die Frage, wie sich verschiedene Formen der sozialen Einbettung auf geschlechtsspezifische Erfolgsungleichheiten auswirken. Bisherige Einzelfalluntersuchungen legen nahe, dass Frauen besonders dann benachteiligt sind, wenn Rekrutierungspraktiken in hohem Maße auf informellen und persönlichen Netzwerken beruhen </span><span style="font-size: medium;">(vgl. Grugulis und Stoyanova 2012)</span><span style="font-size: medium;">. Quantitative Längsschnittuntersuchungen, die die Auswirkung verschiedener Sozialkapitalformen auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten systematisch im gesamten Karriereverlauf untersuchen, sind allerdings bisher ausgeblieben </span><span style="font-size: medium;">(Petersen et al. 2000: 772f.)</span><span style="font-size: medium;">. </span></span></p><p><span style="font-family: Times New Roman; font-size: medium;">So fehlt der Nachweis, ob und inwiefern soziale Netzwerkstrukturen tatsächlich einen Einfluss auf ungleiche Erfolgsaussichten nehmen. Diese Lücke soll der Beitrag schließen. Am Beispiel eines projektförmigen und durch informelle Rekrutierung gekennzeichneten „Winner-take-all“-Arbeitsmarktes – der US-Filmbranche – wird argumentiert, dass Frauen besonders dann Benachteiligungen erfahren, wenn sie ihre Karriere häufiger in engmaschigen, stark kohäsiven Teams aufbauen. Dagegen können sie Benachteiligungen deutlich reduzieren, wenn sie sich häufiger in Projektteams bewegen, die sich durch offene Netzwerkstruktur und breitere Erfahrungshintergründe auszeichnen. </span></p><p><span style="font-family: Times New Roman; font-size: medium;">Diese Argumentation bestätigt sich empirisch mittels einer Untersuchung des Einflusses von Sozialkapital auf das kritische Ereignis „Karriereende“ bei US-Schauspielern. Auf Basis von Ereignisdatenanalysen und der Untersuchung vollständiger Karriereprofile von 97.657 US-Filmschauspielern in 1,07 Mio. Engagements in 365.124 Filmproduktionen zwischen den Jahren 1929-2010 zeigt der Beitrag anhand diverser Netzwerkindikatoren zur Messung von Sozialkapital, Teamkohäsion, Kollaborationshäufigkeit, Informationszugang und -vielfalt –, dass kohäsive Netze geschlechtsspezifische Karriereungleichheiten verstärken, während offene Netzwerke Benachteiligungen deutlich reduzieren. Vermutlich stellen der in diesen Netzen höhere Informationsfluss und vor allem die Diversität der geteilten Informationen entscheidende Faktoren dar, die imstande sind, geschlechtstypische Benachteiligungen aufzuheben. </span></p><p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">Insgesamt untersucht der Beitrag damit, inwiefern unterschiedliche Netzwerkformen bzw. Formen sozialer Einbettung Einfluss auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten nehmen. Er untersucht damit sowohl Prozesse der Herstellung und Reproduktion sozialer Ungleichheit – sowie Prozesse ihrer Veränderung. In den Blick genommen wird dabei die bislang noch wenig systematisch berücksichtigte </span><em><span style="font-size: medium;">multiplikative Dynamik sozialer Ungleichheit </span></em><span style="font-size: medium;">(Lutter 2012)</span><span style="font-size: medium;">, die – je nach Kontext – Ungleichheiten verstärken oder abschwächen kann.</span></span></p><p> </p><p><strong><span style="font-family: Times New Roman; font-size: medium;">Literatur</span></strong></p><p> </p><p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">Grugulis, Irena, und Dimitrinka Stoyanova.</span><em></em></span><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">2012. Social Capital and Networks in Film and TV: Jobs for the Boys? </span><em><span style="font-size: medium;">Organization Studies</span></em><span style="font-size: medium;"> 33:1311-1331.</span></span></p><p> </p><p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">Lutter, Mark.</span><em></em><span style="font-size: medium;">2012. Anstieg oder Ausgleich? Die multiplikative Wirkung sozialer Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt für Filmschauspieler. </span><em><span style="font-size: medium;">Zeitschrift für Soziologie</span></em><span style="font-size: medium;"> 41:435-457.</span></span></p><p> </p><p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">Lutter, Mark. 2013. Strukturen ungleichen Erfolgs. Winner-take-all-Konzentrationen und ihre sozialen Entstehungskontexte auf flexiblen Arbeitsmärkten. </span><em><span style="font-size: medium;">Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie</span></em><span style="font-size: medium;"> 65(4): 597-622.</span></span></p><p> </p><p><span style="font-family: Times New Roman; font-size: medium;">Petersen, Trond, Ishak Saporta, und Marc</span><span style="font-size: medium;">‐</span><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">David L. Seidel.</span><em></em></span><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;">2000. Offering a Job: Meritocracy and Social Networks. </span><em><span style="font-size: medium;">American Journal of Sociology</span></em><span style="font-size: medium;"> 106:763-816.</span></span></p><p><span style="font-family: Times New Roman;"><span style="font-size: medium;"><br /></span></span></p>Mark Lutter
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2015-12-232015-12-2337793796Globaler Ernährungswandel zwischen Hunger und Übergewicht – ein ‚Update‘
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/159
<p align="left">Weltweit lässt sich die Ausbreitung von Ernährungsmustern nach westlichem Vorbild feststellen. Der globale Wandel der Ernährungsgewohnheiten steht im Kontext gesellschaftlicher Transformationsprozesse und folgt einem bestimmten Muster: Im Zuge von Verstädterung und wirtschaftlicher Entwicklung sowie der Globalisierung des Ernährungssystems werden traditionelle Ernährungsmuster durch einen urban-industriellen Ernährungsstil abgelöst.</p><p>Die zunehmende Verbreitung ressourcenintensiver Ernährungsgewohnheiten hat nicht nur problematische Implikationen für Ernährungssicherung und Klimawandel. Die tief greifenden Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten haben einen epidemiologischen Wandel mit dramatischen Konsequenzen für den Gesundheitsstatus zur Folge, die öffentliche Gesundheitssysteme weltweit vor neue Herausforderungen stellen: ein massiver Anstieg von Übergewicht und Adipositas und daraus resultierende chronisch-degenerative Erkrankungen. Besonders betroffen sind Schwellen- und Entwicklungsländer, die schnellen Transformationen unterworfen sind und in denen der Einfluss der Globalisierung des Lebensmittelmarktes auf die Ernährungsgewohnheiten verstärkt wirksam wird. Ihre Gesundheitssysteme müssen neben dem noch nicht gelösten Problem von Hunger und Unterernährung gleichzeitig auch mit dem rapiden Anstieg von Überernährung und Übergewicht umgehen, ein Problem von dem Frauen, die in ihrer Kindheit extremem Nahrungsmangel ausgesetzt waren in besonderen Maße betroffen sind.</p>Regine RehaagFrank Waskow
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2015-12-232015-12-2337410428Routine – Kontingenz – Reflexivität: Warum Praxistheorien nicht ohne ein Konzept der Subjektivierung auskommen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/17
<p>Die Engführung von Praktiken auf die routinehafte Reproduktion des Sozialen ist, so unsere Ausgangsthese, das Konstrukt einer „Theaterperspektive“ (Bourdieu) auf soziales Geschehen, mit dem der Anspruch der Praxistheorien, eine Soziologie jenseits von Strukturalismus und Handlungstheorie zu formulieren, nicht eingelöst wird. Denn „Struktur“ und „Handeln“ sind nicht gleichzeitig und in gleicher Weise zu beobachten: Strukturen können ausschließlich im Nachhinein identifiziert werden. Gegenwärtiges Geschehen gehört hingegen zu einer kontingenten, im Werden begriffenen Wirklichkeit, in der Ereignisse und Erfahrungen auftauchen, deren Möglichkeit nicht in den rekonstruierten Strukturen enthalten war und die sich deshalb auch nicht im Rekurs auf diese Muster erklären lässt. Entsprechend koexistieren in der praxistheoretischen Debatte zwei analytisch zu unterscheidende Sichtweisen: Während Akteure in der einen Perspektive auf bloße Vollzugsorgane sie „rekrutierender“ Praktiken reduziert werden, denen lediglich die Funktion zukommt, Praktiken routinehaft am Laufen zu halten, neigt die andere Perspektive dazu, ein präpraktisches Subjekt vorauszusetzen, um die Vollzugsoffenheit der Praxis überhaupt denken zu können. Zur Überwindung dieser Polarisierung ist es nötig, die Ausformung sozialer Ordnungen und ihrer „Akteure“ als einen ko-konstitutiven Verweisungszusammenhang zu begreifen.</p>Da es sich bei Praxiskonzeptionen um Beobachtungskonstrukte handelt, bleiben Praxisverständnis und Beobachterperspektive wechselseitig aufeinander verwiesen. Im Anschluss daran schlagen wir eine <em>Methode systematischer Perspektivwechsel</em> vor, um sowohl die Strukturierungen des Handelns und der „Einstellungen“ der Agierenden als auch die kontingente (interaktive) Entfaltung von Praxis durch sich darin selbst bildende „Handlungssubjekte“ in den Blick zu bringen. So sollen Konzepte praktischer Teilnahmebefähigung ausgelotet werden, um zu zeigen, dass „Akteure“ erst in ihrer Teilnahme an Praktiken zu Trägern von Fähigkeiten werden und sich zu solchen machen. Es wird deutlich, dass der Status als kompetentes Teilnehmersubjekt von Akten der Anerkennung abhängig ist, in die je spezifische normative Erwartungen eingefaltet sind. Um ihre von Spannungen und Widersprüchen gekennzeichnete Ambivalenz zwischen Aktivität und Passivität, Anpassung und Eigensinn, Routine und Reflexivität in den Blick zu bekommen, beobachten wir diese Vorgänge als Prozesse der <em>Subjektivierung</em> und <em>Selbst-Bildung</em>.Nikolaus BuschmannThomas AlkemeyerMatthias Michaeler
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2015-12-152015-12-153713961407Forever Young? Die besondere Dynamik der Praxisformation des Rock und Pop
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/153
Die Gegenwartsgesellschaft ist in ihren Ausdrucksformen und Alltagskulturen durch die Wirkmächtigkeit populärer Rock- und Popmusik gekennzeichnet. Neben Praxisformen, in denen das Musikerleben im Vordergrund steht, wie etwa beim Musizieren oder bei Konzerten und Festivals, spielt Rock und Popmusik auch in vielen Bereichen des Alltagslebens, etwa beim Einkaufen oder beim Sport, eine wichtige Rolle. Trotz des bedeutenden Stellenwerts, den Rock- und Popmusik im alltäglichen Leben einnimmt, ist soziologisch weitgehend unerforscht, welche materiellen Voraussetzungen, situativen Ereignisse, Routinen und spezifische Dynamiken diese Entwicklung ermöglicht haben und bis heute ermöglichen. Mittels eines praxisanalytischen Forschungszugangs wird in diesem Beitrag somit der Frage nachgegangen, wie es kommt, dass die relativ junge Praxisformation des Rock und Pop zu einem zentralen Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens geworden ist.Anna DanielFrank HillebrandtFranka Schäfer
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2015-12-212015-12-213714081418Dynamik und Statik von Praktiken
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/180
Wie lassen sich dynamische und statische Aspekte von Sozialität in einem (praxeologischen) Ansatz fassen? Diese Frage beinhaltet eine besondere theoretische und methodologische Herausforderung, weil sie zwei zunächst gegensätzliche Phänomene aufgreift. Mein Beitrag widmet sich dieser Herausforderung anhand eines spezifischen empirischen Falles, der Flugreise. Sie steht in besonderer Weise sowohl für sozialen Wandel als auch für routinehafte Reproduktion von Sozialität: Einerseits beruhen Flugreisen auf kontinuierlichen technischen und mobilitätspraktischen Veränderungen, etwa die ständige Erneuerung der Möglichkeiten des Eincheckens und der Handhabung von Flugtickets. Andererseits sind es auch hier Routinen und implizites Wissen, die den lückenlosen Ablauf der eng getakteten Flüge garantieren. Der Beitrag zielt also auf die empirische Exploration eines theoretischen Problems ab. Er fragt, wie in diesem spezifischen Fall routinehafte Reproduktion und ständiger Wandel nicht nur nebeneinander und gleichzeitig stattfinden, sondern auch praktisch ineinandergreifen.Larissa Schindler
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2015-12-232015-12-233714191427Das ist mein Körper! Intergeschlechtliche Körper zwischen Krise und Emanzipation
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/53
Intergeschlechtliche Körper zwischen Krise und EmanzipationAnja Gregor
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2015-12-232015-12-2337338347Körper in "anderen Umständen" - Schwangerschaft und Praktiken der Vergeschlechtlichung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/162
<p>Der Beitrag thematisiert Schwangerschaft als eine gravierende Umbruchphase in der Lebensgeschichte vieler Frauen. Insbesondere die erste Schwangerschaft geht mit Verunsicherungen einher, die auch mit Veränderungen eines nun schwangeren Leibs und Körpers zu tun haben. Das Denken-wie-üblich gerät in eine Krise. Auf der Grundlage empirischen Materials wird nachgezeichnet, wie aufgrund körperlicher Veränderungen zunächst Verunsicherungen und der Verdacht einer Schwangerschaft entstehen und der Körper in eine Krise gerät, bis diese dann beim Feststellen der Schwangerschaft schrittweise normalisiert wird. Dennoch bleibt der Körper in einer Übergangsphase und in einem Ausnahmezustand, der veränderter Verhaltensweisen (z.B. Wissensaneignung, Körperpflege), bestimmter Verhaltensvorschriften (z.B. Ernährungs- und Bewegungsverbote), medizinischer Kontrolle und auch psychosozialer Auseinandersetzungen bedarf. Der Körper wird für das Selbstkonzept der werdenden Mütter bedeutsam, denn er symbolisiert das Werden sichtbar und unsichtbar.</p><p>Schwangerschaft als Leib-Körper-biographisches Schlüsselerlebnis geht mit vielfältigen Praktiken der Vergeschlechtlichung einher. Dies betrifft die Wissensaneignung, bei der auf vergeschlechtlichte Wissensvorräte zurückgegriffen wird; dies betrifft ebenso geschlechternormierte und -normierende (Körper-)Vorschriften, die sich an die Frauen als verantwortungsvolle Mütter richten. In vergeschlechtlichte und vergeschlechtlichende Praktiken sind aber auch die Partnerschaft und die Vorstellungen von Schwangerschaft und Elternschaft mit einem männlichen oder weiblichen Kind eingebunden. Der Beitrag zeichnet nach, wie Frauen ihren schwangeren Körper erleben und bearbeiten, wie sie ihre Schwangerschaft erfahren und wie dabei Praktiken der Vergeschlechtlichung bedeutsam sind. Schwangerschaft gilt im Alltagswissen unhinterfragt als das „Natürlichste“ und das „Weiblichste“ der Welt. Nicht selten sind damit implizit Geschlechterhierarchien und Unterwerfungslogiken gemeint, mit denen Frauen in der Schwangerschaft mehr als je zuvor konfrontiert sind.</p>Yvonne Niekrenz
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2015-12-232015-12-2337348354Professionalisierung lebensweltlicher Krisen durch Technik? Zur Betreuung demenziell erkrankter Personen mittels sozial assistiver Robotik
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/165
<p>Vor dem Hintergrund unseres Interesses an sozio-technischen Pflege-Arrangements untersuchen wir, wie ‚sozial assistive’ Roboter in der stationären Altenpflege bzw. -betreuung und hier insbesondere bei demenziell erkrankten Personen eingesetzt wird. Hierfür führen wir eine ethnographische Langzeitforschung in einem Altenpflegezentrum eines kirchlichen Trägers durch, in dem aktuell zwei Exemplare dieses Roboters zum Einsatz kommen. Eingesetzt werden sie hier ausschließlich von „zusätzlichen Betreuungskräften“ nach § 87b Abs. 3 SGB XI zur. Unser Anliegen ist es aufzuzeigen, wie diese Betreuungskräfte das Gerät in ihrer professionellen Praxis der Aktivierung von Heimbewohnern mit Demenz einsetzen, d.h. welche Performanz mit dieser besondere Art von Technik einhergeht. Dabei konnten wir zwei Varianten beobachten: im Fall einer „alterity relation“ agiert die Betreuerin als Teilnehmerin (des Gesprächs mit der Bewohnerin und dem Roboter). Im zweiten Fall einer „hermeneutics relation“ zwischen Mensch und Technik agiert die Betreuerin als Beobachterin (des Umgangs der Bewohnerin mit dem Roboter). Aus letzterer Verwendung in Kombination mit der Eigenart der Technik wird performativ ein relativ beständiger Kommunikationszeitraum aufspannt. Unsere Frage lautet, ob die derzeit von gering qualifizierten Zusatzkräften ausgeführten Betreuungs- und Aktivierungsmaßnahmen durch derlei technische Artefakte einen Professionalisierungsschub und die typischerweise damit einhergehende Aufwertung erfahren.</p>Michaela PfadenhauerChristoph Dukat
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2015-12-222015-12-2237645649Soziale Sensibilität und Habitussensibilität. Inszenierungspotentiale und gesellschaftliche Bewertung einer neuen ‚Qualität‘ professionellen Handelns
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/38
<p>Seit einiger Zeit erheben professionelle Gruppen vermehrt den (Selbst-)Anspruch, ihren Klient/-innen gegenüber sozial sensibel zu agieren. Demzufolge bringen sie eine additive Qualität in die stellvertretende Deutung der fallbasierten Problemlage ein. Eine solch allgemeine Abstellung auf soziale Sensibilität erschöpft sich jedoch oftmals in der Bezugnahme auf die soziale Lage – eine verengende Perspektive des 'Sozialen', die kaum etwas über die 'eigensinnigen' Erwartungshaltungen der Klient/-innen aussagt.</p><p>Die erst neuerdings verstärkt postulierte Orientierung an der Lebenswelt der Klient/-innen stellt einen besonderen Typ sozial sensiblen Handelns dar. Schließlich sollen hierbei die gesamte Alltagskultur oder gar die im Habitus sedimentierten Handlungsdispositionen explizit einbezogen werden. Eine derartige Klient/-innendifferenzierung zieht Konsequenzen für unterschiedlichste Bereiche der professionellen Interaktion nach sich; zugleich tritt damit das Problem der 'Bewältigung' eines solchen additiven professionellen Handlungswissens innerhalb der professionellen Handlungsroutinen auf.</p><p>Ferner stellen sich Fragen nach dem Verhältnis von Selbstanspruch und Fremdanspruch dieser vergleichsweise neuen Qualität professionellen Handelns. Zum einen sind die Motive des Selbstanspruchs einer Analyse zu unterziehen: So können sie einer eher intrinsischen Basis entspringen, also als genuine Verbesserung der professionellen Leistung (an)erkannt worden sein, oder bzw. und als strategisches Mittel zur Legitimation beruflicher Aufwertungsambitionen fungieren. Zum anderen wird ein verstärkt sozial sensibles Handeln in professionellen Arbeitskontexten vermehrt auch von außen an bestimmte berufliche Formationen herangetragen.</p>Tobias SanderJan Weckwerth
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2015-12-202015-12-2037633644Long-Term Unemployment Risks in Europe
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/22
This article discusses the changing social distribution of unemployment and long-term unemployment risks during the current financial and economic crisis. These risks are interpreted as the result of three different, overlapping forms of labour market segmentation: firstly, the institutionally stabilised polarisation between labour market insiders and outsiders; secondly, the occupational dualisation of high and low-skilled employees and occupations; and thirdly, the marginalisation of disadvantaged social groups. On the basis of EU-SILC data for 2012, it can be shown that long-term unemployment risks are especially high for low-skilled persons and occupations, single parents, migrants, and ill persons. This can be interpreted as an indicator for the occupational and social dualisation of labour markets espeically in the current crisis.Martin Heidenreich
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2016-05-162016-05-1637734746Führt die Bewältigung konjunktureller Krisen anhand von Recalls zu persönlichen Krisen?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/182
Im Beitrag wird die Frage behandelt, inwiefern Betriebsaustritte mit späterer Wiederbeschäftigung (Recalls) auf der Seite der Betriebe als monetäre Strategie zur Bewältigung konjunktureller Krisen verstanden werden können, und ob diese Krisenbewältigung auf der Seite der Beschäftigten erwerbsbiografische Krisen auslöst. Hierzu werden die betrieblichen Ursachen von Recalls, ihre Auswirkungen auf das Einkommen der Arbeitnehmer/-innen und die Selbstwahrnehmung der Recall-Beschäftigten untersucht. Im Ergebnis zeigt sich, dass Recalls seitens der Betriebe zur Bewältigung konjunktureller Krisen genutzt werden und zur Verlagerung von Krisenkosten auf die Beschäftigten führen, jedoch bei den Beschäftigten keine persönlichen Krisen auslösen, sondern stattdessen Anerkennungskrisen lindern. Dabei ist noch weiter theoretisch wie empirisch zu klären, inwieweit es das Anerkennungsstreben von Arbeitnehmer/-innen ist, das Recalls als Flexibilisierungsstrategie überhaupt ermöglicht.Andrea HenseDaniela Schiek
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2015-12-232015-12-2337747757Statusunsicherheit bei Eltern in der Mittelschicht?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/160
<p>Der Beitrag beschäftigt sich mit dem Ausmaß an Förderaktivitäten von Mittelschichteltern acht- und zehnjähriger Kinder und wie stark bei diesen Bemühungen Statusmotive wirken und entsprechend rhetorisch präsentiert werden. Anlass für die methoden-integrative Untersuchung war das vermutete, aus sozialen Veränderungen resultierende, verstärkte Bedürfnis von Mittelschichtangehörigen nach einerseits Statuserhalt und andererseits Distinktion gegenüber Angehörigen unterer Schichten und denjenigen in gleicher sozialer Lage.</p><p>Befunde aus qualitativen (berufs)biographischen Leitfadeninterviews mit Mittelschichtangehörigen zeigen neben einer offensiven Darstellung von Förderaktivitäten ebenfalls rhetorisch abgeschwächte Ausführungen von vergleichbaren Bildungsbemühungen. Eine Sekundäranalyse mit aktuellen Umfragedaten (FiD - Familie in Deutschland/Sozio-ökonomisches Panel) bestätigt zunächst hohe Förderaktivitäten von Eltern in der Mittelschicht sowie eine Statusunsicherheit, u.a. gemessen an der Sorge um die wirtschaftliche Zukunft des Kindes. Weiterhin deutet der Befund, dass die Bildungsaspirationen der Eltern nicht in ähnlichem Umfang gestiegen sind wie deren Förderaktivitäten, darauf hin, dass größere Bemühungen notwendig sind, um das gleiche Bildungs- bzw. Statusziel zu erreichen. Die bisherige Analyse hat jedoch auch aufgezeigt, dass weitere Indikatoren notwendig sind, damit die unterschiedliche (offensive) Darstellung von solchen Bemühungen, wie sie in den Interviews herausgestellt werden konnte, auch standardisiert erfasst werden kann.</p>Silke Kohrs
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2015-12-232015-12-2337758770Film als Krisenmedium. Die Verarbeitung sozialer Krisenerfahrungen im Medium fiktionaler Narrative
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/60
Soziale Konflikt- und Krisenerfahrungen greifen tiefgreifend in die Alltagsrealität und in die Ordnungsroutinen von Gesellschaft ein. Spätestens seit den Anschlägen vom 09. September 2001 hat sich daran in den Sozialwissenschaften ein expliziter Diskurs um die Genese und Bedeutung sozialer Traumata angeschlossen. In diesem Zusammenhang kommt in der Öffentlichkeit präsenten, eindeutig fiktional gehaltenen Narrativen eine bedeutsame Rolle zu. Mittels solcher Narrative erfolgt eine Rationalisierung exemplarischer Krisenerfahrungen im Medium fiktionalisierter Konfliktlagen. Das dabei performativ aktivierte soziale Imaginäre spielt in mimetischer Weise die Erfahrung solcher Krisenlagen durch und fiktionalisiert diese auch selbst. Im Zuge einer medial vermittelten Fiktionalisierung von Konflikten geht es daher wesentlich um die Bearbeitung gesellschaftlich relevanter Themen über kulturelle Medien und deren Einspeisung in einen allgemeinen öffentlichen Diskurs. Zweitens werden auf exemplarische Weise bestimmte Thematiken verallgemeinert. Drittens kommt fiktionalen Narrativen eine nicht unerhebliche Repräsentationsfunktion zu, da sich innerhalb der Fiktionalisierung etwas aufhebt, das über die je spezifische Krisenerfahrung hinausgeht. Der Zugriff einer realitätsmimetischen Fiktionalisierung wirkt historisierend, indem er uneindeutige oder nicht hinreichend bekannte krisenhafte Ereignisse der Vergangenheit einer Masterlesart für die Gegenwart unterwirft. Bekanntlich konstituiert sich soziale Gegenwart wesentlich aus den Erfahrungen und aus dem Wissen der Vergangenheit heraus. Nicht nur chronologisch, auch symbolisch, epistemologisch und kultursemantisch stellt die Vergangenheit die Determinante dessen dar, was als immer spezifisch ausgedeutete Gegenwart erlebt wird. Selbst wenn dies modern durch die Antizipation der Zukunft ergänzt wird, stellt doch nach wie vor die diskursive Besetzung der Vergangenheit das entscheidende Reservoir eines gesellschaftlichen Realitätszugangs dar. Der Vortrag wird sich dem Zugriff einer realitätsmimetischen Verarbeitung gesellschaftlicher Krisenerfahrungen anhand eines exemplarischen Beispiels für die kulturelle und soziale Leistung fiktionaler Narrationen zuwenden. Insbesondere diese Kompetenz im Rahmen medialer Fiktionalisierungen ist für das Gelingen einer (Wieder-)Herstellung sozialer Normalität und ihrer Ordnungssysteme essentiell, da hier Vergegenwärtigungen dessen angeboten werden, wie etwas sich hätte darstellen oder ablaufen können. Gleichzeitig sorgt die öffentlich mediale Vermittlung jener imaginativen Variante aber auch für eine Vereinheitlichung der imaginären Erfahrung der verhandelten Krisenlage und trägt somit dazu bei, a posteriori eine allgemein geteilte Erfahrung spezifischer sozialer Krisenerfahrungen im Sinne einer Ikonologie der Gesellschaft zu ermöglichen. Das genuin fiktionale Narrativ übersetzt sich daher, indem das verhandelte Motiv mit Blick auf dessen realistische Inszenierung so hätte gewesen sein können, und es massenhaft rezipiert wird, in eine Sekundärerfahrung von Realität, die soziale Realität als geteilte Erfahrung wiederum generiert. Der Artikel untersucht diesen Zusammenhang am Beispiel von K. Bigelows Spielfilm <em>Zero Dark Thirty</em> (USA 2012). Mit seiner Narration von der Verfolgung, Ortung und Liquidierung Osama bin Ladens füllt dieser Film eine bedeutende Lücke hinsichtlich der allgemeinen Erfahrung einer zentralen gesellschaftlichen Traumatisierung der Gegenwart.Jörn Ahrens
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2015-12-232015-12-23375260Die Krise der wissenschaftlichen Routine: Computer-Simulationen zu Kuhns „Structure of Scientific Revolutions“
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/95
Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Wandel der jeweils zentralen Erkenntnis leitenden Prinzipien einer wissenschaftlichen Gemeinschaft, die von Thomas Kuhn in seinem berühmten Buch „The Structure of Scientific Revolutions“ (1962) als Sequenz von temporär dominierenden Paradigmen beschrieben worden ist. Auf der Grundlage der evolutionären Spieltheorie wird zu diesem Zweck ein Modell der Paradigmen-Konkurrenz entwickelt, welches ermöglicht, nicht nur die revolutionäre Abfolge von sequentiellen Paradigmen sondern auch die Entstehung von multiparadigmatischen Situationen auf dem Computer zu simulieren. Die Ergebnisse dieser Simulationen sind unter anderem vom Grad der Abnützung der konkurrierenden Paradigmen abhängig sowie von der Toleranz gegenüber fremden Wissenschaftskonzeptionen durch die Gutachter/-innen von Publikationen und Forschungsprojekten. Die von Kuhn beschriebene revolutionäre Abfolge von Paradigmen erweist sich dabei als Spezialfall, bei welchem sich die Träger/-innen von verbrauchten älteren Wissenschaftskonzeptionen durch tiefe Toleranz gegenüber neuen Paradigmen auszeichnen. Weitaus wahrscheinlicher ist gemäß unseren Simulationen indessen die Entstehung von multiparadigmatischen Situationen, welche auch in den Sozialwissenschaften de facto recht häufig zu beobachten sind.Georg P. Mueller
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2015-12-232015-12-2337572582Zur ‚Krise der Intellektuellen‘ – von alten und neuen Propheten
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/133
<p>Der diagnostizierten ‚Krise der Intellektuellen‘, so die These dieses Beitrags, lässt sich mit einer relationalen Konstruktion von Kritik und Intervention begegnen. Die Etablierung charismatischer Persönlichkeiten, ausgerufen etwa in den Bestsellerlisten der Feuilletons, hat an Stabilität und gesamtgesellschaftlicher Strahlkraft verloren. Dennoch ist Intellektualität keineswegs verschwunden: Sie wird prinzipiell immer dann sichtbar, wenn aus einem partikularen Feld kultureller Produktion heraus im Namen allgemeiner Autorität – etwa der Moral, Logik, Ästhetik – in einem anderen Feld eingegriffen wird.</p><p>Für einen empirischen Zugang zur historischen Veränderung der Praktiken kritischer Intervention bietet sich der Fokus auf die Konstitution spezifischer Problemwahrnehmungen an. So lässt sich die Hervorbringung von Intellektualität (oder allgemeiner:) kritischer Intervention aus jeweils erfolgreichen Geltungsansprüchen rekonstruieren. Max Webers Unterscheidung zwischen Propheten und Priestern sowie sein Verweis auf deren relative Abhängigkeit von Laien dient dabei als theoretischer Bezugsrahmen zur Bildung idealtypischer Strategien der Intervention. Die kulturelle Autorität – die zuvor Intellektuellen zugeschrieben wurde – wird so zu einer umkämpften Ressource. Dazu kann Pierre Bourdieus Konzeption des <em>Feldes der Macht</em> herangezogen werden: Indem analysiert wird, aus welchen Feldern heraus von wem in andere eingegriffen werden kann, wird Intervention als Resultat erfolgreicher Positionierungsstrategien verstanden. Die Dominanz bestimmter Formen der Intervention und dazu korrespondierende Sozialfiguren – wie die des Intellektuellen der Nachkriegszeit – erscheint vor diesem Hintergrund als Ergebnis der Kräfteverhältnisse in und zwischen sozialen Feldern. Die Soziologie der Intellektuellen ist Geschichte, ihr Ansatz bietet aber nach wie vor produktive Einsichten für die Analyse der strukturellen Bedingungen gesellschaftlich legitimer und wirkmächtiger Positionen der Kritik. </p>Alexander HirschfeldVincent Gengnagel
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2015-12-232015-12-233714591468Personalisierung oder Entpersonalisierung? Ein sozialtheoretischer Ansatz zur Analyse von Intellektuellen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/12
Neuere Beiträge zur Intellektuellenkategorie (Gil Eyal und Larissa Buchholz, Müller-Doohm und Mitarbeiterinnen) plädieren dafür, sich von den großen intellektuellen Persönlichkeiten zu verabschieden und stattdessen die Struktur intellektueller Debatten und Interventionen zu analysieren. Der Beitrag legt dar, dass diese Zugangsweise von Gramsci bis Foucault schon lange erprobt wurde, belegt Inkonsequenzen in den neueren Ansätzen und argumentiert dafür, den Personalisierungsgrad intellektueller Praxis selbst als historisch-sozial variabel zu begreifen. Erst so werden verschiedene Typen von Intellektuellen unterscheidbar und die Beteiligten selbst als Katalysatoren geschichtlicher Erfahrung begreifbar.Tilman ReitzSusanne Martin
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2015-12-232015-12-233714691474Intellektuelle zwischen Partei, Bewegung und Elfenbeinturm: Parteiintellektuelle
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/107
Der Begriff des "Parteiintellektuellen" ist ein höchst widersprüchlicher, zielt er doch vornehmlich auf Persönlichkeiten ab, deren intellektuelle Freiheit innerhalb ideologischer Dogmen und eines festgefügten, hierarchisch strukturierten Apparats begrenzt ist. Auch in Parteien parlamentarischer Demokratien finden sich Politiker, denen, oft verächtlich, der Status des "Parteiintellektuellen" zugeschrieben wird. Der Vortrag fokussiert die Arbeit von Erhard Eppler (SPD), Peter Glotz (SPD), Kurt Biedenkopf (CDU) und Heiner Geißler (CDU) zwischen dem Ende des Nachkriegsbooms und der Jahrhundertwende. Die Hauptfragestellungen dabei: Warum erschien dieser Typ Politiker relativ zeitgleich in beiden großen Parteien und warum verschwand er fast ebenso synchron etwa zwanzig Jahre später? Was war seine Funktion?Lars Tschirschwitz
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2015-12-232015-12-233714751484Demokratischer Experimentalismus in transnationalen Wertschöpfungskollektiven. Über einige Herausforderungen des ethischen Konsums und den Fall Elektroschrott
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/170
Das vorliegende Arbeitspapier bezieht das Konzept der Demokratie theoretisch und anhand eines Fallbeispiels auf eine transnationale, höchst interdependente Konsumgesellschaft. Demokratie wird als ein <em>kollektives</em> Streben verstanden, Probleme zu lösen und Konflikte zu regeln. Unsere Annahme lautet, dass eine <em>experimentalistische</em> Perspektive auf die Demokratie zu bevorzugen ist, d.h. eine Demokratie, die sich basierend auf den <em>spezifischen</em> Gegebenheiten eines Problems neuorganisieren kann. Neue Reichweiten für den ethischen Konsum werden dabei adressiert. <br /><br /> Im ersten Teil führen wir das theoretische Modell des <em>demokratischen Experimentalismus </em>ein (Lamla 2013). Diese Heuristik muss allerdings vor dem Hintergrund der <em>transnationalen</em> Konsumgesellschaft weiterentwickelt werden. Im zweiten Teil wird diese Herausforderung am Beispiel der Wertschöpfung von <em>Elektroschrott</em> vorgestellt und vertieft. Im Anschluss an die Wertschöpfungskettenforschung entwickeln wir den Begriff des <em>transnationalen Wertschöpfungskollektivs</em>. Mit einem besonderen Blick auf die Neuausrichtung des Recycling In Indien werden dazu Konflikte über die „richtige“ Methode im Umgang mit Elektroschrott vorgestellt, die vor dem Hintergrund eines globalen Diskurses anhand eines lokalen Gesetzes entfacht sind. Am Ende führt uns der demokratische Experimentalismus zu einer Situation, in der wir – als Europäer – unsere Rolle in der Welt reflektieren müssen. Wir zeichnen dazu nach, wie eine implizit und explizit ungleiche Behandlung in der Aushandlung vielversprechende, alternative indische Recyclingpraktiken aus der Wertschöpfung verdrängt hat. "Unser" europäisch-amerikanisches Nachhaltigkeitsmodell erweist sich als ein kräftiger Hebel, der hingegen nicht bei einer kreativ-offenen Lösungssuche ansetzt.Stefan LaserJörn Lamla
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2015-12-232015-12-233714291439Konstruktion und Verwertungslogik sozialer Krisen - dargestellt an der öffentlichen Diskussion über Gesundheit und Fitness von Kindern und Jugendlichen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/27
<p>Die Konstruktion tatsächlicher oder vermeintlicher sozialer Probleme und ihre Etikettierung als Krise folgen regelmäßigen Mustern und verlaufen nicht selten interessengeleitet. Sowohl die Entstehung als auch der Verlauf derartiger sozialer Probleme inklusive der daraus resultierenden Konsequenzen verdienen besondere Aufmerksamkeit. Am Beispiel der öffentlich diskutierten Thematik des zunehmenden Übergewichts und des Bewegungsmangels von Kindern und Jugendlichen sollen diese Konstruktionsmuster untersucht und diskutiert werden. Gesundheit und körperliche Fitness von Heranwachsenden scheinen durch zahlreiche Entwicklungen bedroht zu sein. Für verschiedene Akteure eröffnen sich dadurch vielfältige Anschlussmöglichkeiten für Einkommens- und Aufmerksamkeitschancen, und zwar ungeachtet der noch ausstehenden Antwort auf die Frage, ob diese Bedrohung real existiert oder lediglich eine Konstruktion sozialer Probleme durch Medien und moralische Unternehmer ist. Die sowohl massenmedial als auch durch sportwissenschaftliche Fachvertreter kommunizierten krisenhaften Entwicklungen dienen als rhetorische Legitimationsfigur für die von Gesundheitspolitik und organisiertem Sport behauptete Notwendigkeit eines zu ändernden individuellen Umgangs mit dem Körper. Dieser geänderte Umgang hat das Ziel, das Problem der als unzureichend bewerteten körperlichen Leistungsfähigkeit und der damit wahrscheinlich verknüpften Gesundheitsgefährdung zu bearbeiten und soll so zur Herstellung des Kollektivgutes Gesundheit beitragen.</p><p>Im Beitrag wird zunächst der Frage nachgegangen, welche Mechanismen die Etablierung einer sozialen Krise begünstigen. Danach wird untersucht, inwieweit Forschungsbemühungen in diesem Feld durch außerwissenschaftliche Impulse (insbesondere durch den öffentlichen Diskurs) beeinflusst werden. Dabei ist auch zu untersuchen, inwieweit Akteure der kulturellen Sphäre der Wissenschaft, die dem Leitwert der Annäherung an die Wahrheit in besonderer Weise verpflichtet ist, dem Druck derartiger Problemkonstruktionen erliegen oder sogar den Handlungsdruck für die Problembearbeitung verstärken.</p>Markus KleinEike EmrichWerner Pitsch
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2015-12-232015-12-2337780791Der Normallebenslauf als Auslaufmodell? Zur Differenzierung und Destandardisierung von Erwerbsverläufen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/66
<p>Der Beitrag untersucht den Wandel von Erwerbsverläufen mit einem neuartigen methodischen Ansatz. Zentrale Konzepte der Sequenzmusteranalyse werden, abweichend von bisherigen deskriptiven Ansätzen, in ein Regressionsmodell integriert. Konkret werden die Konzepte <em>Differenzierung</em>, definiert als zunehmende Komplexität der individuellen Verläufe und <em>Destandardisierung</em>, definiert als zunehmende Distanz von einem Referenzverlauf, unterschieden. Der Beitrag untersucht, inwiefern eine Beziehung zwischen den beiden Konzepten besteht und ob sich in der Abfolge der Geburtsjahrgänge eine Veränderung ergibt.</p><p>Als Datenbasis dienen die in der Studie „Altersvorsorge in Deutschland“ erhobenen Er-werbsverläufe, die um die Lebenslaufdaten der Nacherhebung „Individuelle Altersvorsorge“ ergänzt wurden. Damit liegen für die Geburtsjahrgänge 1942 bis 1961 valide, monatsgenaue Längsschnittdaten vom Zeitpunkt des 15. Geburtstags bis in das Jahr 2009 vor. In dem Beitrag werden die Erwerbsverläufe westdeutscher Männer untersucht, da die Idealfigur des Normallebenslaufs in erster Linie von ihnen gelebt wird.</p>Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass der Versuch, Konzepte aus der Sequenzdatenanalyse nicht nur explorativ sondern in einem analytischen Zusammenhang zu verwenden, vielversprechend ist. Jüngere Männer weisen tendenziell höhere Komplexitätswerte und größere Distanzen zum Referenzverlauf auf als ältere. Weiterhin zeigt sich, dass Destandardisierung und Differenzierung eng zusammenhängen, als Konstrukte jedoch nicht deckungsgleich sind. Sie beleuchten vielmehr unterschiedliche Aspekte des Wandels von Erwerbsverläufen. Es scheint, als ob ein Teil der bislang uneinheitlichen Befunde in diesem Gebiet darauf zurückzuführen ist, dass die verschiedenen Konzepte in der Analyse nicht immer trennscharf abgegrenzt werden können.Dina Frommert
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2015-12-222015-12-2237509519Dyadische Modellierung regionaler Arbeitsmarktmobilität
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/65
Mit diesem Beitrag wird eine dyadische Konzeptionalisierung des Entscheidungsprozesses räumlicher Mobilität vorgeschlagen, welche die partnerschaftliche Einbettung der handelnden Akteure im Haushaltskontext explizit berücksichtigt. Zugleich wird im Sinne des Mehrstufenansatzes räumlicher Mobilität zwischen akteursspezifischen Mobilitätsdispositionen und deren tatsächlichen Umsetzung unterschieden. Die gemeinsame Betrachtung der am Entscheidungsprozess beteiligten Akteure in einem zweistufigen Entscheidungsmodell ermöglicht dabei sowohl die Spezifizierung von Partnereffekten auf der Ebene von Mobilitätsdispositionen als auch die Bestimmung des relativen Entscheidungsgewichts auf der zweiten Entscheidungsstufe. Die formale Umsetzung des dyadischen Entscheidungsmodells erfolgt in Form eines multivariaten Probit Modells mit nicht-linearen Parameterrestriktionen. Erste empirische Ergebnisse verdeutlichen, dass die erweiterte Einbeziehung partnerbezogener Merkmale einen bedeutsamen Erklärungsbeitrag im Rahmen der Modellierung regionaler Arbeitsmarktmobilität leisten kann.Petra SteinChristoph Kern
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2015-12-222015-12-2237520531Soziale Netzwerke in gemeinschaftlichen Wohnprojekten
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/175
Gemeinschaftliche Wohnprojekte – als eine zwischen Gemeinschaft und Individualität angesiedelte Wohn- und Lebensform – entstehen in Deutschland verstärkt seit den 1970er Jahren und haben in den letzten Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen. In einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt schließen sich Personen aus mehreren Haushalten zu einer Gemeinschaft zusammen. Hauptzielgruppen dieser Wohnform sind ältere Menschen - primär allein lebende Frauen - sowie junge Familien. In diesem Beitrag wird die Gestaltung der sozialen Beziehungen und die Einbindung der Bewohner/-innen in ihre Gemeinschaft im Hinblick auf Freundschaften und den Austausch sozialer Unterstützung beleuchtet. Darüber lässt sich herausarbeiten, welchen (Mehr)Wert das Leben im Wohnprojekt den Bewohnerinnen und Bewohnern bietet, im Sinne von aktivierbarem Sozialkapital.Christine Philippsen
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2015-12-232015-12-2337317328Familie als Netzwerk? Hilfen jenseits von Haushaltsgrenzen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/98
<p>Die viel thematisierte und diskutierte „Krise der Familie“ hat zahlreiche Gesichter. Angehörige, so wird behauptet, gehen verstärkt eigene Wege, ein verlässlicher Zusammenhalt sei kaum erkennbar, Partner trennen sich, Eltern und Kinder stünden entweder in permanentem Konflikt oder hätten sich nichts mehr zu sagen. Dies gilt besonders für Familienverhältnisse, die durch getrennte Haushalte geprägt sind. Einerseits steigt der Bedarf an Unterstützung, andererseits zeigen sich zunehmende Herausforderungen und Unsicherheiten. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwiefern Familie heutzutage überhaupt als soziales Netzwerk begriffen werden kann, und zwar vor allem, wenn die Angehörigen nicht (mehr) im selben Haushalt leben. Der Beitrag widmet sich funktionalen Unterstützungsleistungen in Form von Zeit und Geld. In welchem Ausmaß zeigen sich zeitliche und finanzielle Transfers über Haushaltsgrenzen hinweg? Dabei wird zwischen Eltern, Kindern, anderen Verwandten, Freunden, Arbeitskollegen und Bekannten unterschieden. Einbezogen sind a) praktische Hilfen im Haushalt und Garten, bei Reparaturen oder beim Einkaufen, b) bürokratische Hilfen z.B. beim Ausfüllen von Formularen, c) persönliche Pflege, d) Kinderbetreuung sowie e) finanzielle Unterstützungen mittels Geld- oder Sachgeschenken.</p><p>Die empirischen Befunde für 14 europäische Länder einschließlich Deutschlands basieren auf dem Survey of Health, Ageing, and Retirement in Europe (SHARE). Sie belegen, dass auch jenseits von Haushaltsgrenzen ein großes Maß an sozialer Verbundenheit existiert. Vor allem Eltern und (erwachsene) Kinder übernehmen Verantwortung und sorgen füreinander. Andere Verwandtschaftsbeziehungen und Nichtverwandte sind als soziale Unterstützungsnetzwerke ebenfalls relevant, aber im Vergleich mit den Familiengenerationen weniger ausgeprägt.</p>Bettina IsengardRonny KönigMarc Szydlik
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2015-12-232015-12-2337329336Humanismus und Soziologie im Kontext der amerikanischen Säkularisierungskrise der 1980erjahre
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/34
<p>Der amerikanische Humanismus des 20. Jahrhunderts führte die humanistische Denktradition in eigentümlicher Weise fort. Statt lediglich ›eine letzte Blüte des Idealismus und kosmischen Optimismus des 19. Jahrhunderts‹ zu sein, findet man in den Werken seiner Vertreter klassische humanistische Ideen auf eigentümliche Weise gewendet, verstärkt und umgeformt. Der amerikanische Humanismus erweist sich dabei als stark abhängig von nationalen Säkularisierungs- und Desäkularisierungsprozessen. Diese wiederum spiegeln sich auch in der zeitgenössischen soziologischen Forschung. Daher lohnt ein Vergleich humanistischer und soziologischer Bezugnahmen auf die amerikanische religiöse Entwicklung, um die Eigenarten beider deutlich zu machen. Besonders deutlich werden ihre Eigentümlichkeiten bei der Behandlung des Anfang der 1980er Jahre erstarkenden Fundamentalismus. Soziologie und Humanismus wandelten sich aufgrund einer Neubewertung der Religion im Zuge der Betrachtung der ›neofundamentalistischen Welle‹. Der Vergleich dieser Wandlungserscheinungen macht deutlich, dass Soziologie und Humanismus das Verhältnis der religiösen Wertsphäre zur Gesellschaft auf ähnliche Weise betrachten, jedoch mit dem Unterschied, dass die Soziologie nach wertfreier Beschreibung strebt, wo der Humanismus eine normative Stellungnahme abgibt.</p>Tom Kaden
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2015-12-202015-12-203710801086Mensch und Roboter. Zur Relevanz Gehlens für das Verständnis gegenwärtiger Technik
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/32
<p class="Default">Technik ist stabilisierte Sozialität. Sie ist in Ihrer Komplexität avanciert und soll nun in Form interaktiver Roboter im unmittelbaren menschlichen Umfeld zum Einsatz kommen. Möchte man verstehen, was sich in der Akteursbeziehung ändert, wenn das Gegenüber von Ego nicht menschlich, sondern technisch ist, dann ist darin die Frage nach der Handlungsträgerschaft von Technik enthalten. Der vorliegende Text fragt danach, wonach der Roboter sein Handlungsprogramm ausrichtet. Er entleiht sich dabei zentrale Analysedimensionen aus dem Werk Arnold Gehlens und erweitert sie insbesondere zur experimentellen Kombinatorik und zum Sozialitarismus. Die experimentelle Kombinatorik zeigt die Isolierung und gleichzeitige Kombination von sozialen Tätigkeiten in der Technik. Der Sozialitarismus weist auf die Bedeutung des Entstehungskontextes der Technik als Wertbezugssystems hin.</p>Jens Koolwaay
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2015-12-162015-12-163710871095Altern in Krisenzeiten – Neue Analysen zur Lebensqualität im Alter
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/181
<p>Gemeinsame Veranstaltung der Sektionen „Alter(n) und Gesellschaft“ und „Soziale Indikatoren“ auf dem 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS) Routine der Krise – Krise der Routinen, 6.-10. Oktober 2014, Trier</p>Claudia VogelStefan Weick
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2015-12-232015-12-2337163166A Short Introductory Note on Maritime Sociology
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/41
The topic of the sea and society is not new to sociology. Maritime spaces include oceans as well as coastal areas, spaces which are at risk nowadays. Ecological crises (overfishing, decline in biodiversity, climate change, eutrophication, ocean pollution), economic crises (de-industrialization, whaling moratorium, structural change, development of alternative industries) and cultural crises (destabilization of collective identities of seaside and island inhabitants, cultural practices of sharing, inhabitants’ knowledge, local traditions, transformations of maritime professions) cumulate in these maritime spaces. So far research on maritime issues is dominated by natural science disciplines. The protection of maritime natural sources and the need for sustainable development demands research on the ‘human factor’ and a sociological perspective on maritime spaces.Frank SowaAgnieszka Kołodziej-Durnaś
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2015-12-232015-12-233715641570Zum Verständnis von Nachhaltigkeit in meeresbezogenen Diskursen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/288
<p class="DGS3nach2">Beitrag zur Ad-hoc-Gruppe »Maritime Sociology: Polish and German Perspectives on a Sociology of Maritime Spaces« – organisiert von Agnieszka Kołodziej-Durnaś und Frank Sowa</p>Ulrike Kronfeld-Goharani
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2016-05-162016-05-163715711585Die routinisierte Krisenhaftigkeit städtischen Alltagslebens: Einführung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/113
<p>Städte sind aufgrund ihrer Dichte und Heterogenität sowie ihrer Abhängigkeit von fragilen sozialen, wirtschaftlichen und technischen Prozessen hochgradig anfällig für Krisen. Städtisches Alltagsleben war daher immer schon von einer Vielzahl an Situationen geprägt, die sich als krisenhafte Auseinandersetzungen fassen lassen.</p><p>Krisenhafte Auseinandersetzungen in Städten sollen in dieser Sektionsveranstaltung als Normalitätsbrüche verstanden werden, die von Städter/-innen als Einschnitte (in manchen Fällen vielleicht sogar als Ausnahmezustand) wahrgenommen werden und in denen sie ihre Handlungsroutinen herausgefordert sehen. Es lässt sich allerdings vielfach beobachten, dass krisenhafte Erscheinungen nicht ein temporäres Ereignis bleiben, sondern zu einem Dauerzustand werden, bzw. dass sich verschiedene krisenhafte Erscheinungen aneinanderreihen. Vor diesem Hintergrund können sich routinisierte Praktiken in der Krise entwickeln.</p><p>Es sind zahlreiche Beispiele für städtische Krisenerfahrungen denkbar, von denen hier nur einige genannt werden sollen: Dazu gehören Erfahrungen von Einschnitten bzw. (permanenten) Ausnahmezuständen im städtischen Alltagsleben durch Differenzerfahrungen, durch gewaltvolle soziale Unruhen, durch politische Umwälzungen, aber auch durch Folgen von Extremwetterereignissen, länger anhaltende Störungen kritischer Infrastruktursysteme oder das Wegbrechen eines charakteristischen Wirtschaftszweiges mit nachfolgenden sozialen und Identitäts-Krisen in einer Stadt. Die Sektionsveranstaltung präsentiert Beiträge, die Krisenerfahrungen wie auch Handlungspraktiken von Akteur/-innen in solchen städtischen Krisen betrachten.</p>Gabriela ChristmannSybille FrankJohanna HoerningSilke Steets
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2015-12-232015-12-2337831832Vertrauenskrisen und der Verlust der Zuversicht. Forschungsstand und Perspektiven der soziologischen Analyse
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/149
<p>Durch die transnationale Finanz- und Wirtschaftskrise haben Vertrauenskrisen und Verluste der Zuversicht im ökonomischen Diskurs und in der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren eine starke Aufmerksamkeit erfahren. Angesichts der wuchernden Krisenkommunikation über den allgegenwärtigen Verlust des Vertrauens in Wirtschaft, Politik oder Medien, in Wissenschaft, Sport oder Kultur, um nur einige publizistische Dauerkrisenherde zu nennen, stellt sich die Frage, wie die Soziologie mit der inflationären Thematisierung von Vertrauenskrisen und Gefährdungen der Zuversicht umgeht und welche Angebote sie für eine ernsthafte Analyse bereitstellt. Am Beispiel der Wirtschafts- und Organisationssoziologie, die den thematischen Schwerpunkt der Ad-hoc-Gruppe „Vertrauenskrisen“ bildeten, soll im Folgenden eine Bestandsaufnahme des Forschungsstandes und der Perspektiven der soziologischen Analyse geleistet werden. In einem ersten Schritt wird eine integrative Vertrauenskonzeption vorgestellt und eine Unterscheidung zwischen Vertrauen und Zuversicht getroffen. Daran anschließend wird die Frage erörtert, unter welchen Bedingungen die Untersuchung von Vertrauenskrisen soziologisch "brauchbar" ist und als ein besonderer Typus sozialer Prozessverläufe neue Erkenntnisse verspricht. Auf dieser Grundlage können dann wirtschaftssoziologische Arbeiten von Richard Swedberg über den Verlust der Zuversicht in Finanzkrisen kritisch gewürdigt werden. In einem abschließenden Fazit werden Probleme und weiterführende Perspektiven der soziologischen Analyse von Vertrauenskrisen und Verlusten der Zuversicht skizziert.</p>Michael Florian
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2015-12-232015-12-233718681878Finanzmarktinstitutionen und Vertrauensordnungen im Zeichen der Krise – Zur Notwendigkeit einer Kontrolle zweiter Ordnung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/87
<p>Sechs Jahre nach dem Kulminationspunkt der Finanzkrise im Herbst 2008 und aufwendigen Rettungsmaßnahmen der Nationalstaaten fokussiert sich die einst akute Bedrohung des globalen Finanzsystems mittlerweile auf das in Medien wie Wissenschaft gleichermaßen präsente Gespenst einer anhaltenden Erosion des Vertrauens in die institutionellen Grundlagen des Finanzsektors. Nicht nur ist in der öffentlichen Diskussion beständig von einer „crisis of confidence“ die Rede, auch die wissenschaftliche Perspektive konzediert, dass es sich bei der Finanzkrise um eine Vertrauenskrise handelt. Dabei wird zugleich auf die außerordentliche Relevanz verwiesen, die dem Vertrauen als Bindemittel der Finanzmärkte beigemessen wird. Waren die Rufe nach radikalen Einschnitten im unmittelbaren Eindruck der Krise noch ebenso laut wie die Verwerfungen im Finanzsektor tief, so erfolgte – auch wenn der Dodd-Frank-Act im Jahre 2010 sowie kürzlich auch die Europäische Bankenunion formal verabschiedet wurden – die Umsetzung institutioneller Gegenmaßnahmen über lange Zeit eher auf „inkrementelle“ denn auf „radikale“ Art und Weise. Zwar ist es zu früh, um Effekte bzw. mögliche Erfolge der eingeleiteten regulativen Restaurationsarbeiten einer abschließenden Bewertung zu unterziehen. Dennoch kann jetzt bereits eine wichtige theoretische Fragestellung eröffnet werden. Der Konferenzbeitrag erarbeitet zunächst eine Bestandsaufnahe der verfügbaren Konzepte für eine begriffliche Fassung des <em>institutionellen Vertrauens</em>, die auf das Finanzsystem bezogen werden. Anschließend werden wesentliche Merkmale der neuen makroprudentiellen Regulationsansätze vorgestellt. Es wird vorgeschlagen, das gerade neu geschaffene supranationale Supervisonsmandat mitsamt seinen „guardians of impersonal trust“ als Ausdruck einer Kontrolle zweiter Ordnung anzusehen, die im Sinne einer ‚vorausschauenden’ und reflexiven Kontrolle die begrenzten Kontrollansprüche ‚erster Ordnung‘ überwindet. Somit wird das komplexe Wechselspiel aus institutionellen Vertrauensverhältnissen und reflexiven Kontrollansätzen auf einer grundlegenden theoretischen Ebene eingeführt und diskutiert und damit an aktuelle finanzsoziologische Diskussionen der „Social Studies of Finance“ bzw. der „Soziologie der Finanzmärkte“ angeschlossen.</p>Rolf von LüdeJan Fleck
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2015-12-232015-12-233718791885Über die Verwertung von Misstrauen auf Finanzmärkten - Zur Rolle synthetischer CDOs im Rahmen der Finanzkrise von 2007
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/126
<p>Der Artikel diskutiert am Beispiel synthetischer CDOs die Rolle von Misstrauen im Vorfeld der Finanzkrise von 2007. Dabei wird die These aufgestellt, dass das Misstrauen gegen die Ratingagenturen eine Ressource für neue Investitionen in den Markt war. Paradoxerweise hatte das Misstrauen also keinen abkühlenden Effekt auf die Märkte, sondern stellte sich stattdessen als Motor für immer neue Investitionen dar. Entsprechend wird die Position stark gemacht, die soziologische Beschäftigung mit Misstrauen nicht auf den Fall von bereits eingetretenen Finanzkrise einzuschränken. </p>Henrik Dosdall
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2015-12-222015-12-223718861895Die Bewältigung von Vertrauenskrisen im Versicherungs-Strukturvertrieb – am Beispiel Kundenakquise. Privates-persönliches Vertrauen als ökonomische Ressource
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/177
Der Beitrag behandelt die Frage, mit welchen Routinen der Versicherungs-Strukturvertrieb versucht, ein dauerhaftes und für ihn existenzielles Vertrauensproblem zu bewältigen. Er beschreibt eine zentrale Strategie, mit der Vertrauensproblematik im Kontext der Neukundengewinnung umzugehen, die darauf abzielt, mangelndes Systemvertrauen durch den gezielten Rückgriff auf persönliches Vertrauen zu kompensieren. Private Vertrauensbeziehungen von Mitgliedern und Kund/-innen werden dabei als ökonomische Ressource erschlossen und systematisch ausgebeutet. Neben Erkenntnissen zur Verwobenheit von „systemischen und personalen Aspekten des Vertrauens“ (Sauer et al. 2013) liefert der Beitrag Einsichten zu den Fragen, inwiefern in privaten Kontexten entstandenes Vertrauen zur Lösung von Kooperationsproblemen auf besonders ‚vertrauensbedürftigen‘ Märkten beitragen kann, welche „performativen Akte des Vertrauensnehmers“ (Beckert 2002) dies erfordert und inwiefern der Rückgriff auf persönliches Vertrauen für ökonomische Zwecke organisierbar ist. Zudem wird die Frage berührt, welche „problemerzeugenden Effekte“ (Strulik 2012) diese Problemlösung wiederum hat.Bastian Bredenkötter
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2015-12-232015-12-233718961912Quis custodiet ipsos custodes? Über die Schattenseite des Vertrauens in Systeme und Misstrauensagenturen am Beispiel des börslichen Stromhandels
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/130
<h2><span style="font-size: 10px;">In dem vorliegenden Beitrag stehen Systemvertrauen und Vertrauen in Misstrauensagenturen am empirischen Fall des börslichen Stromhandels im Mittelpunkt. Einerseits stellt die Strombörse selbst eine hohe Transparenz und eine permanente Kontrolle durch hoheitliche Kontrollinstanzen nach außen dar, um auf diesem Wege Vertrauen insbesondere bei den Marktteilnehmern einzuwerben. Andererseits lassen strukturell bedingte Intransparenzen und ein Wegfall der Kontrollbefugnis der vormals zuständigen Börsenaufsicht an dieser Transparenz und an der Funktionsfähigkeit der Kontrollinstanzen zweifeln. Die empirischen Beobachtungen werden genutzt, um auf die Relevanz von Dysfunktionalitäten von Systemvertrauen und von Vertrauen in Misstrauensagenturen mit Blick auf ihr Krisenpotential hinzuweisen. </span></h2>Sebastian Giacovelli
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2015-12-232015-12-233719131924Vertrauenskrisen als Felder betrieblicher Gestaltung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/137
Ausgehend von der in unterschiedlichsten Kontexten auftretenden zeitdiagnostischen These einer Vertrauenskrise möchten wir im Folgenden an Hand von Wandlungstendenzen der Arbeit (Kapitel 1) erläutern, warum wir diese Krise in Bezug auf die Arbeitswelt für ‚hausgemacht‘ halten (Kapitel 2). Anschließend zeigen wir auf, dass in der Praxis wirksames Vertrauen als wechselseitiger Kreislauf zwischen Vertrauenswürdigkeit und Vertrauen auf Seiten der Belegschaft und des Unternehmens verstanden werden muss (Kapitel 3) und skizzieren unser alternatives Konzept eines erfahrungsgeleiteten reflexiven Vertrauens, das Vertrauen einer besonderen Form des Wissens und Handelns zuweist (Kapitel 4). Als Konklusion möchten wir den ‚kooperativen Mehrwert‘ von Vertrauen in Unternehmen skizzieren (Kapitel 5) und somit jenseits einer Defizit- oder Residualperspektive die Potenziale von Vertrauen als Regulationsmechanismus aufzeigen.Stefan SauerStephanie Porschen-HueckNorbert Huchler
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2015-12-222015-12-223719251936Die (sozialwissenschaftliche) Hermeneutik als inter- und transdisziplinäre Methode zur Rekonstruktion des Imaginären
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/10
<p align="left">Im ersten Teil des Beitrags erfolgt eine theoretische Annäherung an <em>das Imaginäre</em> als Konzept, das für soziologische Betrachtungen schon immer und immer noch von grundlegender Bedeutung ist. Im zweiten Teil werden die Charakteristika der sozialwissenschaftlichen Hermeneutik vorgestellt. Dabei zeigt sich, warum diese Methode, bzw. Methodologie, für Untersuchungen, die sich mit dem Imaginären beschäftigen, geeignet ist.</p>Regine Herbrik
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2015-12-232015-12-233713781383Soziologische Imaginative: Der Begriff der Öffentlichkeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/42
<p>Grundannahme des Beitrages ist, dass soziologische Begriffs- und Urteilsbildung nie voraussetzungslos ist, sondern von historisch gewachsenen Wissensordnungen geleitet wird. Dies gilt im Besonderen für Großkonzepte wie z.B. Öffentlichkeit. Sie werden hier als Imaginative bezeichnet, um in Anlehnung an Charles Taylor und Benedict Anderson hervorzuheben, dass es sich hierbei um in Gesellschaft wie Wissenschaft verankertes Wissen handelt. In Form von Erzählungen, Symbolen und Bildern spezifische Argumentations- und Deutungsmuster trägt ein Imaginativ den wissenschaftlichen (und teilweise auch öffentlichen) Hauptdiskurs. Ausgehend von sozial-konstruktivistischen Konzepten wird mit dem Begriff der Imaginative eine terminologische Schärfung von in der Literatur verwendeten Bezeichnungen für Großkonzepte (u.a. Meta-Narrative, konzeptionelle Narrative) vorgenommen. Im ersten Teil wird das Imaginativ-Konzept entwickelt und die Ko-Konstituierung von Imaginativen durch Diskurse und Narrative erläutert. Ko-Konstituierung meint allgemein die gleichzeitige Verwobenheit der Imaginative mit dem vortheoretischen (gesellschaftlichen) und dem theoretischen (wissenschaftlichen) Raum. Im zweiten Teil wird rekonstruiert, wie das Imaginativ der Öffentlichkeit im Mainstream sozialwissenschaftlicher Analysen einer spezifischen storyline folgt, die u.a. die Forschung zur europäischen Öffentlichkeit prägt und nicht zuletzt auch deren Ergebnisse legitimiert. Die Rekonstruktion des Imaginativs von Öffentlichkeit soll exemplarisch die Wirkmächtigkeit von Imaginativen zeigen.</p>Annette Knaut
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2015-12-232015-12-233713841394Das Alltägliche im Außeralltäglichen: Eine Großübung als Krisenexperiment für die Sicherheit am Flughafen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/46
<p>In dem Forschungsprojekt „Soft Parts – soziale Bestimmungsgründe der Sicherheit am Flughafen“ soll untersucht werden, wie das Handeln der Sicherheitsakteure in der täglichen Zusammenarbeit als auch in Krisensituationen (über bspw. die Ausbildung) formalisiert ist und wie dies in der Praxis konkret in Alltagsroutinen überführt wird. Untersuchungsgegenstand sind die Zugangskontrollen für Passagiere und Mitarbeiter zu den Sicherheitsbereichen am Flughafen. Luftsicherheitskontrollen sind in der alltäglichen Praxis durch vorwiegend monotone, stark regulierte Arbeitsabläufe definiert. Gleichzeitig verlangt der Arbeitsauftrag, die Aufmerksamkeit aufrecht zu erhalten und einen sicheren, routinisierten Umgang mit Krisen und unerwarteten Situationen zu gewährleisten. Aufgrund der Seltenheit von ernsten Vorkommnissen (Großschadenslagen) ist eine Erhebung der tatsächlichen Verhaltensweisen im schweren Krisenfall methodisch kaum zugänglich.</p><p>Mit unserem Beitrag wollen wir zeigen, wie mithilfe ethnographischer Methoden dieser schwer zugängliche Moment der sozialen Ordnungsbildung in der Krise neue Erkenntnisse ermöglicht und den von uns klassischen Methodenmix von qualitativen und quantitativen Methoden sinnvoll ergänzt. So wurde im Rahmen des vom BMBF geförderten Projektes zusätzlich zu den geplanten Methoden der Datenerhebung – qualitative Interviews, quantitative Befragung, Expertenworkshops, Dokumentenanalyse – eine strukturierte Beobachtung einer Katastrophenübung im Sinne eines „Krisenexperimentes“ (Garfinkel) realisiert. Diese wiederum liefert interessante Einblicke, wie die verschiedenen Akteure die Interaktionsordnung unter verschärften Bedingungen aushandeln. Durch die Ethnographie des Außeralltäglichen können somit implizite Normen der Zusammenarbeit sichtbar gemacht werden, die auch das alltägliche soziale Gefüge maßgeblich prägen.</p><p>In dem Vortrag wollen wir nicht nur die Ergebnisse unserer Beobachtung präsentieren, sondern auch die Bezüge offenlegen, wie in unserem Forschungsprojekt ethnographische Methoden helfen, zum einen die Vorbereitung einer quantitativen Befragung zu konkretisieren und zum anderen die aus qualitativen Interviews gewonnen Aussagen zu kontextualisieren.</p><p>Unser Fazit ist, dass ethnographische Methoden insbesondere für praxisbezogene Forschungsprojekte wie „Soft Parts“ für die realitätsnahe Konzipierung der Datenerhebung und für die Interpretation von Daten von Nutzen sind.</p>Birgit Peuker
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2015-12-222015-12-223712041212Medikalisierung der Gesellschaft oder Vergesellschaftung des Medizinischen? „Lebensqualität“ im medizinischen Diskurs
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/82
Vor dem Hintergrund einer Wissenssoziologischen Diskursanalyse (Keller) wird der Frage nachgegangen, was es bedeutet, dass "Lebensqualität" zu einem zentralen medizinischen Thema geworden ist. Das Lebensqualitätsthema erweist sich <em></em>als Immunisierungsstrategie gegenüber einem kaum einlösbaren gesellschaftlichen Rationalitäts- und Legitimationsdruck bezüglich medizinischen Wissens. Dies hat weitreichende Folgen auch für die Lebensqualitätsforschung selbst.Thomas Schübel
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2015-12-232015-12-2337483489Sociology goes public – Der Science Slam als geeignetes Format zur Vermittlung soziologischer Erkenntnisse?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/120
Der Beitrag befasst sich mit der zentralen Frage, inwiefern der Science Slam ein geeignetes Format insbesondere bei der Vermittlung soziologischer Erkenntnisse an Öffentlichkeiten außerhalb des eigenen Faches darstellt. Dabei wird zunächst dargelegt, worum es sich bei einem Science Slam überhaupt handelt, was dessen charakteristische Kennzeichen und Merkmale sind und wie ein solcher in idealtypischer Weise abläuft. Im Anschluss daran wird der eingangs aufgeworfen Frage gezielt nachgegangen.Daniel Grummt
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2015-12-232015-12-233716521663Öffentliche Selbst- und Fremddarstellungen der Soziologie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/64
<p>Wie öffentlich ist die Soziologie? In der Disziplinfolklore ist dies meist schon negativ beantwortet: Die Soziologie ist nicht öffentlich sichtbar, sie hat keinen Platz in den Massenmedien. Dies wird u.U. noch bedauert oder an die ,gute alte Zeit‘ erinnert, in der es anders war. Wir denken: Das ist falsch. Einer empirischen Wissenschaft kann es nicht genügen, Fragen, die mit den eigenen Mitteln beantwortet werden können, anekdotischer Evidenz zu überlassen. Inhaltlich ist der Diagnose auch nicht zuzustimmen. Ein Blick in eine beliebige Tageszeitung beweist: In irgendeiner Form taucht die Soziologie tagtäglich auf. Dazu ist nicht nur für an Universitäten beschäftigte Soziolog_innen der Umstand, eine persönliche Webpage zu benötigen, zumeist unumgänglich. Diese Webpages sind Teil der öffentlichen personalen Selbstdarstellung. Public sociology fragt aber weiter, nicht nur, ob die Soziologie in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist, sondern auch: wozu eigentlich? Und sicher sind die düsteren anekdotischen Diagnosen eher so zu verstehen, dass die gegenwärtige Rolle der Soziologie nicht die ist, die phantasiert wird. Dieser Debattenzustand macht aber beides unsichtbar: Die tatsächliche öffentliche Präsenz der Soziologie und die Diskussion darüber, welche Rolle für die Soziologie wünschenswert wäre.</p><p>Im Beitrag wählen wir die personale Selbstdarstellung und die massenmediale Fremddarstellung als Ausgangspunkt, von dem aus die Öffentlichkeit der Soziologie fokussiert werden soll. Die personale Selbstdarstellung unterliegt einer Vielzahl höchst unterschiedlicher und eben doch miteinander verwobenen Bedingungen: u.a. mediale, organisationale, persönliche und gesamtgesellschaftliche. Das Design der standardisierten Inhaltsanalyse umfasst einen Vergleich dreier Sozialwissenschaften: Ethnologie, Ökonomik und Soziologie im Längs- und Querschnitt. Es werden Fragen nach dem Ort des Erscheinens, der Funktion im Artikel, dem Träger, den Produktionsbedingungen des dargestellten Wissens, mögliche Konfliktfelder und Darstellungen von Geltung des Wissens erhoben. Die Kombination aus makrohermeneutischer und standardisierter Analyse verspricht unter Einbezug der multimedialen Formate der personalen Selbstdarstellung und der Fremddarstellung in der deutschen Qualitäts-Tagespresse eine Diagnose des Verhältnisses von Soziologie und ihrer Öffentlichkeit und zudem eröffnet sich ein Raum der Diskussion über dieses Verhältnis.</p>Christoph MautzJasper Wendelin Korte
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2015-12-232015-12-233716641672Soziologie als ‚Marke‘. Kernkompetenz, gesellschaftlicher Nutzen, Vermittlungswege
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/20
<div class="page" title="Page 624"><div class="layoutArea"><div class="column"><p><span>Einerseits wird der Soziologie angesichts ihres 'hermetischen Jargons' oft Unverständlichkeit unterstellt, andererseits wird in der Berichterstattung immer wieder gerne auf soziologische Protagonisten zurückgegriffen. Gleichwohl scheint der Eindruck vorzuherrschen, dass die aktuelle soziologische Forschung insgesamt kaum wahrgenommen wird. <br /> </span></p><p><span>Zugespitzt formuliert: Der soziologische Fachbereich hat in der Selbst- und Fremdbeobachtung ein Identitätsproblem. Und wäre 'die Soziologie' ein Unternehmen, wäre es nun wohl an der Zeit, sich an eine der zahlreichen Beratungsfirmen aus dem Markenführungsbereich zu wenden, um die eigene 'Corporate Identity' neu zu definieren. Der Wirkungsgrad solcher häufig sehr schematischen Konzepte bleibt zurecht umstritten und sie lassen sich realiter kaum auf eine wissenschaftliche Disziplin beziehen. Nichtsdestotrotz möchte dieser Beitrag auf der Basis eines breiten Spektrums an soziologischen Stimmen das Gedankenexperiment wagen, sich mit drei zentralen Fragen zur Identität des Fachbereichs auseinanderzusetzen: </span>Was ist die Kernkompetenz der Soziologie? Welchen Nutzen bietet die Soziologie der Gesellschaft? Und: Wie vermittelt die Soziologie ihr Wissen?</p><p><span>Dabei zeigt sich, dass die Aufgabe der Soziologie seit jeher weniger in der Kommentierung tagesaktueller Ereignisse, sondern vielmehr in der Beobachtung langfristiger gesellschaftlicher Entwicklungen, dem Aufzeigen von Beobachtungsalternativen und der Entzauberung von Beschreibungsmythen besteht. Dennoch kann die Soziologie – sofern sie als Reflexionswissenschaft wahrgenommen werden will – auf eine disziplinübergreifende Professionalisierung ihrer Öffentlichkeitsarbeit und die Ausbildung entsprechender funktionaler Ressourcen nicht verzichten. </span></p></div></div></div>Jan-Felix Schrape
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2015-12-232015-12-233716731682Public Sociology? Nicht mit uns! Über die disziplinäre Professionalisierung der frühen deutschen Soziologie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/238
<p>Dieser soziologiegeschichtliche Beitrag beleuchtet die Entstehung der Soziologie in Deutschland am Anfang des 20. Jahrhunderts mit Bezug zur aktuellen Debatte um <em>public sociology</em>. Es wird die These vertreten, dass führende Soziologen gegen öffentliche und für professionelle Soziologie argumentiert haben, um Legitimation im wissenschaftlichen Feld zu generieren. Dabei rekurrierten sie auf das Postulat der Werturteilsfreiheit und das Konzept der Einzelwissenschaft, um Grenzen der Soziologie zu markieren und um politischen Erwartungen an die Soziologie zu widersprechen. Letztere ergaben sich aus der politischen Unterstützung bei der universitären Etablierung. Carl Heinrich Becker forderte 1919 die Einrichtung soziologischer Lehrstühle. Als <em>public sociology</em> sollte sie zur Lösung der Krise Deutschlands beitragen. Diese Forderung am Beginn der Weimarer Zeit löste eine Debatte aus, die im Mittelpunkt der Ausführungen steht. Die Soziologen Leopold von Wiese und Ferdinand Tönnies widersprachen den politischen Erwartungen sowie dem Sozialismusvorwurf und der Negation der Wissenschaftlichkeit der Soziologie durch den Wirtschaftshistoriker Georg von Below. Die Debatte drehte sich also um die Frage der Anerkennung der Soziologie als eigenständiger Wissenschaft, auf die die Soziologen mit einer Strategie disziplinärer Professionalisierung reagierten und sich von der „Tradition öffentlicher Soziologie“ abgrenzten.</p>Michael Reif
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2015-12-232015-12-233716831693Aktivierte Väter durch Elterngeld? Eine Untersuchung des Zusammenhangs von väterlicher Elterngeldnutzung und ihren Kinderbetreuungszeiten
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/157
Mit der Einführung des Elternzeit- und Elterngeldgesetzes wurde in Deutschland 2007 ein Paradigmenwechsel bezüglich der staatlichen Unterstützungsstrukturen von Familien eingeleitet. Die einkommensabhängig gezahlten Leistungen des Elterngeldes zusammen mit den exklusiven zwei zusätzlichen Leistungsmonaten für Paare sollten dabei einer in Deutschland zu beobachtenden Traditionalisierung der Geschlechterverhältnisse nach der Geburt eines Kindes (Grunow et al. 2007) tendenziell entgegen wirken. Mittlerweile nehmen in Deutschland mehr als ein Drittel aller Väter Elternzeiten in Anspruch, und das mit stetig steigender Tendenz. So gesehen ist das Elterngeld als Instrument zur „Aktivierung der Väter“ (Ehlert 2008) als Erfolg anzusehen. Inwieweit allerdings zusammen mit der Elternzeitnutzung von Vätern auch eine längerfristige und nachhaltige väterliche Beteiligung an der Kinderbetreuung einhergeht, ist bislang nicht untersucht. Mit unserer Analyse betrachten wir diesen Zusammenhang väterlicher Elternzeiten und ihrer Betreuungszeiten im zweiten Jahr nach der Geburt eines Kindes anhand der Daten des SOEP für die Geburten 2003-2010. Mit der Einführung des Elterngeld- und Elternzeitgesetzes hat sich die Zeit von Vätern mit ihren Kindern in der Werkwoche signifikant erhöht. Den größten Einfluss auf die väterlichen Betreuungszeiten zeigen allerdings neben der Länge der Nutzung von Elternzeiten durch die Väter insbesondere die Arbeitszeiten des Vaters, die im Rahmen einer trade-off Logik in negativem Zusammenhang mit ihren Kinderbetreuungszeiten stehen. Auch die Erwerbseinbindung der Partnerin wirkt sich auf die väterliche Zeit mit Kindern aus: Je mehr diese arbeiten, desto mehr engagieren sich die Väter auch tendenziell in der Kinderbetreuung.Thordis ReimerBjörn Andernach
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2015-12-232015-12-2337280302Rekonstruktion familienkonzeptbezogener Lern- und Bildungsprozesse. Ein theoretisch-methodologischer Blick auf die Konstruktion von Familienzusammenhängen im Rahmen familiärer Übergänge
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/154
<p>Folgender Beitrag befasst sich mit auf die Gestaltung des Familienalltags bezogenen Lern- und Bildungsprozessen, die unserer Annahme nach vor allem in familialen Übergangsphasen stattfinden. Ausgehend von einer Konzeption von Familie als interaktiv zu gestaltenden Sozialzusammenhang, möchten wir an dieser Stelle die theoretisch-methodischen Grundlagen eines gegenwärtig laufenden DFG-Forschungsprojekts zum Thema „Familienkonzeptbezogene Lern- und Bildungsprozesse im Rahmen familiärer Übergänge“ vorstellen und daran anschließend ausgewählte Lern- und Bildungsthematiken exemplarisch am Beispiel familialer Arbeitsteilung erläutern. Ziel dieser qualitativen Längsschnittstudie ist es, Veränderungen von subjektiven Familienkonzepten in biographischer Sicht sowie im Rahmen aktueller Übergänge im Lebenslauf zu erfassen und die damit verbundenen Lern- und Bildungsprozesse transparent zu machen. Die Kernthese unseres Forschungsprojektes lautet, dass sich subjektive Familienkonzepte aus verschiedenen biographisch wie auch gesellschaftlich verfügbaren Familienbildern zusammensetzen, die von Eltern reflexiv in Beziehung gesetzt und dabei möglichst so zueinander positioniert werden, dass die Herausbildung eigener Vorstellungen eines (gelungenen) Familienlebens möglich wird.</p>Frank MücherMatthias Euteneuer
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2015-12-232015-12-2337303315Essen im Spannungsfeld zwischen Genuss und Askese - Kulturhistorische Perspektiven
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/125
Historische Einflüsse prägen das heutige Verständnis von Genuss und Diätmoral. Bereits in der Antike geriet der Genuss als Praxis der Ausschweifung in Verruf. Mit der antiken diaita wurde eines der ersten Regelwerke geschaffen, welches den Bürger der polis zur Mäßigung anhalten sollte. Im Mittelalter verschärften religiöse Einflüsse die Forderung zu einer gemäßigten Diät bis hin zu Vorstellungen einer heiligen Anorexie. Auch das Aufkommen einer naturwissenschaftlichen Betrachtung der Ernährung in der Moderne verdrängte die Anerkennung sozialer und kultureller Funktionen des Essens zu Gunsten normativer Ernährungsempfehlungen. Mit dem Blick auf ausgewählte historische Perspektiven ermöglicht der Beitrag ein besseres Verständnis auf die Entstehung der Vorstellungen von Genuss und Diätmoral der Gegenwart.Eva-Maria Endres
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2015-12-232015-12-233713571364Zur sozialstrukturellen Bedeutsamkeit hedonistischer Praktiken
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/280
Der Beitrag untersucht ausgehend von Befunden der SINUS-Milieu-Studien die sozialstrukturelle Bedeutsamkeit hedonistischer Praktiken verstanden als freud-, lust- und genussgenerierende Praktiken. Hintergrund dabei bildet eine affekt- und werttheoretische Erweiterung der Habitustheorie Bourdieus, vor deren Hintergrund der praktisch-wertschätzende Selbstbezug im Sinne einer Selbstwertnorm als legitime Subjektivierungsform unserer Gesellschaft herausgearbeitet werden konnte. Ein solcher Selbstbezug ist dabei typischer für obere soziale Milieus unserer Gesellschaft, denn für untere. Freude, Lust und Genuss ist demnach, also bei Beachtung nicht nur des subjektiven Sinns, sondern v.a. des objektiven Sinns, als typischer für obere soziale Milieus anzusehen. Es kann darüber hinaus gezeigt werden, dass die Selbstwertnorm nicht nur Einfluss auf die vertikale Stratifizierung der Gesellschaft hat, sondern auch auf die Unterscheidung von normalen und unnormeln im Sinne von psychisch kranken Verhalten- und Seinsweisen. Insofern zeigt der Beitrag die doppelte Ordnungsfunktion des praktisch-wertenden Selbstbezugs im Zusammenhang mit der Selbstwertnorm auf. Er leistet darüber hinaus einen Beitrag zum besseren Verständnis der Ess/xistentialisierung sozialer Strukturen.Sandra Matthäus
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2016-05-172016-05-173713651376Not an uncaptured Peasantry. Die nordtogoischen Bauern zwischen Baumwollboom, veränderten Bedürfnisstrukturen und der ökonomischen Strukturkrise ländlich-peripherer Räume in Westafrika
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/243
<p>Ländlich-periphere Räume in Westafrika sind ökonomisch benachteiligt: Große Entfernungen zu den hauptstädtischen Märkten verursachen hohe Transportkosten, die zu niedrigen Aufkaufpreisen für Grundnahrungsmittel auf den lokalen Märkten führen, so dass die Bäuerinnen und Bauern nur geringe Einnahmen erzielen können. Daher migrieren viele junge Männer (und Frauen) migrieren zwecks temporärer Arbeitssuche in die Nachbarländer.</p><p> </p><p>Der Anbau von Exportkulturen verspricht einen möglichen Ausweg aus dieser Strukturkrise (insbesondere im Falle hoher, staatlich garantierter Aufkaufpreise). In den 1990er Jahren stellte in der Région des Savanes, der nördlichsten der fünf Regionen Togos, der Baumwollanbau eine solche Möglichkeit dar. In der Folge zu einem Baumwollboom mit hohen Einnahmen für die Bäuerinnen und Bauern und einem deutlichen Rückgang der Arbeitsmigration. Dieser Boom endete 2004.</p><p> </p><p>Anders als von Goran Hyden (1980) postuliert, stellen die nordtogoischen Bäuerinnen und Bauern keine „uncaptured peasantry“ dar, die sich weitgehend folgenlos aus der Marktökonomie zurückziehen kann. Vielmehr hatte der Baumwollboom die venale Monetarisierung der lokalen Ökonomien und Lokalgesellschaften beschleunigt und die Bedürfnisstrukturen der Bäuerinnen und Bauern signifikant verändert.</p><p> </p>Bernhard Martin
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2015-12-232015-12-2337267278Schwanger! Eine biografische und theoretische Krise
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/93
Ein ungeborenes Wesen im Bauch ist zugleich maximal nah und doch nicht ohne Weiteres kommunikativ erreichbar. Es präsentiert sich in einer ganz eigenen Kombination aus Nähe und Ferne: als ein <em>inwändiger Auswärtiger</em>. Und auf der anderen Seite zerrt an dieser Inwändigkeit eine ungeheure öffentliche Aufmerksamkeit. Die Soziologie hat den Schwangeren in dieser Lage bislang nicht viel zu bieten, scheint sie doch selbst von deren Zustand theoretisch überfordert. Ist dieses Dividuum ein ‚Akteur’, die Zeugung von Kindern eine ‚Entscheidung’, diese intrakorporale Begegnung eine ‚Interaktion’, diese Symbiose eine ‚soziale Beziehung’? Der Vortrag versucht auf der Basis einer fünfjährigen explorativen Studie Schwangerschaft und Soziologie miteinander ins Gespräch zu bringen. Er plädiert dafür, die Schwangerschaft konzeptuell<em> </em>von den Austragenden zu <em>dezentrieren</em>, in deren Körpern sie biologisch, medizinisch und alltagsweltlich verortet wird. ‚Schwangerschaft’ ist der Name einer massiven Vergesellschaftung von Kindsausträgern, sie ist ein kollektiver Erwartungszustand, in den Frauen schon lange von einer Befruchtung durch ihre soziale Schwängerung hineingeraten.Stefan Hirschauer
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2015-12-232015-12-23378998Surviving AIDS. Cultural Trauma among middle-aged Gay Men in New York City
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/131
<p>Hundreds of thousands of gay men fell died of AIDS-related causes in the last decades. Especially before effective medication became available in the mid-1990s the suffering and death rates were tremendous and society hostile, tearing up the gay community as it existed pre-AIDS. Focus of this article are now the gay men who survived this time while countless others around them died. Based on interviews and ethnographic research conducted in 2013 and 2014 it uses the concept of syndemics to show how the AIDS experience is still influential in the lives of these gay men until today and argues that recently the construction of a new cultural trauma can be observed, which functions as a way to process their unique experience.</p>Heiner Schulze
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2015-12-232015-12-233715031513Konventionen und Wirtschaftskrisen. Zur Wahlverwandtschaft zwischen lokalen Wirtschaftspraktiken und wirtschaftlichen Entwicklungspfaden
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/25
<p>Städte, Regionen und Nationen unterscheiden sich nicht nur hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Performanz, sondern auch hinsichtlich ihrer Fähigkeit, Wirtschaftskrisen erfolgreich zu bewältigen bzw. sich über diese hinweg neu zu definieren.</p><p>Um zu analysieren, welchen Beitrag Konventionen zur Erklärung dieses lokal unterschiedlichen Krisenbewältigungspotenzial leisten können, haben wir bewusst vier Städte so ausgewählt, dass sie sich hinsichtlich Größe, Dichte, Heterogenität und Strukturbedingungen ähneln, insbesondere einer vergleichbaren historischen Tradition und ähnlichen formativen Phasen samt ähnlichen aktuellen Problemlagen. Alle vier Städte wurden gleichermaßen von der Krise der 1970er getroffen, und die letzten drei Dekaden standen dementsprechend im Zeichen umfassender Bemühungen, die Krise zu bewältigen. Aus der Perspektive der bisherigen Forschung zu räumlichen Differenzen der Wirtschaft sollte es daher keine oder kaum Unterschiede hinsichtlich des wirtschaftlichen Erfolgs der Städte geben oder hinsichtlich ihrer Fähigkeit, mit Umbruchssituation umzugehen – was empirisch aber nicht der Fall ist.</p><p>Vielmehr unterscheiden sich die ausgewählten Städte in einer Reihe von Dimensionen hinsichtlich des institutionellen Rahmens und der Strukturbedingungen, die eine systematische Analyse des Zusammenhangs zwischen Konventionen, Institutionen und Krisenbewältigungspotenzial ermöglichen.</p><p>Um diesen Zusammenhang näher zu betrachten, triangulierten wir eine Verlaufsmusteranalyse der stadtspezifischen Wirtschaftspfade mit einer Analyse der lokalen Wirtschaftspraktiken auf dem Friseurmarkt, die auf einem Methoden-Mix aus Ethnografie und standardisierter Befragung beruht.</p>Eine Analyse, welche Konventionen in Umbruchssituationen wie wirken, zeigt auf, dass insgesamt offensichtlich verschiedene Wege der erfolgreichen Krisenbewältigung existieren. Eine Möglichkeit scheint die Unterordnung aller anderen Lebensbereiche unter das Primat der Ökonomie zu sein. Alternative Pfade können die erfolgreiche Gestaltung von informellen Beziehungen und sozialen Netzwerken sowie eine ausgewogene Balance zwischen Individualität und Professionalität der Arbeitenden sein. Wichtig scheinen folglich nicht einzelne Elemente einer Wertordnung zu sein, sondern vielmehr das Gesamtbild, also spezifische Kombinationen ihrer verschiedenen Elemente.Nina BaurLinda Hering
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2015-12-232015-12-233712931289Ausbildungsverbünde als Krisen-Bewältiger und krisenhafte Modelle in der dualen Berufsbildung – Analysen mit dem Instrumentarium der Soziologie der Konventionen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/123
<p>Seit den 1990er Jahren wird das duale Berufsbildungssystem in den deutschsprachigen Ländern von<em> Krisen</em>-Szenarien begleitet. Es biete zu wenige Ausbildungsplätze, sei für die heutigen Jugendlichen nicht mehr attraktiv, bereite ungenügend auf die Anforderungen der heutigen Arbeitswelt vor und diskriminiere Jugendliche bei der Lehrstellensuche.</p><p>Um die Qualität der dualen Berufsbildung zu garantieren, haben die verantwortlichen Behörden Ende der 1990er Jahre deshalb ein neues Modell in der dualen Berufsbildung – sogenannte Ausbildungsverbünde – lanciert, bei denen Betriebe gemeinsam Jugendliche ausbilden.</p><p>Die in der Schweiz geförderte Modellvariante setzt auf eine überbetriebliche Organisation (Leitorganisation), welche geeignete Betriebe (insbesondere KMU) für die Beteiligung in der netzwerkförmigen Ausbildung gewinnt, die Auszubildenden rekrutiert und anstellt sowie im Rotationssystem den Ausbildungsbetrieben zuweist. Die Jugendlichen werden von der Leitorganisation betreut und bei Problemstellungen unterstützt, die Ausbildungsbetriebe erhalten Hilfestellungen bezüglich ihrer Ausbildungsaufgaben und bezahlen die Leitorganisation für ihre Dienstleistungen.</p><p>Das Outsourcing von Rekrutierung und Betreuung sowie das Rotationssystem haben für die Betriebe verschiedene Unsicherheiten (z.B. Qualität und Passung der ihnen zugewiesenen Auszubildenden) und Problemstellungen (z.B. gemeinsame Betreuung von Betrieb und Leitorganisation ist störanfälliger; Auszubildende sind weniger produktiv durch kürzere Lehrzeit im Betrieb) zur Folge.</p><p>Im Beitrag gehen wir zwei Fragestellung nach:</p><ol><li>Welches sind die betrieblichen Motive für die Beteiligung im Modell Ausbildungsverbund und inwiefern sind sie eine Antwort auf die genannten 'Krisen'-Szenarien?</li><li>Welche 'Krisen' entstehen in der Umsetzung des Modells?</li></ol><p>Die einer konventionensoziologischen Sichtweise verpflichtete empirische Analyse geht dabei von der Annahme aus, dass die Betriebe sich bei der Begründung ihrer Beteiligung auf die – auf unterschiedlichen Wertigkeitsordnungen beruhenden – gesellschaftlichen<em> Krisen</em>-Szenarien bezüglich der Berufsbildung beziehen. Ebenso kritisieren sie die <em>Krisenhaftigkeit</em> des Modells, indem sie deren Qualität mit Bezug auf bestimmte Wertigkeitsordnungen monieren.</p><p>Für die empirische Untersuchung beziehen wir uns auf vier von uns untersuchte Ausbildungsverbünde in der Schweiz und analysieren Interviews, welche wir mit Vertretern von Ausbildungsbetrieben geführt haben. Im Zentrum der Analysen stehen die Begründungen der Betriebe für ihre Beteiligung beim Ausbildungsverbund sowie die Problemstellungen, die sich für sie durch die Beteiligung ergeben. </p>Regula Julia LeemannSandra Da RinChristian Imdorf
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2015-12-232015-12-233712901301Kampf der Konventionen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/56
<p>Die Soziologie der Konventionen stellt Prozesse der Aushandlung in den Mittelpunkt der Analyse. Im Gegensatz etwa zur Diskurstheorie Foucaults steht das pragmatische Artikulieren und Anwenden von sozialen Normen im Zentrum der Institutionenanalyse. Eine an der Konventionensoziologie orientierte Marktanalyse kann demzufolge nicht nur nach den in einem Markt anzutreffenden Qualitätskonventionen fragen, sondern sie muss weiter auch deren situative Vermittlung und Evaluation darstellen können. Anhand der Markteintritte von Aldi und Lidl in den schweizerischen Lebensmittelmarkt wurde versucht aufzuzeigen, wie mittels Bezügen auf unterschiedliche Konventionen Konkurrenz- und somit Krisensituationen zu überwinden versucht werden. Erst der Einbezug des bourdieuschen Feldmodells ermöglichte jedoch ein tieferes Verständnis der Konkurrenzmechanismen und den aus diesen folgenden diskursiven Darstellung von Produktqualitäten.</p><p>Um die ausgelösten Mechanismen der Markteintritte von Aldi und Lidl verstehen zu können, war es notwendig, den schweizerischen Lebensmittelmarkt horizontal und auch vertikal in Felder zu unterteilen. Denn sowohl in horizontaler, als auch in vertikaler Richtung ergeben sich Konfliktpunkte im Hinblick auf Deutungsmacht und Abschöpfung von Wertanteilen. Der Einbezug der Feldtheorie war für diese konventionensoziologisch ausgerichtete Marktanalyse produktiv. Denn gerade die Feldtheorie setzt die sich aus weiteren Handlungsverstrickungen sich ergebenden situativen Handlungszwänge in den Vordergrund. Sie bringt so der konventionensoziologischen Forschung ein Steigerungspotential in der Analyse der pragmatischen Aushandlung und Anwendung von Konventionen. Wie anhand der eigenen Forschungsergebnisse aufgezeigt werden konnte, birgt die Feldtheorie insbesondere Erklärungskraft für das Verständnis von inter- und intrakonventionellen Dynamiken. Dennoch ergaben sich unweigerlich auch Probleme bei der Vermittlung dieser beiden Theorien. Der Beitrag will das erarbeitete Marktmodell der multiplen Felder und Konventionen anhand der empirischen Forschungsergebnisse vorstellen. Er zielt weiter auf eine kritische Diskussion zur Vermittelbarkeit von Feldtheorie und Konventionensoziologie ab.</p>Raphael Vogel
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2015-12-232015-12-233713021312Allgegenwärtige Potentialität. Zukunftsträchtigkeit als gesellschaftliche Formgeberin unserer Zeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/100
Es ist dies eine eigentümliche Einmütigkeit, die da im frühen 21. Jahrhundert zwischen Astrologie und Soziologie, zwischen Bodybuilding-Experten und Schweinezüchtern, Bildungseinrichtungen und Arbeitgebern, ja selbst zwischen der sozialdemokratischen Bundessozialministerin und einer Großbank herrscht: Allesamt besingen sie unserer Tage – als hätten sie gemeinsam dafür geprobt – den hohen Stellenwert zukunftsträchtiger ›Potenziale‹. Der Beitrag rekonstruiert die gleichsam allgegenwärtige Beschwörung von Potentialitäten als Kennzeichen eines neuen Modus der gesellschaftlichen Zeitbearbeitung, der nicht mehr – wie noch jener des 20. Jahrhunderts – auf unbegrenzte Möglichkeiten setzt, sondern auf Wesenheiten, die eine bestimmte Zukunft zugleich verheißen und vorwegnehmen. Anhand der Betrachtung exemplarischer Felder, in denen die Orientierung an vermeintlich wesenhaften ›Potenzialen‹ aktuell Konjunktur hat, wird diese Leitfigur als eine zeitlich-sachliche Überbrückungsformel erhellt. Wie sich zeigt, stellt sich diese Formel gerade in solchen gesellschaftlichen Zusammenhängen als problemlösend dar, in denen althergebrachte Glaubensfundamente an sozialer Tragfähigkeit eingebüßt haben. Als für die Zukunft gewappnet erscheint unter dem Regime der Potentialität nurmehr, wer dem ureigensten ›Potenzial‹ nach heute schon als ein zukunftsträchtig strukturiertes Wesen – gewissermaßen als ein ›<em>future</em>‹ – gelten kann. Ein Abriss der verworrenen Genealogie potentialistischen Denkens lässt schließlich erkennen, dass auch unsere Disziplin an der gesellschaftlichen Verdichtung dieses spezifisch-unspezifischen Glaubens ihren Anteil hat. Ein Grund mehr, sich der Frage nach dem ›kritischen Potenzial‹ der Soziologie anzunehmen.Denis Hänzi
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2015-12-232015-12-2337100110Sinnkriterien und Handeln. Zur sozialtheoretischen Zentralität menschlicher Handlungsfähigkeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/136
Der Beitrag verteidigt zwei zentrale Annahmen über die Stellung von menschlichen Individuen, welche sich bei Max Weber finden. Erstens bilden sie für ihn das ‚Atom’ der Soziologie, weil Einheiten ‚unterhalb’ und ‚oberhalb’ von Individuen keine sinnfähigen Einheiten seien. Zweitens gehe die Soziologie dabei von menschlichen und nicht von nicht-menschlichen Handelnden aus. Berechtigt ist eine Kritik an der zweiten Annahme, weil Sinnfähigkeit differenziert werden muss. Die Anerkennung eines Kontinuums von Sinnfähigkeit führt aber gleichwohl nicht dazu, der Annahme einer Zentralität menschlicher Akteure zu widersprechen. Mit Zentralität soll bezeichnet werden, dass erstens menschliche Handelnde bestimmte Eigenschaften aufweisen, welche nicht-menschliche nicht besitzen, und dass zweitens auch ein Zugang zu den nicht-menschlichen auf die menschlichen Handelnden verweist. Die These der Zentralität wird anhand von drei Schritten entfaltet. Erstens wird untersucht, wie Individuen und Gesellschaft sozialtheoretisch ins Verhältnis gesetzt werden können. Dabei lassen sich drei Modelle unterscheiden: das Modell der strikten Trennung, das Modell der Interaktion und das Modell der Identifikation. Es zeigt sich, dass das eigentlich naheliegendste – das Interaktionsmodell – das problematischste ist. Zweitens wird nach dem Begriff des Akteurs und der Akteurin gefragt. Problematisch erscheint hier die Ausdehnung eines Begriffs des Handelnden, welche sich bei Latour findet. Geht man von anspruchsvolleren Begriffen des Handelns aus, so finden sich doch wieder Aspekte einer humanspezifischen Form der Sozialität, welche darauf beruht, dass Menschen nicht nur intentionale Wesen sind und andere als intentionale Wesen wahrnehmen, sondern diese Intentionalität wechselseitig in Rechnung stellen. Drittens ergibt sich eine Herausforderung dieser Perspektive durch ethnologische Beobachtungen. Eine Begrenzung auf menschliche Handelnde übersieht die Existenz solcher Ontologien, welche auch nicht-menschliche Handelnde in einem anspruchsvollen Sinne als vollständige Handelnde anerkennen. Gleichwohl lässt sich zeigen, dass auch hier eine anthropozentrische Perspektive gerechtfertigt werden kann.Jens Greve
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2015-12-232015-12-233711421152Gehaltvolle Intentionalität - eine postkonstruktivistische Perspektive
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/49
Postkonstruktivistische Theoriebildung ist nicht notwendigerweise darauf festgelegt, das epistemologische Primat der sprachlichen Welterschließung in Frage zu stellen. Der Beitrag zeigt am Fall der Diskussion des Akteursbegiffs, dass es nicht ausreicht über die Betonung der Widerständigkeit oder Materialität der „Dinge“ zu einem gehaltvollen Verständnis von Akteursqualitäten zu kommen. In Anschluss an Robert B. Brandom wird die These vertreten, dass die zugeschriebene Intentionalität abhängig und abgeleitet ist von der instituierenden Intentionalität der Zuschreiber. Einen normativen Status bekommen Akteure erst dadurch, dass es eine gemeinschaftliche (normative und sprachliche) Praxis der Zuschreibung gibt. Diese Praxis ist der Grund und Boden des Zuschreibens. Diese These entwickelt der Beitrag in kritischer Auseinandersetzung mit Thomas Luckmann und Bruno Latour.Peter Isenböck
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2015-12-232015-12-233711531157Competing logics in evaluating employee performance: Building compromises through conventions
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/69
Recent interest in institutional complexity has raised the question how organizations manage rival institutional logics. In this paper we argue that organizations can embed compromises between institutional logics in conventions that impart information how organization members should align competing logics. Using the case of performance appraisal reform in a German public sector organization, we illustrate how a convention aligns accountability and professional logic and show how the compromise between these competing logics is established over time. By introducing the concept of convention, we provide an alternative to research that studies coexistence of logics in organizations as a result of organization members with different identities.Julia BrandlArjan Kozica
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2016-05-162016-05-163712411253Die Economie des conventions und der Institutional logics-Ansatz im Vergleich
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/13
Der Beitrag vergleicht zwei neuere institutionentheoretische Ansätze. Das ist einmal die Economie des covnentions (EC) sowie dann der Institutional logics-Ansatz (IL). Beide führen Strukturkonzepte ein, die als Koordinationslogiken betrachtet werden können und für die Analyse komplexer institutioneller Konstellationen und Dynamiken zur Verfügung stehen können. Beide Ansätze werden hinsichtlich ihrer Theoriekulturen, Theoriepolitiken sowie Methodenkulturen und Erklärungslogiken vergleichen. Letztlich werden wichtige Unterschiede herausgestellt.Rainer Diaz-Bone
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2015-12-232015-12-233712541259Die Konsumenten – „Treiber“ des Umweltverbrauchs?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/179
<p>Während zu Beginn der Umweltdebatte unstrittig „die“ Industrie als Hauptverursacher regionaler und globaler Umweltprobleme ausgemacht war, richtet sich das Hauptaugenmerk inzwischen zunehmend auf den Konsum und die Rolle der Konsumenten. Dafür gibt es gute Gründe. Ein problematisches und einseitiges Bild entsteht allerdings dann, wenn dabei die Unternehmen und andere relevante Akteure völlig in den Hintergrund geraten und die Konsumenten als die einzigen oder eigentlichen Verursacher der ökologischen Krise erscheinen. Im vorliegenden Diskussionsbeitrag sollen deshalb einige Thesen, Forschungsbefunde und Forschungslücken zum Thema „Konsumentenverantwortung“ aufgezeigt bzw. diskutiert werden.</p><p>Auch in der Nachhaltigkeitsforschung wird der Konsum/die Konsumenten teilweise als das eigentliche Hauptproblem bzw. die eigentliche Ursache der Umweltkrise dargestellt – explizit oder dadurch, dass die Rolle weiterer Akteure ausgeblendet bleibt. Andere Beiträge thematisieren zwar auch die Rolle der Unternehmen, rechnen aber auch die im Herstellungsprozess erzeugten Umweltbelastungen dem Konsum zu. Dies gilt auch für konsumorientierte (Footprint-) Ansätze in der Ökobilanzforschung. In einer weiteren Gruppe von Beiträgen wird schließlich die Rolle der Produktion durchaus problematisiert, allerdings richtet sich auch hier der Fokus wieder primär auf die Konsumenten, indem ihnen die Rolle des „Motors“ oder „Treibers“ der Produktion und des Wirtschaftswachstums zugewiesen wird. Gleichwohl entstehen die meisten Umweltbelastungen nach wie vor im Bereich der Produktion, die Konsumenten sind hieran also nur indirekt beteiligt. Und auch das Bild von den Konsumenten als „Treibern“ der Produktion ist nur bedingt plausibel, bleiben hierbei doch die Interessen und Strategien anderer - nicht selten einflussreicherer - Akteure (Industrie, Handel, Werbung, Politik) unberücksichtigt.</p><p>Forschungsdefizite (und wenig plausible Annahmen) bestehen insbesondere bezüglich der Ausprägungen und sozialen Verteilung der mit dem Konsum verschiedener sozialer Gruppen und Haushaltstypen verbundenen Umweltwirkungen – jenseits nationaler durchschnittlicher Pro-Kopf-Verbräuche. Ebenfalls erst in Ansätzen liegen Diskussionsbeiträge und Befunde über die ökologische Relevanz nicht nur von Konsumausgaben, sondern auch von Ersparnissen und Kapitalanlagen vor. Beide Themen verweisen darauf, dass die ökologische Krise ebenso wie im internationalen auch im nationalen Maßstab (auch) ein Wohlstands- und damit auch ein Gerechtigkeitsproblem darstellt. Bezüglich der Rolle der Konsument/innen als Problemlöser wird abschließend insbesondere darauf hingewiesen, dass zwar häufig eine direkte ökologische Wirkung von Veränderungen im Konsumentenverhalten unterstellt (und z.B. mit Footprint-Rechnern berechnet) wird, diese aber keineswegs vorausgesetzt werden kann.</p>Roland Bogun
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2015-12-232015-12-2337874887Autobiografische Updates als Antwort auf biografische Unsicherheitserfahrungen in der reflexiven Moderne
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/74
<p>Die typischen Kennzeichen der reflexiven Moderne - wie der radikale Individualisierungsschub, die Pluralisierung der Lebensformen und der Wandel der Erwerbsstrukturen - bedeuten für die Individuen beträchtliche Flexibilisierungs- und Kontingenzerfahrungen in allen Lebensbereichen. Immer weniger können sie auf Unhinterfragtes und Selbstverständliches zurückgreifen, um für sich einen gewissen Grad an biografischer Sicherheit - an Erwartbarkeit, Planbarkeit und Vorhersehbarkeit des eigenen Lebensverlaufs - zu erreichen.</p><p>Diese individuellen, teils krisenhaften Unsicherheitserfahrungen fungieren aus meiner Sicht als Biografiegeneratoren, die eine neue Form der autobiografischen Darstellung bzw. eine neue Form des Selbstbekenntnisses hervorgebracht haben und die ich im Folgenden Autobiografische Updates bezeichne. Hierbei handelt es sich um sogenannte Jahres- oder Weihnachtsbriefe, in denen Menschen über ihre Erlebnisse aus dem vergangenen Jahr berichten. Sie erzählen darin von beruflichen und familiären Ereignissen und von privaten Sorgen und Nöten. Typische Empfängergruppen sind FreundInnen, Verwandte und auch ArbeitskollegInnen. Da diese "Lebensabschnittserzählungen" meist regelmäßig wiederkehrend am Ende jeden Jahres verschickt werden, nenne ich sie Updates. Meine These ist, dass diese autobiografischen Zeugnisse eine "Antwort" auf die unsicheren Bedingungen der reflexiven Moderne sind, da sie dazu beitragen können, die individuellen Unsicherheits- und Kontingenzerfahrungen besser zu bewältigen.</p><p>Ziel des Beitrags ist es einerseits, diese Textgattung von anderen Formen autobiografischer Darstellungen abzugrenzen und ihr vermehrtes Erscheinen seit den 1970er Jahren im Kontext reflexiver Modernisierung zu reflektieren. Andererseits soll unter Rückgriff auf eine empirische, qualitativ orientierte Untersuchung autobiografischer Updates ein Überblick darüber gegeben werden, in welcher Weise in diesen Briefen Unsicherheiten inszeniert und bewältigt werden und dadurch ein gewisser Grad an biografischer Sicherheit erzeugt wird.</p>Helga Pelizäus-Hoffmeister
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2015-12-232015-12-2337245253Krisen in krisenfesten Berufen: Karriereplanung und biografische Unsicherheit bei Beamten der öffentlichen Verwaltung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/244
<p>Der Beitrag stützt sich auf die Ergebnisse eines Forschungsprojektes zu unterbrochenen Erwerbsverläufen in der öffentlichen Verwaltung. Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden Interviews mit Beschäftigten einer großen Stadtverwaltung durchgeführt. Den Schwerpunkt der Befragung bildeten Fragen nach dem biographischen Erfolg, persönlichen Krisen und wie diese subjektiv konzeptualisiert und wahrgenommen werden.</p><p>Alle Befragten beschrieben die Erwerbsunterbrechungen als eine Krise. Jedoch wird das Meistern dieser Krise als ein notwendiger Bestandteil einer erfolgreichen Biographie wahrgenommen. Die „Bio-Graphie“ wurde durch den Ausgang der Krise deutlich beeinflusst. Der Beitrag beleuchtet die subjektive Sicht auf berufliche Krisen aus unterschiedlichen Perspektiven und reflektiert, wie der Einfluss der Krise methodologisch sichtbar gemacht werden kann.</p>Elisabeth Schilling
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2015-12-232015-12-2337254265Sozial und räumlich eingebettete Mobilitätspraktiken
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/111
<p class="Textkf6rper">Gegenstand des Beitrags sind einige methodische und methodologische Fragen, die sich im Zusammenhang mit einer soziologischen Forschungsperspektive auf räumliche Mobilitäten ergeben. Insbesondere geht es mir dabei um die Konzeption von Mobilität als einer sozialen Praktik und um die Konzeption des Subjektes als Urheber dieser Praktik bzw. als Akteurin.</p><p class="Textkf6rper">Zunächst werde ich hierfür vor dem Hintergrund des sogenannten „Mobilities Paradigm“ herausarbeiten, wie Mobilitätspraktiken soziologisch fundiert gedacht werden können. Im Anschluss setzte ich mich mit der Frage auseinander, wie diese Konzeptionalisierung methodisch kohärent umgesetzt werden kann. Der dritte Teil meines Beitrags wird dann mit der multiplen Korrespondenzanalyse einen Vorschlag für eine Übersetzung der theoretischen Überlegungen in methodische Techniken vorstellen, der illustriert wird mit der korrespondenzanalytischen Untersuchung von Mobilitäten auf Basis des Schweizerischen Haushaltpanel.</p>Katharina Manderscheid
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2015-12-222015-12-2237834845Determinanten der mobilitätsspezifischen Selbstwirksamkeit bei internationaler Entsendungsmobilität und ihre Bedeutung im Familienkontext
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/91
<p>Das von Albert Bandura in den 1970er Jahren entwickelte Konzept der Selbstwirksamkeitserwartung – das subjektive Vertrauen in die eigenen Kompetenzen – hat sich als geeignet erwiesen, um zu erklären, warum bestimmte Personen schwierige oder herausfordernde Situationen erfolgreicher meistern als andere. Vor diesem Hintergrund analysiert der Beitrag den Einfluss <em>mobilitätsspezifischer</em> <em>Selbstwirksamkeitserwartungen </em>auf die Bewältigung von berufsbezogener internationaler Mobilität. Am Beispiel der Beschäftigten im diplomatischen Dienst sowie deren Angehörigen wird analysiert, ob die mobilitätsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen der Beschäftigten einen Einfluss auf die Wahrnehmung von Konflikten zwischen Familien- bzw. Privatleben und beruflicher Mobilität haben. Darüber hinaus wird untersucht, ob innerhalb von Partnerschaften die Selbstwirksamkeitserwartungen eines/einer Partners/Partnerin einen eigenständigen Einfluss auf die Konfliktwahrnehmung des/der anderen Partner/-in haben. Schließlich wird geprüft, welche individuellen und kontextuellen Faktoren die Selbstwirksamkeitserwartungen stärken können. Die Analysen zeigen, dass die mobilitätsspezifischen Selbstwirksamkeitserwartungen der mitziehenden Partner/-innen dominieren und den Beschäftigten dabei helfen, Mobilität erfolgreich zu bewältigen. Individuelle Kompetenzüberzeugungen im Umgang mit intensiver Mobilität erscheinen daher als weiter zu verfolgendes Konzept im Kontext der Mobilitätsforschung.</p>Stine WaibelHeiko RügerSilvia RuppenthalNorbert F. SchneiderBrenton Wiernik
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2015-12-232015-12-2337846861Räumliche Mobilität und regionale Partnermärkte
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/24
Aufgrund der ungleichen Verteilung von arbeitsmarkt- und ausbildungsbedingten Binnenwanderungen auf die Geschlechter und auf verschiedene Altersgruppen determiniert räumliche Mobilität die Struktur der lokalen Partnermärkte, d.h. der Relationen von alters- und bildungsmäßig zueinander passenden Männern und Frauen im kleinräumigen Kontext. Der Beitragt präsentiert hierzu Untersuchungen, die auf einem Vergleich kleinräumiger regionaler Einheiten (Landkreise und kreisfreie Städte), auf Längsschnittbetrachtungen und auf theorieadäquaten Partnermarktindikatoren (alters- und verfügbarkeitsgewichtete Availability Ratio) beruhen. Die Ergebnisse verdeutlichen den Zusammenhang zwischen den Partnermarktbedingungen und regionalen Strukturmerkmalen. Zentrale Datengrundlage der Untersuchungen ist die regionale Bevölkerungsstatistik der statistischen Landesämter.Jan EckhardJohannes Stauder
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2015-12-232015-12-2337862872Zur Inanspruchnahme non-formaler schulischer und außerschulischer Bildungsangebote während der Schullaufbahn
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/184
<p>Non-formale Bildungsangebote sollen gerade bei Kindern und Jugendlichen den Erwerb kognitiver und sozialer Kompetenzen unterstützen. Vorliegende Untersuchungen zeigen, dass ihre Inanspruchnahme durchaus mit einer Reihe förderlicher Wirkungen einhergeht, etwa bei der Entwicklung des Sozialverhaltens oder der Unterstützung des schulischen Erfolgs. Allerdings werden dabei sehr unterschiedliche Operationalisierungen der Inanspruchnahme zu Grunde gelegt. Zudem weisen zahlreiche Untersuchungen auf die sozial selektive Teilnahme der in der Regel freiwilligen Bildungsangebote hin. Gefordert werden daher Erhebungs- und Analysekonzepte, die der Multidimensionalität der Inanspruchnahme Rechnung tragen und dadurch sozial ungleiche Teilhabemuster erkennbar werden zu lassen. Im Beitrag wird ein an die retrospektive Erfassung von Lebensereignissen in Form eines Life History Calendar angelehntes Verfahren zur Erfassung der Inanspruchnahme non-formaler Bildungsangebote während der Schullaufbahn vorgestellt. Die so gewonnenen sozial unterschiedlichen Formen der Inanspruchnahme non-formaler Bildungsangebote werden im Beitrag ebenso vorgestellt wie ihr Einfluss auf die weitergehenden Bildungsabsichten der Schüler/-innen im Anschluss an die Sekundarstufe I.</p>Christine SteinerBettina ArnoldtPeter Furthmüller
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2015-12-232015-12-2337222232Nationale Bildungsstandards in den USA – zwischen Transnationalisierung und historischer Pfadabhängigkeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/62
<p>Der Beitrag gibt Einblicke in das DFG-Forschungsprojekt Transnationalisierung von Bildungspolitik, das zwischen 2012 und 2015 an der Universität Bamberg durchgeführt worden ist. Hierbei standen Bildungsreformen in unterschiedlichen Bildungsregimen im Blickpunkt, die auf das Zusammenspiel von globalen Konvergenz- und lokalen Rekontextualisierungstendenzen hin untersucht wurden.</p><p>Die Durchsetzung standardbasierter Reform als Teil eines globalen Modells von Bildungssteuerung spielt hierbei eine besondere Rolle. In diesem Zusammenhang wurde im Rahmen des Teilprojektes USA die jüngste Emergenz der sogenannten Common Core State Standards (CCSS) einer eingehenden Analyse unterzogen. So sind in den USA – einem Land, in dem Bildungsstandardisierung auf nationalem Level traditionell als illegitim erachtet wurde – zwischen 2001 und 2013 macht- und wirkungsvolle staatsübergreifende, de facto nationale Bildungsstandards entwickelt und politisch durchgesetzt worden. Unter Anwendung einer Feldanalyse wurden, ausgehend von den CCSS, entscheidende Wendepunkte der US-Bildungsgeschichte ausgemacht, im Rahmen derer die nationale Bildungsstandardisierung als eine bestimmte Form der Transnationalisierung sukzessive möglich wurde.</p>Sigrid Hartong
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2015-12-212015-12-2137233243„Wenn das Einkommen nicht ausreicht…“ Eine empirische Untersuchung zu Mittelklasse-Haushalten in Kasachstan und Kirgistan“
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/6
<p>Die epochalen Umbrüche in Europa und Zentralasien nach dem Zerfall der Sowjetunion führten zu grundlegenden Transformationen der wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Gegebenheiten. Den Transformationen in der Ökonomie privater Haushalte wurde bisher relativ wenig Bedeutung geschenkt. Die sozialistische Periode verlangte aufgrund umfassender staatlicher Wohlfahrtsleistungen kaum private Vorsorge zur (Über-)Lebens- und Alterssicherung. Die große Herausforderung für die privaten Haushalte bestand und besteht bis heute darin, sich den Gegebenheiten, Normen und Praktiken des „neuen“ Systems der Marktwirtschaft anzupassen und sich mit bis zum Systemwechsel nahezu unbekannten Phänomenen wie Arbeitslosigkeit, Armut, wachsender Wohlstandsdifferenzierung, Ausbildungsfinanzierung, Alter und nicht planbaren Ereignissen wie Krankheit eigenverantwortlich zu stellen.</p><p>Dieser Frage gehen wir in einem Forschungsprojekt nach, um zu untersuchen, ob sich bestimmte nachhaltige Strategien der Haushaltsführung herausgebildet haben, mit denen die Haushalte ihren Alltag bewältigen.</p>Heiko Schrader
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2015-12-152015-12-153715991610Zur Analyse soziokultureller Differenzierung von Mittelschichten im Globalen Süden: Eine exemplarische Analyse von Milieus in Nairobi
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/51
<p>In den letzten Jahren haben Debatten in internationalen Medien wie in verschiedenen wissenschaftlichen Kontexten den Aufstieg “neuer Mittelschichten” in Asien, Südamerika, aber auch in Afrika diskutiert. Dabei wurden die neuen – oder auch erst neu wahrgenommenen – afrikanischen Mittelschichten überwiegend als Träger ökonomischer Entwicklung oder in politischen Konflikten als Protagonisten demokratischer Veränderung betrachtet. Diese Sichtweise geht damit von relativ homogenen “afrikanischen Mittelschichten” aus und übergeht sozioökonomische, politische und kulturelle Unterschiede der verschiedenen Gruppen. Auf der Grundlage empirischer Forschung untersucht der Beitrag, welche Konzepte für die Analyse der besonderen Bedingungen soziokultureller Diversität von Mittelschichten in Afrika am besten geeignet sind. Im Blick auf Kenia werden insbesondere die Reichweiten und die Anwendungsprobleme des Konzepts der Kleinen Lebenswelten und des Milieu-Ansatzes (im Sinne sozialstruktureller Makro-Milieus) ausgelotet. Als exemplarische Beispiele für die Entwicklung spezifischer Abgrenzungskriterien unterschiedlicher soziokultureller Gruppen dienen dabei zwei empirische bestimmte „Milieukerne“ (christlich religiöses Milieu, neo-traditionales Milieu).</p>Florian StollDieter Neubert
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2015-12-232015-12-233716111624Anfragen an die Soziologie des Publikums
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/44
Der Beitrag unterzieht die bisherige differenzierungstheoretische Auseinandersetzung mit den Publika gesellschaftlicher Teilbereiche einer kritischen Betrachtung. Hintergrund ist ein neues Interesse an Laienpraktiken, das sich aus neuen Sozialfiguren wie den Bastlern, Prosumern oder Bloggern speist. Bislang wurde dieses Thema vor allem von der Professions- und Wissenssoziologie aufgegriffen. Dabei berührt die Beobachtung, dass mit diesen Phänomenen auch die bislang etablierte und institutionalisierte Rollenteilung zwischen (Wissens-)Expert/-innen und Amateur/-innen auf den Prüfstand gestellt wird - im Kern die differenzierungstheoretische Fragestellung nach dem Verhältnis gesellschaftlicher Teilbereiche zu ihren Publika. Der Beitrag endet mit dem Plädyer, die Eigenlogik alltagsweltlicher Stellungnahmen theoretisch in Rechnung zu stellen und mit rekonstruktiven Methoden zu erforschen. Eine solche empirische Forschung stellt unseres Erachtens eine lange überfällige Ergänzung zu den meist auf hohem Abstraktionsniveau geführten differenzierungstheoretischen Debatten der letzten Jahre dar.Uta KarsteinNina Tessa Zahner
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2015-12-232015-12-233719801988Governance of Discontinuation – Neue Perspektiven auf die Energiewende und nachhaltige Mobilität
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/118
Bisher steht bei Studien zum Wandel sozio-technischer Systeme zumeist die Governance von Innovationen im Vordergrund. Unbeachtet bleibt häufig, dass die Lösung gesellschaftlicher Probleme nicht allein in der Entwicklung von neuen, sondern auch in der<em> Abschaffung</em> von etablierten sozio-technischen Systemen bestehen kann. Geleitet von der zentralen Annahme, dass sich sozio-technische Systeme nicht ausschließlich durch die Entwicklung innovativer, durchsetzungsfähiger Alternativen beenden lassen, schlagen wir folgenden Perspektivwechsel vor: Zur Untersuchung des sozio-technischen Wandels muss der Blick auch auf die <em>gezielte Beendigung</em> bestehender Systeme und Strukturen gelenkt werden.Jessica LongenSebastian HoffmannJohannes Weyer
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2015-12-232015-12-2337937946„Das Fundament unseres Hauses wird uns unter den Füßen weggezogen“ – Energieversorger im Reorganisationsprozess
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/173
<p>Die Energieversorger sehen sich durch die Politik zur Energiewende vor Anforderungen gestellt, sich möglichst rasch an neuen Zielen auszurichten; neben den technologisch basierten Zielen sind dies organisatorische und unternehmenskulturelle Ziele: Es soll Energie eingespart werden, statt möglichst große Mengen davon zu verkaufen. Für die traditionellen Energieversorger ist dies eine kontraintuitive Anforderung, die Umsteuerungen auf mehreren Ebenen erforderlich macht: Es muss größeres Gewicht gelegt werden auf Dienstleistungen für die Nutzer, also Energieberatung, -Management und -Contracting, vertriebsseitige Funktionen müssen ausgebaut werden und diese Veränderungen müssen personell umgesetzt werden. Solche Veränderungen erscheinen um so dramatischer, wenn in Betracht gezogen wird, dass Energieversorger traditionell vor allem an (Versorgungs-) Sicherheit ausgerichtet waren und ihre interne Organisation ebenso wie ihre Personalstrukturen und -politik weithin gemäß den bürokratischen Regeln der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Dienstes funktionieren. Entsprechend stabil sind die Beschäftigungsbeziehungen, und entsprechend hoch ist inzwischen das Durchschnittsalter in vielen der Unternehmen. Die Frage ist also, wie ein so grundlegender Wandel unter diesen Bedingungen organisatorisch und personell umgesetzt wird.</p><p>Wir gehen dieser Frage in einer explorativen Studie anhand von qualitativen Interviews in zwei deutschen Stadtwerken nach. Stadtwerk A versucht die Energiewende proaktiv zu gestalten. Das Unternehmen bemüht sich, die Liberalisierung und Energiewende für sich zu nutzen, etwa durch eine zunehmende Dienstleistungsorientierung, aber auch durch die Beteiligung an „Projektgesellschaften“, die Windkraftanlagen finanzieren. Stadtwerk B dagegen fokussiert sich auf das Kerngeschäft der Energieversorgung. Es sieht seine Zukunft nicht in einer zunehmenden Dienstleistungsorientierung.</p><p>Wie lassen sich diese unterschiedlichen Herangehensweisen erklären? Mit Bezug auf die Konventionensoziologie untersuchen wir, auf welche Rechtfertigungsordnungen in den beiden Stadtwerken zurückgegriffen wird, um den eigenen Umgang mit Energiewende und Liberalisierung zu begründen. Dabei zeigt sich, dass die Energieversorger mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert sind: Die Versorgungsorientierung auf Basis technischer Effizienz und Stabilität sowie Gemeinwohlverantwortung bleibt bestehen, während eine gesteigerte Marktsteuerung die Wettbewerbsorientierung verstärkt. Hinzu kommt die Anforderung zur Umorientierung von Produktion und Versorgung auf Dienstleistungen, um Energieeffizienzziele zu realisieren und neue Geschäftsfelder zur erschließen. Dies erfordert Veränderungsbereitschaft und Flexibilität von Beschäftigten, die ein ausgeprägtes Beharrungsvermögen im Hinblick auf Stabilität und Relevanz interner Arbeitsmärkte haben. Unter diesen Voraussetzungen wird radikaler Branchenwandel hochvoraussetzungsvoll.</p>Heike JacobsenFranziska BlazejewskiPatricia Graf
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2015-12-232015-12-2337947957Diffusionshürden und Entwicklungsmöglichkeiten von zivilgesellschaftlichen Organisationen im Energiebereich
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/145
Die Unternehmensform der Genossenschaft wird derzeit als adäquate Organisationsform zur Gestaltung partizipativer Prozesse des Wandels wiederentdeckt. Dies gilt ganz besonders für die Transformation der Energiesysteme, die vor dem Hintergrund des Atomausstiegs, des Klimawandels und des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes an Bedeutung gewonnen haben. Diese oft als „Energiewende“ bezeichnete Entwicklung inkorporiert viele Ansätze, die neben der technisch-ökonomischen Umgestaltung den Aspekt dezentraler und partizipativer Entscheidungsstrukturen hervorhebt. sollen unter Rückgriff auf die Diffusionsforschung und Ergebnisse einer durchgeführten Expertenbefragung identifiziert und analysiert werden. In der Befragung wurde Mitte 2014 die Expertise von über 40 Experten (aus den Bereichen der Genossenschaftsverbände, Forscher, Netzwerker, Change Agents usw.) im Bereich Energiegenossenschaften erhoben und ausgewertet. Die Faktoren, die die Verbreitung von Energiegenossenschaften bedingen, sind bislang nicht systematisch erforscht. Dieser Forschungslücke widmet sich die Arbeit und untersucht im Sinne der Diffusionsforschung die Ursachen für die Verbreitung von Energiegenossenschaften. Die Diffusionstheorie beschreibt dabei Faktoren, wie Kommunikationskanäle und die Ausgestaltung des sozialen Systems, die bei der Verbreitung von Innovationen in gesellschaftlichen Zusammenhängen bedeutsam sind. Aktuell bestehende Faktoren, die die Verbreitung von Energiegenossenschaften hemmen und solche, die sie befördern können, sollen unter Rückgriff auf die Diffusionsforschung und Ergebnisse einer durchgeführten Expertenbefragung identifiziert und analysiert werden. In der Befragung wurde Mitte 2014 die Expertise von über 40 Experten (aus den Bereichen der Genossenschaftsverbände, Forscher, Netzwerker, Change Agents usw.) im Bereich Energiegenossenschaften erhoben und ausgewertet.Daniel Dorniok
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2015-12-232015-12-2337958969Nachbarschaft in der Weltgesellschaft
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/241
<p>Beziehungsgeflechten wohnen Ungleichverteilungen inne. Entlang Ansätzen der Weltgesellschaft, der Small World Studies und empirischen Beiträgen der transnationalen Studien explorieren wir die Bedeutung von geographischer Nähe für das Vorhandensein von transnationalen Beziehungen. Im Spannungsverhältnis zwischen theoretischer Diskussion und empirischer Betrachtung skizzieren wir erste Ideen für die forschungsleitende Perspektive der „transnationalen Nachbarschaft in der Weltgesellschaft“.</p>Lena LaubeAndreas Herz
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2015-12-232015-12-233716341641(Un)gewollte Nachbarschaft? Transnationale Beziehungen im deutsch-polnischen Grenzraum
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/132
Im Prozess der europäischen Integration wird den Grenzräumen die Rolle der Laboratorien der europäischen Integration und des Inkubators der kosmopolitischen Identität zugeschrieben. Die deutsch-polnische Grenzregion stellt einen interessanten Fall für die Untersuchung der Evolution von Nachbarschaftsbeziehungen in Europa dar. Nach der politischen und wirtschaftlichen Transformation in Mittel- und Osteuropa befand sich die deutsch-polnische Grenzregion in der Mitte der Rekonfiguration des europäischen Raumes. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Beitritt Polens zur Europäischen Union in 2004 verwandelt sich die Grenze allmählich von der Barriere zur Brücke, was insbesondere im politischen Diskurs betont wird. Das Ziel des Beitrags ist es, die neue polnische Migration in Mecklenburg-Vorpommern mit dem Konzept von <em>transborderness </em>zu analysieren.Elżbieta Joanna Opiłowska
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2015-12-222015-12-223716421650Kreative Zerstörung als Rückkehr genialer Gewöhnlichkeit: LEGO, die Kulturtragödie der Exzellenz und die Expropriation des Brickolariats
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/55
<p>Der Gegensatz von Exzellenz und Mittelmaß läßt sich auflösen, indem Exzellenz nicht als Exzeß sondern als unausweichliche Implikation der Mittlemäßigkeit verstanden wird. Statt an Aristoteles‘ konservatives Ideal der Mäßigung, schließe ich damit an Platons Begriff des μεταξύ, der Mitte als instabiles Zwischen, an, das sich aus dem Chaos konstituiert und sich in prekärer Balance aus diesem nur absondern kann, indem es sich auf eine nie zu erreichende Perfektion der Form orientiert. In dieser Perspektive zeigt sich das Streben nach Exzellenz als Selbsterhaltungstrieb des Mittelmaßes – eine ewig aufstrebende, stets prekäre, nie ankommende gesellschaftliche Mitte. Bei Platon ist diese davor gefeit, ihre kreative Energie zu verlieren, da sie metaphysisch zum Zwischensein verdammt ist. Das Problem des gegenwärtigen Exzellenzkults ist, daß Spitzenstandards und Höchstleistungen durchformuliert und instutionalisiert werden, wodurch systemtranzendierende Innovation zugunsten algorithmisierter Exzellenzproduktion blockiert wird. Organisationslogik ersetzt radikale Neuerungen durch erreichbare, klar definierte Exzellenzziele. Exzellenzorientierte Firmenkulturen erfahren Verdinglichungsprozesse lebloser Perfektion wie sie in Simmels <em>Tragödie der Kultur</em> thematisiert werden. Während er sich rhetorisch als Gegenteil von Mittelmäßigkeit darstellt, markiert der Exzellenzkult so in Wirklichkeit eine Grenze der auf kreativer Zerstörung basierenden Kapitalakkumulation. Um diese zu überwinden, müssen neue Ressourcen der Kreativität außerhalb aufgetan werden. In seiner Kritik an Simmel hatte Cassirer schon auf den revitalisierend-produktiven Charakter des <em>Konsums</em> von Kulturprodukten verwiesen – und es sind in der Tat die bisher als bloß passiv absorbierend verstandenen Konsumierenden, deren schöpferisches Potenzial nun angezapft wird. Viele Unternehmen entdecken den produktiven Konsumenten (<em>prosumer</em>), als kostengünstige Inspirationsquelle. Aus den kulturindustriell zum Mittelmaß verdammten bzw. als mittelmäßig verkannten Massen sollen neue Ideen hervorgezaubert werden, die vom aus <em>targets</em> eingeschworenen Personal nicht mehr zu erwarten sind.</p><p> </p><p>Dies läßt sich beispielhaft an der Entwicklung von <em>Lego</em> nachzeichnen, in welcher der einst offene Möglichkeitshorizont der Rekombination einfacher Bauelemente durch die Perfektionierung von Konstruktionsplänen drastisch geschrumpft wurde. Spielerisch wurde im Zuge des langsamen Verfalls, Umbaus und Neubaus der Modelle in den Kinderzimmern dezentral schon lange schöpferische Zerstörung geübt – und nun greift der Konzern über<em> user engagement platforms</em> wie „Lego Ideas“ systematisch auf diese Ressource zu. Der kreative <em>prosumer</em> wird im quasi-offiziellen Spielfilm des Unternehmens heroisiert. <em>The Lego Movie</em>, unter geschütztem Markennamen vertrieben durch Warner Bros. und gemeinschaftlich mit dem Lego-Konzern vermarktet, gibt sich auf den ersten Blick regelrecht antikapitalistisch. Er richtet sich gegen die vom Unternehmen betriebene Produktstrategie, immer perfektere „Welten“ auf den Markt zu bringen, die aber Raum für spielerische Modifizierungen zu eliminieren drohen. Im Film plant der nach Perfektion strebende Lord Business, der als Monopolkapitalist über die Legowelten herrscht, freier Rekonstruktion ein für allemal den Garaus zu machen, indem die vorschriftsmäßig montierten, nicht weiter verbesserbaren Welten durch Anwendung einer Geheimwaffe (Superklebstoff) endgültig fixiert werden sollen. Die „Masterbuilder“ unter Führung des Propheten Vitruvius führen einen aussichtslosen Kampf gegen die Auslöschung des ursprünglich in den Bausteinen innewohnenden schöpferischen Potentials. Der eigentliche Held des Films, Emmet, ist ein kulturindustriell gleichgeschalteter konsumorientierter Bauarbeiter – die Verkörperung der Mittelmäßigkeit schlechthin. Als sich herausstellt, daß Emmet‘s halbgebackenen Wahnsinnskonstruktionen unerwarteten Nutzen im Kampf gegen Lord Business haben, mobilisieren die Masterbuilder die Massen der Legofiguren – greifen auf deren <em>general intellect</em> zu. Aus den Baustein-Proletariern werden befreite <em>bricoleurs</em>, das Brickolariat erhebt sich – doch die Revolution endet im Klassenkompromiß, nachdem Lord Business von Emmet an seine kreative Wurzeln erinnert wird.</p><p>Technologisch ausgefeilt, prätendiert der Film ästhetisch Amateurhaftigkeit, indem der Stil selbstgemachter <em>stop motion</em> Legovideos auf Youtube nachahmt. Er stellt damit eine Allianz her mit den <em>bricoleurs</em>, die vom Design der vorgegebenen Konstruktionspläne abweichen und das zunehmend auf einer kommerziell betriebenen Platform zur Schau stellen, die von den Beiträgen der <em>prosumer</em> lebt.</p>Der Film kann damit als kulturindustrielle Aufarbeitung der Selbstbefreiung der im Exzellenzfetish verfangenen Unternehmen durch eine ursprüngliche Akkumulation genialer Mittelmäßigkeit verstanden werden.Matthias Zick Varul
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2015-12-202015-12-2037151160Theoretical Contributions to a sociology of (e)valuation
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/166
<p>Valuation and evaluation processes are currently a much discussed topic, in particular, in the sociology of science, in science and technology studies and in economic sociology. Phenomena such as university rankings or credit ratings are addressed in research on classification, categorization, commensuration, standardization, and quantification. However, beyond such discussions about ratings and rankings, the paper argues that valuation and evaluation processes should be furthermore understood as a substantial feature of the social. Valuation as the construction of classificatory systems through the attribution of value to objects, people and practices and evaluation as the enactment of such value-charged classificatory systems fundamentally contribute to the institutionalization of a commonly shared understanding of social reality. Focusing on conflicts about the attribution of value and the appropriateness of evaluation frameworks within everyday situations of decision-making might then help to address questions such as on institutional change.</p>Anne K. Krüger
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2016-05-172016-05-173711841191Bewertungspluralismus und organisationales Entscheiden
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/115
<p>Seit einigen Jahren konstituiert sich das Forschungsfeld einer Soziologie der Bewertung. Wir stellen hier – noch sehr vorläufige – programmatisch-konzeptionell gemeinte Überlegungen zu einer in diesem Feld verorteten, dezidiert organisationssoziologischen Perspektive vor. Diese macht den Zusammenhang von Bewerten und Entscheiden zu ihrem Gegenstand. Im Zentrum steht die Frage, wie Bewertungen in der empirischen Entscheidungspraxis verwendet werden. Unsere Überlegungen zielen auf ein breiteres, langfristiger angelegtes, dann letztlich empirisch-vergleichendes Forschungsprogramm.</p>Frank MeierEnno Aljets
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2015-12-232015-12-233711921202Routinen der Krise – Krise der Routinen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/275
<p class="DGS3nach2">Grußwort des Sprechers des Organisationsteams zur Eröffnung des 37. Kongresses der DGS, 6.–10. Oktober 2014 in Trier</p>Martin Endreß
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2015-12-222015-12-22371519Die Externalisierungsgesellschaft
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/274
<p class="DGS3">Vortrag zur Eröffnung des 37. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie »Routinen der Krise – Krise der Routinen« am 6. Oktober 2014 in Trier.<em> </em></p>Stephan Lessenich
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2015-12-212015-12-21372026Die Europäisierung der Gesellschaften Europas: Zwischen nationalstaatlicher und globaler Vergesellschaftung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/23
<p>Im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses am europäischen Integrationsprozess stand bislang das wirtschaftliche, rechtliche und politische Zusammenwachsen Europas. Die europäische Integration führt insbesondere seit den 1990er Jahren aber auch zu einer grundlegenden Transformation der sozialen Beziehungen und der Lebenssituation der Menschen. Während sich das Leben der Menschen in der Nachkriegszeit vorrangig im Rahmen von Nationalstaaten abspielte, geht die Öffnung bislang weitgehend nationalstaatlich regulierter und begrenzter sozialer Felder und Räume mit einer zunehmenden grenzüberschreitenden Verflechtung und einer stärkeren transnationalen Integration sozialer Interaktionen, Einstellungen und Deutungen einher. Dies kann als horizontale Europäisierung bezeichnet werden. Ihrer Untersuchung widmet sich die Forschergruppe „Europäische Vergesellschaftungsprozesse“. In einer engen, standortübergreifenden Zusammenarbeit analysiert diese Forschergruppe mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft horizontale Europäisierungsprozesse am Beispiel akademischer, bürokratischer, professioneller und arbeitspolitischer Felder. In den folgenden Beiträgen stellt die Forschergruppe ausgewählte Ergebnisse der ersten Förderphase (2012-2015) vor.</p>Martin Heidenreich
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2015-12-232015-12-233712141216Zur Entstehung akademischer Konsekrationsinstanzen: Die Europäisierung des Hochschulraums und das symbolische Kapital des European Research Councils (ERC)
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/121
<p>Die EU spricht von der Schaffung eines „europäischen Hochschulraums“, der sowohl die wissenschaftliche Innovationskraft erhöhen als auch Chancen für 'exzellente Wissenschaft' überall in Europa bieten soll. Sie versteht Forschungspolitik als Wachstums- und Wirtschaftspolitik. Entsprechend ist die Vergabelogik der Fördergelder der Rahmenprogramme (RP) eng an diese politischen Ziele gebunden.</p><p>Um von einem eigenständigen europäischen Hochschulraum zu sprechen, der nicht vollständig in den Logiken des ökonomischen und politischen Feldes aufgeht, müsste sich ein europäisches, akademisch relativ autonom legitimiertes Wissenschaftsverständnis herausbilden. Dies lässt sich vereinfacht als Etablierung einer eigenen Förderlogik konzipieren. Zu dieser haben die RP jedoch wenig beigetragen oder sogar über den Fokus auf industrienahe Auftragsforschung zu einer Reduktion akademischer Diversität geführt.</p><p>Anfänge einer akademisch eigenständigeren Entwicklung finden sich eher im von uns analysierten ERC: Er weist eine höhere Themenvielfalt auf als die RP, vergibt Grants nach dem Kriterium wissenschaftlicher Exzellenz und fördert u.a. auch wirtschaftsfernere Forschungsvorhaben.</p><p>Entsteht nun also eine europäische Konsekrationsinstanz? Unsere Analysen der Zusammensetzung der ERC-Mitglieder bezüglich Karrierestationen, Nationalität und Disziplinenzugehörigkeit verweisen eher auf eine Ausrichtung am angelsächsischen Hochschulraum: Die Beziehung zu einer amerikanischen Eliteuniversität ist für die Besetzung des ERC zentral – die akademische Legitimität des ERC speist sich aus deren symbolischem Kapital. Deutlich erkennbar ist zum einen die enge Beziehung der Council-Mitglieder zur US-zentrischen internationalen Wissenschaft, die mit dem Förderbias zugunsten westeuropäischer, anglophiler Länder korrespondiert. Zum anderen sind die Naturwissenschaften stark vertreten und gut vernetzt – im Vergleich dazu sind Sozial- und Geisteswissenschaften peripher. Diese Mitgliederstruktur spiegelt sich in der Verteilung der Grants auf Disziplinen wider.</p><p>Anhand der Rolle des ERC im Hinblick auf Besetzung und Förderlogik kann nachgezeichnet werden, wie die EU gleichzeitig versucht sowohl akademische Akzeptanz in den akademischen Feldern der Mitgliedstaaten zu erlangen als auch einer globalen Wettbewerbslogik zu entsprechen.</p>Vincent GengnagelChristian BaierNilgun Massih-Tehrani
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2015-12-232015-12-233712291233Verfügen die europäischen Bürger über gemeinsame kollektive Erinnerungen? Ein Vergleich zwischen Deutschland, Großbritannien, Polen und Spanien auf der Grundlage von Gruppeninterviews
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/281
<p>Der Vortrag fasst die Forschungsfrage, das Design und die zentralen empirischen Ergebnisse eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Forschergruppe "Europäische Vergesellschaftungsprozesse" geförderten Projektes zusammen. Ausführlich werden die Studie und deren Ergebnisse in einer Monographie dargestellt. Dort finden sich auch die relevanten Literaturhinweise.</p>Jürgen GerhardsLars BreuerAnna Delius
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2016-05-112016-05-113712341239Projektifizierung durch EU-Förderung: Konturen und Tätigkeitsbereiche der EU-Projektwelt
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/75
<p><span style="line-height: 115%; font-family: 'Arial','sans-serif'; font-size: 10.5pt; mso-ansi-language: DE; mso-fareast-font-family: Calibri; mso-fareast-theme-font: minor-latin; mso-fareast-language: EN-US; mso-bidi-language: AR-SA;">Dieser Beitrag nimmt die Durchsetzung und die Verbreitung der »Projektlogik« in der EU-Förderpolitik in den Blick und skizziert die vielfältigen Arbeits- und Tätigkeitsbereiche, die in den vergangenen Jahren rund um die EU-Förderpolitik entstanden sind. Ausgehend von der Diskussion um einen generellen Trend zur "Projektifizierung" von Arbeit und Leben in der Gegenwartsgesellschaft werden </span><span style="line-height: 150%; font-family: 'Arial','sans-serif'; font-size: 10.5pt;">zunächst die grundlegenden Merkmale der Projektorganisation und die Etablierung des Projektmanagements als Managementmodell dargestellt. Daraufhin werden die wichtigsten Prinzipien, Praktiken und Tätigkeitsbereiche der Projektwelt der EU-Förderpolitik sowie einige Merkmale der »Professionalisierung« des EU-Projektmanagements skizziert. Dabei soll deutlich werden, wie stark die Logik des Projektmanagements die Umsetzung der EU-Förderpolitik heute durchdringt und inwiefern davon vor allem solche Akteur/-innen profitieren, die die Spielregeln der Projektwelt der EU-Förderung beherrschen und geschickt anzuwenden wissen.</span></p><p> </p>Sebastian BüttnerLucia LeopoldMatthias Posvic
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2015-12-232015-12-233712171228Plagiate an Universitäten: Einige Überlegungen und neue empirische Befunde
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/61
<p>Vor dem Hintergrund der mit dem Bologna-Prozess einhergehenden Reformen haben Krisen und Überforderung vieler Studierender an Universitäten zugenommen. Neben Studienabbrüchen („Exit“-Option) ist in jüngster Zeit eine Entwicklung zu beobachten, wonach einige Studierende versuchen der gestiegenen Arbeitsbelastung mit illegitimen Mitteln zu begegnen, indem sie ein Plagiat einreichen. Studierende, denen ein Plagiat nachgewiesen wird, müssen nicht nur mit sozialen und prüfungsrechtlichen Sanktionen seitens der Dozentinnen und Dozenten und der Mitstudierenden rechnen, ihnen drohen im schlimmsten Fall auch strafrechtliche Konsequenzen. Neben methodischen Grundlagenproblemen bei der Messung von studentischen Plagiaten in wissenschaftlichen Befragungen erörtert der vorliegende Beitrag auch die Hintergründe, Ursachen und Folgen von Plagiaten im universitären Kontext und diskutiert Möglichkeiten diesem Problem zu begegnen. So sollte bei Studierenden das Bewusstsein für die Konsequenzen von wissenschaftlichem Fehlverhalten weiter geschärft werden. Zudem sollten Universitäten noch klarere Richtlinien bzw. einen Zitierknigge formulieren, die fakultätsübergreifend vereinheitlicht und dann unter den Lehrenden und Studierenden verbreitet werden. Dies könnte langfristig helfen, die gegenwärtige Krise an Universitäten positiv zu beeinflussen.</p>Ivar KrumpalJulia JerkeThomas Voss
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2015-12-222015-12-223715261532Persönliche Lernnetzwerke im Studium: Aufbau, Zusammensetzung und soziale Differenzierung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/35
<p>Trotz der offensichtlichen Bedeutung informeller Lernbeziehungen im Hochschulstudium ist über den Aufbau und Erhalt persönlicher Lernnetzwerke während des Studiums bislang nur wenig bekannt. Auf Basis detaillierter Daten zu den sozialen Beziehungen von Studierenden eines Bachelorstudiengangs aus zwei aufeinanderfolgenden Kohorten untersuchen wir den Aufbau von individuellen Lernnetzwerken nach der Aufnahme des Universitätsstudiums Dabei interessieren Struktur, Funktionalität und soziale Differenzierung dieser Netzwerke. Das Netzwerksample enthält sowohl sozialstrukturelle als auch individuelle Verhaltens- und Leistungsmerkmale der einzelnen Interaktionspartner der Studierenden. Darüber hinaus erlaubt es auch detaillierte Rückschlüsse auf die Netzwerkstruktur selbst.</p>Steffen HillmertVolker Lang
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2015-12-232015-12-233715331548Die Bedeutung fachspezifischer Präferenzen für studienbezogene Auslandsaufenthalte
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/72
Im Kontext wirtschaftlicher Globalisierungsprozesse wird das Auslandsstudium als immer wichtiger erachtet. Fachspezifische Unterschiede werden in der Literatur hierbei häufig über Einstellungsdifferenzen erklärt. Systematische empirische Überprüfungen finden sich indes selten. In dem Beitrag wird mithilfe einfacher handlungstheoretischer Überlegungen argumentiert, dass fachspezifische Unterschiede im Auslandsstudium auf unterschiedlichen Nutzenerwartungen beruhen. Mithilfe von Daten aus einer PAPI-Umfrage unter Studierenden der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften der Universität Siegen werden die Annahmen vorläufig geprüft. Im Ergebnis zeigt sich, dass die fachspezifischen Unterschiede in der Intention zum Auslandsstudium auch auf unterschiedliche Nutzenerwartungen der Studierenden zurückzuführen sind.Knut PetzoldTamara PeterPetra Moog
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2015-12-232015-12-233715491562Die mediale Konstitution der Moralpanik um die Missbrauchsdelikte
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/97
<p><em>Missbrauchsdelikte werden seit den 1980er Jahren medial inszeniert und haben einen eigenen Mediendiskurs hervorgebracht, der sich deutlich vom Fachdiskurs zur Intimgewalt abgesetzt hat. Er folgt anderen Regeln. Entscheidend sind hier Nachrichten- und Unterhaltungswert, moralische Eindeutigkeit, klare Täterkennzeichen und die Lösbarkeit des Problems über Strafe. Der Mediendiskurs stilisiert eine Vorstellung des Pädophilen, an die sich in den letzten Jahrzehnten eine lange Reihe sexueller Problemlagen geheftet haben, die die Öffentlichkeit bewegen. </em></p><p> </p><p> </p>Daniela KlimkeRüdiger Lautmann
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2015-12-232015-12-2337451465Die Dynamik der Empörung im politischen Skandal
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/185
<p>Ein Skandal wird durch die von ihm ausgelöste öffentliche Empörung bestimmt. Die Theorie des politischen Skandals behauptet, dass es ohne intensive Entrüstung keinen richtigen Skandal geben kann. Auf die Natur dieser für den Skandal grundlegenden Emotion wird jedoch kaum eingegangen. Darin scheint die Empörung eine automatische Reaktion der BürgerInnen auf den Normverstoß zu sein. Diese Auffassung des Ärgers steht aber im klaren Widerspruch zu der von der Theorie des politischen Skandals selber vertretenen Idee, dass der politische Skandal ein durch Medien definiertes und vermitteltes Ereignis ist, was klar darauf hinweist, dass die genannte Empörung nicht (nur) als eine spontane Reaktion auf das skandalöse Ereignis aufzufassen ist, sondern (auch) als eine lenkbare Größe, die im Skandal nicht immer von Anfang an präsent ist, sondern die es hervorzurufen, zu intensivieren und zu legitimieren gilt. Dieser Beitrag versucht, mit der Hilfe der Emotionstheorie die Rolle der Emotionen im politischen Skandal zu präzisieren.</p>Monika Verbalyte
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2015-12-232015-12-2337466481Was ist »Lebenssoziologie«? Das Leben als Subjekt und Objekt soziologischer Theorie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/171
<p><span style="font-size: 10.0pt; line-height: 115%;">Der Beitrag skizziert drei Denktraditionen aus dem Feld der lebenssoziologischen Konzepte – das heißt solchen soziologischen Theorien, die das Leben als Subjekt und Objekt des (soziologischen) Denkens sowie als Subjekt und Objekt der Gesellschaft ernst nehmen. Die drei klassischen Konzepte, an die sich aktuelle lebenssoziologische Theorien und Gesellschaftsanalysen vielfältig anschließen können, sind: die Philosophische Anthropologie; der Pragmatismus; und der Neovitalismus im Anschluss an Henri Bergson. Diese drei Konzepte werden in ihren Familienähnlichkeiten wie auch und vor allem in ihren Differenzen sichtbar gemacht: als Konzepte der ‚Exzentrizität‘, der ‚Aktivität‘, oder der ‚Intensität‘ des (menschlichen) Lebens. Der Beitrag schließt mit einem Ausblick auf aktuelle Debatten in und jenseits der deutschsprachigen Soziologie</span>.</p>Heike DelitzRobert SeyfertFrithjof Nungesser
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2015-12-232015-12-2337390399„Des Menschen Tage sind wie Gras“. Ein Dissens über Wachstum in der Philosophischen Anthropologie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/71
<p>Zur Diskussion stehen in dieser Sektion die Möglichkeiten einer Lebenssoziologie im Anschluss an drei Traditionen: der Linie des französischen Neo-Vitalismus Henri Bergsons, der deutschen Philosophische Anthropologie und des amerikanischen Pragmatismus. Ich freue mich, dass ich an dieser Diskussion, die manchem unter Ihnen vielleicht allzu neu und ungewohnt erscheinen mag, teilnehmen kann, denn es geht um Weichenstellungen am Anfang. Eine irrige Weichenstellung hat Joachim Fischer auf der Sektionsveranstaltung Juni 2013 »Kultursoziologie im 21. Jahrhunderts« in Dresden vorgenommen. Ich habe es sehr bedauert, dass ich nicht teilnehmen konnte, denn dann hätte ich dort meine Einwände einbringen können. Jetzt ist der Tagungsband erschienen, und die Angelegenheit ist publik. (Fischer, Moebius 2014) In seinem Kommentar zum Referat von Heike Delitz unternimmt Fischer den Versuch zwischen »Poststrukturalismus« als der »Theorierichtung der turns« und »Lebenssoziologie« eine Demarkationslinie zu ziehen und der postrukturalistischen Soziologie eine bergsonianische Kehre anzudienen.</p>Wolfgang Eßbach
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2015-12-232015-12-2337400408„Ungleichheit wird es immer geben“: Wahrnehmungen und Bewertungen von Ungleichheit durch Führungskräfte der deutschen Wirtschaft
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/283
<p>Wahrnehmung und Bewertung sozialer Ungleichheit wird zunehmend als zentraler Bestandteil sozialer Ungleichheitsproduktion angesehen. Der Beitrag nimmt die Wahrnehmung und Bewertung sozialer Ungleichheit durch Spitzenführungskräfte der deutschen Wirtschaft in den Blick und fokussiert damit auf eine Gruppe, die maßgeblich an der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung und Bewertung sozialer Ungleichheit maßgeblich beteiligt ist.</p><p>Empirische Grundlage ist ein Forschungsprojekt, in dem Deutungsmuster von Topmanager/innen, Unternehmer/innen und Vertreter/innen von Wirtschaftsverbänden in Deutschland untersucht wurden.</p><p>Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Wahrnehmung und Erklärung sozialer Ungleichheit als auch Selbstwahrnehmung und Gerechtigkeitsvorstellungen der Befragten durch zentrale, miteinander verbundene Deutungsmuster geprägt sind. Dominant ist die Vorstellung einer grundsätzlichen Leistungsgerechtigkeit, die sowohl bei der Erklärung sozialer Unterschiede als auch bei der Rechtfertigung hoher Einkommen zum Tragen kommt. Meritokratische Grundvorstellungen werden ergänzt durch die Annahme sozialstruktureller Gegensätze und unüberwindlicher Barrieren zwischen den sozialen Schichten. Bei der Erklärung der Geschlechterungleichheit kommen die Vorstellung einer die Frauen benachteiligenden „Natur“ und traditioneller Geschlechterrollen hinzu. Die Deutungsmuster weisen vielfältige Widersprüche auf; überraschend ist auch die Übereinstimmung in vielen Deutungsmuster von Männern und Frauen, denen geschlechterungleich verteilte Erfahrungen vorausgehen. Alle Führungskräfte gehen davon aus, dass völlige Chancengleichheit nicht realisierbar sei, in Deutschland jedoch weit gehende Chancengleichheit bestehe. Für diese wird ein abstrakter „Staat“ für zuständig erklärt, der sie über wohlfahrtsstaatliche Institutionen und Bildung realisieren soll.</p><div><p>Der theoretisch belegte Bezug von Deutungsmustern auf Handlungsprobleme zeigt, wie sich Selbstpositionierungen, Deutungsmuster und Handlungspraxen gegenseitig stützen. Die identifizierten Deutungsmuster tragen dazu bei, das Selbstbild als Leistungselite in einer Leistungsgesellschaft aufrecht zu erhalten und die eigene privilegierte Position zu legitimieren. Die Verantwortung für den Abbau sozialer Ungleichheit wird an die Gesellschaft und die Individuen delegiert, während Forderungen an die Unternehmen, insbesondere gesetzliche Regelungen, abgewehrt werden. Auf der Handlungsebene werden die Deutungsmuster in öffentlichen Äußerungen und der politischen Einflussnahme insbesondere der Wirtschaftsverbände gegen gesetzliche Regelungen manifest.</p></div>Annette von Alemann
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2016-04-242016-04-24377109721Ernährende Frauen – prekäre Männer. Milieuspezifische Bewältigungsstrategien und Geschlechterarrangements in Female-Breadwinner-Couples
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/186
Seit den siebziger Jahren haben sich weitreichende Veränderungen in der Arbeitswelt vollzogen. Dabei steht die Erforschung der Auswirkungen dieserer Umstrukturierungen auf Männlichkeiten und Weiblichkeiten noch am Anfang. Der Beitrag basiert auf einer milieuvergleichenden qualitativen Studie zu heterosexuellen Paare, in denen der Mann prekär beschäftigt ist und die Frau das Haupteinkommen bezieht und untersucht Geschlechterarrangements und Bewältigungsstrategien in unterschiedlichen sozialen Lagen.Sarah Speck
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2015-12-232015-12-2337722732Ungleiche Anerkennung? ‚Arbeit’ und ‚Liebe’ im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/30
<p>Im Zentrum des Beitrages stehen der Wandel von Erwerbsarbeit und dessen Auswirkungen auf das Verhältnis von ‚Arbeit‘ und ‚Leben‘. Mit der Prekarisierung von Arbeit wird eine Zunahme an unsicheren und nicht existenzsichernden Beschäftigungsverhältnissen diagnostiziert, die bis in die Mittelschicht reicht. Da prekäre Beschäftigung auch als Verlust von sozialer Anerkennung erfahren werden kann, werden Auswirkungen auf den ganzen Lebenszusammenhang vermutet. Die Geschlechterforschung weist darauf hin, dass vor allem Frauen prekär beschäftigt waren und sind. Doch die Ausweitung der Prekarisierung kann auch eine Verunsicherung des Geschlechterverhältnisses bedeuten, wenn v.a. über Erwerbsarbeit sozialisierte Männer ihre Ernährerrolle verlieren (vgl. Motakef 2015).</p><p>Wir berichten aus einem laufenden DFG-Forschungsprojekt, das am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt ist und in dem eine anerkennungs- und geschlechtertheoretische Perspektive (vgl. Wimbauer 2012) auf prekäre Beschäftigung im Lebenszusammenhang entwickelt wird. Im Zentrum steht die interaktive (Paar-)Praxis der Herstellung von Anerkennung und von (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Beschäftigten mit und ohne Paarbeziehung. In Verbindung von Prekarisierungs- und Anerkennungsforschung im Anschluss an Honneth und Butler werden die Ambivalenzen und Wechselwirkungen von prekärer Beschäftigung mit Paar- und Nahbeziehungen (Freundschaften und Familienbeziehungen), dem Haushaltskontext, weiteren Lebensbereichen, mit Geschlechterkonzepten und dem Geschlechterverhältnis untersucht.</p><p>Mittels qualitativer Paar- und Einzelinterviews entlang einer rekonstruktiv-intersubjektiven Forschungslogik erforschen wir Anerkennungschancen, das Verhältnis von ‚Arbeit‘ und ‚Leben‘ / ‚Liebe‘ sowie (Geschlechter-)Ungleichheiten bei prekär Beschäftigten: Wofür finden die Einzelnen in der Erwerbssphäre und in Nahbeziehungen Anerkennung, wie nehmen sie dies wahr? Weitet sich Prekarisierung auf den ganzen Lebenszusammenhang und damit auch auf Nah- und Paarbeziehungen aus? Oder können Nahbeziehungen Einschränkungen von Anerkennung in der Erwerbssphäre mildern? Wie gestaltet sich dies bei Personen ohne Partner/in, die nicht über die Anerkennungsform ‚Liebe‘ im Bereich von Paarbeziehungen verfügen? Und (wie) verändern sich Geschlechterleitbilder, Vorstellungen von Männlichkeit und Geschlechterverhältnisse durch prekäre Beschäftigung?</p>Christine WimbauerMona Motakef
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2015-12-232015-12-233717061707Männlichkeit und Prekarisierung. Anmerkungen zu einer krisenhaften Beziehung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/190
<p>In dem Beitrag diskutieren wir aktuelle Prekarisierungsprozesse als Entsicherung bisheriger Regulierungen und als zunehmende Ungewissheit: Dies betrifft insbesondere auch Männlichkeitskonstrukte, wie sie für den Fordismus typisch waren, und damit die Destabilisierung einer Variante der 'Männlichen Herrschaft' (Bourdieu).<br />Die partialen, flüchtigen Öffnungen, die sich als Praktiken der Nichtmännlichkeit gerade auch in den unteren Zonen des sozialen Raums ereignen, finden dabei inmitten von verdichteten Kämpfen um legitime Ein- und Ausschlüsse, inmitten des Ringens um die Aufrechterhaltung von Besitzständen, sozialen Positionen und Ansprüchen statt. Dieses Interferieren unterschiedlicher Bewegungen von Öffnung und Markierung oder – in Anlehnung an Karen Barads diffraktive Methodologie – das 'durcheinander hindurch Lesen' von Unbestimmtheiten und Differenzbeziehungen, wirft die immer wieder neu zustellende Frage danach auf, welche Unterscheidungen Bedeutung gewinnen, welche prekär und unbestimmt werden und für wen. Diese Bewegungen entfalten wir in einer interdisziplinären medienkulturwissenschaftlichen und soziologischen Perspektive an Verhandlungen von Nicht/Männlichkeiten.</p>Susanne VölkerStephan Trinkaus
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2015-12-232015-12-233717081717Rekonstruktion des sozialen Wandels eines Wohngebietes mittels Zeitungsanalyse
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/67
<p>Der Beitrag zeigt, am Beispiel einer westdeutschen Großsiedlung, wie der soziale Wandel eines Wohngebietes mithilfe von Zeitungsartikeln rekonstruiert werden kann. Dazu wird zu Beginn die Forschungsliteratur zu westdeutschen Großsiedlungen aufgearbeitet und Phasen des Wandels skizziert. Dieses Verlaufsmodell des sozialen Wandels wird, am Beispiel Köln-Chorweiler (Mitte), anhand von Zeitungsartikeln (N=1.468), rekonstruiert. Der Beitrag schließt mit der Gegenüberstellung der theoretischen und empirischen Befunde und einer kritischen Diskussion der Datenquelle Zeitungsartikel zur Rekonstruktion des sozialen Wandels eines Wohngebietes.</p>Sebastian Kurtenbach
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2015-12-232015-12-2337491507Vom Erleben der Krise zum krisenhaften Erinnern - Die DDR im Familiengedächtnis
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/103
<p>Der vorliegende Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, wie sich die kommunikative Verarbeitung einer gesellschaftlichen Krise im Rahmen kollektiver Erinnerungspraktiken gestaltet. Anhand von Fallbeispielen werden drei krisenhafte Modi familiärer Erinnerung an die DDR-Vergangenheit dargestellt. Die Untersuchung zeigt, dass die <em>Wahrnehmung eines gesellschaftlichen Wandlungsprozesses als Krise</em> zur <em>krisenhaften Erinnerung an die Vergangenheit</em> in der gegenwärtigen Lebenssituation führt.</p>Hanna Maria Haag
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2016-05-132016-05-133710171028Das soziale Erinnern und Vergessen vergangener und zukünftiger Naturkatastrophen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/147
<p>Der Beitrag wählt Naturkatastrophen als Gegenstand einer Reflexion über Formen und Grenzen der Vergegenwärtigung vergangener wie auch zukünftiger Krisenerfahrungen. Dabei geht er davon aus, dass Naturkatastrophen aus sozialwissenschaftlicher Sicht vor allem hinsichtlich ihrer sozialen Faktoren, Formen und Konsequenzen zu begreifen sind.</p><p>Da der Deutung dieser außergewöhnlichen Krisensituationen eine erhebliche Bedeutung zukommt, wird aus einer wissenssoziologischen Perspektive zunächst die Struktur eines aus früheren Erfahrungen konstituierten Katastrophengedächtnisses erörtert. Das Interesse richtet sich hierbei auf die Weite der Zeithorizonte, aus denen vergangene Katastrophenerfahrungen vergegenwärtigt werden, und insbesondere auf die Schwellen des Erinnerns und Vergessens, die dazu beitragen, dass Katastrophengedächtnisse vorwiegend in gegenwartsnahen Zeithorizonten verbleiben.</p><p>Die wissenssoziologische Perspektive legt darüber hinaus nahe, Katastrophenerinnerung nicht nur als ein Vergegenwärtigen von Vergangenem, sondern ebenso als Vergegenwärtigung von zukünftig Drohendem und somit als Zukunftserinnerung zu begreifen. Bezüglich dieser zukunftsbezogenen Zeithorizonte stellt sich ebenfalls die Frage nach Schwellen des Erinnerns und Vergessens von nicht Gegenwärtigem – nicht zuletzt da diese Schwellen zum Verkennen bzw. Vergessen von längerfristig wirkenden anthropogenen Beiträgen zu Naturgefahren beitragen.</p>Dietmar Rost
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2015-12-232015-12-233710291039FALLREKONSTRUKTION UND ANT. ERFAHRUNGEN MIT DATENKOMBINATIONEN IN EINEM VERFAHRENSMODELL
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/176
Komplexe Fragestellungen insbesondere im Bereich der interdisziplinären Umweltforschung bedürfen einer methodischen Herangehensweise, die eine größtmögliche Offenheit bezüglich der Daten und Methoden zeigt, ohne aber der Beliebigkeit zu verfallen. In diesem Beitrag stellen mit der „prozeduralen Methodik“ einen Ansatz vor, der sich dieser Aufgabe stellt. Hierbei werden Methoden der fallrekonstruktiven Sozialforschung mit der Akteur-Netzwerk-Theorie verknüpft und im Rahmen eines – an Latours „politische Ökologie“ angelehnten – Verfahrensmodells methodologisch und forschungspraktisch zueinander in Beziehung gesetzt. Die hier dargelegten Erfahrungen mit diesem Ansatz entstammen einem umweltsoziologischen Forschungsprojekt zum „Bienensterben“. Gegenstand sind die Koexistenzbedingungen von Bienen und Menschen und ihre Bedrohungen, die im populären Begriff des „Bienensterbens“ ihren Ausdruck finden. Die Herausforderung soziologischer Untersuchung besteht darin, sich diesem heterogenen Feld, das bislang vor allem naturwissenschaftlich untersucht wird, aus einer neuen Perspektive zu nähern. Wir legen exemplarisch anhand unseres Vorgehens dar, welche Vorteile eine prozedurale Perspektive hat und wie Methodenkombinationen in der Forschungspraxis realisiert werden können. Es wird so möglich, verschiedene Methoden-Kulturen sinnvoll zu integrieren, zudem können sich die Methodiken gegenseitig ergänzen und so die jeweiligen Schwächen kompensiert werden.Kerstin StarkCarolin NeubertStephan Lorenz
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2015-12-232015-12-2337533542Soziologieverlage unter multiplem Veränderungsdruck
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/108
<p>Wissenschaftsverlage stellen mit ihrer Buch- und Zeitschriftenproduktion nach wie vor die zentrale organisatorische Plattform wissenschaftlicher Wahrheitskommunikation dar. Das gilt auch für das Fach Soziologie. Soziologen bedienen sich der Verlage, um mit ihren Forschungsergebnissen in der Scientific Community wahrgenommen und zitiert zu werden. Umgekehrt sind die Verlage auf der Input- wie Outputseite auf Soziologen als Autoren und Nutzer angewiesen. Wissenschaftler und Wissenschaftsverlage stehen somit in einer Konstellation wechselseitiger Nutzenverschränkung. Ändern sich die Randbedingungen für eine Seite oder gar für beide Seiten, so hat dies Auswirkungen auf die Konstellation insgesamt.</p><p>Nach einer langen Phase relativer Stabilität sehen sich die Verlage der deutschen Soziologie aktuell mit einem ganzen Bündel einander teilweise verstärkender Kontextveränderungen konfrontiert.</p><p>- Die erste Veränderung betrifft das Feld der Soziologieverlage. Zwar zeichnet es sich nach wie vor durch eine Vielfalt mittelgroßer und kleinerer Verlage aus, aber seit einem Jahrzehnt gibt es einen wachstumsstarken Marktführer unter dem Dach des internationalen wissenschaftlichen Springer-Konzerns.</p><p>- Zweitens werden die Verlage durch die Digitalisierung unter Veränderungsdruck gesetzt. Es sind die kapitalstarken internationalen Verlagskonzerne, die hier die neuen Standards setzen. Hinzu kommen die sich verändernden Erwartungen der Soziologen insbesondere in ihrer Rolle als Nutzer.</p><p>- Als dritte auf dem Gros der Soziologieverlage lastende Veränderung kommen die stagnierenden beziehungsweise durch neue Verkaufsstrategien der großen Verlagskonzerne gebundenen Bibliotheksetats hinzu.</p><p>- Eine vierte Veränderung ist die von der Wissenschaftspolitik zunehmend geforderte Internationalisierung. Insbesondere Nachwuchssoziologen stehen unter Druck, mehr und mehr in englischsprachigen Peer Reviewed Journals zu publizieren.</p><p> </p><p>Auf der Basis qualitativer Interviews mit Verlegern und Lektoren sozialwissenschaftlicher Verlage will der Vortrag zeigen, wie die Verlage der deutschen Soziologie die vier genannten Herausforderungen wahrnehmen und welche Strategien und Praktiken sie entwickeln, um angesichts des vielschichtigen strukturellen Wandels „im Spiel“ zu bleiben. In einem Ausblick soll nach den daraus resultierenden Effekten auf die Konstellation wechselseitiger Nutzenverschränkung von Verlagen und Wissenschaftlern gefragt werden.</p>Ute Volkmann
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2015-12-232015-12-233713261333Das Potenzial des Weltbegriffs für die Umweltsoziologie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/77
<p>Für die Umweltsoziologie gibt es nichts Selbstverständlicheres als das, was mit dem Begriff Umwelt angesprochen ist. Mit Umwelt ist derjenige ‚Raum’ in der Natur gemeint, zu dem der Mensch in einem instrumentellen Verhältnis steht (Anthroposphäre). Die Bestimmung dieses Verhältnisses folgt dabei stets einer ökologischen Logik. Diese Feststellung wirft einige wissenschaftssystematische Fragen auf. Denn durch den Anschluss an die Ökologie gehen stets biologistische Annahmen als erklärende Axiome in die Umweltsoziologie ein. Dadurch wird fraglich, inwiefern diese die Bestimmung des Subjekt-Umwelt-Verhältnisses systematisch fundieren und ob damit die menschliche Bezugsform zum Umfeld tatsächlich erfasst werden kann. Auf der Subjektebene lassen sich so reduktive Anthropologismen sichtbar machen, die als erklärende Annahmen das Subjekt-Umwelt-Verhältnis speisen. Die Lebensvollzüge des Menschen sind darin bloß eindimensional konzipiert und der menschliche Umfeldbezug somit nicht erfasst. Da aber in der Umweltsoziologie gerade die Analyse auf der Subjektebene (z.B. bezüglich der Kluft zwischen Umweltbewusstsein und Umwelthandeln) stets von anthropologischen Annahmen geleitet ist – dies ist im Umweltbegriff als ein Verhältnisbegriff angelegt –, kommt sie nicht umhin zu fragen, inwiefern dieses systematische Problem mit ihrem Anschluss an die Ökologie zusammenhängt. Einen Ausweg bietet der Weltbegriff der Philosophischen Anthropologie Plessners. Seine Einsicht in die menschliche Weltoffenheit ist phänomenologisch-lebenstheoretisch intendiert. Der menschliche Umfeldbezug ist demnach ein weltoffener, der sich vom Erleben her als dreidimensionale Vermittlung zwischen Mensch und Welt realisiert. Insofern lebt der Mensch als Mensch in Welt- und nicht in Umweltverhältnissen. Um Erklärungen für die Kluft zwischen Umweltbewusstsein und -handeln zu finden, die jenseits der ökologiebasierten Systematik liegen, bietet sich Plessners Ansatz für die Umweltsoziologie an. Denn mit ihm kann aus einer Leibperspektive heraus gefragt werden, warum ein Erleben jener Kluft in aktuellen Selbst-Welt-Beziehungen besteht und inwiefern dieses in den zeitgenössischen Weltverhältnissen gründet.</p>Katharina Block
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2015-12-232015-12-2337889896„Unsere gemeinsame Zukunft?“ Tiere und Nachhaltigkeit
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/189
<p><em>“Sustainable development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.” </em>In dieser Nachhaltigkeitsdefinition sind nur menschliche Generationen gemeint. Aber was ist mit zukünftigen tierlichen Generationen? Wie werden nichtmenschliche Tiere in Theorie und Praxis von nachhaltiger Entwicklung berücksichtigt?</p><p>Das in der Sektionsveranstaltung „Neue Trends in der Umweltsoziologie“ am 37. Kongress der DGS vorgestellte Dissertationsprojekt widmet sich dieser Frage und situiert sich damit im neuen Forschungsfeld der <strong>Human-Animal Studies</strong>. Die Human-Animal Studies untersuchen das gesellschaftliche Verhältnis zu Tieren, während die Sparte der <strong>Critical Animal Studies</strong> in erster Linie die ökonomischen und politischen Bedingungen dieses oftmals von Unterdrückung geprägten Verhältnisses durchleuchten. <strong>Theoretischer Hintergrund</strong> der Arbeit ist eine herrschaftskritische, radikale Ökologie, welche die gesellschaftlichen Naturverhältnisse unter dem Blickpunkt der Intersektionalität von Unterdrückung studiert.</p><p>In der hier diskutierten Forschungsarbeit wird der grundsätzlichen, aber bislang kaum bearbeiteten Frage nachgegangen, welche Rolle Tiere in der Nachhaltigkeitspolitik spielen. Ein besonderer Fokus wird auf sogenannte Nutztiere oder vernutzte Tiere gelegt. Im Zeitalter des Anthropo- oder Kapitalozäns hat die Erforschung der ökologischen Folgen der Tierindustrie, für welche jährlich über 60 Milliarden Landtiere gezüchtet und getötet werden, eine neue Notwendigkeit erlangt: emittiert sie doch mehr Treibhausgase als das globale Transportwesen und gilt als eine der destruktivsten Industrien der Welt. Der Konsum von „Fleisch“ hat sich in den letzten fünfzig Jahren mehr als verdoppelt und wird dies erwartungsgemäss nochmals bis im Jahr 2050 tun – die Umweltbelastung wird sich folglich ebenfalls drastisch vergrössern. Gleichzeitig berichtet der <em>Intergovernmental Panel on Climate Change</em> (IPCC), dass die Erhöhung der globalen Durchschnittstemperatur bis im Jahr 2100 über zwei Grad Celsius betragen kann. Drei der neun planetarischen Grenzen, die eine für Menschen bewohnbare Biosphäre ausmachen, wurden schon überschritten, wofür die Tierindustrie maßgeblich verantwortlich ist.</p><p>Nach einer Einführung in den <strong>Kontext</strong> der Tierindustrie, welche einen Einblick in die Realität der zu Biomaschinen degradierten tierlichen Individuen und in die weitreichenden ökologischen wie sozialen Konsequenzen des tierindustriellen Komplexes beinhaltet, erfolgt die Diskussion von <strong>Forschungsfrage und Methode</strong>. Dabei werden folgende zwei Fragestellungen behandelt und in eine Analyse der gesellschaftlichen Natur- und Machtverhältnisse eingebettet:</p><p><em>Erstens</em> wird untersucht, was Tiere für Nachhaltigkeit bedeuten<strong>. </strong>Dafür wird anhand von internationalen Nachhaltigkeitsdeklarationen seit 1987 herausgearbeitet, wie Tiere in der Nachhaltigkeitspolitik repräsentiert werden.</p><p><em>Zweitens</em> wird erörtert,<strong> </strong>was Nachhaltigkeit für Tiere bedeutet<strong>. </strong>Hierfür werden die Auswirkungen dieser Deklarationen auf Tiere, insbesondere auf vernutzte Tiere, erforscht. In Studien zur Umweltbelastung der Tierindustrie sind verschiedene Trends zu beobachten, u.a. die Bestrebung, ihre Emissionen zu verringern, aber gleichzeitig die Produktion zu steigern – dies z.B. durch die genetische Veränderung der Tiermägen; die Entwicklung von weniger umweltschädlichem „In-vitro-Fleisch“; oder die Tendenz zu sogenannt „nachhaltigem Fleisch“.</p><p>Die Nachhaltigkeitsdeklarationen und genannten Studien werden mittels einer <strong>soziologischen Diskursanalyse</strong> nach Maarten A. Hajer untersucht.</p><p>In einer<strong> Vorstellung vorläufiger Ergebnisse</strong> wird festgehalten, dass der gegenwärtige Nachhaltigkeitsdiskurs vom grünen Wachstum dominiert ist. Weiter ist er von einer anthropozentrischen und instrumentellen Rationalität geprägt, die nichtmenschliche Tiere als Ressourcen behandelt. Dieses hegemoniale Verständnis von Nachhaltigkeit schlägt sich auch ganz praktisch in der Tierindustrie nieder. Deren Umweltzerstörung wird mit technokratischen Lösungen im Sinne ökologischer Modernisierung begegnet: sei dies mit nachhaltiger Intensivierung oder In-vitro-Fleisch. Grüner Kapitalismus und Greenwashing in der Tierindustrie: Wenn es um Profitmaximierung geht, werden Kreaturen zu Material und planetarische Grenzen irrelevant. Die Perspektive der kritischen Ökologie im Themenkomplex Tiere und Nachhaltigkeit ermöglicht dabei die Offenlegung neuer, unerwarteter und ineinander verschränkter Formen von Herrschaft über die Natur, menschliche wie nichtmenschliche Tiere.</p>Livia Laura Boscardin
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2015-12-232015-12-2337897915Die Wachstumsdebatte – ein Thema der Umweltsoziologie?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/161
<p style="margin: 0cm 0cm 0pt;"><span style="font-family: 'Arial',sans-serif;"><span style="font-size: medium;">Schon zu den älteren Diskussionen um Wachstumsfragen leistete die Soziologie keine wesentlichen Beiträge. Gründe dafür sind u.a. darin zu suchen, dass die ökologische Krise in der Soziologie insgesamt erst spät aufgegriffen wurde. Bis heute ist die Wachstumsdebatte in den einschlägigen umweltsoziologischen Publikationen kein relevantes Thema. Die Umweltsoziologie leistet zwar in Projektarbeiten und interdisziplinären Kooperationen wichtige Arbeit, verliert aber offensichtlich gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken aus dem Blick. Befördert wird dies durch ihre mangelnde universitäre Institutionalisierung. So wird die (Umwelt-) Soziologie einmal mehr von der neueren Wachstumskritik, von Postwachstums- oder Degrowth-Debatten, überrascht. Daraus resultieren zwei Fragen, die im Beitrag aufgegriffen werden: Wie ist die Wachstumsthematik (umwelt-)soziologisch zu rekonstruieren und wie lässt sich damit an Diskussionen zu nachhaltiger Entwicklung anschließen?</span></span></p><p style="margin: 0cm 0cm 0pt;"><span style="font-family: 'Arial',sans-serif;"><span style="font-size: medium;">Die zentralen Anliegen ökologischer Wachstumskritik unterscheiden sich von anderen Kritikperspektiven, wie Kapitalismuskritik, feministischer Kritik u.a. Sie richtet sich zum einen auf die Dynamiken der Industriegesellschaft, d.h. auf wissenschaftlich-technische Entwicklungen, die die biophysischen Prozesse der Erde immer umfassender und tiefgreifender beeinflussen. Zum anderen werden die ‚konsumistischen’ Lebensweisen und der daran gekoppelte Verbrauch an materiellen Dingen kritisiert, die nach immer mehr und immer neuen Ressourcen verlangen, Energien verschlingen und Abfälle anhäufen. Die Wachstumskritik sieht hier gesellschaftliche Dynamiken am Werke, die sich nicht (mehr) zureichend kontrollieren lassen und destruktiv für Mensch und Umwelt auswirken. Soziologisch bezieht sich Wachstumskritik also auf eigendynamische Mittel-Reproduktionen, die sich von humanen (sozialen und ökologischen) Zwecken lösen. Soziologische Aufgabe ist zum einen die Analyse dieser Dynamiken. Darüber hinaus können auch soziologische Beiträge zu nachhaltiger Entwicklung geleistet werden. Der hier verfolgte prozedurale Ansatz verspricht allerdings keine substanziellen Problemlösungen. Vielmehr bietet er an, zur Demokratisierung der Problembearbeitung beizutragen, d.h. Verfahrensvorschläge dafür zu entwerfen, wie geeignete Problembearbeitungen gefunden werden können.</span></span></p>Stephan Lorenz
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2015-12-212015-12-2137916925Kein richtiges Leben im falschen? Wachstumsneutrale Unternehmen in der Wachstumswirtschaft
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/206
<p>In der <em>Minima Moralia </em>formulierte Theodor W. Adornos sein berühmtes Diktum „Es gibt kein richtiges Leben im falschen”. Damit wies Adorno auf die Schwierigkeit hin, sich in einer Welt, die durch nicht zu legitimierende Herrschaft bzw. nicht kontrollierte Systemzwängen gekennzeichnet ist, als Einzelner „richtig“ zu verhalten. Während dieses Problem bislang vor allem aus theoretischer Perspektive bzw. als ethische Frage diskutiert worden ist, soll anhand der Erfahrungen von sogenannten wachstumsneutralen Unternehmen in der Wachstumswirtschaft empirisch untersucht werden, welche Handlungsspielräume und -barrieren für Akteurinnen und Akteure bestehen, die mit dominierenden gesellschaftlichen Strukturen und Institutionen in Konflikt geraten. Dazu wird auf Interviews mit Unternehmensvertretern/-innen zurückgegriffen, die unter den gegebenen Bedingungen nachhaltig wirtschaften und dabei auch den Wachstumsimperativ moderner Volkswirtschaften in Frage stellen. Bei den Akteuren ist häufig ein Brechen mit der für moderne Gesellschaften typischen Differenzierung in verschiedene Systeme und Funktionen zu beobachten, wobei insbesondere die Grenzen zwischen gewerblich und nicht-gewerblich verschwimmen. Aus diesen Entdifferenzierungstendenzen können für die Initiativen spezifische Probleme resultieren, die mitunter den Fortbestand ihrer Aktivitäten gefährden.</p>Bernd SommerJasmin Wiefek
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2015-12-232015-12-2337926935Kann man mit Systemtheorie Gesellschaftkritik üben? Zur Unterscheidung der Begriffe »System« und »Gesellschaft« und der Begriffe »Theorie« und »Kritik«
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/11
<p>Der Beitrag fragt, ob die Praxis der Theorie auch dann noch als Kritik der Gesellschaft verstanden werden kann, wenn die Gesellschaft als System verstanden wird. Wenn dem so ist, dann müssen die Begriffe Gesellschaft und System unterscheidbar sein, genauer: wenn sie unterschieden werden, dann werden sie kritisiert - was sonst als die Praxis der Unterscheidung bezeichnet der Ausdruck der Kritik? Als eine solche Praxis der Unterscheidung aber hat sich die soziologische Systemtheorie immer begriffen; das hat sie mit ihrem vermeintlichen Widerpart der Kritischen Theorie gemeinsam.</p><p>Es wird also nicht nur darzulegen sein, ob - und wenn ja: wie - der Systembegriff den Gesellschaftsbegriff reformuliert; die Behauptung, bei dieser Reformulierung handele es sich um eine Unterscheidung, die als solche bereits als Kritik verstanden werden könne, muss überprüft werden. Es wird auch zu klären sein, ob - und wenn ja: wie - sich Theorie und Kritik als Varianten einer allgemeinen Praxis der Unterscheidung verstehen lassen; und dieses Verständnis wird für Systemtheorie als Praxis der Gesellschaftskritik ebenso auszubuchstabieren sein wie für Gesellschaftstheorie als Praxis der Systemkritik.</p><p>In einem weiteren Schritt wird es darauf ankommen, diese These - Theorie ist, als unterscheidende Praxis, immer Kritik - an einem exemplarischen Gegenstand zu diskutieren. Aus gegebenem Anlass wird der Beitrag dies am Begriff der Krise versuchen. Lässt sich eine Systemtheorie gesellschaftlicher Krisen entwickeln (oder in für die Theorie klassischen Texten nachweisen), die als Gesellschaftskritik verstanden werden kann? Die zu verteidigende Vermutung lautet, dass es sich bei Krisen um Grenzfälle sozialer Selbstreferenz handelt (und diese Grenzfälle, nicht aber die Theorie selbst, so die mitlaufende Überlegung, sind ›amoralisch und apolitisch‹), deren theoretische Beschreibung sowohl Gesellschaftskritik im Medium des Systembegriffs als auch Systemkritik im Medium des Gesellschaftsbegriffs erfordert.</p>Maren Lehmann
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2015-12-232015-12-233718321843Der Blick von außen - Das Ende der gesellschaftlichen Mitte als Aspirationsraum
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/47
<p>Die Gesellschaft der Mittelklassen ist bis heute ein Sehnsuchtsort von Aufstiegsaspirationen und sozialer Stabilität. Demgegenüber nimmt der Vortrag ein Milieu in den Blick, in dem sich das Streben nach Aufstieg und Entwicklung weitgehend verflüchtigt hat, das ›Dienstleistungsproletariat‹. Mit ihm geht es um die arbeitenden Armen der Gegenwart, die – in der OECD-Welt – mehrheitlich in Dienstleistungsberufen tätig sind. Der Vortrag basiert auf empirischem Material des HIS-Projektes ›Dienstleistungsproletariat‹ (Leitung: Prof. Dr. Heinz Bude). Datenbasis sind 52 qualitative Beschäftigteninterviews, 28 Beobachtungen und 3 Gruppendiskussionen in fünf Branchen und vier Regionen Deutschlands. Präsentiert werden ›Deutungen der Mitte von außen‹. Die analytische Basis bilden Deutungsmusteranalysen mit dem Schwerpunkt Gesellschaftsbilder. Gezeigt wird, dass für die hier Beschäftigten die gesellschaftliche Mitte als identitätsstiftender Ort sozialen Aufstiegs jede normative Zugkraft verloren hat. Stattdessen lässt sich unter ihnen branchenübergreifend eine marktbezogene Statusfatalität beobachten: Nicht nur verlieren Aufstiegsoptionen in der Aussicht auf Mindestlöhne und ohne Qualifizierungspfade für die Beschäftigten ihre Attraktivität. Sie träumen nicht einmal mehr davon, durch geeignete Qualifikationsmaßnahmen aufzusteigen. Zwar ist Erwerbsarbeit für sie der Ort gesellschaftlicher Teilhabe. Mit einem Einkommen am gesetzlichen Existenzminimum und im Einsatz residualer Arbeitsroutinen bleibt allerdings nicht nur das Versprechen, dass Leistung sich lohnt, unerfüllt, es wird auch Berufsstolz unwahrscheinlich und Aufstieg irrelevant. Zwar ist der Wohlfahrtsstaat Türöffner für das institutionelle Sorgesystem, in ihrer Deutung tritt er in Form von Mindestlöhnen und Lohnaufstockung aber lediglich als Gewährleister von Minimalstandards auf. Statt Aufstiegsaspiration hält sich das Dienstleistungsproletariat in charakteristischen Überlebensökonomien über Wasser, die in einem Ausstieg aus den Options- und Solidaritätszusammenhängen die einzige Möglichkeit persönlicher Entwicklung sehen. Gegenwartsdiagnostisch wird damit die Frage danach, inwieweit sich die Mitte in einem Klima von sozialen Abstiegsängsten und Rückzugsgefechten heute nach innen abschließt, erweitert um die Frage, wer überhaupt hinein will und wo sich von außen ganz eigene Abschirmungsbewegungen beobachten lassen.</p>Friederike Bahl
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2015-12-232015-12-233716261632Wenn Emotionen zum Warten zwingen. Paradoxien des Wartens im Kontext konfligierender Diskursfelder
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/83
<p>Der Artikel beschäftigt sich mit Warten im Rahmen von Entscheidungsunsicherheiten und emotionalen Ambivalenzerfahrungen. Die Ausführungen werden in die konfligierenden Diskursfelder rund um die Kultur der Selbstzuständigkeit inklusive einer Diskursivierung des Subjekts als authentisches Selbst innerhalb dieser und der Beschleunigungsgesellschaft verortet. Eine der zentralen Fragen in diesem Zusammenhang lautet, wie die Subjekte sich selbst innerhalb dieser konfligierenden Diskursfelder verorten und welche paradoxen Folgen aus diesen resultieren. Diese wird anhand eigens gewonnenen empirischen Datenmaterials zu beantworten versucht. Darüber hinaus werden dem Phänomen Warten weitere Dimensionen hinzugefügt, sowie andere bislang als konstitutiv erachtete Eigenschaften des Wartens in Frage gestellt.</p>Eva-Maria Bub
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2015-12-232015-12-233719381949Kein Tod ohne Leben. Zu Krisen des Trauerns nach Fehl- und Totgeburt
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/158
<p>Im Beitrag wird nach den Deutungs- und Handlungsmöglichkeiten, auf die von einer Fehl- oder Totgeburt Betroffene zurückgreifen, sowie nach den Bedingungen für Krisen gefragt. Anhand empirischen Datenmaterials aus einem Online-Trauerforum wird die These entfaltet, dass <em>eine</em> Krise durch den uneindeutigen Status des verstorbenen Ungeborenen bedingt sein kann. Die fehlende soziale Anerkennung des Ereignisses als ein Todesfall und somit als Verlust eines signifikanten Anderen führt im dargestellten Material zur (Selbst-)Delegitimierung der Trauernden. Die internalisierte Trauerintensitätsnorm, man habe um Ungeborene weniger zu trauern, steht im Widerspruch zu individuellen Gefühlen. Die Ergebnisse zeigen, dass im Todesfall am Lebensbeginn mitunter eine Orientierung an traditionellen Bestattungsformen und Abschiedsritualen besteht, die für Fehl- und Totgeburten nicht etabliert sind.</p>Julia Böcker
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2015-12-232015-12-233717941807Sterben zuhause: Krisen und Routinen des Sterben-Machens im Privaten
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/102
Krisen im Sinne von jeweils (für-)wahr(-)genommenen gesellschaftlichen Problemen, die mit dem je zuhandenen, vorherrschenden oder neu zu generierenden Wissen gedeutet und bewältigt werden müssen, sind ein konstitutives Merkmal jeder Gesellschaft. Eine permanente, gleichsam ‚zeitlose‘ Krise, ja eigentlich die existenzielle Krise des Menschen schlechthin, ist das Sterben. Es stellt insofern ein permanentes gesellschaftliches Problem für die (Noch-)Weiterlebenden dar, als in Anbetracht des konkreten Sterbens des Anderen und des Wissens um die eigene Sterblichkeit der Glauben an die Sinnhaftigkeit des eigenen Weiterlebens und damit auch an eine gesellschaftliche Ordnung, in der dieses Weiterleben zu erfolgen hat, aufrecht zu erhalten ist. Unter welchen Vorzeichen aber Sterben als Krise wahrgenommen wird und wie dieses Problem gesellschaftlich, das heißt symbolisch, institutionell, praktisch gelöst wird, ist immer eingebunden in die jeweiligen kulturellen und sozialen Kontexte des Sterbens. Damit ergibt sich, dass gleichsam unterhalb der generellen Krisenhaftigkeit des Sterbens, auch die Bewältigungsstrategien im Prozess des Sterben-Machens krisenhaft werden können, das heißt die Lösungsangebote machen die Krise aktuell erfahrbar und so alltagsweltlich real. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden eine analytische Dimensionierung des Krisenhaften bzw. des potenziell Krisenhaften bei der ambulanten Sterbebegleitung zuhause skizziert. Dabei wird gezeigt, dass mit dem normativen und institutionellen Programm des ‚guten Sterbens‘, das ambulanter Sterbebegleitung als kultureller Deutungs- und Legitimationsrahmen zugrunde liegt, zwar krisenhaften Ausformungen der vorherrschenden gesellschaftlichen Lösung des Sterbens entgegenwirkt, nämlich dem Sterben im professionellen Kliniksetting, aber zugleich auch eigene, andere Krisen produzieren kann – nicht nur in Bezug auf das Sterben, sondern auch in Bezug auf das Private als symbolisch-praktisch-materialer Raum des Sterbens.Stephanie Stadelbacher
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2015-12-232015-12-233718081817»Der Tod wird kommen und kein Ende setzen«. Sozialverhältnisse zwischen Leben und Sterben
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/85
<p>Die Verschiedenheit der Debatten und Diskurse, die mittlerweile aus soziologischer Sicht das Verhältnis von Gesellschaft und Sterben/Tod kennzeichnen, soll in diesem Beitrag anhand zweier unterschiedlicher, aber doch miteinander verbundener Thematisierungsansätze verfolgt werden. Nachfolgend soll auf Basis empirischer Forschung zunächst eine Betrachtung des zeitgenössischen <em>kommunikativen Status‘ </em>erfolgen, der den Tod (nicht) thematisierbar macht. Dem schließt sich ein Blick auf die realen Bedingungen der <em>Verwaltung des Todes </em>anhand einer empirischen Untersuchung zur sozialen Funktion des Friedhofs an.</p>Thorsten Benkel
Copyright (c) 2015 Verhandlungen der Kongresse der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
2015-12-232015-12-233718181830Die Unwahrscheinlichkeit des Neuen - wie Werbeagenturen Dauerinnovationen organisieren
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/207
Mein Beitrag fragt nach der organisationalen Praxis kreativer Produktion. Es interessieren dabei die Praktiken, mit denen Werbeagenturen kreative Einfälle hervorbringen und sichern. Aufbauend auf Daten einer umfangreichen ethnografischen Untersuchung werden drei Praktikenkomplexe (Temporalität, Sozialität, Evaluation) identifiziert und beschrieben, die als maßgebliche Problembezüge kreativer Organisationen gelten können. Es wird deutlich, dass sich in den untersuchten Agenturen ein situativer Umgang mit Zeitlichkeit ausbildet, eine teils informelle Strukturierung von Zusammenarbeit und schließlich eine komplexe Konstellation von Bewertungsmechanismen und -momenten. Über diese detaillierte Auseinandersetzung mit diesen Praxisformen werden grundlegende Einsichten in das Feld kreativer Arbeit möglich und darüber die Vielgestaltigkeit der Produktion von Neuem deutlich.Hannes Krämer
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2015-12-232015-12-2337609619Was ist eine Assoziation?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/16
<p>Relationale Soziologie und empirische Netzwerkanalyse haben starke gemeinsame Interessen daran, das Soziale mittels einer Doppelgestaltung von Verflechtungsstrukturen und Handlungsströmen zu betrachten. Diese Verdopplung ist aber nicht ohne Probleme, da dafür sowohl strukturorientierte als auch prozessorientierte Ansätze nötig sind, die aber schwierig miteinander vereinbar sind.</p><p>In an <em>Inquiry into Modes of Existence</em> hat Bruno Latour (2013) wieder einmal betont, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Betrachtung eines Netzwerks als Ergebnis und als Werkzeug. Nur wenn man ein Netzwerk als Werkzeug betrachtet, wird man in der Lage sein, eine Prozessorientierte Analyse des Sozialen zu gestalten. Dieser Unterschied verweist zurück auf viele frühere Dualitäten, die durch Latour aufgeführt worden sind, um die „Soziologie der Übersetzung , die „Soziologie der Assoziationen“ , die „empirische Philosophie“ oder die „Akteur Netzwerk Theorie“ polemisch von allen anderen Arten (konstruktivistischen) Netzwerkanalysen zu trennen. </p><p>In einem Aktuellen Ansatz (van Loon und Unsöld, 2014) haben wir versucht zu zeigen, dass diese polemische Differenzierung dazu führen könnte, dass sich Akteur Netzwerk Theorie mit Analysen von sogenannten „Big Data“ gar nicht beschäftigen kann, weil sie nicht mehr in der Lage ist, „Ergebnisse“ als Prozesse zu betrachten. Ein Phänomen, wobei Handlung und Information empirisch nicht mehr trennbar sind, weil diese beiden durch optische Medien (Kittler, 2010) affektiv gleichgeschaltet werden, ist sowohl Gegenstand als auch Werkzeug (Rogers, 2013). Dabei kommt auch noch, dass es laut Graham Harman (2010) fragwürdig ist, ob es Objekte/Gegenstände gibt, die keine Werkzeuge im Sinne von Heideggers „Zuhandensein“ sind.</p><p>Die Frage, ob man zwischen Latour und White mehr oder weniger Verbindungen konzipieren kann, hängt unserer Meinung nach vor allem damit zusammen, wie man Beziehung oder Assoziation versteht. Es ist sowieso für die Glaubwürdigkeit der relationalen Soziologie notwendig, dass sie sich vor allem empirisch mit dem Phänomen des Beziehens beschäftigt. Die Linie in einer graphischen Darstellung eines Netzwerks verhüllt vielleicht zu viel.</p><p>Mit diesem Beitrag werden wir versuchen, uns empirisch-theoretisch auf Basis einer vergleichenden Analyse von White und Latour mit dem Phänomen der Beziehung oder Assoziation zu beschäftigen. Während für White (2008) eine Beziehung, die aus bestimmten Handlungen entsteht, sic h aber danach als Strukturform verselbstständigt, bleibt bei Latour (2005) eine Assoziation immer performativ und deswegen abhängig von Wiederholung. Weil aber ANT auch behauptet hat, dass Technologie das Soziale dauerhaft macht und für Latour eine Assoziation durch nicht soziale Entitäten verstärkt werden kann, gibt es vielleicht trotzdem Möglichkeiten nachzufragen, wie man laut ANT Beziehungen als dauerhafte Assoziationen konzipieren könnte. Dabei spielt für uns die empirisch-philosophische Verwurzlung der ANT in die Werke von Deleuze & Guattari, Whitehead, Tarde und sogar Spinoza eine nicht zu vernachlässigende Rolle. Auf Basis davon möchten wir – vielleicht stärker als Latour bisher erlaubt hat – betonen, dass die Medialität der Assoziationen unbedingt miteinbezogen werden soll. </p><p>Mit Whitehead (1978) verstehen wir Assoziation als <em>Erfassung</em> und diese Erfassung impliziert immer (mindestens) zwei Entitäten. Sie soll aber nicht als etwas „dazwischen“ verstanden werden, sondern als etwas, das beide Entitäten (unterschiedlich) ergänzt und deswegen ändert. Mit Tarde (2009) können wir Dauer immer noch performativ als Wiederholung verstehen und damit behalten wir eine Handlungsorientierung. Mit Deleuze und Guattari (1988) verstehen wir Netzwerke als Assemblages: als Entfaltungen von unterschiedlichen affektiven Strömen, die einander erfassen. Diese Strömungen sind – im Sinne von Latour – als material-semiotische Prozesse zu verstehen, wobei der Ansatz von Deleuze und Guattari (1988) - dass Strom (flow) sowohl Materie als auch Energie als Information ist - einer monistischen empirischen Philosophie entspricht.</p><p>Mit dieser philosophischen Vorarbeit werden wir uns mit den Ansätzen von White beschäftigen und analysieren, was passieren würde, wenn wir seinen Netzwerkbegriff de-konstruieren. Was könnte (zum Beispiel) Identität bedeuten, wenn wir nicht mehr von einer Dualität von Gegenstand und Darstellung ausgehen können? Was ist die Rolle der Materialität einer Beziehung? Braucht White unbedingt Durkheims (1961) erste Regel der soziologischen Methode, i.e. soziologische Tatbestände als Dinge zu betrachten?</p><p>Zum Schluss orientieren wir uns auf die Praxis der Netzwerkforschung (e.g. Scott, 2013) und im Besonderen, wie dabei das Phänomen des Einflusses als eine quantitative Variable konzipiert wird. Wir werden betonen, dass die Quantifizierung, die in Netzwerkanalysen auf Basis von Big Data ermöglicht wird, uns in die Lage bringen könnte, neue Verbindungen zwischen Strukturorientierten und Prozessorientierten Arten der Netzwerkanalyse zu gestalten, ohne dass dabei ein Spagat zwischen grundsätzlich unvereinbarten theoretischen Perspektiven entsteht. Diese Gestaltung sollte auch für eher ethnografisch-orientierte Ansätze bedeutungsvoll sein, aber nur wenn diese Ethnografie weniger von bestimmten dualistischen philosophischen Voraussetzungen (im Besonderen aus der Phänomenologie) abhängig gemacht wird.</p>Joost van LoonLaura Unsöld
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2015-12-152015-12-153712611271Hat sich die Soziologie in einem double bind verfangen?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/52
<p>Der Beitrag geht von der These aus, dass sich die Soziologie aufgrund ihres Anspruchs die Gesellschaft analysieren und verändern zu wollen, in einen double bind manövriert hat. Diese These wird auf der Grundlage von Gregory Batesons Doppelbindungstheorie, der Theorie funktionaler Differenzierung von Niklas Luhmann und Erving Goffmans Theorie der Imagepflege entfaltet. Demnach verbreitet die Soziologie eine widersprüchliche Selbstbeschreibung. Mit dieser widersprüchlichen Selbstbeschreibung kann der aktuelle öffentliche Relevanzverlust der Soziologie erklärt werden. </p>Roland Walkow
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2015-12-222015-12-223714861495Zum affirmativen Potenzial soziologischer Kritik. Überlegungen zur Dialektik von Kritik und Affirmation in den Sozialwissenschaften
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/79
<p>Die Aufgabe – und zugleich die große Herausforderung – soziologischer Kritik besteht in der konsequenten und rückhaltlosen Analyse gesellschaftlicher Herrschafts- und Machtverhältnisse. Nur kraft eines umfassenden Verständnisses der sozialen Ursachen gesellschaftlicher Probleme und Missstände kann Kritik überhaupt in der Lage sein, eine Perspektive zu eröffnen, durch die potentiell eine Überwindung des kritisierten Zustandes und mithin eine Veränderung zum Besseren möglich würde. Diese Aufgabe wird indes oft nur unzureichend erfüllt, wobei als eine der Hauptursachen eine ausgeprägte und weiter zunehmende Praxisorientierung soziologischer Kritik identifiziert werden kann. Kritik bleibt dabei so hoffnungslos verstrickt mit jenem gesellschaftlichen Zustand, den sie eigentlich verändern möchte, dass sie diesen mit ihrer Kritik häufig sogar unfreiwillig stabilisiert und selbst reproduziert – sie wird tendenziell affirmativ. Diese Dialektik soziologischer Kritik wird im vorliegenden Beitrag näher beleuchtet wie auch Überlegungen zu möglichen Auswegen und Alternativen angestellt.</p>Andreas Stückler
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2015-12-232015-12-233714961501Die Ordnung der Dramatisierung – disruptiver sozialer Wandel im Lichte soziologischer Zeitdiagnostik
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/89
<p>Soziologische Zeit-, Gegenwarts- oder Gesellschaftsdiagnostik hat einen zweifelhaften Ruf. Anstelle einer Kritik dieses 'Genres' soziologischer Literatur kann man diese Textgattung aber auch aus wissenssoziologischer Perspektive untersuchen. Man gelangt dann sowohl zu einer 'Ordnung der Dramatisierung' bzw. einer Typologie der Krisendiagnostik sowie zu spezifischen Mustern der Plausibilisierung gesellschaftlichen Wandels. Der Beitrag identifiziert mit Blick auf soziologische Zeitdiagnosen ein Auflösungs- oder Atomisierungsmotiv, das mit Zerfalls- und Destabilisierungskrisen verbunden wird, ein Standardisierungs- oder Konzentrationsmotiv, welches auf Verdrängungs- und Sublimierungskrisen verweist und ein Reflexivitäts- oder Selbsttransformationsmotiv, das mit Orientierungs- oder Diffusionskrisen in Verbindung steht. Ferner werden drei Stufen einer gattungsspezifischen Konstruktion von Vergangenheit entwickelt.</p>Oliver Dimbath
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2015-12-232015-12-23374150Die Gesellschaft als Labor? Wissenschaftsforschung meets soziologische Theorie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/164
Die Ad hoc-Gruppe <em>Wissenschaftsforschung meets soziologische Theorie</em> befasste sich mit den Folgen der großflächigen Übertragung von Ansätzen in den <em>Science Studies</em> auf die allgemeine soziologische Theorie sowie auf soziologische Kritikansätze. Im Fokus standen dabei weniger Fragen der Angemessenheit einzelner Konzepte der <em>Science Studies</em> wie etwa die Frage der Konzentration auf Objekte, sondern eher eine Theoriefolgenabschätzung. Diese lässt sich mithilfe des aus der objektualen Soziologie selbst stammenden Begriffs der „Übersetzung“ fassen. Danach führt die Übertragung von Konzepten aus einem Register in ein anderes zu einer „Artikulation“ neuer Positionen, aber auch zu einer „Disartikulation“ im Verhältnis zu bestehenden Ansätzen. So wird an die aus den <em>Science Studies</em> kommende Dingsoziologie die kritische Frage gerichtet, worin ihre Übersetzungskosten bestehen.Andreas LangenohlDoris Schweitzer
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2015-12-222015-12-223719511956Die Wissenschaften als Laboratorium der Soziologie Zur Rolle der Science Studies bei der Reformulierung von Sozial- und Gesellschaftstheorie bei Bruno Latour
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/104
<p>Das Verhältnis von soziologischer Theorie und Wissenschaftsforschung erscheint im Rahmen der gängigen Sortierungslogiken der Soziologie zunächst als eines zwischen allgemeiner und spezieller Soziologie. Diskussionen um den Beitrag der Science Studies in der oder für die Soziologie beziehen sich demzufolge auf das generelle Problem, wie die Erforschung eines Teilbereichs für die Erkenntnis von Gesellschaft insgesamt fruchtbar gemacht werden kann. Unterlegt sind dieser Beschreibung in der Regel differenzierungstheoretische Annahmen, mit denen schließlich davor gewarnt werden kann, einen Teilbereich von Gesellschaft absolut zu setzen (vgl. ex. Luhmann 1987: 554, 2009: 98ff.). Mit Rücksicht auf dieses Problem ist es daher sinnvoll, die Fragerichtung ein Stück weit zu verschieben und zunächst nach Einfluss- und Überschneidungspunkten oder Wirkungen der Wissenschaftsforschung auf die soziologische Theorie im Allgemeinen zu fragen. Hiervon ausgehend geht es mir im Folgenden darum, die Frage des Verhältnisses von Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie, die im Zentrum dieser Ad-hoc-Gruppe steht, am Fall zu diskutieren, nämlich an Bruno Latour. Von allen Protagonisten der Science Studies eignet er sich hierfür am besten, weil er die weitreichendsten Konsequenzen aus der Beschäftigung mit den Wissenschaften gezogen hat. In einem ersten Schritt werde ich kurz auf die Entwicklung der Wissenschaftssoziologie seit den 1960er Jahren zu sprechen kommen, um Latours Position hierin situieren und von anderen Positionen abgrenzen zu können. Dadurch wird es möglich sein zentrales Argument zu skizzieren: nämlich dass die soziologische Forschung im Labor selbst zum Problem wird und gezwungen ist, ihre sozialtheoretischen Prämissen zu überdenken. Um den Beitrag Latours im Detail diskutieren zu können und mehrfach formulierten Einwänden zu begegnen, beziehe ich seine Arbeiten anschließend auf die in der soziologischen Theorie verbreitete Unterscheidung von Sozial- und Gesellschaftstheorie. Da die Annahme des Scheiterns der Soziologie im Labor, die sich als Startpunkt seines gesamten Werkes begreifen lässt, auch noch das neue und umfangreiche Projekt der Erforschung von Existenzweisen motiviert, schließe ich mit einer kurzen Schilderung der dortigen Begründung einer Sonderstellung der Wissenschaften in der Moderne, bevor diese Diskussion abschließend mit der Ausgangsfrage zusammengeführt wird. Dabei geht es auch darum, auf eine Kritik an Latour zu antworten, die genau an diesem Fall der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie ansetzt und behauptet, dass Latour (letztlich in all seinen Arbeiten nach seiner frühen Laborstudie (Latour/Woolgar 1986) aus den 1970er Jahren) zentrale Kategorienfehler begeht, die auf der Ebene der Theorie in Unterkomplexität und auf der Ebene der Politik in eine fatale Expertokratie münden (vgl. Lindemann 2008, 2009a, 2011b). Beide Behauptungen gehen gleichermaßen an Latours Werk vorbei, sind aber nur hinreichend zu adressieren, wenn man die zentralen Argumente in der Beziehung zwischen Wissenschaftsforschung und soziologischer Theorie rekonstruiert.</p>Lars Gertenbach
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2015-12-232015-12-233719571967Zum Kritikpotential der Untersuchung sozialer Phänomene als ›epistemische Dinge‹
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/127
<p>Das ›epistemische Ding‹ des Wissenschaftshistorikers Jörg Rheinberger hat den Sprung aus dem Labor in die soziologische Theorie geschafft: Es wird zunehmend auf soziale und kulturelle Phänomen außerhalb der naturwissenschaftlichen Experimentalsysteme angewendet. Der Beitrag diskutiert, welche Gefahren, aber auch heuristischen Potentiale dieser Übersetzungsprozess beinhaltet. Ausgangspunkt ist dabei die Frage, was eigentlich genau übersetzt wird und was in diesem Prozess verloren geht. Zu letzterem gehören das kritische Verfahren der Entwicklung des Begriffs, aber auch sein spezifisches topologische <em>setting</em> innerhalb der Theoriearchitektur Rheinbergers. Anschlüsse werden demgegenüber an die inhaltlichen Charakteristika des epistemischen Dings gesucht. Wird damit der Dingbegriff für die Analyse sozialer Phänomen in den Vordergrund gestellt, stellt sich die Frage, worin sein spezifisches heuristisch-kritisches Potential liegen kann. Um dies zu bestimmen, wird die Verdinglichungskritik Adornos an Durkheim als Vergleichsfolie herangezogen. Vor dem Hintergrund dieser Diskursmatrix zeigt sich nämlich zum einen, dass der kritische Einsatz des epistemischen Dings gegen ein entdinglichtes Verständnis der Soziologie gerichtet ist, wie sie sowohl in der Soziologie à la Durkheim, aber auch in der Verdinglichungskritik anzutreffen ist. Zum anderen können mit Verweis auf Adornos Ideologiekritik die Grenzen einer solchen Kritik verdeutlicht werden. Denn die Frage der Kritikwürdigkeit der sozialen Phänomene vermag das Konzept des epistemischen Dings nicht zu beantworten. Im Rahmen einer kritischen Soziologie reicht der Verweis auf die Relevanz der Dinge nicht. Hierfür bedürfte es vielmehr eine neue, andere Form eines Materialismus. </p>Doris Schweitzer
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2015-12-222015-12-223719681978Zur Relevanz der Figur des Parasiten für die Theorie sozialer Systeme
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/94
<p>Der Beitrag untersucht, wie Serres Figur des Parasiten, die Luhmann an vielen Stellen seines Werkes eher impressionistisch benutzt, weiter ausgearbeitet und dann auch für die Analyse von 'ordnungswidrigen' Phänomenen genutzt werden kann, die etwa in der massenmedialen Beschreibung der modernen Gesellschaft einen prominenten Platz einnehmen, die sich aber dem systemtheoretischen Standardmodell sozialer Differenzierung nicht ohne Weiteres fügen.</p>Wolfgang Ludwig Schneider
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2015-12-232015-12-2337821829Es gibt keine sozialen Systeme
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/50
Nicht bestritten wird, dass die Annahmen der Existenz von (a) Systemen, (b) Selbstreferenz und (c) sozialen Systemen für die soziologische Theorie produktiv sind. Wir akzeptieren Luhmanns Grundgedanken der Selbstreferenz als "Korrelat des Komplexitätsdrucks der Welt", die gleichsam stellvertretend für die Unmöglichkeit der adäquaten Abbildung dieser Komplexität einsteht. Und erst recht akzeptieren wir die Annahme, dass die selbstreferentielle Geschlossenheit die Voraussetzung für die "Kontrolle der eigenen Negationsmöglichkeiten bei der Herstellung eigener Elemente" ist. Die Fähigkeit zum Einbau von Negation und zum produktiven Umgang mit Negation ist das Sine Qua Non der Verschränkung von Systemtheorie und funktionaler Analyse. Aber wir nehmen die Annahme der Selbstreferenz zurück auf die Annahme der Selbstreferenz eines Beobachters, postulieren den Begriff des Systems als Angebot eines wissenschaftlichen Beobachters an einen komplexen Gegenstand und bestimmen den Begriff des sozialen Systems als wesentliche Spur zum Verständnis des Sozialen.Dirk Baecker
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2015-12-232015-12-2337810820Von leuchtenden Hasen und sterbenden Menschen: Margaret Atwoods Roman Oryx and Crake als Wissenschaftsfolgenabschätzung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/26
Utopien, Anti-Utopien und Dystopien extrapolieren gegenwärtige soziale Entwicklungen und beschreiben ihre möglichen, erwünschten oder befürchteten Auswirkungen für zukünftige Gesellschaften. Sie sind zwar literarische Gattung, beziehen ihre Faszination aber aus ihrer zeitdiagnostischen Bezogenheit auf die Gegenwart. Als Schaltstellen zwischen Wirklichkeitssinn und Möglichkeitsdenken bilden sie eine Form, in der Kontingenz als Grunderfahrung moderner Gesellschaftlichkeit artikuliert werden kann. Wiederkehrendes Thema ist dabei die Auseinandersetzung mit dem veränderndem Potential naturwissenschaftlicher Forschung und Technologie. Unser Vortrag diskutiert das Verhältnis von Dystopie, Zeitdiagnose und Wissenschaftsfolgenabschätzung am Beispiel der MaddAddam-Trilogie Margaret Atwoods. Über drei Romane hinweg entwirft die Autorin das Panorama einer zukünftigen, durch Biotechnologiekonzerne bestimmten Gesellschaftsordnung, die durch die Privatisierung aller Daseinsbereiche und eine scharfe soziale Polarisierung gekennzeichnet ist. In dieser Lage initiiert der Genetiker Crake eine Pandemie, die nahezu die gesamte Menschheit auslöscht und erschafft einen neuen Menschentypus, der in friedlicher Weise die Welt besiedeln soll. Innerhalb dieses vielschichtigen Handlungsrahmens, der ein anti-utopisches Gesellschaftspanorama in eine post-apokalyptische Neuordnung aller sozialen und biologischen Verhältnisse überführt, spielt naturwissenschaftliche Forschung eine zentrale Rolle. Atwood selbst betont dabei die Verankerung der wissenschaftsbasierten Handlungsdetails in der <br />Sphäre des gegenwärtig Machbaren. Für diese Form der Fiktion prägt sie den Terminus speculative fiction. <br /> <br />Vor dem Hintergrund des hier skizzierten schriftstellerischen Selbstverständnisses Margret Atwoods soll der Beitrag den Anspruch der „speculative fiction“ explizieren und als zeitdiagnostisches Instrument befragen: Entlang einer Lektüre des erst en Bandes der Triologie, Oryx and Crake, soll verdeutlicht werden, wie Atwood reale wissenschaftliche Ereignisse aufgreift. Durch die Beleuchtung der wissenschaftsbezogenen Wirklichkeitsreferenzen soll die Frage adressiert werden, welche Relevanz diese Art und Weise der Verarbeitung gegenwärtiger Forschung für die wissenschafts- und gesellschaftskritischen Potentiale des Romans hat: Inwiefern kann spekulative Literatur zur Reflexion „gefährlicher Forschung“ beitragen?Emanuel HeroldSina Farzin
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2015-12-152015-12-153713351342Gesellschaftliche Risikodiskurse durch die Linse der Literatur: Zur (inter-)subjektiven Deutung wissenschaftlichen Wissens in ‚Reading Groups’ am Beispiel des Romans Flight Behavior
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/141
<p>‚Risiko’ gilt als zentrales Merkmal moderner Wissensgesellschaften (Beck 1986; Douglas, Wildavsky 1982; Luhmann 1991; Stehr 1994). Für den Wandel zur Gesellschaftsformation der Wissensgesellschaft ist die wachsende Bedeutung wissenschaftlichen Wissens ebenso konstitutiv wie die Steigerung von Unsicherheit und Ungewissheit und damit der Umgang mit Risiko als unintendierte Folge von Fortschritt: Wissenschaftliche Erkenntnisse zu globalen Klimaveränderungen sind nicht (mehr) potentielle (Natur-)Gefahren unbeeinflussbarer Ereignisse, sondern von Menschen produzierte und zu bewältigende (Umwelt-)Risiken.</p><p>Mit dem zunehmenden Einfluss von Risikowissen haben sich auch das Verhältnis von Wissenschaft und Öffentlichkeit und damit die Kommunikations- und Informationsanforderungen an wissenschaftliche Erkenntnisproduktion verändert (vgl. z.B. Weingart 2005). Wissenschaftliche Diagnosen zu schmelzenden Gletschern und langfristigen Folgen der Erderwärmung werden der gesellschaftlichen Öffentlichkeit durch kommunikative Vermittlung zugänglich gemacht. Moderne Massenmedien als Vermittlungsinstanzen ‚wahren, gesicherten’ Wissens der Wissenschaft nehmen eine tragende Rolle in jenen Prozessen der Wissenschaftskommunikation ein.</p><p>Die wachsende Popularität von <em>climate change fiction</em> im literarischen Genre des Wissenschaftsromans (Trexler, Johns-Putra 2011) lässt vermuten, dass wissenschaftliche Risikodiskurse neben deren medialen Kommunikation auch durch und in (literarischen) Kunstprodukten verarbeitet werden. Basierend auf dieser Annahme wird in dem Beitrag diskutiert, inwiefern Literatur dem Transfer wissenschaftlicher Risikowissensbereiche in die gesellschaftliche Öffentlichkeit dient. Im Zentrum des Beitrags steht folglich die empirisch geleitete Frage, (1) ob literarische Narrative zu (umweltbezogenem) Risikowissen Einfluss auf subjektive Deutungsprozesse ausüben, und wenn ja, (2) welche Art von (Risiko-)Konstruktionen und -deutungen sich identifizieren lassen.</p><p>Diese Fragen werden in dem Beitrag am Beispiel des zeitgenössischen Wissenschaftsromans <em>Flight Behavior</em> auf der Basis von Rezeptionsprozessen in Gemeinschaften von Lesern behandelt. Mit der Analyse gruppenbasierter Deutungsprozesse in englischsprachigen <em>Reading groups</em> werden intersubjektive Deutungsprozesse und damit die diskursive Konstruktionen wissenschaftlichen Risikowissens in den Blick genommen. Der Beitrag nimmt in einem ersten Schritt Risikonarrative aus dem literarischen Textnarrativ von <em>Flight Behavior</em> in den Blick, die auf der Basis risikotheoretischer Perspektiven interpretiert werden (I.). Die extrahierten Romannarrative dienen folgend als Analysefolie für gruppenbasierte Leserrezeptionen einer analysierten Romandiskussion (II.). Abschließend werden die beiden Analyseebenen der Romaninterpretation und der empirischen Datenerhebung in einer Schlussbetrachtung gegenübergestellt, in der das Potenzial literarischer Texte als Übersetzungsmedium wissenschaftlichen (Risiko-)Wissens diskutiert wird (III.) </p>Sonja FückerUwe Schimank
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2015-12-232015-12-233713431352Jenseits des Ausnahmezustands
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/174
<p>In populären wie auch in wissenschaftlichen Debatten werden Kriege in der Regel als Ausnahmezustand vorgestellt, als gewaltsame Abweichung vom »normalen« Gang der Dinge. Dabei stellt sich insbesondere in innerstaatlichen Konflikten, die das Konfliktgeschehen der Gegenwart dominieren, in besonderem Maße die Frage nach dem Verhältnis von Krieg und Normalität. Denn hier verschwimmen Unterscheidungen, die in zwischenstaatlichen Kriegen als »einhegende« Organisationsprinzipien wirken, insbesondere die zwischen KombattantInnen und Nicht-KombattantInnen, zwischen Schlachtfeld und Hinterland, zwischen Kriegs- und Friedenszeiten. Der Beitrag diskutiert, wie sich Bürgerkriege jenseits des Topos des Ausnahmezustand theoretisch fassen und empirisch untersuchen lassen. Konzeptueller Ankerpunkt der Überlegungen sind phänomenologische und pragmatistische Theorien von Alltäglichkeit, deren Fruchtbarkeit im zweiten Teil anhand einer Fallstudie zum Bürgerkrieg in Angola (1975-2002) aufgezeigt wird. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei den Unterschieden zwischen der Transformation von Alltäglichkeit in bewaffneten Gruppen einerseits und im Milieu der Nicht-Kombattanten andererseits. Darüber hinaus findet die Frage nach den Grenzen der Veralltäglichung Beachtung. Der Beitrag macht deutlich, wie eine alltagstheoretische Perspektive auf bewaffnete Konflikte nicht nur Einsichten zur sozialen Dynamik von Bürgerkriegen ermöglicht, sondern auch ein neues Licht auf typische Probleme in Nachkriegsgesellschaften wirft. </p>Teresa Koloma Beck
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2015-12-232015-12-23373039Einflusswege von Religion auf die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/286
Obwohl die Bedeutung des Christentums für die wohlfahrtsstaatliche Entwicklung in der den Konfessionen nahestehenden Literatur schon früh thematisiert wurde, dauerte es bis 1983, dass sich die Soziologie des Themas annahm. Einflussreich wurde der deutsch-amerikanische Soziologe Arnold Heidenheimer, der in einem geistreichen Essay, nämlich einem imaginären Dialog zwischen Max Weber und Ernst Troeltsch, die Frage aufwarf, warum gerade in Deutschland zuerst ein staatlich reguliertes soziales Sicherungssystem geschaffen wurde, was beim internationalen Vergleich als wichtigster Indikator wohlfahrtsstaatlicher Entwicklung gilt. Die skandinavischen Länder schlossen sich noch um 1900 an, während die stärker industrialisierten Länder England, Frankreich, Niederlande und USA erst sehr allmählich (und im Falle der Vereinigten Staaten bis heute nur sehr lückenhaft) folgten. In Deutschland und Skandinavien dominierte ein lutherisches Staatskirchentum, während England, die Niederlande und die Vereinigten Staaten in ihrer Geschichte stark durch den Calvinismus geprägt worden sind, der ein weit distanzierteres Verhältnis zur staatlichen Macht entwickelt hat. Sollte dies – so diskutieren Weber und Troeltsch in Heidenheimers imaginärem Dialog – eine Erklärung für den unterschiedlichen Gang der wohlfahrtsstaatlichen Entwicklung sein?Franz-Xaver Kaufmann
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2016-05-112016-05-1137651660Muslimische Caritas mit humanistischem Anspruch: Islamic Relief und Humanity First im Vergleich
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/101
<p>Karitative Organisationen gewinnen an Bedeutung, wenn der Wohlfahrtsstaat nicht mehr bereit oder in der Lage ist, seine Aufgaben adäquat wahrzunehmen. Angesichts der Herausforderung europäischer Wohlfahrtsstaaten durch Neoliberalismus, Globalisierung und demographischen Trends ist abzusehen, dass vermehrt auch wieder religiös orientierte Organisationen bei der Bewältigung sozialer Probleme mitwirken. In Deutschland und der Schweiz sind die meisten dieser Organisationen noch immer christlich geprägt. Mit der Zuwanderung von MuslimInnen haben sich indes inzwischen auch in der Schweiz zahlreiche Hilfswerke etabliert, die sich an der muslimischen Caritas orientieren.</p><p>Im Vordergrund des vorliegenden Beitrags steht die karitative Tätigkeit von zwei transnationalen Organisationen, <em>Islamic Relief</em> und <em>Humanity First</em>, die gleichermassen ihre islamische Grundorientierung mit dem humanistischen Anspruch kombinieren, dass alle Notleidenden unabhängig von Glaube, Ethnizität oder Nationalität Unterstützung verdienen.<em> Islamic Relief</em> wurde 1984 in Birmingham von zwei dem sunnitischen Islam zugehörigen Medizin-Studenten als Reaktion auf die Hungernot im Horn von Afrika gegründet. In der Schweiz ist dieses Hilfswerk seit 1994 zunächst mit einem Büro in Basel,seit 2002 aber durch ein Büro in Genf vertreten. <em>Humanity First</em> wurde 1992 in London als das Hilfswerk der Ahmadiyya-Gemeinschaft durch dessen vierten <em>Khalifa</em>, Mirza Tahir Ahmad, gegründet, mit der Zielsetzung, weltweite Katastrophenhilfe zu leisten. Die Ahmadiyya sind eine im indischen Subkontinent entstandene und verfolgte muslimische Minderheit. Humanity First ist durch den in Zürich angesiedelten Zweig der Ahmadiyya auch in der Schweiz vertreten.</p><p>In ersten Abschnitt des Beitrags fokussieren wir auf die Wohlfahrtsproduktion von Verbänden im Allgemeinen und der muslimischen Verbände im Besonderen. Wir weisen darauf hin, dass die soziale Wohlfahrt nicht bloss auf den Leistungen, sondern u.a. auch auf der Leistung von zivilgesellschaftlichen Organisationen, insbesondere den Wohlfahrtsverbänden, beruht. Im zweiten Abschnitt wird der religiöse Kontext muslimischer Hilfswerke skizziert. Vorab weisen wir darauf hin, dass auch im Islam das karitative Gedankengut tief verankert ist. Dafür spricht nicht nur die Hervorhebung des <em>Zakat</em> als eine der fünf Säulen des Islam. Auch andere Begriffe wie <em>Sadaqa</em> (Almosen) <em>Infaq</em> (Spenden), oder <em>Ihsan</em> (Gütigkeit), die sehr häufig im Koran sowie im Hadith vorkommen, bestätigen die hohe Stellung der Diakonie im Islam. Im dritten Abschnitt konzentrieren wir uns auf den Entstehungskontext der beiden Hilfswerke. Es liegt auf der Hand, dass die Gründung beider Hilfswerke mit dem Anstieg der Immigration aus islamisch geprägten Ländern, dem Aufstieg des politischen Neoliberalismus und der Erosion des Sozialstaates koinzidiert. Im vierten Abschnitt werden <em>Islamic Relief</em> und <em>Humanity First</em> vergleichend analysiert, wobei wir zumindest sechs Dimensionen identifizieren, auf denen sich die beiden Organisationen unterscheiden. </p>Michael NollertAmir Sheikhzadegan
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2015-12-232015-12-2337661673Zur Theorie des Zusammenhangs von existenzieller Sicherheit und Säkularisierung bei Pippa Norris und Ronald Inglehart. Anmerkungen aus Sicht einer fallanalytischen Säkularisierungsforschung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/90
<p>Pippa Norris und Ronald Inglehart lenken mit ihrem 2004 publizierten Buch ›Sacred and Secular. Religion and Politics Worldwide‹ die Aufmerksamkeit in Fortführung ihrer modernisierungstheoretischen Perspektive auf den Zusammenhang zwischen existenzieller Sicherheit und Säkularisierung (insbesondere der des Subjekts), welchen sie mit einer beachtlichen Menge an quantifizierenden Daten demonstrieren. Zu seiner Erklärung schlagen sie eine Theorie vor, in der sie zu zeigen versuchen, wie der Säkularisierungsprozess durch existenzielle Sicherheit angetrieben wird bzw. durch ein Fehlen derselben ausbleibt, somit auch von existenzieller Sicherheit abhängig ist. Diese Theorie verdient eine breitere fachliche Diskussion, gerade auch im Dialog zwischen sozialpolitischer und religionssoziologischer Forschung. In dem Beitrag wird sie vor dem Hintergrund eigener, fallrekonstruktiver Forschung zur Säkularisierung der individuellen Lebensführung (auch eigener sozialpolitischer Forschung) betrachtet. Vor diesem Hintergrund erscheint eine ganze Reihe von Punkten an Norris und Ingleharts Theorie als kritikwürdig, selbst wenn man wie in diesem Beitrag davon ausgeht, dass es den behaupteten Zusammenhang zwischen existenzieller Sicherheit und Säkularisierung gibt. Es wird ein alternatives Erklärungsmodell vorgeschlagen. Auf seiner Folie werden abschließend ungenutzte Potenziale existenzieller Sicherheit in den entwickelten Sozialstaaten unserer Zeit in den Blick genommen.</p>Manuel Franzmann
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2015-12-232015-12-2337674681Unsichere Beschäftigung und sozialer Zusammenhalt in Europa
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/33
<p>Zunehmende Deregulierung und Flexibilisierung auf Europas Arbeitsmärkten führen zu einem Anstieg atypischer Beschäftigungsverhältnisse wie Teilzeit, Befristung, Leiharbeit und geringfügige Beschäftigung. Diese Art der Arbeitmarktanbindung geht häufig mit einem Planungs-, Anerkennungs- und Sicherheitsverlust einher, der sich auf andere Lebensbereiche wie soziale Beziehungen und die Qualität des sozialen Lebens auswirken kann. Der Beitrag untersucht, inwiefern prekäre Beschäftigung mit der subjektiven Wahrnehmung sozialer Integration in Europa in Verbindung steht und fragt dabei insbesondere nach der Rolle institutioneller Kontexte wie wohlfahrtsstaatliche Maßnahmen und die Ausgestaltung der Arbeitsmarktpolitik.</p>Petra BöhnkeIsabel Valdés Cifuentes
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2015-12-202015-12-2037683693Freiwilliges Engagement Älterer: Sozio-ökonomische Ressourcen und regionale Rahmenbedingungen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/116
<p>Freiwilliges Engagement kann ganz wesentlich zur Teilhabe Älterer an der Gesellschaft beitragen, es ist aber in hohem Ausmaß sozial strukturiert. Im Beitrag wird untersucht, welche sozialen und regionalen Ungleichheiten im freiwilligen Engagement von Personen ab 50 Jahren bestehen. Datenbasis ist der Deutsche Freiwilligensurvey (FWS) 1999 und 2009. Im Ergebnis zeigen sich deutliche Effekte beispielsweise von Erwerbsstatus, Bildung, Geschlecht und subjektiver finanzieller Lage auf die Wahrscheinlichkeit sich freiwillig zu engagieren. Darüber hinaus sind Ältere in wirtschaftlich schwachen Regionen deutlich seltener engagiert als Ältere in wirtschaftlich stärkeren Gebieten. Dabei kumulieren sich Benachteiligungen, wenn geringe individuelle Ressourcen und schlechte ökonomische Rahmenbedingungen zusammentreffen. Eine Förderung der sozialen Teilhabe Älterer sollte daher auch darauf abzielen, die Infrastruktur für Engagement auf kommunaler Ebene zu stärken und Barrieren für ökonomisch benachteiligte Personengruppen abzubauen.</p>Julia SimonsonClaudia VogelNicole HameisterJochen Philipp Ziegelmann
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2015-12-232015-12-2337694708Entscheiden über Asyl: Über soziale Konstruktion und das Zusammenspiel von Formalität und Informalität im österreichischen Asyl-Verwaltungsverfahren
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/106
Dieser Beitrag befasst sich mit den sozialen Praktiken und Prozessen der Administration von Asylanträgen. Anhand der in einer Außenstelle des österreichischen Bundesasylamts durchgeführten ethnographischen Fallstudie (2010-2014) wird der Arbeitsalltag von ReferentInnen untersucht, die in erster Instanz über Asylanträge entscheiden. Die präsentierten Ergebnisse basieren auf der ‚Kristallisierung‘ von Leitfadeninterviews mit EntscheiderInnen, teilnehmender Beobachtung des Bürolebens und von Einvernahmen mit AsylwerberInnen sowie Artefaktanalysen. Die Datenanalyse orientiert sich vor allem an dem Zugang der interpretativen Sozialforschung.<br />Das administrative Asylverfahren dreht sich inhaltlich primär um die Interpretation einer „wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung“, welche vor allem mit der Herstellung von (Un-) Glaubwürdigkeit und daher mit der Suche nach „Fakten“ verknüpft ist. Der für Bürokratien charakteristische Prozess der sozialen Konstruktion von Fakten steht im Zentrum dieses Beitrags. <br />Auf Basis des Datenmaterials lassen sich vier ineinander verschränkte Spannungsfelder identifizieren, die den von der Suche nach Fakten geprägten Arbeitsalltag der ReferentInnen charakterisieren: (1) Normierung vs. Handlungsspielraum, (2) Eindeutigkeit vs. Ungewissheit, (3) Individualisierung vs. Generalisierung, (4) Verantwortung vs. Distanzierung. Diese Spannungsfelder äußern sich in einer Koexistenz von Formalität und Informalität. Eine Eigenschaften der Informalität liegt in der Reduktion von Komplexität, welcheim Prozess der sozialen Konstruktion von Fakten von besonderer Bedeutung ist.Julia R. Dahlvik
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2015-12-232015-12-233711721182Soziale Bewegungen im Spiegel von Online-Öffentlichkeit. Die Beobachtung sozialer Bewegungen durch Online-Publika am Beispiel der Occupy-Bewegung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/40
<p class="Pa1">Dieser Beitrag schlägt vor, soziale Bewegungen als Verweisungszusammenhang öffentlicher Proteste zu verstehen. Die Behandlung von sozialen Bewegungen als Serie öffentlicher Proteste stellt demnach nicht bloss eine methodologische Simplifikation der Sozialwissenschaften dar, sondern kann gewissermassen als Methode verstanden werden, mit denen soziale Bewegungen gesellschaftlich beobachtet werden. Folgt man diesem Verständnis, müssen öffentliche Kommunikationsprozesse in den Vordergrund der soziologischen Interesses rücken: Öffentlichkeit stellt mithin den Beobachtungsraum dar, in dem sich soziale Bewegungen selbst anhand der ihr zuschreibbaren Proteste beobachten können. Sie gewinnen ihre Einheit als Serie aufeinander verweisender Proteste, indem sie sich im Spiegel der Öffentlichkeit beobachten. Der ›Ort‹ an dem sich die Einheit sozialer Bewegungen konstituiert, liegt diesem Verständnis zufolge in öffentlichen Kommunikationsprozessen.</p><p>Mit diesen Grundannahmen eröffnet sich eine neue Perspektive auf soziale Bewegungen: Es rücken erstens öffentliche Kommunikationsprozesse in den Fokus des Interesses; zweitens stellen sich Fragen danach, mit welchen Methoden soziale Bewegungen lokal situierte Proteste aus ihrem lokalen Kontext ›entbetten‹, um sie in einem Zusammenhang aufeinander verweisender Proteste zu resituieren. Der Beitrag will diese anskizzierte theoretische Perspektive mit besonderem Blick auf Potentiale von Online-Kommunikation und Online-Öffentlichkeiten ausleuchten. Die Leitfrage lautet: Mit welchen Methoden werden soziale Bewegungen anhand ihrer Proteste beobachtet? Und: Mit welchen Mitteln werden einzelne Proteste aus ihrem jeweiligen zeitlich-räumlichen Kontext entbettet? Diese Fragen werden anhand von online verfügbarem Material zur Occupy-Bewegung diskutiert.</p>Luca Tratschin
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2015-12-202015-12-2037430437Soziale Bewegungen im Zeitalter des Internets
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/287
<p>Folgenden Fragen soll in diesem Beitrag nachgegangen werden:</p><p>- Welche Merkmale zeichnen neue Formen politischer Teilhabe im Zeitalter des Internets aus?</p><p>- Welche Rolle spielt das Internet bei der Generierung dieser Merkmale ?</p><p> Die erkenntnisleitenden Fragen rücken das Zusammenspiel zwischen medialen Strukturen und partizipativem Handeln im Zeitalter des Internets in den Blickpunkt wissenschaftlicher Analyse. Diese rekurriert auf Ergebnissen der Studie »Kommunikative Öffentlichkeiten im Cyberspace«, in der die Praktiken der Netzaktivisten und Netzaktivistinnen des Arabischen Frühlings untersucht wurden. Darüber hinaus werden Ergebnisse aus weiteren Untersuchungen und journalistische Berichte einbezogen, die sich auf die Occupy Bewegung, auf die Bersih-Bewegung in Malaysia, auf Proteste im Gezi-Park in Istanbul sowie auf die spanischen Indignadas beziehen. In den neueren Untersuchungen richtet sich das Erkenntnisinteresse sowohl auf die virtuelle als auch auf die Offline-Repräsentation von Protestformen, weil sich politische Teilhabe im Zeitalter des Internets nicht an den einen oder anderen Ort verbannen lässt.</p><p>Der Rolle des Internets als Raum und Instrument politischer Teilhabe wird in dem Vortrag besondere Aufmerksamkeit geschenkt, weil die digitale Technik den Bedeutungshorizont neuer Protestformen mitdefiniert, auch wenn das Netz nicht per se demokratisch ist. Henry Jenkins und David Thorburn vertreten in ihrem Buch ‚Democracy and New Media‘ (2004) die These, dass die digitalen Netzwerkmedien einen zweiten Start medialer Partizipation ermöglicht haben, der seine Vorläufer in Untergrundzeitungen, Grassroot Videos und autonomen Rundfunksendern hatte.</p><p>Theoretische Bezugspunkte der empirischen Analyse bilden das Konzept der Heterotopie von Michel Foucault (1992), das Rhizom-Konzept von Gilles Deleuze und Felix Guattari (1977), das Modell der Repräsentation von Stuart Hall (1997) sowie der von Manuel Castells (2012) entwickelte Ansatz, der die neuen Formen politischer Teilhabe in den Kontext einer mediatisierten Gesellschaft stellt.</p><div> </div>Christina Schachtner
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2016-05-112016-05-1137438449Kindheit im Kinder- und Jugendhilfesystem – Krise als Form der Etablierung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/112
<p>Vertraut man dem ersten durch öffentliche Diskurse geleiteten Eindruck, so ist Kindheit als Lebensphase vor allem durch Veränderungen in der Betreuungsstruktur, gesteigerte Bildungsanforderungen und das scheinbar zunehmende Risiko Gewalterfahrungen zu machen unter Druck geraten. Der Beitrag nimmt aus einer systemtheoretischen Perspektive eine Relationierung der Rede von einer Krise der Kindheit und Kinder- und Jugendhilfesystem vor und macht anhand der Unterscheidung von Funktion und Wertidee deutlich, dass die These einer Krise der Kindheit sowohl bestätigt als auch verworfen werden kann. Der Beitrag unterstreicht auf diese Weise das Potential einer systemtheoretischen Perspektive für die Soziologie der Kindheit.</p>Onno Husen
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2015-12-222015-12-2237772778Quantifizierung und Krise: Zukunftsbilder der Vereinten Nationen
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Der Beitrag befasst sich mit zahlenbasierten globalen Entwicklungsleitbildern und Zukunftsprojektionen der Vereinten Nationen. Ausgehend von der Annahme, dass Entwicklungspolitik ein inhärent krisenhaftes Geschehen darstellt - unabhängig davon, ob Entwicklungsmaßnahmen als erfolgreich oder gescheitert erlebt werden - wird gefragt, wie Indizes, Prognosen und Szenarien Krisen im globalen Entwicklungsdiskurs vermitteln. Als primäres Beispiel dient dabei der Human Development Index.Bettina Mahlert
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2015-12-212015-12-213715151524Ceteris non paribus - Subjektiv bedeutsame Lebensereignisse als Generatoren von Wissenskrisen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/8
<p>Diskutiert wird in diesem Vortrag das Fragwürdig-Werden vorgängiger subjektiver Wichtigkeiten, die Revision bislang vollzogener Praxis und der Neuaufbau von das aktuelle Handeln legitimierendem Wissen durch bzw. in Folge von a) vom Akteur als ‚schicksalhaft auferlegt‘ definierten Ereignissen, b) vom Akteur als ‚schicksalhaft-positiv‘ definierten Ereignissen, c) vom Akteur als ‚durch andere Akteure absichtsvoll oder beiläufig auferlegt‘ definierten Ereignissen, d) vom Akteur als ‚durch andere und/oder qua Interaktion mit anderen Akteuren ermöglicht‘ und als ‚positiv‘ definierten Ereignissen. Gefragt wird, inwieweit dabei in welchem Sinne Konversionen erkennbar und inwieweit dabei biographische Wechsel zwischen Konsensmilieus relevant sind.</p>Ronald Hitzler
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2015-12-222015-12-223710411046Zögern und Verzweifeln durch Risikoströme: die Erfassung zwischen einem Dorf und den Stromtrassen des Stromnetzausbaus der BRD
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/15
<p>Mit diesem Beitrag wird betont, dass es sinnvoll sein könnte, die wissenssoziologische Betrachtungen der Krisen des Wissens, mit einem monadistischen Ansatz zu ergänzen. Die Monadologie geht nicht davon aus, dass es a priori Subjekte und Objekte gibt, die im Voraus schon voneinander getrennt werden können. Weder Wahrnehmung noch Wissen lassen sich durch diese Trennung richtig verstehen. Stattdessen fordert die Monadologie, dass wir Erfahrung als ein Ereignis einer Begegnung zwischen Monaden auffassen; d. h. diese Erfahrung ist eine Differenz und ermöglicht, dass wir von Subjekten und Objekten reden können. Handeln und Entscheiden sind dann sekundäre Erfahrungen, die auch wieder ihre Subjekte und Objekte gestalten.</p><p>Eine monadistische Soziologie betrachtet Erfassungen und Auswirkungen von Entitäten im Sinne einer Gestaltung von Assemblagen. Wissen soll dadurch nicht außerhalb dieser Assemblagen, sondern als Gegenstände empirischer Metaphysik (praktischer Gewissheit), betrachtet werden. Empirische Metaphysik stellt die Kategorien der epistemischen Verfassung (im Sinne von Logos) auf und verbindet sie mit Anerkennungskriterien, womit Gegenstände „wahr-genommen“ werden können. Empirische Metaphysik gehört immer zu einer Assemblage und je mehr Entitäten ihr Logos nachfolgen, desto größer die Legitimitätsansprüche ihrer Wahrnehmungen als „wahrhaftes Wissen“.</p><p>Die Fallstudie betrifft ein Dorf in Bayern, das vor kurzem benachrichtigt worden ist, dass es genau auf das Trajekt einer geplanten riesigen Stromtrasse liegt. Die geplante Stromtrasse bezeichnet für alle Einwohner dieses Dorfes eine drohende Katastrophe. Mittels eines Konzepts der Risikoströme (Risk-Flows) möchte ich beschreiben, wie Krisen als Figurationen der Risiken gestaltet werden. Dabei geht es vor allem um eine Wechselwirkung zwischen den Modalitäten des Zögerns und der Verzweiflung die sich als Zerstörungen praktischer Gewissheiten manifestieren. Diese sind keine intrapsychologischen Zustände sondern bestimmte Erfassungen eines virtuellen Raumes zwischen Entscheidung und Handlung, die deswegen weder eine rein objektive Realität noch eine rein subjektive Erfahrung, sondern eine virtuelle Wirklichkeit sind. Die mittels Diskursanalysen, Beobachtungen und Interviews geforschte Fallstudie dient dazu, empirisch zu belegen, wie man soziologische Begriffe wie Krise, Wissen, Vertrauen, Legitimierung und Institution anwenden kann, ohne dass man vorher von außen bestimmen muss, was sie genau bedeuten.</p>Joost van Loon
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2015-12-232015-12-233710471056Die stille Krise. Der Verlust des Wissensmonopols des Staates und seine Folgen für die Polizei
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/76
<p>Ein Erkennungsmerkmal moderner Polizeien ist, dass sie Daten erheben, auswerten und sammeln. Dieses Verständnis des Staates als Wissensträger und einzig legitimierter Wissensnutzer hat – je nach Technikstand – gewaltige Veränderungen durchlaufen.</p><p>Bereits seit den 1970er Jahren deutet sich an, dass das staatlich gehortete Wissen in einen Strudel geraten ist, den man in Anlehnung an Mercedes Bunz die „stille Krise“ der staatlichen Wissensverwaltung nennen kann. Das Internetzeitalter macht deutlich, dass staatlich verwaltetes Wissen „hinter die Lage“ behördlicher Zuständigkeit gerät.</p><p>Die Krise könnte eigentlich umfassender nicht sein. Denn wenn der Staat kein Wissensmonopol mehr hat, treten auch die Staatsdiener selbst in ein anderes Licht: galt seit jeher der Beamte als „der Repräsentant, der seine ganze Potenz vom Dienstherrn bezieht“ (Peter Sloterdijk), wird nun deutlich, wie wenig der Dienstherr oft im Vergleich mit dem Internet weiß. Die stille Wissenskrise stellt also das gesamte bisherige Wissensmanagement der Sicherheitsbehörden in Frage und zwingt sie - über technische Umstellungen hinaus - über ihr Wissen neu nachzudenken.</p>Der Text versucht in einem ersten Anlauf, die Geschichte staatlicher Wissensspeicherung bis dato anzureißen und dabei auf die jeweils vorhandenen technischen Gegebenheiten einzugehen. In einem zweiten Schritt wird analysiert, was die Revolution des Internetzeitalters hinsichtlich staatlicher Wissensspeicherung bedeutet. Was es heißt, im Internetzeitalter zu leben wird kurz anhand der Begriffe „Big Data“ und „Petabyte-Zeitalter“ angerissen. Welche Folgen Big Data für die Polizeiarbeit hat, wird diskutiert. Es bleibt aber am Ende offen welche Folgen das neue Wissensregime des Internetzeitalters für die Polizei noch haben wird.Jonas Grutzpalk
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2015-12-232015-12-233710571067Experten in der Krise? Konstitution von Deutungsmacht im ‚Feld der Expertise‘
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/124
<p>Die Allgegenwart öffentlicher Kontroversen und Krisenszenarien – man denke etwa an die Debatte zum Klimawandel sowie die Finanzkrise – droht ständig die herausgehobene Position von Experten zu untergraben. Gleichzeitig besteht ein ungebrochener und stetig steigender Bedarf an anerkanntem professionellem Wissen. Daher scheint es notwendig eine Systematisierung und Theoretisierung der ‚Krisen des Wissens‘ vorzunehmen, die nach den Bedingungen der Stabilität und den Mechanismen der De-Legitimierung fragt. Dabei sollte Expertenwissen aufgrund seiner zentralen Bedeutung in der Gegenwartsgesellschaft eine besondere Aufmerksamkeit gelten. Es darf jedoch nicht nur als Sonderwissen behandelt werden; Expertenwissen ist Teil einer gesamtgesellschaftlichen Wissensordnung, die es hinsichtlich ihrer Entstehung, Wirkungsweise und Veränderung zu untersuchen gilt. Auf Basis einer groben theoretischen Skizze wird hier die These vertreten, dass die Deutungsmacht von Expertenwissen heute maßgeblich von der Bildung und Aufrechterhaltung heterogener Koalitionen zwischen Experten, Laien und öffentlichen Interessenvertretern anhängig ist. Experten können vor allem dann dominante Positionen etablieren und erhalten, wenn sie ihre Deutungsangebote in relevanten sozialen Kontexten verbreiten.</p>Alexander Hirschfeld
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2015-12-222015-12-223710681078Paradigma oder Parasit? Der new materialism, die Soziologie und die posthumanistische Herausforderung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/45
<p>Der „material turn“ hat auch in der Soziologie Einzug gehalten. Materielle Dinge, so wird argumentiert, sind das Produkt von Praktiken und ermöglichen und stabilisieren zugleich soziale Vollzüge, indem sie zeitliche und räumliche Distanzen von Nahfeldinteraktionen überschreiten. Dinge sind als Produkte und Ko-produzenten der Gesellschaft Gegenstand der Soziologie. Stützen kann sich diese Sichtweise auf praxistheoretische und körpersoziologische, Akteur-Netzwerk theoretische, pragmatistische und historische materialistische Zugänge. In jüngerer Zeit haben Theorien im Umfeld des „neuen Materialismus“ ein radikalisiertes Verständnis von Dinglichkeit und Materialität vorgeschlagen. Zwar teilen die neuen Materialist/-innen mit den praxeologischen Ansätzen die Ablehnung von repräsentationalistischen und linguistizistischen Ansätzen, aber zugleich rücken sie Konfigurationen des Materiellen in den Fokus, die gerade nicht nur Produkt menschlicher Praxis<ins cite="mailto:Katharina%20Hoppe" datetime="2014-05-06T16:29"></ins> sind. Stattdessen wird die Eigenständigkeit von Dingen, die selbstorganisierende Kraft der Materie, die Emergenz und Prozesshaftigkeit der Natur betont. Dadurch wird eher die Unverfügbarkeit als die Gemachtheit der materiellen Welt hervorgehoben. Der von Marx in den Materialismus eingeführte Grundbegriff der Praxis wird durch den des Ereignisses ersetzt.</p><p>Der Beitrag beleuchtet die Potentiale und Grenzen des neuen Materialismus für die Soziologie und veranschaulicht seine Argumentation durch Rekurs auf zwei historische Krisenerfahrungen (das Anthropozän und die Atombombe). Abschließend wird die These vertreten, dass der new materialism vor allem als Parasit einen produktiven Beitrag für die Soziologie liefern kann.</p>Andreas Folkers
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2015-12-232015-12-233717581768„Identifizierung relevanter Merkmale und Anforderungen an eine Mensch-Maschine-Schnittstelle“ - Welcher Mehrwert ergibt sich aus der Verknüpfung qualitativer und quantitativer Daten?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/81
<p>Das Forschungsprojekt „EVE“ befasst sich inhaltlich mit den sich stellenden Herausforderungen zukünftiger Energieversorgungssysteme. Das Ziel dieses interdisziplinären Projekts ist es, den Stromverbraucher/die Stromverbraucherin aktiver einzubinden, die Nutzung regenerativer Energiequellen zu optimieren als auch das Verbrauchsverhalten an künftige Erzeugungskapazitäten anzupassen. Als Mittel, die Ziele zu erreichen, wird eine Mensch-Maschine-Schnittstelle entwickelt bzw. eine App, die gekoppelt ist mit einem Smart Meter und es dem Stromverbraucher/in ermöglichen soll, seinen/ihren Stromverbrauch zu reduzieren und zu verlagern in Zeiten, in denen viele regenerative Energie bereit gestellt wird.</p><p> </p><p>Ansatzpunkt der Untersuchungsplanung ist es, diejenigen Merkmale und Anforderungen zu identifizieren, die die Nutzung einer solchen App im Haushalt begünstigen und aufzuzeigen, welche Personen dazu neigen, die App zu nutzen und welche eher nicht.</p><p> </p><p>Die Betrachtung der erhobenen qualitativen und quantitativen Daten zeigt, die Vielzahl an relevanten Bedingungen, die in diesem Feld eine Rolle spielen. Die Low Cost-Hypothese (Diekmann/Preisendörfer 1998) besagt, dass umweltgerechtes Verhalten umso wahrscheinlicher wird, je geringer die Verhaltenskosten sind, die es verursacht und umso unwahrscheinlicher, je höher der Aufwand des entsprechenden Verhaltens ist. Demzufolge wurde im Rahmen der Auswertungen die Intention verfolgt, diejenigen Merkmale zu identifizieren, die eine Low Cost-Situation begünstigen.</p><p> </p><p>Exemplarisch sei hier, wie auf dem Poster dargestellt, auf den Vorgang des Wäschewaschens verwiesen. Im Kontext der Fragebogenauswertung zeigt sich, dass unabhängig von der Lebensform die Haushalte überwiegend zu wechselnden Tageszeiten ihre Wäsche waschen und dementsprechend die Voraussetzung bestehen müsste, sich flexibel nach den Empfehlungen der App zu richten. Betrachtet man jedoch die Aussagen der geführten Interviews, dann zeigt sich, dass es einerseits Befragte gibt, die Bereitwilligkeit signalisieren ihre Alltagsroutinen in Bezug auf das Stromverbrauchsverhalten zu flexibilisieren bzw. gemäß der App auszurichten. Andererseits gibt es aber ebenso Befragte, die nicht bereit sind ihren geregelten Tagesablauf zu verändern. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass die Abwesenheit von geregelten Tagesabläufen eine Low Cost-Situation darstellt und die Möglichkeit einer aktiven Einbindung des Verbrauchers/der Verbraucherin ermöglicht. Betrachtet man jedoch die bevorzugte Tageszeit der Waschmaschinennutzung im Zusammenhang mit der Arbeitszeitbelastung der Personen, dann zeigt sich, dass der Anteil derjenigen, die nach wie vor zu wechselnden Zeiten waschen, hoch ist. Festzuhalten ist aber auch, dass diejenigen, die über keine Arbeitszeitbelastung verfügen mehrheitlich zu einer bestimmten Zeit waschen.</p><p> </p><p>Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der Verknüpfung der qualitativen und quantitativen Daten bereichernd ist für Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung, da auf dieser Basis die relevanten Einflussfaktoren sowohl auf der Makro- als auch auf der Mikroebene (Coleman 1992) erfasst werden können. </p>Amrit Bruns
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2015-12-232015-12-233719901991Die Erstellung von Sozialen Indikatoren als Entscheidungswissen im transdisziplinären Diskurs: Empirische Fallanalyse der European Expertgroup on Youth Indicators
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/105
<p>In postindustriellen Gesellschaften und insbesondere im Zeitalter der Wissensgesellschaft greift die Politik zur gesamtgesellschaftlichen Steuerung v.a. in Krisensituationen immer häufiger auf externes Expertenwissen zurück, um: <br />• Alternativen abzuwägen, <br />• Entscheidungen zu treffen, legitimieren, bewerten und <br />• als Frühwarnsystem zu fungieren.</p><p><br />Auf EU-politischer Ebene wird dieses Treffen von Entscheidungen auf Basis von fundiertem Wissen als „evidence-based-policy-making“ bezeichnet. Was die Organisation und Produktion von Wissen angeht, beschreiben zahlreiche Studien einen Wandel dieser Prozesse in den heutigen modernen Gesellschaften, auch im politikberatenden Kontext. Die Art der Wissensdiffusion und die Rollenaufteilung haben sich verändert. Die traditionell lineare Vorgehensweise wird zumeist durch hybride Kooperationsmodelle, in denen unterschiedliche transdisziplinäre Akteure (wie Wissenschaft, Politik und Praxis) Wissen ko-konstruieren/-produzieren, abgelöst. <br />Studienschwerpunkt: <br />Während die klassischen akademischen Routinen und Methoden der Wissensgenerierung soziologisch gut erforscht sind, besteht jedoch Forschungsbedarf zu der Art und Weise, wie Wissen in diesem transdisziplinären Diskurs generiert wird. <br />Schwerpunkt dieser Studie ist die Wissensgenerierung über quantitative Sozialindikatoren. Sie sind eine Form externen Wissens, welches hervorgebracht wird, um politische Entscheider im Entscheidungsprozess zu entlasten und ihre Entscheidung zu legitimieren. <br />Das zentrale Ziel dieser Studie ist, die Einflüsse des Wissensdiskurses auf die traditionell wissenschaftlichen Methoden der Sozialberichterstattung zu erforschen. <br />In einer empirischen Fallanalyse wird die Arbeit der transnationalen und -disziplinären Expertengruppe European Expert Group on Youth Indicators mittels einer Mehrfachtriangulation rekonstruiert. Sie operationalisiert die Indikatoren des European Dashboard on Youth Indcators im Diskurs zwischen Politik, Praxis und Wissenschaft (disziplinäre Interessen) sowie nationalen und internationalen Interessen, Zielen und kulturellen Identitäten.</p>Jean Philippe Decieux
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2016-05-152016-05-153719922004„To force or not to force. That is the question!“: Die Auswirkungen des Einsatzes von Forced-Response-Fragen auf die Qualität der Befragungsergebnisse
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/70
Die Methode der Onlinebefragung hat sich innerhalb des letzten Jahrzehnts als Befragungsroutine etabliert. Sie ist zumeist mit niedrigen Kosten verbunden und ermöglicht es innerhalb kürzester Zeit hohe Fallzahlen zu erzielen sowie „fundierte“ Ergebnisse zu generieren. Dies führte einerseits zu einer Demokratisierung der Umfrageforschung, denn mithilfe der Onlinebefragung ist es nahezu jedem möglich ein Befragungsprojekt durchzuführen. Andererseits resultiert daraus aber auch, dass viele Befragungen von Laien durchgeführt werden, dadurch eine schlechte Qualität aufweisen und zahlreiche Operationalisierungsfehler enthalten. <br />Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung der Forced Response Option, deren Auswirkungen innerhalb dieses Forschungsprojektes untersucht werden. <br />Theoretischer Hintergrund des Projektes <br />Als Forced-Response wird allgemein die Möglichkeit bezeichnet den Respondenten einer Umfrage zur Beantwortung einer Frage zu verpflichten. Bei den meisten Programmpaketen zur Durchführung eines Onlinesurveys ist dies auf einfachste Art und Weise zu realisieren. <br />Diese Praxis kommt zuweilen sehr häufig auch zur Anwendung, ohne dass sich die Fragesteller über eventuelle Folgen ihrer Wahl bewusst sind. In den Handbüchern der Programme wird diese Option als eine Lösung angepriesen, die den Item Non Response verringert. <br />In der Methodenliteratur gibt es jedoch zahlreiche Bedenken und Gegenstimmen für diese Vor-gehens¬weise. Diese Bedenken speisen sich aus der Über¬legung, dass der Befragte plausible Gründe haben kann, um nicht zu antworten (der Befragte versteht die Frage nicht, die entsprechende Antwortkategorie fehlt, der Befragte will die Frage aus persönlichen Gründen bewusst nicht beantworten, usw.). <br />Verpflichtet man den Befragten unter diesen Umständen eine Antwort zu geben, könnte dies möglicherweise dazu führen, dass die Befragung abgebrochen wird oder der Befragte eine willkürliche/inhaltsunabhängige Antwort gibt. <br />Zusammenfassend lassen sich damit zwei zentrale Thesen aufstellen: <br />1. Forced-Response führt zu erhöhtem Unit Non Response. <br />2. Forced-Response führt zu weniger validen Antworten (Lügen oder Zufallsantwort). <br />Allerdings gibt es bisher kaum empirische Untersuchungen, die diese Behauptungen belegen. <br />Ziel des Projektes <br />Über Split Ballot Experimente werden die genauen Folgen der Implementierung einer Forced-Response-Option empirisch abgebildet. Die Folgen sollen über die Analyse von Abbruchquoten und Antwortreaktionszeiten dargestellt werden. Die Feldphase des Online-Experiments endet Mitte Juli 2014, sodass wir dann in der Lage sind, aktuelle und bisher nicht veröffentlichte Ergebnisse auf dem Kongress zu präsentieren.Alexandra MergenerPhilipp SischkaJean Philippe Decieux
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2015-12-232015-12-233720042015Die Krise des Sinns in der Arbeit? „Sinnvolle Arbeit“ als Gegenstand soziologischer Krisendiskurse
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/169
<p>Fragen danach, was eine sinnvolle Arbeit ausmacht, waren in der Vergangenheit in der Arbeitssoziologie bereits Gegenstand kontroverser Diskussionen. Vielmehr sind es die verschiedenen Krisen der Arbeitswelt, die die Aufmerksamkeit innerhalb der Arbeitssoziologie steuern: Von der Arbeitslosigkeit über die Zunahme atypischer und prekärer Beschäftigungsformen bis hin zu veränderten Steuerungsmechanismen der Arbeitsorganisation, die mit einer Steigerung von Überforderung und Erschöpfung assoziiert sind, ist die Krisenhaftigkeit der Arbeit allgegenwärtiger Bezugspunkt. Fragen nach dem guten Leben scheinen vor dem Hintergrund von fundamentalen Problemlagen und Ungerechtigkeiten dagegen sekundär. Allerdings ist zu vermuten, dass die Diskurse Vorstellungen sinnvoller Arbeit implizit zum Bezugspunkt machen. Daher werden wir im Folgenden prüfen, inwieweit in verschiedenen soziologischen Diskursen die Sinnhaftigkeit der Arbeit thematisch wird. Fragen danach, was eine sinnvolle Arbeit ausmacht, waren in der Vergangenheit in der Arbeitssoziologie bereits Gegenstand kontroverser Diskussionen. Die Zentralität der Arbeit bzw. der Sinn der Arbeit wird besonders in der Diskussion über das Ende der Arbeitsgesellschaft verhandelt, in dem Chancen wie auch Risiken der Aufwertung außerarbeitsweltlicher Bereiche abgewogen werden. Die auch gegenwärtig wieder aktuelle Frage, welche Rolle Arbeit im Leben einnehmen soll und wie man zu einem weiteren Arbeitsverständnis gelangen kann, welches vielfältigere Perspektiven auf ein gutes Leben eröffnet, wurde damals facettenreich durchdekliniert. In der Prekarisierungsdiskussion wird mit der Normalbiographie die Frage einer sinnvollen Lebensgestaltung angesprochen, die sich zwar auch auf die Wichtigkeit von Arbeit im Leben bezieht, aber noch darüber hinaus grundlegende Themen des guten Leben anspricht. Gerade durch die der Normalbiographie inhärente Entwicklungsperspektive, die in Richtung Entfaltung und Selbstverwirklichung orientiert ist, finden sich zugleich konkret ausbuchstabierte Vorstellungen einer guten Lebensgestaltung. Die arbeitsinhaltliche Perspektive, der Sinn in der Arbeit, wird in der Debatte um die Prekarisierung der Arbeit zwar aufgegriffen, bildet allerdings keinen genuinen Aufmerksamkeitsschwerpunkt. Dagegen ist die jüngere Entfremdungsdiskussion unmittelbar auf die Erfahrung der Arbeit selbst und die Bemühungen um eine gelingende Aneignung von Arbeit ausgerichtet.</p>Mascha Christina Will-ZochollFriedericke Hardering
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2015-12-222015-12-223720162026Der lange Weg zur Soziologieprofessur. Etablierte Strukturen und biographische Brüche im französischen und deutschen Hochschulraum
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/119
Die Erforschung akademischer Karrieremuster interessiert sich neben der Bedeutung der individuellen wissenschaftlichen Leistung und soziokultureller Faktoren zunehmend für den Einfluss von institutionellen Faktoren (z.B. Reputation einer Universität). Der Beitrag greift diese Diskussion auf und untersucht die Karrierelaufbahnen französischer und deutscher Soziologieprofessoren/-innen unter Berücksichtigung national etablierter Strukturen der vertikalen Differenzierung von Universitäten. Anhand von Netzwerk- und Sequenzanalysen werden typische Karrierelaufbahnen und biographische Brüche in beiden Hochschulsystemen identifiziert. Es zeigt sich, dass die Herkunftsinstitution eines/-r Wissenschaftlers/-in in beiden Ländern eine Rolle bei der Berufung als Professor /-in spielt.Nilgun Massih Tehrani
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2015-12-232015-12-2337971979Brüchige Erwerbsverläufe in der Wissenschaft und die Rolle von Vertrauen
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/86
<p>Im Gegensatz zu Hochschulforschung und Hochschulpolitik, die wissenschaftliche Karrieren vor allem anhand von Leistungsindikatoren wie Drittmittelvolumen oder Publikationsleistungen thematisieren, richten wir in Anlehnung an neuere wissenschaftssoziologische Arbeiten den Blick auf die Akteure von Wissenschaft und ihre Praxis. Anhand empirischer Befunde aus einem Forschungsprojekt zu Erwerbsbiographien von Nachwuchswissenschaftler_innen in unterschiedlichen Fächern fragen wir nach der biographischen Bedeutung und Bewältigung von Karrierebedingungen und Karriereverläufen. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf der Rolle von Vertrauen für wissenschaftliche Karrieren, insbesondere auf der Frage, inwiefern Vertrauen dabei helfen kann, Phasen der Ungewissheit in Bezug auf Beschäftigungssicherheit und Erfolgswahrscheinlichkeit zu überbrücken.</p>Oliver BerliJulia Reuter
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2015-12-232015-12-2337980990Ökonomische Prinzipien im wissenschaftlichen Alltag
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/285
<p>Unterschiedliche Autoren haben sich in den letzten Jahren mit Positionen zu Wort gemeldet, die eine zunehmende Bedeutung ökonomischer Prinzipien im wissenschaftlichen Feld identifizieren und somit einen Bruch mit den dort etablierten Praktiken beschreiben. Indem ökonomische Prinzipien Eingang in alltägliche Praxen finden und in Konkurrenz zu wissenschaftlichen Prinzipien treten, ist es an den Akteuren diese Widersprüche immer wieder in ihrem Alltag zu vereinbaren. Mit Pierre Bourdieu stellt sich die Frage, ob die Akteure diese ökonomischen Prinzipien ungebrochen übernehmen oder in eine feldeigene Form bringen.</p><p>Gerade in den Ingenieurswissenschaften, in denen Industriekooperationen eine etablierte Praxis darstellen, müssen Forschungsgruppen Interessen von Industriepartnern, die aus deren Positionierung im ökonomischen Feld resultieren, mit ihren eigenen, auf das wissenschaftliche Feld gerichteten Interessen in Einklang bringen. Gleichzeitig bieten sich den Akteuren mit ökonomische Prinzipien Gelegenheitsstrukturen die sie strategisch nutzen. Eine solche Gelegenheitsstruktur stellen wissenschaftliche Dienstleistungen von Forschungsgruppen für Unternehmen dar.</p><p>Auf der Basis qualitativer Fallstudien im Feld der Materialwissenschaft mit je einer Forschungsgruppe der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer Gesellschaft und einer Universität wird die Rolle, die Dienstleistungen im Alltag dieser Forschungsgruppen spielen, vergleichend betrachtet. An diesem Beispiel wird die Ambivalenz dieser Praktik deutlich, die einerseits Forschungsgruppen ermöglicht wissenschaftliche Ziele zu erreichen und andererseits Brüche mit wissenschaftlichen Praktiken mit sich bringt.</p><p> </p>Anna Schleisiek
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2016-05-022016-05-02379911003Arbeitskraftunternehmertum und projektbasierter Kapitalismus im wissenschaftlichen Feld
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/36
<p style="margin: 0cm 0cm 10pt;"><span style="line-height: 115%; font-family: 'Arial','sans-serif'; font-size: 10.5pt;">Ziel des vorliegenden Beitrages ist es aufzuzeigen, dass gute Gründe vorliegen, Professor/-innen heutzutage im Sinne des „projektbasierten Kapitalismus“ (Boltanski, Chiapello 2006) als „Arbeitskraftunternehmer/-innen“ zu verstehen (Voß, Pongratz 1998). Universitäre Beschäftigungsverhältnisse – so die zentrale These – sind als prototypische Beispiele für den „Neuen Geist des Kapitalismus“ zu interpretieren, welcher sich im Kern durch eine zunehmende Ökonomisierung sämtlicher Lebensbereiche, eine signifikante Zunahme von Netzwerk- und Projektstrukturen sowie die Subjektivierung und Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen auszeichnet (Boltanski, Chiapello 2006). </span></p><p style="margin: 0cm 0cm 10pt;"><span style="line-height: 115%; font-family: 'Arial','sans-serif'; font-size: 10.5pt;">Aufgrund des begrenzten Rahmens werden in diesem Beitrag lediglich einige fragmentarische Überlegungen vorgetragen. Für ausführliche empirische Befunde muss auf einen späteren Zeitpunkt verwiesen werden. Zunächst werden die relevanten gesellschaftlichen Veränderungen skizziert. Moderne Gesellschaften und damit auch die Arbeitsverhältnisse im wissenschaftlichen Teilsystem unterliegen aus soziologischer Perspektive einem Beschleunigungsprozess, der zu einer Flexibilisierung und Ökonomisierung auch von wissenschaftlichen Beschäftigungsverhältnissen führt. Daran anschließend werden die spezifischen Regeln des wissenschaftlichen Feldes in Erinnerung gerufen und die Vorstellung von „Wissenschaft als Lebensform“ ausführlicher diskutiert. Der Beitrag schließt mit einigen grundlegenden Überlegungen zu den zentralen Befunden eines Forschungsprojektes zur Transformation des Habitus bei Professor/-innen und einer Transformation der impliziten Regeln im wissenschaftlichen Feld.</span></p>Alexander Lenger
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2015-12-202015-12-203710041015Wer tot ist, ist zu faul zum Leben – „Warm Bodies“ und die Prädestination des lebenden Körpers
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/155
Die Romantikkomödie "Warm Bodies (2012) wird unter soziologischen und literaturwissenschaftlichen Gesichtspunkten analysiert und in das Genre des Zombiefilms eingeordnet. Anhand von Max Webers Annahmen zur Prädestinationslehre als Triebfeder des Kapitalismus wird der Film in Hinblick auf seine Aussagen zum Körperkult hin interpretiert: Die Verschmelzung biologischer Körperbilder mit sozialer Identitätsbildung wird als zur Routine gewordene Krise eines zeitgenössischen Körperkultes, symbolisiert im Gegenbild des untoten Zombies, gezeigt. Die Prädestinationslehre hat sich hier von transzendentaler Gnade auf einen diesseitigen Gnadenbeweis durch den jugendlichen Körper verschoben.Michael Baumann
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2015-12-232015-12-233718451853Die Gesellschaft schlägt zurück! Ein figurationssoziologisches Simulationsmodell von Ansteckungsprozessen am Beispiel der Zombieapokalypse
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/129
Ausgehend von der Kritik an einer essentialistisch und individualistisch verkürzten Perspektive der Wissenschaft auf den Zombie, entwickeln wir ein Gegenmodell auf der Basis der Figurationssoziologie von Norbert Elias. Wir nutzen Simulationsverfahren in Kombination mit netzwerkanalytischen Verfahren, um den Verlauf einer Zombieapokalypse als einer sozialen Figuration zu modellieren. Abschließend diskutieren wir die methodologischen und empirischen Implikationen dieses Modells für die Erforschung von Epidemien und sozialen Ansteckungsprozessen.Jan Rasmus RieblingAndreas Schmitz
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2015-12-232015-12-233718541866Armutsmigranten oder Flüchtlinge? Soziologische Kritik einer folgenreichen Unterscheidung am Fall von Roma aus dem Kosovo und Serbien
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/14
In Auseinandersetzung mit der politischen und rechtlichen Verwendung der Kategorie 'Flüchtlinge' wird argumentiert, dass eigenständige soziologische Bestimmung des Flüchtlingsbegriffs erforderlich ist. Dies geschieht auf der Grundlage von Ergebnissen einer Feldforschung zur Situation von Roma in Serbien und im Kosovo. Der Beitrag zielt auf die Erarbeitung von Grundlagen einer soziologischen Flüchtlingsforschung, die sich auf die Programmatik der Critical Social Science beziegt.Albert Scherr
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2015-12-152015-12-1537544555Zwischen ‚Festung Europa‘ und ‚Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts‘: NGO-Netzwerke in der Institutionalisierung eines europäischen Flüchtlingsregimes
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/122
<p>In diesem Beitrag wird von der Annahme ausgegangen, dass ein europäisches Asyl- und Flüchtlingssystem erst am Anfang seiner gesellschaftlichen Institutionalisierung steht. In Anlehnung an neo-institutionalistische Konzepte lässt sich argumentieren, dass mit der Verabschiedung eines <em>Gemeinsamen Europäischen Asylsystems</em> (GEAS) auf der regulativen Ebene bereits eine weitgehende Homogenisierung erreicht wurde. Dem sind aber bisher keine entsprechenden Institutionalisierungen auf der normativen und kognitiven Ebene gefolgt. Ausgangspunkt der im Folgenden dann vorzustellenden empirischen Befunde ist die Annahme, dass sich ein GEAS als europäische Institution nur dann stabilisieren kann, wenn entsprechende handlungswirksame organisationale Felder entstehen, innerhalb derer sich asyl- und flüchtlingsbezogene kollektive und korporative Akteure zu legitimieren haben. Aufbauend auf Datenerhebungen in fünf EU-Mitgliedsländern, die als Mittelmeeranrainerstaaten besonders von den Asyl- und Flüchtlingsherausforderungen betroffen sind, wird am Beispiel der egozentrierten organisationalen Netzwerke flüchtlingsbezogener Organisationen in Italien und Zypern gezeigt, dass flüchtlingsbezogene organisationale Netzwerke zwischen lokaler, nationaler und europäischer Ebene tatsächlich existieren und vielfältige Akteurstypen mit variierenden Werten und Normen integrieren. Dies erlaubt abschließend einen Ausblick auf mögliche Institutionalisierungsdynamiken eines GEAS und auf weitere Forschungsdesiderata.</p><div> </div>Anna GansbergenLudger Pries
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2015-12-232015-12-2337556570Bedingungen der relativen Lohngleichheit von Frauen und Männern – Eine vergleichende Analyse von OECD-Staaten
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/242
Der Beitrag untersucht die Bedingungen der realtiven Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern in OECD Staaten. Mit einer Qualitative Comparative Analysis (QCA) werden Typen von Bedingungskonstellationen ermittelt, die hinreichend für die relative Gleichheit der Löhne von Frauen und Männern sind. Der Fokus liegt dabei auf dem Einfluss des Lohngleichheitsrechts, der Zivilgesellschaft und Frauen in Führungspositionen.Thomas Laux
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2015-12-222015-12-22371719-1732Kollektive Formationen im Internet – eine Typologie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/19
<p><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 110%;">Prosumer, Swarms, Crowds, E-Movements, E-Communities – an schnellen Benennungen neuer kollektiver Akteure und sozialer Formationen im Internet mangelt es nicht, an soziologisch informierten Einordnungen dieser Phänomene dagegen schon. </span></p><p><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 110%;">Dieser Aufsatz gibt zunächst einen typisierenden Überblick über wesentliche Sozialfiguren und kollektive Formationen im Online-Kontext. Daran anknüpfend arbeitet er verschiedene Formen kollektiven Verhaltens und kollektiven Handelns im Web heraus und diskutiert, welche Rolle technische Infrastrukturen für deren Entwicklung und Stabilisierung spielen. </span></p><p><span style="font-size: 10.5pt; line-height: 110%;">Abschließend wird erörtert, was das Neue ist, das kollektive Formationen im Internet auszeichnet: Es besteht in einer so zuvor nicht gekannten Verschränkung nach wie vor unverzichtbarer <em>sozialer</em> Konstitutions-, Koordinations- und Institutionalisierungsdynamiken mit den neuen <em>technischen</em> Infrastrukturen, die das Internet bietet.</span></p>Ulrich DolataJan-Felix Schrape
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2015-12-232015-12-2337584596Interaktionsformen zwischen Organisationen und Gemeinschaften
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/143
In meinem Beitrag möchte ich die Frage stellen, ob nicht zumindest einige der in jüngster Zeit in die Diskussion eingebrachten ‚neuen‘ Formen des Organisierens besser als Überlagerungen verschiedener Typen sozialer Ordnung behandelt werden sollten. Wenn sich in einem empirischen Phänomen mehrere sozialtheoretisch unterscheidbare Typen sozialer Ordnung überlagern, dann führt eine empirische Generalisierung auf andere Ergebnisse als die analytische Unterscheidung von Typen sozialer Ordnung und die Erklärung des Phänomens aus deren Überlagerung. Die zweite Strategie erlaubt es, existierende Theorien besser auszunutzen, trägt zur Kohärenz des Feldes bei und erleichtert die Konzeptualisierung von Paradoxa und Widersprüchen.Jochen Gläser
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2015-12-232015-12-2337597607Juvenilität als Eskapismus
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/92
<p>Die Zeitdiagnose einer Verjugendlichung der Gesellschaft wird immer wieder mit der Ahnung zivilisatorischer Risiken verbunden. Konzepte wie Jugendlichkeit oder Juvenilität legen den Verdacht nahe, dass Jungsein und Jugend zu einem normativen Leitmotiv spätmoderner Gesellschaften geworden ist. Im vorliegenden Beitrag wird dieser Zusammenhang einer Prüfung unterzogen, indem das Konzept der Juvenilität mit Eskapismus als einem Motiv generationsspezifischer Jugendkritik konfrontiert wird. Dabei zeigt sich, dass die Verjugendlichungsdebatte selbst Teil intergenerationeller Kritik und damit ein kultursoziologischer mehr denn ein jugendsoziologischer Gegenstand ist.</p>Oliver Dimbath
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2015-12-232015-12-2337379388Vergnügen, Angst und Routine: Ultraschallscreenings als Einstieg in die Zugzwänge pränataler Diagnostik
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/167
<p class="Default">Ultraschallscreenings in der Schwangerschaft sind risikoorientiert. Gefahren und Auffälligkeiten sollen so frühzeitig wie möglich erkannt werden. Ergebnisse des DFG-Projekts „Enacting Pregnancy. Ultraschallbilder in der pränatalen Diagnostik“ zeigen, dass Routine-Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerenvorsorge trotz der iatrogenen Erzeugung von Angst und Sorge sehr beliebt bei Schwangeren sind. In meinem Beitrag führe ich aus, dass diese medizinischen Untersuchungen auch unterhaltende Aspekte aufweisen, und die Untersuchungssituationen ein „vergnügliches“ Subjektivierungsangebot enthalten. Abschließend diskutiere ich, inwieweit auch diese unterhaltenden Aspekte der Ultraschalluntersuchungen dazu beitragen, dass Schwangere in die Zugzwänge pränataler Diagnostik verstrickt werden.</p><p class="Default"> </p><p class="Default"> </p><p> </p>Eva Sänger
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2015-12-232015-12-233715871597Krise der Mitmenschlichkeit - oder: Wie selbst-bewusst muss ‚Meinesgleichen‘ sein?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/279
<p>Ist der Mensch ein Mensch dadurch, dass er das „Gattungsschicksal“ teilt? Ist der Mensch ein Subjekt dadurch, dass er als Individuum sinnhaft handelt? Ist das Subjekt eine Person dadurch, dass, bzw. dann, wenn sein Handeln sinnhaft an Anderen orientiert ist? (Oder) ist die Person (und ist <em>nur</em> eine Person) ein sozialmoralisch relevanter Anderer, wenn ihr von Anderen Subjekthaftigkeit attestiert wird? – Vor solchen Fragen steht z.B., wem um einen im Wachkoma lebenden Menschen zu tun ist. Und was dabei zu Tage tritt, weist zumindest in gewisser Hinsicht – aber tatsächlich nur in gewisser Hinsicht – einige Ähnlichkeiten mit dem auf, wie das hergestellt wird, was Judith Butler als „postsouveränes Subjekt“ bezeichnet. Wesentliche Differenzen bestehen hingegen darin, dass es Butler um (die) Prozesse geht, in denen jenes Subjekt hergestellt wird, dem es explizit um sich selber und um seine Autonomie zu tun ist, während mich beschäftigt, wie ein menschliches Wesen als Subjekt bzw. als Person konstruiert wird, bei dem ausgesprochen <em>zweifelhaft</em> ist, ob es noch einen Selbstbezug bzw. ein Bewusstsein seiner selbst hat.</p>Ronald Hitzler
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2016-05-082016-05-0837112124Postheroisches Individuum – überfordertes Individuum
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/699
<p>Beobachtet man im Modus der Gegenwartsanalyse Gesellschaft auf ihre Individuen hin, fallen zwei Gegensätzlichkeiten auf: Einerseits erscheint das Individuum als Heros im klassischen Sinne. Dank Einsicht, Stärke und Reflektionsfähigkeit ist das Individuum in der modernen Gesellschaft verantwortlich für alle zentralen gesellschaftlichen Bereiche. Andererseits scheint das Individuum im Zeitalter des Postheroischen angekommen zu sein. Die Welt des kraftvoll-strahlend eigenverantwortlichen Individuums, das zu wissen wagt und so die Geschicke in die eigene Hand nimmt, wird überformt von „individuellen“ Kollateralschäden wie burnout und lebensstilbedingten Erkrankungen. Hinzu kommt eine Überwältigung durch krisenhafte Entwicklungen, die von naturwissenschaftlichem Fortschritt ebenso ausgehen wie von wirtschaftlicher Eigendynamik. Zeitdiagnosen etwa eines „erschöpften Selbst“ (Ehrenberg 2004), eines „unternehmerischen Selbst“ (Bröckling 2007) oder einer „Neuerfindung des Sozialen“ (Lessenich 2008) bringen diese Entwicklung zum Ausdruck. Der Mensch, der Heros der Aufklärung, scheint zum Tragikos geworden zu sein, der kaum umhin kann, die Geschichte des an den Umständen zugrunde gehenden, heldenhaften Tuns zu schreiben.</p><p class="2Absatz">Gegenstand dieses Beitrags ist die These, dass sich die moderne Gesellschaft durch eine selbst geschaffene Komplexität an die Grenzen der Funktionsfähigkeit der Weltauslegungen gebracht hat, mit welchen sie die Welt als reduzierbare Komplexität schematisiert. Bereits die funktional differenzierte Gesellschaft ist auf die Fiktion des eigenverantwortlichen Individuums angewiesen. Denn genau diesen Mechanismus der Komplexitätsreduktion – Zurechnung von Ereignissen als individuell zu verantwortende kausale Folgen menschlichen Handelns – nimmt Gesellschaft zentral in Anspruch, um eine gerade aus der funktionalen Differenzierung und damit dem eigenständigen Operieren vor allem von Wissenschaft und Wirtschaft resultierende Komplexitätssteigerung zu bearbeiten. </p>Anna Henkel
Copyright (c) 2015 Routinen der Krise - Krise der Routinen - 37. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie
2017-03-012017-03-0137125134Männlichkeit in post-souveränen Zeiten. Vulnerabilität und erwerbsbiographische Krisen im Milieuvergleich
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/187
<p>Der folgende Beitrag konzentriert sich, basierend auf den Ergebnissen eines qualitativ-empirischen, von der DFG geförderten, Forschungsprojektes, auf die Ausdeutung und Bewältigung von Erwerbskrisen bei Männern aus unterschiedlichen Milieus und deren Auswirkung auf Geschlechterverhältnisse in Paarbeziehungen. Im Fokus des Forschungsprojekts stehen Paare, die infolge von Erwerbslosigkeit oder prekärer Beschäftigung des Mannes, in einer Familienernährerin-Konstellation leben, in der die Partnerin das Familieneinkommen verdient.Im ersten Schritt geht es um den Zusammenhang von Männlichkeit, Souveränität und Erwerb. Im zweiten Schritt werden milieutypische Bewältigungsformen im Kontext von Familie und Paarbeziehung dargestellt. Der dritte Abschnitt befasst sich anhand von Fallbeispielen mit drei Formen der Selbstbehauptung in der Krise: Rückzug, Auflehnung und Re-Souveränisierung.</p><div><br clear="all" /><hr align="left" size="1" width="33%" /><div>[1] Das Projekt wird unter dem Titel „Prekäre Verhältnisse. Erwerbsunsicherheiten und der Wandel von Geschlechterarrangements in Paarbeziehungen im Milieuvergleich“ unter der Leitung von Cornelia Koppetsch von der DFG gefördert und von Sarah Speck und Alice Jockel bearbeitet – Laufzeit Juni 2012 - Juni 2014. Das daraus hervorgegangene Buch erscheint im Oktober (Koppetsch, Speck 2015).</div><div><p> </p></div></div>Cornelia Koppetsch
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2015-12-202015-12-2037135149Ökonomisierung der Grenze – Grenztourismus als Strategie gegen die Krise am Beispiel der polnisch-ukrainischen Grenze
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/135
<p>Grenzregionen sind durch Ihre periphere Lage wirtschaftlich benachteiligt. Ein Weg aus der Marginalisierung ist die Grenze. Sie kann für die Region als wirtschaftliche Ressource dienen, an der sich eine wirtschaftliche Entwicklung anlehnen kann. Die Strategien für die Ökonomisierung der Grenze können Schmuggel, Grenzhandel aber auch Grenztourismus sein. Gerade an der EU Außengrenze, einem doppelt marginalisierten Raum, kann die Grenze als touristische Ressource genutzt werden. <br />Im Vortrag werden verschiedene Ansätze für Grenztourismus an der polnisch-ukrainischen Grenze vorgestellt. Es werden Fragen behandelt, wie zum Beispiel: Welche Akteure engagieren sich auf lokaler Ebene? Wir wird die Grenze genutzt in den lokalen Konzepten für Tourismus? Gibt es grenzüberschreitende Konzepte oder wird das Trennende für die Entwicklung des Tourismus genutzt?</p>Martin Barthel
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2015-12-232015-12-233717341744Armutsstrategien und soziale Ungleichheit in der polnischen Gesellschaft
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/58
Die neoliberale Ideologie einer Anpassung gesellschaftlicher Bedingungen wird in Polen durch historische Erfahrungen konterkariert. Gesellschaftlich kommt es zu zwei gegenläufigen Entwicklungen: auf der einen Seite wird eine individualisierte Verantwortung forciert und auf der anderen Seite besteht die Forderung nach ökonomischen Ausgleich. Am Beispiel des gesellschaftlichen Umgangs mit der informellen Ökonomie lässt sich diese Entwicklung aufzeigen. Informelle Tätigkeiten werden nicht unter dem Aspekt von Legalität und Illegalität thematisiert, sondern als individueller Weg der Existenzsicherung toleriert. Als Langzeitfolge der Systemtransformation durchzieht eine tiefe ökonomische Spaltung zwischen städtischen und ländlichen Regionen das Land. Eine mangelhafte soziale Sicherung führt zum Rückzug in die Subsistenzproduktion sowie in die informelle Ökonomie oder zur Arbeitsmigration.Mathias Wagner
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2015-12-232015-12-233717451750The Emergence of Resilience in Disaster Research
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/172
<p>The contribution describes the emergence and development of the resilience concept within socio-scientific disaster research. In addition to psychological approaches references are usually made to the ecosystem research of Holling (1973) and succeeding approaches for coupled Social-Ecological Systems (SES). But for disaster research rather the concept of vulnerability is a substantial precursor. Vulnerability research tries to take the naturalness out of so-called natural disasters.<em> </em>It <em>dates</em> back to the 1970ies and has its roots in poverty and famine research as well as<strong> </strong><em>Human Ecology</em> (Sen 1982; Chambers/Conway 1991). In the perspective of vulnerability disasters originate from the interaction of natural or societal stressors with local unsafe conditions that are shaped by temporally and spatially distant social processes. Resilience entered the vulnerability paradigm as the capacity of social systems to cope with such perturbations. In the sequel the resilience concept became a distinct concept within disaster research focusing on everyday activities and the factors that prevent disasters or enable to cope with them. From the perspective of social resilience a variety of social practices prior, during and after disasters form adaption to prevent future disasters, situational coping strategies to processes of reconstruction, but also social and cultural interpretative patterns that make collective stress bearable come to the fore. Originating from the vulnerability concept the local potential to influence broader societal processes leading to disasters is addressed within the concept of social resilience.<strong></strong></p>Daniel F. Lorenz
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2016-05-072016-05-073711591170Krisenmanagement unter dem Primat der Verrechtlichung? Das Bundesverfassungsgericht und die „Eurokrise“
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/183
Die seit den 1970er Jahren konstatierten Prozesse der „Verrechtlichung“ und „Justizialisierung“ politischer Entscheidungen machen vor Krisen nicht halt. Lange Zeit galt zwar, dass, wenn die „Republik in Not“ sei, die „Stunde der Exekutive“ schlage, doch hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entsprechenden Entwicklungen schon mit seiner Entscheidung über Auslandseinsätze der Bundeswehr einen Riegel vorzuschieben versucht. Ähnliche Entwicklungen sind nun auch in der Karlsruher Rechtsprechung zum üblicherweise als „Eurokrise“ titulierten Geflecht von Finanz-, Staatsschulden- und Wirtschaftsproblemen zu beobachten.Uwe Kranenpohl
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2015-12-232015-12-233716951704Promotion und Exzellenz. Stratifikation durch Auswahl im Feld der Doktorandenausbildung
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/144
<p>In den letzten Jahren wurden an den deutschen Universitäten nahezu flächendeckend Promotionsprogramme etabliert. Eine Variante solcher Programme sind die Graduiertenschulen der Exzellenzinitiative. Mit ihnen werden Rangunterscheidungen in einem neu entstehenden Feld der Doktorandenausbildung eingeführt. Ausgangspunkt des Beitrags ist somit nicht ein bereits stratifiziertes Feld, sondern ein sich hin zu einer verstärkten Stratifizierung wandelndes. In diesem wirken die Graduiertenschulen der Exzellenzinitiative als Promotoren, die stratifizierende Unterscheidungen in das Feld einführen und dadurch Reaktionen im Feld hervorrufen.</p><p>Eine solche stratifizierende Unterscheidung ist die Auswahl der Doktoranden. Die exzellenten Graduiertenschulen positionieren sich als exklusiv, indem sie den Zugang beschränken. Sie legitimieren diese Beschränkung damit, dass sie nur die Besten auszuwählen. Zu diesem Zweck installieren sie aufwändige Auswahlverfahren. Wer aber sind die Besten? Wie werden sie erkannt? Wer wählt sie aus?</p><p>Der Beitrag rekonstruiert auf der Grundlage von organisationsbezogenen Fallstudien an zwei Graduiertenschulen der Exzellenzinitiative, wie die Auswahl organisiert wird. Hierfür wird einer einer Reihe von unterschiedlichen Akteuren, darunter Bewerbungsunterlagen, Flyer bzw. homepages, ‚Schnupperstipendien‘, Excel-Tabellen, Mitglieder der Auswahlkommission sowie potentielle und tatsächliche Bewerber, durch das Auswahlverfahren gefolgt. Im Zentrum steht die Frage, wie diese Akteure so zusammengebracht und miteinander in Beziehung gesetzt werden, dass sie eine Auswahl der Besten erzeugen.</p>Roland Bloch
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2015-12-232015-12-233713141324Gesellschaftskritik und die Krise der kritischen Theorie
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/139
<p>Der Aufsatz nimmt angesichts eines wachsenden Interesses an Gesellschaftskritik erneut die Frage nach normativen Grundlagen auf und untersucht neuere Versuche, über eine interne – an den Selbstdeutungen der Gesellschaftsmitglieder ansetzende – Kritik hinauszugelangen. Drei Probleme eines solchen Projekts werden herausgearbeitet. Erstens wird die Annahme zurückgewiesen, dass diese Kritik einen besonderen methodologischen Zugang erfordert. Selbstverständnisse lassen sich immer nur konditional kritisieren. Zweitens können vollzogene Transformationen von Selbstverständnissen ex post als Fortschritte erfahren werden – für eine Kritik an noch nicht veränderten Selbstverständnissen ergibt sich daraus aber eine bleibende Ungewissheit, welche sich zudem in dem Maße steigert, in dem die Gesellschaft im Ganzen einer solchen Kritik ausgesetzt wird. Drittens stellt sich ohne die Begründung eines normativen Maßstabs ein – unter den Bedingungen des Pluralismus wohl unausweichliches – Verallgemeinerungsproblem: Wenn sich einheitliche und widerspruchsfreie Interessen und Kriterien der Kritik in den vorgefundenen normativen Praktiken nicht ausmachen lassen, dann kann zwischen konkurrierenden Interessen und Wertorientierungen nicht begründet entschieden werden.</p>Jens Greve
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2015-12-232015-12-2337798808Verschärfung geschlechtlicher Ungleichheiten? Auswirkungen der sozialen Krisen in der EU
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/168
<p>Die geschlechterkritische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Phasen der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise seit 2008 hat gezeigt, dass diese in mehrfacher Hinsicht mit problematischen Folgen verbunden war bzw. ist: Auf der politischen Ebene wurde einmal mehr die Dominanz des produzierenden Sektors bestätigt, da die meisten Länder auf die realen und befürchteten Einbrüche in diesem Wirtschaftsbereich sofort mit Konjunkturpaketen und gesetzliche Regelungen reagierten, während lang anhaltende Krisenerscheinungen im Dienstleistungsbereich, insbesondere in den sozialen Dienstleistungen nur wenig politische Aufmerksamkeit erhielten und noch immer erhalten (1. Krisenwelle). Dies macht sich auch daran bemerkbar, dass die nachfolgenden Konsolidierungsmaßnahmen zur Entlastung der öffentlichen Haushalte vorrangig auf Einsparungen bei den Sozialleistungen, Rentenzahlungen und im öffentlichen Sektor zielten (2. Krisenwelle). Auf dem Arbeitsmarkt hat das – z.B. in Griechenland oder Spanien – nicht nur zu einem Anstieg von Arbeitslosigkeit, sondern auch von unfreiwilliger Teilzeitbeschäftigung geführt. Die Prekarisierung auf dem Arbeitsmarkt wird verstärkt durch Leistungskürzungen im Falle von Arbeitslosigkeit, sowie Einschnitten bei familienpolitischen Leistungen wie Mutterschutz- oder Elterngeldzahlungen. Diese Entwicklungen haben in Europa – wie auch der EU-Sozialbericht 2013 zeigt – zu einer doppelten sozialen Krise geführt. Nicht nur findet eine Verschärfung der sozialen Lage in vielen europäischen Ländern statt, sondern wird auch die Kluft zwischen den einzelnen EU-Staaten größer – Staaten mit hoher Wirtschaftskraft und relativ niedrigen Arbeitslosenzahlen stehen solche mit schwacher Konjunktur und hohen Erwerbslosenzahlen gegenüber. Die sozialen Krisen in den einzelnen Mitgliedstaaten haben darüber hinaus bereits deutliche geschlechterpolitische Implikationen: Frauen haben nicht nur im EU-Schnitt niedrigere Einkommen, eine höhere Armutsgefährdung und mittlerweile auch (wieder) ein erhöhtes Risiko, arbeitslos zu werden, sondern es sind Anzeichen festzustellen, dass sich ihre soziale und ökonomische Lage weiter verschlechtert: So führt der Stellenabbau im öffentlichen Bereich (z.B. Kinderbetreuungseinrichtungen, Beratungseinrichtungen) dazu, dass nicht nur die Erwerbsmöglichkeiten von Frauen sondern auch die Aussichten für eine gleichberechtigte Arbeitsmarktteilhabe von Müttern eingeschränkt werden. Die Einschnitte bei den Versorgungsleistungen (z.B. Renten-, Arbeitslosenversicherung oder Gesundheitsleistungen) führen zu einer (Re-)Familiarisierung sozialer und gesundheitlicher Risiken sowie zu einer Verlagerung ehemals staatlicher Aufgaben in den privaten Bereich, wo sie häufig von Frauen unentgeltlich übernommen werden. Schließlich findet auf der politischen Ebene teilweise eine Abkehr von gleichstellungspolitischen Zielen statt, indem – z.B. in Spanien – Gleichstellungsinstitutionen abgebaut werden. Vor diesem Hintergrund setzt sich der Beitrag mit den sozialen Folgen der ökonomischen Krise auseinander und fragt, inwieweit diese zu einer Verschärfung geschlechtlicher Ungleichheiten führen. Es wird auf der Basis empirischer Befunde des Sachverständigennetzwerk ENEGE (European Network of Experts on Gender Equality) analysiert, ob sich im Rahmen der Konsolidierungspolitiken übergreifende Muster zwischen einzelnen EU-Staaten zeigen lassen.</p>Alexandra Susanne Scheele
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2015-12-232015-12-2337356367Die Verteilung von Care und Karriere bei Vätern: Reproduktionsarbeit als Ungleichheitsdimension zwischen Männern?
https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2014/article/view/282
<p>Die Verknüpfung der Ungleichheitsdimensionen Geschlecht und Care-Verpflichtungen bedeutet für Frauen in Organisationen eine doppelte Benachteiligung. In dem Maße, wie es auch von Vätern als erstrebenswert angesehen wird, Lebensziele im Bereich von Karriere <em>und</em> Familie verwirklichen zu können, beginnen auch Care-Verpflichtungen als Ungleichheitsdimension für Männer Wirkung zu zeigen.</p><p>Der Beitrag analysiert, wie Care-Verpflichtungen zu potentiellen Karrierehindernissen und zu einer Benachteiligungsdimension für Väter werden (können), welche Mechanismen der Fremd- und Selbstselektion hier wirksam werden, welche Wahrnehmungs- und Bewertungsschemata innerhalb und außerhalb von Organisationen dem zugrunde liegen und wie diese Prozesse mit Geschlechterungleichheiten und ‑konstruktionen im sozialen Raum verknüpft sind. Er stützt sich auf Daten und Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Arbeitsorganisationen und väterliche Lebensführung“ (SFB 882). Die Ergebnisse zeigen, wie Väter mit (impliziten) Verfügbarkeitserwartungen ihrer Arbeitsorganisation konfrontiert sind, die sie – ähnlich wie Mütter – antizipieren. Die regelmäßige und sichtbare Benachteiligung von Frauen mit Care-Verpflichtungen im Unternehmensalltag wird von ihnen als mögliche Konsequenz einer eigenen aktiven Familienorientierung wahrgenommen. Väter können (noch) nicht auf etablierte Wege der Verknüpfung von Karriere und Familie zurückgreifen und sind daher unsicher im Hinblick auf die Folgen ihrer Entscheidung – zumal sie auf Grund ihres stärker ausgeprägten Selbstbilds als Familienernährer für drohende Karrierenachteile verwundbarer sind. Die Bandbreite der väterlichen Reaktionen auf wahr genommene Verfügbarkeitswartungen reicht von der Zurücknahme ihrer Karriereorientierung zugunsten ihrer Care-Orientierung bis hin zur „Delegation“ der familiären Sorge an die Partnerin, um sich für eine Karriere „freistellen“ zu lassen. Die „Sphäre“ Familie kontaminiert somit auch „männliche“ Karrieren: Familienorientierung als aktive Beteiligung an Care schließt auch Väter potentiell aus der Sphäre hegemonialer Männlichkeit (Connell) aus. Dabei entstehen graduelle Differenzen zwischen den Vätern entlang der Dimension Care. Die Wirkungen dieser selektiven Prozesse verstärken sich mit steigender Hierarchiestufe.</p><p>Obgleich sie nicht zwingend an ein Geschlecht gebunden sind, tragen symbolische Grenzziehungen entlang der Care-Dimension zu einer Vertiefung von Geschlechterungleichheit in Organisationen bei, da sie die Zuschreibung von Familien- und Karriereorientierung entlang traditioneller Arbeitsteilung in den karriererelevanten (und daher sichtbaren) Positionen fortführen. Familienfreundliche Personalpolitik agiert keineswegs geschlechtsneutral, sondern sie kann alte Ungleichheiten zwischen Vätern und Müttern reproduzieren, solange sie nicht in gleicher Weise auch Väter adressiert. Gleichzeitig bringt sie neue Ungleichheiten zwischen Vätern mit Care-Orientierung und Vätern mit Karriereorientierung hervor.</p>Annette von AlemannSandra Beaufaÿs
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2016-04-242016-04-2437368377