https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/issue/feed Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 2021-11-05T07:54:06+00:00 Dr. Katherine Bird und Wolfgang Hübner GbR kongressband@soziologie.de Open Journal Systems <p>Der 40. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 mit dem Titel "Gesellschaft unter Spannung" fand vom 14.-24. September 2020&nbsp;aufgrund der Pandemie in digitaler Form&nbsp;statt. An dieser Stelle finden Sie alle von den Vortragenden eingereichten Beiträge.</p> <p>Zitiervorschlag:<br>Birgit Blättel-Mink (Hg.) 2021: Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020&nbsp;</p> https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1343 Von „Frauen“, „Menschen mit Behinderungen“ und „Indigenen“ 2021-09-30T14:32:15+00:00 Hannah Bennani hannah.bennani@uni-tuebingen.de <p>Ob „Women and girls”, „persons with disabilities“ oder „people of African descent” – die Kampagnen, Erklärungen und Programme internationaler Organisationen rücken unterschiedliche Personenkategorien ins Zentrum politischer Aufmerksamkeit und reproduzieren eine globale Beobachtungsordnung, die die Welt primär als personal differenziert begreift. "Globale Personenkategorien"&nbsp;– so die Kernannahme des Beitrages&nbsp;– sind dabei nicht reine Abbildungen sozialer Wirklichkeit, sondern kontingente Konstruktionen, die auf der Unterscheidung von Ähnlichem und Unähnlichem beruhen. Vor diesem Hintergrund identifiziert der Beitrag einige Charakteristika globaler Kategorienbildung. Er geht insbesondere auf die Besonderheiten der Etablierung globaler kategorialer Räume ein, die nationale, regionale und kulturelle Partikularitäten überlagern, und fragt nach dem konfliktreichen Verhältnis zwischen der Herstellung kategorialer Einheit und der Beobachtung von Differenz. &nbsp;</p> 2021-08-17T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1345 Das Imaginäre der Praxis 2021-09-30T14:32:21+00:00 Thomas Alkemeyer thomas.alkemeyer@uni-oldenburg.de Nikolaus Buschmann nikolaus.buschmann@uni-oldenburg.de Steffen Hamborg steffen.hamborg@uni-oldenburg.de Jedrzej Adam Sulmowski jedrzej.adam.sulmowski@uni-oldenburg.de <p>Der Beitrag beschäftigt sich theoretisch und empirisch mit der Funktion des Imaginären einer ‚besseren‘, nachhaltigen Zukunft für das Selbstverständnis ‚transformativer Gemeinschaften‘ als emanzipatorische Kollektivsubjekte. Indem sich bspw. Ökodörfer als Experimentierräume für die Entwicklung nachhaltiger Lebensweisen und damit als Alternative zur Industrie- und Konsumgesellschaft ‚draußen‘ entwerfen, ist das Imaginäre einer besseren Zukunft kein bloßes Versprechen. Vielmehr wird es bereits im Hier und Jetzt des gemeinsamen Wirtschaftens und Lebens praktiziert: Es steckt als „Bedeutung im Vollzug“ nicht nur in soziomateriellen Arrangements und öffentlichen Tätigkeiten, sondern selbst noch in intimen Besorgungen wie der Verrichtung der Notdurft auf einer ressourcensparenden Trocken-Trenn-Toilette. Jeder Toilettengang wird – als pars pro toto und pars totalis – zu einem performativen politischen Akt, der ein kollektivierendes Imaginäres aufruft, das sich zwischen Bedrohungsszenario („Umweltzerstörung“) und Zukunftsvision („Leben im Einklang mit der Natur“) aufspannt. In derartigen Praktiken artikuliert sich sowohl eine Kritik an der Lebensweise ‚draußen‘ als auch ein Vorschlag zu ihrer Überwindung.</p> <p>Wir beschreiben das Imaginäre transformativer Gemeinschaften anhand dreier miteinander verschränkter Dimensionen: Erstens bedarf es eines gemeinsam anerkannten Bezugsproblems, das in den Diskursen und Praktiken des Zusammenlebens fortlaufend als existentiell markiert, erlebbar gemacht und damit affektiv aufgeladen wird. Zweitens wird in der aktuellen Praxis eine Zukunft antizipiert, in der dieses Bezugsproblem ‚gelöst‘ ist. Drittens müssen die Kontingenz und der Konstruktionscharakter dieses historisch bestimmten gesellschaftlichen Imaginären operativ ausgeblendet werden, damit das Selbstverständnis und die Handlungsfähigkeit als Kollektivsubjekt dauerhaft erhalten bleiben.</p> <p>Der Beitrag leistet somit erstens einen Beitrag zu einer Theorie der Subjektivierung von Kollektiven; und er trägt zweitens zur Theorie des Imaginären und zur Praxistheorie bei, indem er die wechselseitig konstitutive Verschränkung von Imaginärem und Realem ins Zentrum rückt.</p> 2021-09-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1378 Im Spannungsfeld von Struktur und Bedeutung 2021-09-30T14:32:17+00:00 Sven Banisch sven.banisch@universecity.de <p class="p1">Symptome gesellschaftlicher Spannungen wie Polarisierung, Radikalisierung und gruppenbezogene Feindseligkeit sind sowohl mit Blick auf den Inhalt der Auseinandersetzung zu betrachten, als auch mit Blick auf ihre sozial-strukturelle Ausprägung.&nbsp;Entwicklungen im Bereich der automatisierten Sprachverarbeitung (NLP) sowie der Computational Social Science (CSS) haben ein reiches Arsenal an algorithmischen Methoden zur Inhalts- und Netzwerkanalyse hervorgebracht, und dieser Vortrag ist der Versuch, einen theoretischen Rahmen zu entwickeln, in welchem sich das, was von den verschiedenen Methoden sichtbar gemacht wird, einordnen lässt.&nbsp;Sozio-kognitive Systeme, wie hier konzipiert, legen an, dass Akteure mit einer kognitiven Prägung in kommunikativen Kontexten zusammentreffen und sich durch Verhalten im Rahmen der medialen Gegebenheiten aufeinander beziehen. Es wird ein Beispiel erarbeitet, welches Bezug auf aktuelle Entwicklungen in der DGS sowie auf das Thema&nbsp;„Gesellschaft unter Spannung“ nimmt.</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1348 Übersetzungsansätze und Grenzen sozialwissenschaftlicher Theorien für die agentenbasierte Simulationen sozialer Netzwerke 2021-09-30T14:32:22+00:00 Alexander Brand brand@uni-hildesheim.de <p>Simulationen stellen schon lange eine Erweiterung des sozialwissenschaftlichen Methodenrepertoires dar. Insbesondere im Bereich der Netzwerkanalyse stellt sich dabei die Frage, welches Vorgehen angemessen ist, um theoriegeleitet soziale Interaktionsprozesse zu übersetzen, bei der die Einbettung der Akteure mitgedacht werden muss (Stocker et al., 2001). Hier findet sich eine große Anzahl an Ansätzen, welche allerdings häufig unflexibel in der Modellierung sind und sich strukturell stärker an Epidemiologie (Ferguson, 2007) oder Informatik orientieren (Hummon, Fararo, 1995). Hier bietet die Methode der Agentenbasierten Modellierung eine große Flexibilität der Operationalisierung, da unterschiedliche persönliche Foci und gruppenspezifisches Verhalten expliziert werden können (Schweitzer et al., 2020). Wie eine derartige Übersetzung theoretischer Konzepte in ein agentenbasiertes Modell allgemein geleistet werden kann, soll dabei im Rahmen des Beitrags anhand der Habitus-Feld-Theorie von Bourdieu (1998) betrachtet werden. Hierbei soll insbesondere auf die formale Fassung von Feld, Kapital und Doxa eingegangen werden und anhand einer Fallstudie für institutionelle Kooperationen im Bereich des PISA-OECD Komplexes betrachtet werden. Es zeigen sich dabei die Vorteile einer expliziten Fassung der Rollen der einzelnen Agenten um das Zusammenspiel genauer verstehen zu können und differenzierte mögliche positive Entwicklungsverläufe für Agenten des ökonomischen und negative für die Agenten des akademischen Feldes aufzuzeigen.</p> 2021-09-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1427 Netzwerke des Teilens in Quartieren unter Spannung 2021-09-30T14:32:24+00:00 Floris Simon Bernhardt floris.bernhardt@uni-kassel.de Helena Cermeño Hcermeno@asl.uni-kassel.de Carsten Keller carsten.keller@uni-kassel.de Florian Koch Florian.Koch@htw-berlin.de <p>Netzwerke des Teilens haben das Potenzial zur Verringerung von Raumkonkurrenzen in angespannten Wohnungsmärkten beizutragen und alternative Formen des Umgangs mit Flächen aufzuzeigen. Anhand Schatzkis Praxistheorie und qualitativer Daten aus ausgewählten innerstädtischen Nachbarschaften in Berlin, Kassel und Stuttgart wird untersucht, welche Formen von Netzwerken des Teilens sich in diesen Vierteln vorfinden lassen. Basierend auf Inhalten und typologischen Analysen wurden die Motivation der Akteure zum Teilen sowie das Eigentum und die Organisation von Nutzungsrechten an den geteilten Gütern als Hauptklassifizierungskriterien identifiziert. Infolgedessen werden in dem Artikel Netzwerke des Teilens in drei Typen eingeteilt: „<em>Institutionelle Bereitstellung von Infrastrukturen des Teilens</em>“, „<em>Projekte der Transformation</em>“ und „<em>Informelle Netzwerke des Teilens und Tauschens“</em>. Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass zur Nutzung der Potenziale des Teilens es insbesondere einer verstärkten Bereitstellung von Infrastrukturen des Teilens durch öffentliche und private institutionelle Akteure bedarf.</p> 2021-09-27T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1413 Bildungspläne, sozial-emotionale Entwicklung und soziale Ungleichheit in früher Kindheit 2021-09-30T14:32:18+00:00 Sylvia Nienhaus sylvia.nienhaus@uni-osnabrueck.de <p>In diesem Beitrag&nbsp;stelle ich erste Ergebnisse aus meinem laufenden Postdoc-Projekt vor, welches im Rahmen des Graduiertenkollegs <em>Emergenz und Anbahnung bereichsspezifischen Lernens in frühkindlichen Bildungsprozessen</em> am Center for Early Childhood Development and Education Research (CEDER) der Universität Osnabrück gefördert wird.</p> <p>In diesem Projekt untersuche ich Zusammenhänge zwischen Bildungsplänen, sozial-emotionaler Entwicklung und sozialer Ungleichheit in früher Kindheit entlang von akteurInnenspezifischen Orientierungen. Orientiert am Modell qualitativer Mehrebenenanalyse (Hummrich, Kramer 2018) schaue&nbsp;ich mir entsprechende Verknüpfungen über unterschiedliche hierarchische Sozialebenen hinweg an. Zunächst mit dem Fokus auf eine regionale Ebene habe ich 2020 und ergänzend 2021 Interviews mit TrägervertreterInnen&nbsp;(ausgewählt nach Funktion und örtlicher Zuständigkeit) geführt. Exemplarisch stelle ich hier Orientierungen zweier Fachberaterinnen entlang von Interviewausschnitten dar, die ich entlang von Spannungsfeldern hinsichtlich der Bedeutung des niedersächsischen <em>Orientierungsplans für Bildung und Erziehung</em> einerseits und der Förderung sozial-emotionaler Entwicklung in der Praxis frühkindlicher Bildung und Erziehung anderseits analysiere.&nbsp;</p> 2021-09-13T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1453 Interessenvertretung in der Pflege – zu komplex um Arbeitsbedingungen mitzugestalten? 2021-09-30T14:32:15+00:00 Nora Lämmel nora.laemmel@hs-esslingen.de Isabelle Riedlinger isabelle.riedlinger@hs-esslingen.de Karin Reiber karin.reiber@hs-esslingen.de <p>Der eklatante Fachkräftebedarf bei gleichzeitiger Zunahme der Pflegebedürftigen führen zu zunehmend belastenden Arbeitsbedingungen in der Pflege. Aufgrund des akuten Personalmangels ergeben sich zugleich gute Ausgangbedingungen für die Pflegenden zur Aushandlung besser Arbeitsbedingungen. Dennoch ist es erstaunlich, dass Pflegekräfte selbst nicht viel häufiger für ihre originären Interessen eintreten. Anhand empirischer Daten des Verbundprojekts ZAFH care4care beleuchten wir das Thema Interessenvertretung am Beispiel Arbeitszeitgestaltung und damit einhergehende Spannungsverhältnisse sowie Handlungsmöglichkeiten zur Stärkung der Interessenvertretung der Pflegenden auf unterschiedlichen betrieblichen Ebenen.</p> 2021-08-12T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1308 Die Jugend und die Arbeit 2021-09-30T14:32:12+00:00 Andreas Fischer andreas.fischer@fau.de <p>Das subjektive Verhältnis Jugendlicher zur Erwerbsarbeit steht im Mittelpunkt zahlreicher Generationendebatten, Thesen zur Adoleszenz und Erzählungen zur „Jugend von heute“. Der Beitrag widmet sich dieser Thesenvielfalt erstens aus einer historischen Perspektive und zweitens aus einer gegenwartsbezogenen analytischen Perspektive.&nbsp;Während in den 1970er- bis 1990er-Jahren zumeist ein Anspruch auf Selbstverwirklichung und entsprechende Orientierungsmuster im Mittelpunkt der Debatten standen, jedoch unterschiedliche Bewertungen fanden, drehen sich jüngere Jugenddiagnosen um unterschiedliche, vielfältige und bisweilen widersprüchliche Perspektiven und Bezüge Jugendlicher auf die Erwerbsarbeit. Die These des vorliegenden Beitrags lautet, dass diese Vielfältigkeit aus vielschichtigen Arbeitsorientierungen rührt, die wiederum aus widersprüchlichen Sozialisationsbedingungen resultieren. Anschließend an entwicklungspsychologische Adoleszenztheorien und (jugend)soziologische Debatten zu postfordistischer Sozialisation wird diese Verschränkung von widersprüchlicher Adoleszenz und subjektivem Verhältnis zur Erwerbsarbeit empirisch nachgezeichnet.</p> 2023-02-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1428 „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ 2021-09-30T14:32:20+00:00 Nico Maximilian Steinmann nico.steinmann@tu-dortmund.de <p>Der vorliegende Beitrag rekonstruiert und typisiert anhand von qualitativen Interview- und Beobachtungsdaten Motive und Relevanzsysteme der Teilnehmenden der Fridays for Future-Proteste. Aus einer handlungstheoretischen Perspektive heraus lässt sich dabei ein zentrales Spannungsfeld zwischen Umweltveränderungen und wissenschaftlichen Erkenntnissen auf der einen Seite, sowie dem tatsächlichen Klimahandeln auf der anderen Seite, nachzeichnen. Im Zuge der Darstellungen werden Perspektiven auf die Klimakrise sowie mögliche Lösungsansätze und dabei zu berücksichtigende Leitlinien thematisiert, die durch die Teilnehmenden gesetzt werden. Als eines der wesentlichen Kriterien erweist sich hierbei das Konzept der Klimagerechtigkeit (‚Climate Justice‘), welches eng mit der Frage der Schuld an den, als existenziell bedrohlich wahrgenommenen, Klimaveränderungen verknüpft ist.</p> 2021-08-31T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1403 Jugendkulturen in der digitalisierten Moderne: Neue Visualitäten? 2021-09-30T14:32:23+00:00 Lea Puchert l.puchert@eufh.de <p>Im gegenwärtigen Zeitalter der „digitalisierten Moderne“ (Baecker 2018) sind das Alltagshandeln, die Alltagsräume und die Sozialisationskontexte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend von digitalen Medien durchdrungen (vgl. Kutscher 2013, S.&nbsp;1). Die digitalisierten Alltags-, Bildungs- und Freizeitwelten für Jugendliche sind somit einerseits zu zentralen Sozialisationsinstanzen, andererseits aber auch zu bedeutsamen Erfahrungskontexten für die Herausbildung sozialer Identitätskonstruktionen und jugendkultureller Vergemeinschaftungsformen avanciert. Auch in der öffentlichen und medialen Debatte kommt digitalisierten Alltagskulturen von Heranwachsenden eine zunehmend stärkere Sichtbarkeit und Aufmerksamkeit zu. Deutlicher denn je zeigt sich dies etwa in der aktuellen Corona-Krisenzeit. Der so durch digitale Medien eröffnete neuartige soziale Raum jugendlicher Alltagskultur erschütterte nicht nur die typische jugendbezogene Freizeit- und Kulturindustrie in ihren Grundfesten und besiegelte teilweise das Ende einer ganzen Ära an bis dahin dominierenden Jugendindustrien, sondern er durchdringt und überformt auch insbesondere die sozialen Strukturen und kulturellen Ausdrucksformen von Jugendlichen. Vor allem mit den neuen digital generierten Jugendszenen (die computer/-spielebezogenen Szenen mit ihren spezifischen Subgruppen; die Visual Kei-Szene; die C-Walk-Szene; die Nerds) zeichnet sich noch deutlicher ein Strukturwandel der Öffentlichkeit – mithin eine Verlagerung vom öffentlichen-urbanen Raum hin zum virtuellen Cyberspace – und, so die jugendtheoretische These dieses Beitrags, ein Strukturwandel jugendlicher Lebenswelten und Alltagskulturen durch digitale Medien ab. Jedoch ist bislang noch wenig erforscht, welche strukturellen Wandlungsprozesse sich denn konkret für die Jugendphase ausmachen lassen und welche Änderungen insbesondere die Lebenswelten und Vergemeinschaftungen von Jugendlichen durch digitale Medien erfahren. Auch fehlt es bis dato an systematischen theoretischen und empirischen sozialwissenschaftlichen Analysen zur Bedeutung von digitalen Medien für die klassischen und neu entstehenden jugendkulturellen Szenen. Dabei scheint insbesondere das Thema „Visualität“, etwa im Sinne von Sichtbarkeit, Sichtbarmachung und Sichtbarwerdung, eine bedeutsame und vielschichtige Rolle zu spielen: von klassischen jugendkulturellen Szenen, die durch digitale Medien eine Revitalisierung und über ihre vormals lokale Begrenzung hinaus auch stärkere globale Verbreitung erfahren sowie neue Szene-Produkte und Interaktionsformen hervorbringen – damit ihre unmittelbare Visualität letztlich nicht nur transformieren, sondern auch verstärken (FanArt, Gothics, Sprayer); über digital generierte Jugendkulturen, die ihre Bedeutung erst durch die sichtbare Präsenz im Internet erhalten (C-Walk) bis hin zu jugendkulturellen Akteuren, die demgegenüber gerade die Unsichtbarkeit im digitalen Raum suchen (Nerds, Hacker).</p> <p>Der hier eingereichte Beitrag setzt an dieser wissenschaftlichen Leerstelle an und versucht in einem ersten Schritt, die vorliegenden Erkenntnisse zu digitalisierten Jugendkulturen in systematisierender Form aufzuarbeiten und pointiert darzustellen. In einem zweiten Schritt soll am Beispiel der Jugendkultur der Nerds die Dynamik, Ambivalenz und Entwicklungsdimension jugendkultureller Phänomene im Kontext gegenwärtiger gesellschaftlicher Transformationsprozesse illustriert werden. Entworfen wird dabei eine erste topographische Skizze zur Nerd-Jugendkultur, die auf deren zunehmende Bedeutung aufmerksam macht. Dabei wird deutlich, dass die Jugendszene der Nerds von ihrer ehemals soziokulturellen Marginalisierung mittlerweile auch in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. So hat sich der Typus des Nerds von einem ehemals mobbinggefährdeten sozialen Außenseiter zum Leitbild einer hippen technikkulturellen Avantgarde oder zum Prototyp eines anarchischen Hüters digitaler Grundrechte in der forcierten Mediengesellschaft entwickelt. Daran anschließend soll in einem dritten Schritt die Bedeutung digitaler Medien für die Lebenswelten und Alltagskulturen von Jugendlichen im 21. Jahrhundert jugendtheoretisch resümiert werden.</p> 2021-09-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1419 Nurses Wanted! - Die Pflegefachkräftemigration im Kontext globaler Ungleichheiten 2021-09-30T14:32:15+00:00 Minna-Kristiina Ruokonen-Engler ruokonen-engler@soz.uni-frankfurt.de Maria Kontos kontos@soz.uni-frankfurt.de <p>Unser Beitrag geht der Frage nach, auf welcher Art und Weise die globale Ungleichheit in der Pflegefachkräftemigration zum Ausdruck kommt. Dabei legen wir den Fokus unserer Diskussion auf die kritische Prüfung der internationalen Kräfteverhältnisse am Beispiel der Regulierung der Migration von medizinischem Personal sowie auf den Einfluss dieser Kräfteverhältnisse auf die alltäglichen Interaktionen im Gesundheitsbetrieb. Bei der Erläuterung dieser Frage beziehen wir uns auf zentrale empirische Ergebnisse aus unserer Studie zur globalisierten Pflegefachkräftemigration aus den süd- und osteuropäischen Staaten und ihrer Auswirkungen auf die betrieblichen Integrationsprozesse der Pflegefachkräfte in Deutschland (Pütz et al. 2019).</p> 2021-08-30T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1499 Negativer Humanismus – ein Versuch 2021-09-30T14:32:14+00:00 Dirk Tänzler dirk.taenzler@uni-konstanz.de <p>Die von Peter L. Berger und Thomas Luckmann begründete Neue Wissenssoziologie versteht sich als humanistische Soziologie. Scheinbar paradox gerieren sich Berger und Luckmann aber auch als Anti-Soziologen, als deren Vaterfigur wiederum Max Weber anzusehen ist. Für die Soziologie als Realwissenschaft lässt Weber nur Formen der Vergesellschaftung und Vergemeinschaftung gelten – Formen wertebezogenen Handelns von Menschen, motiviert durch subjektiv gemeinten Sinn. Eine humanistische, auf das als typisch menschlich betrachtete, Sinn und Sein vermittelnde, Handeln gegründete Soziologie opponiert der Ansicht von der Gesellschaft als Sein <em>sui generis</em> und ist insofern eine Anti-Soziologie.</p> <p>Als Gegenpart zur handlungstheoretisch fundierten humanistischen Soziologie figuriert die soziologische Systemtheorie von Herbert Spencer, Émile Durkheim, Talcott Parsons und Niklas Luhmann, und ebenso der Strukturalismus eines Claude Lévi-Strauss. Sie alle setzen nicht den Menschen, sondern die Gesellschaft als <em>ens realissimum</em> und werden daher immer wieder des Antihumanismus bezichtigt. Der negative Humanismus korreliert aber nicht nur mit einem Soziologismus, sondern betreibt auch eine Dezentrierung des Menschen.</p> <p>Gemeinsam ist beiden Positionen eine relationistische Definition des menschlichen Wesens, wie sie systematisch Helmuth Plessners Anthropologie der Exzentrizität entwickelt hat. Ausgehend von Plessners Begriff der Exzentrizität soll daher im Folgenden der Versuch unternommen werden, den normativen und politisch aufgeladenen Gegensatz von Humanismus und Antihumanismus durch die Unterscheidung eines positiven und negativen Humanismus zu ersetzten.</p> 2021-08-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1498 Die Tragödie der Kultur als Tragödie der Soziologie oder wie die Soziologie das Menschliche aus dem Blick zu verlieren droht 2021-09-30T14:32:20+00:00 Peter-Ulrich Merz-Benz merz-benz@soziologie.uzh.ch <p>Kulturen sind Konkretheiten, Sinneinheiten in der „Fülle“ der Geschichte, vom Menschen geschaffen zur Verwirklichung des mit ihm gegebenen Versprechens. Diese Bestimmung von Kultur stammt von Johann Gottfried Herder und gilt ebenso für Georg Simmel. Bei Simmel tritt indes das Tragische der Kultur hervor. Kultur ist der Inbegriff einer Bewegung: des zu sich selbst Findens der menschlichen Seele. Doch ihr Weg führt durch die ,Sphäre‘ des „Geistes“. Kunst, Recht, Religion, Technik, Wissenschaft, Sitte – in ihnen hat der Geist eine „beharrende Existenz gewonnen“; und in ihnen, nach der ihnen eigenen sachlichen Ordnung, werden die Bewegungen der Seele fortan „gesammelt“ und gelenkt. Durch das „Gefüge der Kultur“ verläuft mithin ein „Spalt“ und die „Idee der Kultur“ verliert ihre „Heimat“. Der Mensch „läuft Gefahr, von seiner eigenen Schöpfung erschlagen zu werden“.</p> <p>Was bei Georg Simmel vorgezeichnet ist, wird bei Alfred Weber explizit Thema: Die Tragödie der Kultur ist auch die Tragödie der Wissenschaft – und dementsprechend auch der Soziologie. Die Tragödie der Soziologie ist eine zweifache: Zum einen ist die Soziologie angewiesen auf ihre immanente Ordnung, auf ihre Begriffe und Denkfiguren. Die sozialen und kulturellen Lebensformen sind jedoch mehr als der Soziologie durch ihre Betrachtungsweise vermittelt wird. Was die Soziologie sieht, sind die „Ausdrucksseiten“ und „Ausdrucksarten“ der Kultur, nicht die kulturellen Universalien selbst. Das ist ihr Schicksal. Zum anderen läuft die Soziologie Gefahr, sich ,ihrer Sache‘, und letztlich sich selbst, zu entfremden – dann, wenn der Rationalisierungsprozess, welcher ihr Denken zusehends durchsetzt, mit all den Formen und Prinzipien, die ihn ,aus­machen‘, Realitätscharakter annimmt. Eingeschlossen in die „beharrende Existenz“ ihres eigenen Denkens droht die Soziologie die Bewegungen der Seele und mithin das Menschliche gänzlich aus dem Blick zu verlieren; und der Weg zu den Hyperrealitäten von Jean Baudrillard ist nicht mehr weit. Was den zweiten Teil der Tragödie angeht, hält die Soziologie ihr Schicksal indes in den eigenen Händen. Ideengeschichtliche Aufklärung hilft ihr, dies zu erkennen.</p> 2021-08-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1354 Technisch unterstützte Sorgearrangements 2021-09-30T14:32:16+00:00 Katharina Liebsch liebschk@hsu-hh.de <p>Durch die Technisierung von Sorgearbeit und durch den Einbezug diverser Formen technisch-technologischer Unterstützung hilfebedürftiger Personen verändern sich sowohl die Körper-Relationen in der Care-Arbeit als auch die Begründungen, Legitimationen und Wissensbestände für die mit der Technisierung verbundenen Transformationen von Pflege. Fragen danach, was als angemessen gelten kann und welchen Regeln der Einsatz von Technik, Apparaturen und Medikamenten in Sorge-Arrangements folgen sollte, werden derzeit neu ausgehandelt. &nbsp;Der Beitrag stellt&nbsp;zunächst einige systematische Überlegungen zur Bandbreite des Themenfelds an und betrachtet diese zudem daraufhin, welche Körper-Relationen sich in den jeweiligen technisch unterstützter Care-Arrangements genauer zu ausmachen lassen. Da Körper sowohl Anlass als auch Austragungsort von Technisierungsprozessen in der Sorgearbeit sind, hat jede Technisierung konkrete und leibhaftige Aspekte und Dimensionen und realisiert sich als Prozess, in dem technische Artefakte in den Körper und in den Alltag eindringen, neue Anforderungen und Erwartungen mit sich bringen, Automation und Routine oder auch Störungen verursachen. Dementsprechend ist Technisierung immer auch eine Körper-Ding-Interaktion, eine prozessuale Praxis zwischen Körpern und Technik, die im Zusammenspiel beteiligter Akteure realisiert wird.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1285 Social Media und die Bedeutung von Emotionen in autoritär-nationalistischen Radikalisierungsnarrativen 2021-09-30T14:32:09+00:00 Eva Groß eva.gross@poladium.de Sighard Neckel Sighard.Neckel@uni-hamburg.de <p>Radikalisierung ist derzeit viel diskutiert (z.B. Daase et al. 2019) und noch zu wenig verstanden. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, Radikalisierung möglichst spezifisch zu bestimmen. Radikalisierung wird daher in diesem Beitrag, in Anlehnung an Peter Neumann (2013), als eine fortlaufend stärkere Abkehr von allgemeingültigen sozialen Normen begriffen, hin zu einer sukzessiven Akzeptanz von Gewalt bei der Durchsetzung ideologischer und politischer Ziele. Eine ähnliche Definition bieten Clark McCauley und Sophia Moskalenko (2008, S.416) an: „Radikalisierung ist die Veränderung in den Überzeugungen, Gefühlen und Verhaltensweisen in Richtungen, die Gewalt zwischen Gruppen zunehmend rechtfertigt und zur Verteidigung der eigenen Gruppe Opfer einfordert“. Die relevantesten Merkmale sind demnach der Gruppenbezug, die Akzeptanz von Gewalt zur Durchsetzung von Zielen und die Prozesshaftigkeit in der Abkehr von gültigen Normen. Die Dynamik von Radikalisierungsprozessen ist hierbei nicht durch bestimmte Mechanismen determiniert, sondern weist vielmehr zahlreiche interdependente Dimensionen auf, weshalb Radikalisierung nur interdisziplinär begreifbar ist.<a href="#_ftn1" name="_ftnref1"><sup>[1]</sup></a> Der Fokus unserer Analyse liegt in diesem Zusammenhang auf den emotionalen Dynamiken von Radikalisierungsprozessen und hierbei insbesondere auf der Rolle von Scham und Beschämung.</p> <p>Wir zeigen in dem Beitrag, dass auch im autoritär-nationalradikalen Milieu Gefühle von Scham, Demütigung und Kränkungserfahrungen kollektiv angerufen und politisch verwertet werden. Dies sind ähnliche Muster, wie sie beispielsweise auch Kriner (2018) in seinen Analysen zu islamistischen Narrativen gefunden hat. Die Scham, so unser Fazit, sollte im Mittelpunkt der Analyse von Radikalisierungsnarrativen stehen. Sie entfaltet ihre radikalisierende Wirksamkeit über ihre kollektive Kontrollfunktion in Bezug auf soziale Identitäten und Gruppenkonformität, die ihrerseits maßgeblichen Einfluss auf die Ausbildung von Radikalisierungen innerhalb von extremistischen Online-Affektkulturen haben.</p> <p>&nbsp;</p> <p><a href="#_ftnref1" name="_ftn1">[1]</a> Siehe hierzu auch John Horgan, „From Profiles to Pathways and Roots to Routes: Perspectives from Psychology and Radicalization into Terrorism,” <em>The Annals of the Academy of the Political and Social Sciences</em> 618(2008):80–94; Costanza 2015; Neumann 2017.</p> 2021-06-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1321 Institutionalisierte Geschlechterbilder in (über)organisationalen Handlungskontexten 2021-09-30T14:32:13+00:00 Melanie Roski melanie.roski@tu-dortmund.de <p>Für die Betrachtung des Zusammenwirkens von Arbeit und Geschlecht sind organisationale Aushandlungsprozesse von zentraler Bedeutung. Im Rahmen dieser werden nicht nur bestehende Geschlechterbilder wirksam, sondern vielfach auch neu verhandelt, bestätigt oder gegebenenfalls abgelöst, wobei hier auch überorganisationale Handlungskontexte relevant werden. Sie bestimmen mit, welche Geschlechterbilder sich institutionalisieren und in Organisationen und organisationalen Feldern manifestieren oder sich mit bestehenden disziplinären, branchenbezogenen oder beruflichen Institutionen verknüpfen. Erst aus diesem Wechselspiel, so einer der zentralen Ausgangspunkte dieses Beitrags, ergeben sich Auswirkungen auf das (berufliche) Handeln der Akteure und die Aushandlung von Strukturen in Organisationen und den sie umgebenden organisationalen Feldern.</p> <p>Letzteres wird anhand der exemplarischen Betrachtung einer ausgewählten Branche – hier: die Chemiebranche – untersucht. Im Fokus steht die Wirkung institutionalisierter Geschlechterbilder und -stereotype im organisationalen Feld „Chemie“. Insbesondere in der Verknüpfung dieser mit anderen handlungsleitenden Institutionen, die sich unter anderem aus der Fach- bzw. Branchenkultur ergeben, entfalten sich besondere geschlechterdifferenzierende Auswirkungen auf das (berufliche) Handeln der individuellen Akteur*innen und der Multiplikator*innen in den verschiedenen Organisationen im Feld.</p> 2021-07-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1369 Digitalisierung als Katalysator für Um_Ordnungen im Geschlechterverhältnis? 2021-09-30T14:32:22+00:00 Edelgard Kutzner edelgard.kutzner@tu-dortmund.de <p>Im Zentrum des Beitrags steht die Frage, inwiefern sich das Verhältnis von Arbeit und Geschlecht in Verbindung mit den aktuellen Transformationsprozessen in Wirtschaft und Arbeitswelt ebenfalls in einem Wandlungsprozess befindet. Im Zuge dieser Wandlungsprozesse entstehen neue Arbeitsformen, neue Formen der Rationalisierung, der Arbeitsorganisation, Arbeitsbewertungen etc. Digitalisierung der Arbeit ist ein Prozess, in dem unterschiedliche Interessen verfolgt werden, an dem Frauen und Männer bewusst oder unbewusst beteiligt sind, der eingebunden ist in bestehende Machtverhältnisse und betriebliche Strukturen. Es stellen sich insbesondere vor diesem Hintergrund u.a. folgende Fragen: Wie ist die praktizierte Realität im Umgang mit digitalen Technologien aus einer Geschlechterperspektive? Was wären Voraussetzungen und Bedingungen für mehr Geschlechtergerechtigkeit?&nbsp;Kann Digitalisierung als Katalysator für Um_Ordnungen im Geschlechterverhältnis wirken?</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1359 Bei Strafe ihres Untergangs 2021-09-30T14:32:17+00:00 Jörg Pohle joerg.pohle@hiig.de Martin Rost martin.rost@maroki.de <p>Seit Jahrzehnten werden mit ungebrochener Intensität, wenn auch unter wechselnden Terminologien, gesellschaftliche Risiken aus der zunehmenden Durchdringung der Gesellschaft mit moderner vernetzter und automatisierter Datenerhebungs-, Speicherungs- und Auswertungstechnologien (vaDESAT) diskutiert. Welt und Gesellschaft werden im Computer "verdoppelt", aber nicht als Kopie, sondern als Konstruktion – als Modelle, ob in Form von Daten, Programmen oder User Interfaces, die auf Vorannahmen und Vorentscheidungen basieren, auf Wahrheitsunterstellungen und Relevanzsetzungen, Definitionen von Optimalitätskriterien und Entscheidungen über die Problematisierung oder Nichtproblematisierung bestimmter Auswirkungen auf bestimmte Akteurïnnen. Sie sind grundsätzlich von den Interessen derjenigen geprägt, die die Modelle erzeugen, denn die Modellbildung unterliegt dabei der Modellierungshoheit der modellierenden Organisationen. Organisationen sind damit in der Lage, mit Rückgriff auf Technik Funktionssysteme zu simulieren, was nicht zum Scheitern von Gesellschaft führen muss, aber zur Regression von Sozialstruktur führen kann, von der funktionalen Differenzierung der Moderne wieder zur Stratifikation, denn im Computer wird gesellschaftliche Differenzierung nur insoweit und in der Form reproduziert, wie sie den Organisationsinteressen dienlich ist; sie wird weggelassen, wo sie aus Organsisationssicht ineffizient für die Erreichung der Organisationsziele ist oder diesen gar widerspricht. Während sich Verfassungsstaaten von Organisationen dadurch unterscheiden, dass sie sich selbst einhegen, indem sie Selbsteinhegung versprechen und normativ absichern, Verfahren zur Überprüfung der Einhaltung dieses Versprechens kreieren, Institutionen zur Durchsetzung der Selbsteinhegung schaffen und sich deren Entscheidungen unterwerfen, stehen Organisationen, die große digitale Infrastrukturen entwickeln und einsetzen, in denen Gesellschaft simuliert wird, so die zentrale These des Beitrags, vor der Wahl, entweder ihrer Funktionslogik zu folgen, dann können sie die gesellschaftlichen Kontingenzquellen nur als berechenbare "Abziehbilder" in Modellform umsetzen, oder, wenn sie jedoch die Kontingenzen zulassen, den Weg der Staaten zu gehen, ihre eigene Funktionslogik zu unterminieren und ihre eigenen Organisationsgrenzen zu sprengen.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1290 Die Idee einer praxeologisch-fundierten Kompetenz-Performanz-Theorie zur Überwindung sozialer Ungleichheit in den Sozialen Dienstleistungsberufen 2021-09-30T14:32:14+00:00 Nina Weimann-Sandig nina.weimann-sandig@ehs-dresden.de Thomas Prescher thomas.prescher@sowi.uni-kl.de <p>Die Corona-Krise hat die Debatte um die Bedeutung sozialer Dienstleistungen neu stimuliert. Einmal mehr wurde deutlich, dass Eltern auf die Unterbringung ihrer Kinder in pädagogischen Betreuungseinrichtungen angewiesen sind, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu gewährleisten. In Pflegeeinrichtungen lebende Menschen und ihre Angehörigen waren während der Besuchsverbote auf fachlich gut geschultes und einfühlsames Personal angewiesen. Viele Familien nahmen Onlineangebote von Erziehungsberatungsstellen oder der Familiensozialarbeit gerne und häufig in Anspruch. Tatsächlich hat sich das Bild von den Sozialen Dienstleistungsberufen in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren gewandelt hat: es geht heute beispielsweise um die Wertschätzung der Kindertagesbetreuung als Ort der frühkindlichen Bildung und nicht nur als Betreuungsmöglichkeit. Insofern scheint es lohnend, die Professionalisierungsdiskurse und Professionsansprüche der Sozialen Dienstleistungen, welche sich aus den Berufsfeldern frühkindliche Bildung und Betreuung, Soziale Arbeit und den Gesundheits- und Pflegeberufen zusammensetzen, genauer zu analysieren. Die soziologische Auseinandersetzung mit den Sozialen Dienstleistungsberufen erfolgte bisher zumeist im Bereich der Care-Debatten oder im Rahmen genderspezifischer Fragestellungen. Im Feld der Professionssoziologie ist die Verankerung der Sozialen Dienstleistungsberufe jedoch relativ neu. Dennoch zeigten die Debatten der Sektion Professionssoziologie beim Soziologentag 2020, wie wichtig eine soziologische Reflektion dieses Berufssektors und des damit zusammenhängenden Phänomens der sozialen Ungleichheit ist. Der vorliegende Beitrag setzt sich mit der spezifischen Fragestellung auseinander, warum die Sozialen Dienstleistungsberufen trotz ihres Berufsethos der Reduktion sozialer Ungleichheit, diese im professionellen Handeln der Fachkräfte oftmals reproduzieren. Entwickelt wird dementsprechend die Idee einer praxeologisch-orientierten Kompetenz-Performanztheorie, welche den derzeitigen Stand der Professionalisierung Sozialer Dienstleistungsberufe weniger aus subjektiver und vielmehr aus organisationaler Perspektive hinterfragt.</p> 2021-07-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1384 Gesamtschullehrer/-innen: Soziale Unterschiede im Blick? 2021-09-30T14:32:21+00:00 Laura Cäcilia Behrmann laura.behrmann@posteo.de <p>Bereits die Gründungsidee der Gesamtschulen verspricht eine chancengerechtere Schule und so werden noch heute Schüler/-innen aller Leistungsgruppe und sozialer Milieus gemeinsam unterrichtet. Gesamtschullehrer/-innen sind in besonderem Maße mit einer heterogenen Schülerschaft konfrontiert. Sind sie dadurch sensibler für soziale Unterschiede?</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1399 "[...] natürlich Bewerber mit den besten Noten [...]" 2021-09-30T14:32:23+00:00 Katja Klebig katja.klebig@soziologie.uni-halle.de <p>Die Ausdifferenzierung von Studiengängen nimmt stetig zu. Um im „internationalen Wettbewerb um die größten Talente in Wissenschaft und Forschung“ (Elitenetzwerk Bayern 2018a) gut aufgestellt zu sein, hat Bayern das Elitenetzwerk Bayern als Förderprogramm für „besonders motivierte[n] und&nbsp;leistungsfähige[n] Studierende[n]“ (Elitenetzwerk Bayern 2018b) an öffentlichen Universitäten initiiert.</p> <p>Die Wissensaufbereitung und -organisation einzelner Fachwissenschaften verweist auf fachspezifische, kulturelle Praktiken, die durch Habitusdispositionen der eigenen Wissenschaftsklientel hervorgebracht werden, einen Fachhabitus formieren und im sozialen Raum der Fachkulturen verortet werden können. Die habituelle Beharrlichkeit und relative Unveränderbarkeit leiten sich aus dem professionellen Handeln als regelkonforme Anwendung der kulturellen Praktiken selbst ab und sorgen für ihre Reproduktion. Der Fachhabitus findet sich im Aufbau und der Strukturierung des Studiums als eine Konzeption wieder, die einen spezifischen Lernraum bereitstellt und Erwartungen an die Partizipierenden heranträgt, die die Grundlage einer erfolgreichen Bewältigung bilden. Die fachwissenschaftliche Sozialisation im Studium vermittelt den Studierenden die vorherrschenden Habitusdispositionen über die kulturellen Praktiken.</p> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1327 Un/doing Age 2021-09-30T14:32:13+00:00 Anna Wanka wanka@em.uni-frankfurt.de Grit Höppner g.hoeppner@katho-nrw.de <p>In intersektionalen Debatten zu Differenzierungen und sozialen Ungleichheiten wird Alter(n) als soziale Differenzkategorie oft marginalisiert behandelt. Dies führt dazu, dass der prozessuale, ‚metrische‘ und dynamische Charakter von Alter(n) und die damit verbundenen Lebenslauf- und Chrononormen in Differenzierungstheorien oft unberücksichtigt bleiben. Zudem werden in intersektionalen Debatten zwar Konstruktionsprozesse sozialer Differenzkategorien (<em>doing</em>), nicht jedoch deren Dekonstruktionspraktiken (<em>undoing</em>) analysiert. In diesem Beitrag wird deshalb zunächst das de/konstruktivistische Konzept des <em>un/doing age</em> (Höppner, Wanka 2021) skizziert, das es ermöglicht, strukturalistische, interaktive und diskursive Herstellungsprozesse von Alterskonstruktionen im Lebenslauf zu erfassen. Der empirische Gehalt einer solchen Perspektivierung wird in der Gegenüberstellung zweier qualitativer Forschungsprojekte zu normativ altersgradierten Übergängen im Lebenslauf – Verwitwung und Verrentung – herausgearbeitet. Dabei wird gezeigt, wie Alter in diesen Übergängen situativ jeweils relevant (<em>doing age</em>) und/oder irrelevant (<em>undoing age</em>) gemacht wird. Die empirischen Ergebnisse verdeutlichen, dass in beiden Übergängen die Chrononorm eines ,richtigen‘ Alters relevant gemacht wird, dies jedoch durch unterschiedliche Praktiken und essentialistische Alterskonstruktionen geschieht und unterschiedliche Intersektionalitäten aufruft. Besonders deutlich werden diese Konstruktionen immer dann, wenn gegen die jeweiligen Chrononormativitäten verstoßen, ein Übergang also im ‚falschen‘ Alter erlebt wird. Entsprechend wird abschließend für eine alterskomparative <em>Linking Ages</em>-Perspektive argumentiert – nicht nur für die Alter(n)sforschung, sondern auch für Forschungen an Übergängen im Lebenslauf.</p> 2021-07-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1366 Essen in der Krise 2021-09-30T14:32:19+00:00 Sarah Thanner sarahthanner@gmx.net Gunther Hirschfelder Gunther.Hirschfelder@ur.de <p>Als soziales Totalphänomen erweist sich gerade der Bereich der Ernährung ergiebig für die Erforschung von Bewältigungsstrategien und Umgangsweisen mit Armut und Prekarität. Das Erzählen über das Essen – von den Wünschen über die Planung und den Einkauf bis zum Verzehr – dient als operabler und alltagsnaher Indikator der Konstruktion von und des Umgangs mit prekären Lebensverhältnissen.</p> <p>Der Beitrag widmet sich dabei vor allem der subjektiven Wahrnehmung der Prekarität, denen im Prisma der Ernährung vor dem Hintergrund individueller (Arbeits-)Biografien nachgespürt wird. Erzählungen und Reflexionen der Akteure vermögen Aufschluss über die Deutung beruflicher Krisenerfahrungen zu geben, die einen alltagsnahen Einblick in das Wechselverhältnis zwischen Prekarität und Ernährung sowie psychischer Belastungssituationen ermöglichen.</p> <p>Prekarität und damit häufig einhergehende lebensweltliche Verunsicherung, die in der Erzählung über Ernährungsroutinen hervortritt, wird dabei als eine Vermittlungsfolie angesehen, die neben grundlegenden nahrungsethnologischen Perspektiven einen ebenso fruchtbaren Zugang zu einem sehr alltagsnahen Sprechen über biografische Krisensituationen eröffnet. In den eng miteinander verwobenen Deutungs- und Wahrnehmungsweisen kristallisiert sich die hohe Verflechtung und wechselseitige Beeinflussung von lebensweltlicher Verunsicherung, mangelnder Planungssicherheit und Ernährung sowie den sie beeinflussenden Konstanten heraus, die den alltäglichen Lebenszusammenhang der untersuchten Individuen in hohem Maße prägen.</p> <p>Dabei wird ein weites Verständnis von Prekarität angesetzt, das gerade die für eine Alltagskulturforschung hochrelevante subjektive Wahrnehmung von Prekarität im Lebenslauf vor dem Hintergrund historisch gewachsener Leitbilder und damit vor allem auch die Heterogenität prekärer Lebenslagen ins Visier nimmt. So geraten Armutsphänomene weder aus den Augen, noch wird der Forschungsgegenstand darauf verengt. Im Fokus der Betrachtung stehen die Innensichten der Akteure, die Deutungen der eigenen Lebensverhältnisse und des eigenen Ernährungshandelns.</p> 2021-09-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1371 Das lokale Emplacement von alltäglich geteilter Solidarität 2021-09-30T14:32:19+00:00 Patrick Kahle kahlep@uni-hildesheim.de Michael Corsten corsten@uni-hildesheim.de <p>Basierend auf Daten eines laufenden Forschungsprojektes werden drei urbane Zentren und deren „suburban hinterland“ (Cooke 1989, S. 263) vergleichend betrachtet. Durch historische Gegebenheiten (Deutsche Teilung), topographisch-infrastrukurelle Merkmale, Kapitalakkumulationen und unterschiedliche Migrationsgeschichten entwickelten sich unterschiedliche ‚Sedimente‘ sozio-politischer Charakteristik und kulturelle Spezifitäten (sensu Cooke 2009). Fassen wir Solidarität (sensu Sangiovanni 2015) als alltäglich innerhalb einer lokalen Gemeinschaft erzeugte Beiträge zur Bearbeitung wahrgenommener Widrigkeiten, dann bestehen je nach regionaler Konstellation unterschiedliche Grundlagen, seitens institutionalisierter Akteure auf Widrigkeiten im Zuge der Flüchtlingskrise zu reagieren.</p> <p>Dieser doppelte Vergleich – einerseits urbane Zentren und ihr ‚hinterland‘, anderseits unterschiedlich situierte Städte – erfolgt anhand von Interviews mit Ehrenamtlichen, Ehrenamtskoordinator/-innen, Sozialen Diensten und Verwaltungsangestellten in Bereichen von Migration und Integration. Es zeigen sich dabei an nahezu allen Orten die gleichen Varianten von Engagementformen, die unspektakuläre Begegnungen (Meier 2019; Wehrheim 2009) zwischen neuzugewanderten und alteingesessenen Bewohner/-innen ermöglichen sollen. Wie sich allerdings Prozesse des Emplacements als geteilte Alltagspraxis gestalten und dauerhaft etablierten, variiert zwischen den Lokalitäten in einem beobachtbaren Maße. In den untersuchten lokalen Engagementformen manifestieren sich spezifische Machtzugänge und Machtverhältnisse, die zugleich unterschiedliche Solidaritätsverständnisse und Praktiken wie Prozesse des Emplacement (Çağlar, Glick Schiller 2018) begünstigen.</p> <p>Im Beitrag gehen wir zum einen ersten Befunde zu den Zusammenhängen zwischen den Solidaritätsverständnissen und den geteilten Alltagspraktiken unterschiedlicher Lokalitäten und zum anderen wie – im Sinne von City Making (Çağlar, Glick Schiller 2018) – durch Emplacement/Displacement sich diese Lokalitäten verändern nach.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1406 Algorithmic accountability als Lösung – wofür? 2021-09-30T14:32:18+00:00 Dominik Hofmann dominik.hofmann@uni-bielefeld.de <p>Die eigentliche, in den verschiedenen Formen der Skandalisierung von „Algorithmisierung“ des Rechts und seines Gegenstandsbereichs sich nur unterschiedlich ausformende, durch das Auftreten der neuen digitalen Rechtsakteure aufgetane Problematik, besteht darin, dass die Technik es erschwert, einige funktionalen Fiktionen aufrecht zu erhalten, hinter denen sich die Unentscheidbarkeitsparadoxie verbirgt. Unter dieser Prämisse lautet die soziologische Anschlussfrage weniger, wofür Algorithmen Äquivalente darstellen, als vielmehr, welche Äquivalente zu den klassischen Mechanismen des Verbergens der Fiktionalität sich mit ihrem Aufkommen einspielen. Der vorgeschlagene Ansatz versucht eine Teilantwort auf der Ebene von Semantik. Der Begriff der <em>algorithmic accountability</em> fungiert als einheitliche Lösungsformel für die diversen Folgeprobleme der Entscheidungsparadoxie. Anhand einer Zurückverfolgung der Geschichte der <em>accountability</em>-Semantik werden drei Bedeutungsdimensionen des Begriffs unterschieden, welche allesamt als Antwort auf Fragen nach dem Umgang mit diversen Problemen dienen können, die die vermehrte Beteiligung algorithmischen Entscheidens an der sozialen Welt aufwirft.</p> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1409 Algorithmen im Recht 2021-09-30T14:32:22+00:00 Marc Mölders marc.moelders@uni-bielefeld.de Fatima Kastner f.kastner@khm.de Simon Egbert simon.egbert@tu-berlin.de <p>Die Digitalisierung wird zukünftige Gesellschaften nachhaltig prägen. Ohne Algorithmen, <em>big data</em> und Künstliche Intelligenz sind selbige nicht (mehr) vorstellbar. Was bedeutet das für den Bereich des Rechts und auch für die rechtssoziologische Analyse? Der Beitrag erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr wirft er exemplarische Schlaglichter auf ein emergierendes rechtssoziologisches Themenfeld und stellt drei Diagnosen zur Diskussion: (1) Die Ethik der Robotergesellschaft, (2) Recht in der Prädiktionsgesellschaft und (3) Die Kontrollgesellschaft <em>revisited</em>.</p> 2021-09-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1373 Daten in Verfahren 2021-09-30T14:32:24+00:00 Vincent Steinbach vincent.steinbach@fau.de Siglinde Peetz siglinde.peetz@fau.de Ronald Staples ronald.staples@fau.de <p>Gerichtsprozesse können mit Luhmann als besondere Verfahren verstanden werden. <br>Charakteristisch für ein Gerichtsverfahren ist hohe Komplexität und Ungewissheit über Verlauf <br>und Ausgang. Während des Verfahrens kommt es mittels Teilentscheidungen zu Selektionen, <br>die das Verfahren auf eine Entscheidung engführen sollen. Mittels des Verfahrens werden <br>ebenso Legimitationen für die Entscheidung am Ende produziert. <br>In einer sich digitalisierenden Welt gewinnen Artefakte aus derselben, wie bspw. <br>Chatprotokolle, in diesen Verfahren an Bedeutung. Als Beweismittel wird diesen Artefakten <br>eine zentrale Selektionsfunktion im Hinblick auf die Letztentscheidung zugeschrieben. <br>Chatprotokolle müssen jedoch lesbar und damit interpretierbar gemacht werden.<br>Die zentrale Annahme des Artikels lautet: Soziale Systeme operieren sinnbasiert rekursiv und <br>technische kausal rekursiv. Wenn soziale Systeme nun mit dem Output technischer Prozesse <br>konfrontiert sind, müssen sie diese aufgrund der unterschiedlichen Logiken für sich erstmal <br>sinnhaft rekonstruieren. Diese Übersetzungsleistung wird in Anlehnung an Bernd Miebach metaphorisch als 'Social Interface' bezeichnet. Theoretisch <br>geht es also darum, die Verhandlung beweismittelförmiger Daten in Verfahren zu diskutieren. Den empirischen Zugang zu genanntem Problem liefern Urteilsbegründungen unterschiedlicher gerichtlicher Instanzen, die hinsichtlich der Verwendungsweise der Chat-Protokolle für die Urteilsfindung analysiert wurden. Auf Basis der explorativen, empirischen Analyse lässt sich zum Ende des Artikels fragen, wie das diskutierte Übersetzungproblem stabilisiert werden kann.</p> <p>&nbsp;</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1441 Feministische Solidaritäten als dynamische Prozesse 2021-09-30T14:32:17+00:00 Brigitte Bargetz b.bargetz@politik.uni-kiel.de Alexandra Scheele alexandra.scheele@uni-bielefeld.de Silke Schneider silke.schneider-ksw@fernuni-hagen.de <p>Die gegenwärtige Covid-19-Pandemie und die damit verbundene Corona-Krise machen aktuelle gesellschaftliche Verstrickungen ganz besonders deutlich: Es handelt sich um eine globale Krise, die zuvor bestehende Widersprüche und Konflikte des globalen Kapitalismus und damit verbundene politische Reaktionen wie (Re-)Nationalisierung, Antifeminismus und Rassismus nochmals deutlicher ans Licht gebracht hat – und auch weiter zuspitzt.&nbsp; Ausgehend von der Annahme, dass in der Corona-Krise eine Rekonfiguration von Solidarität neue Relevanz erhält, entwickelt der Beitrag im Anschluss an Ansätze feministischer Solidarität einen Vorschlag, wie emanzipatorische Bündnisse auf der Basis von Uneindeutigkeiten, Um/Ordnungen und Differenzen innerhalb verschiedener Ordnungsvorstellungen gedacht werden können.&nbsp; Die Konzeption von Solidarität als Verbundenheit in Differenz erfolgt <em>erstens</em> unter der Prämisse, dass politische Positionen, Haltungen und Handlungen nicht deckungsgleich sind, sondern dass sich im Sinne eines „commitments“ zu gemeinsam erkämpften politischen Zielen Schnittmengen einer „politischen Solidarität“ bilden können, wie es bell hooks Anfang der 1980er-Jahre vorgeschlagen hat. <em>Zweitens</em> gehen wir davon aus, dass die Bedingungen in den Blick genommen werden müssen, unter denen Solidarität gefordert und Solidaritätsbekundungen geäußert werden, und wie diese jeweils in gesamtgesellschaftliche Machtverhältnisse eingebunden sind.</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1301 Zum Verhältnis von Citizen Science und Sozialforschung 2021-09-30T14:32:19+00:00 Michael Weinhardt michael.weinhardt@tu-berlin.de <p>Citizen Science beschreibt die aktive Einbeziehung von „Laien“ in die wissenschaftliche Wissensproduktion, d.h. eine Zusammenarbeit zwischen freiwilligen Bürger*innen und Wissenschaftler*innen, die in wissenschaftlichen Einrichtungen arbeiten. Die Ziele von Citizen Science sind oft vielfältig und umfassen bspw. die Förderung der Wissenschaften durch die Einbeziehung des Wissens und der Fähigkeiten von Nicht-Wissenchaftler*innen und die Förderung der wissenschaftlichen Kompetenz einer breiteren Öffentlichkeit in Bezug auf wissenschaftliche Standards und Praktiken. Angesichts der Vorteile, die Citizen Science verspricht, ist es überraschend, dass dieser Ansatz in den Sozialwissenschaften und insbesondere der Soziologie nicht weiterverbreitet ist. In der Tat stellt Social Citizen Science bzw. Citizen Social Science ein relativ neues Feld dar. In diesem Beitrag werden daher zunächst unterschiedliche Formen von Citizen Science erörtert, die sich entlang der beiden Dimensionen (1) Grad der Integration von Nicht-Wissenschaftler*innen und (2) an den allgemeinen Schritten und Aufgaben im Forschungsprozess einordnen lassen. Anschließend wird das Verhältnis von Citizen Science und soziologischer Forschung erörtert, wobei die Besonderheiten der Sozialforschung in ihren verschiedenen Formen dargestellt und mit den bestehenden Citizen Science-Ansätzen verglichen werden. Darüber hinaus werden die Potenziale und möglichen Hindernisse für die Übernahme von Citizen Science-Ansätzen in den Sozialwissenschaften bzw. der Soziologie erörtert.</p> 2021-09-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1340 Abhängigkeit und Unverfügbarkeit 2021-09-30T14:32:14+00:00 Katharina Hoppe k.hoppe@em.uni-frankfurt.de <p>Erfahrungen der Unverfügbarkeit und Abhängigkeit sind konstitutiv aufeinander verwiesen. Was sich als Unverfügbares ereignet, macht stets Abhängigkeiten erfahr- oder sichtbar. Gegenwärtige Krisenerfahrungen – etwa die Pandemie, aber auch die Folgen der globalen Erderwärmung – speisen sich aus einem Erleben der Gleichzeitigkeit von Unverfügbarkeit und Abhängigkeit, weil sie als Abhängigkeitsvergegenwärtigungen wirken. Der Beitrag skizziert drei Thesen zu einer Soziologie der Dependenz: Der Abhängigkeitsbegriff wird als Schlüsselbegriff der soziologischen Theorie profiliert, ein modernes Unbehagen in der Abhängigkeit herausgearbeitet und schließlich Krisen als Abhängigkeitsvergegenwärtigungen verstanden.&nbsp;</p> 2021-08-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1402 Wie kann man das Unverfügbare erfahren, ohne über es zu verfügen? 2021-09-30T14:32:21+00:00 Maxi Berger maxi.berger@hs-wismar.de <p>Der Begriff des Unverfügbaren ist paradox: Sobald man ihn bestimmt, verfügt man über ihn. Wenn man aber über ihn verfügt, dann ist er nicht mehr unverfügbar. In diesem Beitrag wird dem Paradox des Unverfügbaren nachgegangen und gefragt, inwieweit er mit dem Begriff des Nichtidentischen Adornos verstanden werden kann.</p> 2021-09-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1391 Eigensinnige Körperlichkeit 2021-09-30T14:32:23+00:00 Thomas Alkemeyer thomas.alkemeyer@uni-oldenburg.de <p>Der Beitrag setzt sich kritisch mit der letztlich funktionalistischen Behandlung von Körpern und Dingen als ‚Rohmaterialien‘ in einer gegenwärtigen Soziologie der Praktiken auseinander, die davon ausgeht, Materialitäten würden von Praktiken ‚rekrutiert‘, um sich selbst am Laufen zu halten. Dagegen akzentuieren verschiedene Strömungen des Materialismus und der Phänomenologie die unhintergehbare Unverfügbarkeit und Nichtfungibilität der Dinge und des menschlichen Körpers und damit die Kontingenz alles Seienden.</p> <p>Allerdings neigen einige diese Strömungen wiederum zu einer Essenzialisierung und Naturalisierung von Materie und Körper. Gegen diese Tendenz soll in dem Beitrag plausibilisiert werden, dass Unverfügbarkeit konstitutiv durch die geschichtlich-gesellschaftlichen Umstände bedingt ist und sich nur situativ in den Relationen von Praktiken zeigt. Sie ist unter diesem Blickwinkel nicht die Eigenschaft eines biologischen Körpers, sondern erscheint als der Effekt einer Berührung und Aktivierung situativ unpassender und in diesem Sinne ‚ungleichzeitiger‘ verkörperter Dispositionen, Affekte und Gesten, die ‚hinter dem Rücken‘ des Subjekts unerwartet und plötzlich aus den Kulissen auf die Bühne einer Praxisgegenwart treten.</p> <p>Im Anschluss an diese Überlegungen wird abschließend die Frage nach den Bedingungen gestellt, unter denen die Unverfügbarkeit der Reaktionen des sozialisierten Körpers auf die besondere soziomaterielle Konstellation einer Situation – eine unpassende Geste, ein plötzlicher Schweißausbruch, eine jäh auftauchende Unlust, ein augenblickliches Erstarren – zur Quelle von „Eigen-Sinn“ (Alf Lüdtke) werden kann, d.h. einer in der Praxis sich äußernden Kritik, in der sich Zweifel an der Selbstverständlichkeit der gegebenen Ordnung und eine verborgene Energie der Distanzierung von herrschaftlichen Zumutungen in praxi artikulieren.</p> 2021-09-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1376 Angst als Ursache und Folge gesellschaftlicher Spannungen: Befunde, Kritik und Forschungsbedarf 2021-09-30T14:32:19+00:00 Susanne Martin susanne.martin@sowi.uni-giessen.de Judith Eckert judith.eckert@uni-due.de <p>In soziologischen Zeitdiagnosen wird Angst zum charakteristischen Gefühl westlicher Gegenwartsgesellschaften erklärt. Dabei wird Angst einerseits als <em>Folge</em>, andererseits als <em>Ursache</em> aktueller gesellschaftlicher Spannungen und krisenhafter Entwicklungen interpretiert. Im Beitrag werden beide Befunde beleuchtet. Anschließend werden kritische Einwände gegen die Zeitdiagnosen aufgegriffen und deren fehlende konzeptuelle, theoretische und empirische Fundierung problematisiert. Dies verdeutlicht den bestehenden Forschungsbedarf hinsichtlich des gegenwärtigen gesellschaftlichen Stellenwerts der Angst. Auf dieser Grundlage wird abschließend für eine interdisziplinäre gesellschaftswissenschaftliche Angstforschung plädiert, die dazu beitragen kann, den vielfältigen sozialen, politischen und kulturellen Bedeutungen der Angst in gegenwärtigen Gesellschaften auf die Spur zu kommen.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1451 Frauen in der Landwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Klimakrise und Existenzangst 2021-09-30T14:32:16+00:00 Janna Luisa Pieper jannaluisa.pieper@uni-goettingen.de <p>Mit der sich zuspitzenden Klimakrise werden <em>Ländliche Räume</em> zu jenen Arenen, in denen die Konflikte um Klimaschutz, Ressourcennutzung und Artenvielfalt direkt ausgetragen werden.&nbsp;Dieser Beitrag geht der Frage nach wie die Frauen, die auf landwirtschaftlichen Betrieben leben, mit den sich rasant ändernden agrarpolitischen Rahmenbedingen umgehen. Wie reagieren sie auf die Forderungen der Gesellschaft nach Klimaschutz, Biodiversität und Tierwohl?&nbsp;Auf der Basis einer empirischen Studie mit Gruppendiskussionen (n=128), die während der brisanten Zeit der ersten Bauernproteste im Winter 2019/20 stattfanden, wurden die Orientierungen der auf Höfen lebenden Frauen deutschlandweit erhoben und analysiert.</p> <p>Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Frauen angesichts der sich stark verändernden Rahmenbedingungen durch Klimawandel, gesetzliche Vorgaben, Preisschwankungen und dem hohen Investitionsdruck, intensive Existenzängste empfinden. Diese Existenzängste mobilisieren bei ungefähr einem Drittel der befragten Frauen rigide Abwehrreaktionen in Form von Feindbildkonstruktionen, Verschwörungsmythen und Ressentiments gegenüber sozialen Instanzen, Gruppen und Personen. Dieser Beitrag präsentiert die herausgearbeiteten Abwehr-Narrative, rückt sie in einen sozialhistorischen Kontext und rekonstruiert die mit ihnen verbundene <em>Tiefengeschichte</em>. Abschließend wird die Frage diskutiert, wie und in welchen Schritten notwendige Transformationsprozesse initiiert werden können und wie man diese Gruppe einbinden kann.</p> 2021-08-31T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1382 Die technische Kontingenz der Kommunikation 2021-09-30T14:32:17+00:00 Andreas Höntsch andreas.hoentsch@tu-dresden.de <p>Der Beitrag problematisiert das Verhältnis von Kommunikation und Handlung im Anschluss an Elena Espositos Analyse der virtuellen doppelten Kontingenz. Virtuelle doppelte Kontingenz setzt Kommunikation als Informationsverarbeitungsprozess, aber auch den kommunikationsinternen Adressbildungsmechanismus sozialer Systeme kontingent. Die dabei auftretenden Unbestimmtheiten haben bereits bei Niklas Luhmann selbst Zweifel an seinem Begriff der Kommunikation geweckt und ihn zu der Vermutung geführt, dass „wichtige Informationsverarbeitungsverfahren unserer Gesellschaft schon nicht mehr als Kommunikation klassifiziert werden“ und dass die Soziologie möglicherweise „den Begriff neu bilden“ (Einführung in die Systemtheorie, S. 314) müsse. Der Beitrag diskutiert im Anschluss an Arnold Gehlen und Gotthard Günther die Möglichkeit der Ergänzung des Kommunikationsbegriffs um einen Begriff der Handlung, der sowohl über kommunikationsinterne Zurechnungen als auch über die graduelle Verteilung von Handlungsbeiträgen auf subjektive Intentionen und objektive Kausalitäten hinausreicht.</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1416 "Ökospiritualität" als Thema religionsverbindender Feiern in der Schweiz 2021-09-30T14:32:15+00:00 Ann-Katrin Gässlein ann-katrin.gaesslein@unilu.ch <p>Das Thema Ökospiritualität ist für das interreligiöse Feld sehr ergiebig und spielt nicht zuletzt in religionsverbindenden Feiern eine Rolle. Eine empirische Untersuchung in der deutschsprachigen Schweiz geht der Frage nach, wer Feiern mit diesem Thema initiiert, was darin verhandelt wird, und wie die mitwirkenden Personen Ökospiritualität rituell ausdeuten. Zwei näher vorgestellte Beispiele zeigen:&nbsp;Politisch sensibilisierte, ökologisch affine und häufig gut vernetzte Einzelpersonen bemühen sich, zunächst im Rahmen ihrer eigenen Religionsgemeinschaft, dann zunehmend in Verbindung mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, Menschen anderer Religionszugehörigkeit für das Thema Umwelt, Klima oder Schöpfung zu gewinnen. In religiös gemischt zusammengesetzten Vorbereitungsgruppen wird das Thema hinsichtlich des Aspekts der Spiritualität harmonisch behandelt und als bereichernd erfahren; bei der Frage nach einem möglicherweise anschließenden politischen Engagement hingegen gibt es unterschiedliche Positionen. In den Feiern selbst bietet die Ökospiritualität eine Chance, durch Texte, Lieder und Begründungen eine vielleicht erst christlich-ökumenische Zusammenarbeit auszuweiten. Insbesondere Symbolhandlungen kommt dabei eine integrierende Rolle zu, die neue religiös-spirituelle Erfahrungen zulässt.</p> 2021-08-17T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1492 Die Genese des Nichtwissens aus dem Wissen 2021-09-30T14:32:13+00:00 Manfred Prisching manfred.prisching@uni-graz.at <p>Die Vorteile der Wissensverfügbarkeit in der digitalen Welt sind nicht zu leugnen. Aber im Zuge der digitalen Wissensexpansion entstehen „blinde Flecken“ des Nichtwissens. Die Relevanzverlustthese beschreibt Wissensverlust durch Entstrukturierung und Relevanzeinebnung der Informations- und Lebensverhältnisse. Alle Informationen werden wichtig. Die Algorithmenthese zielt auf den Wissensverlust durch die zunehmende Undurchschaubarkeit der Wissensgrundlagen, Wissensselektionen, Wissensbeschaffungsmuster, Wissensdarbietungsmodi. Die Explizierungsthese fasst den Wissensverlust durch Reduzierung oder Eliminierung von unscharfem Wissen und „tacit knowledge“ ins Auge. Umfassende Explizitmachung produziert unbewältigbare Komplexität. Die Unverstehbarkeitsthese befasst sich mit dem Aufstieg von datenanalysierten „Mustern“, die nützlich sind, deren soziologisches Substrat aber nicht mehr erkennbar ist. Die Panoptikumsthese schließlich vermutet einen Wissensverlust durch Inauthentizierung des rückkoppelungsgesteuerten Verhaltens der Individuen und die dadurch erschwerte Verhaltensdechiffrierung. Permanentes Tracking und Selftracking führt zum „künstlichen“ Verhalten.</p> 2021-07-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1429 Die Übersetzung des Bauwissens und ihre versteckten Konflikte 2021-09-30T14:32:21+00:00 Cordula Kropp cordula.kropp@sowi.uni-stuttgart.de Yana Boeva yana.boeva@sowi.uni-stuttgart.de <p>Das Bauwesen gilt aufgrund seiner Fragmentierung als ein Nachzügler der Digitalisierung. Große Bauunternehmen und Regierungen erhoffen sich aber dadurch erhebliche Verbesserungen der Effizienz und Transparenz in Bauprozessen sowie eine Bewältigung der Wohnungskrise. Als ein wichtiger Treiber gilt die verbindliche Einführung von <em>Building Information Modeling</em> (BIM), ein digitales 3D-Modell für alle Phasen des Bauwerks. Dieses Modell liefert Informationen nicht nur zum planerischen Entwurf und allen Gewerken, sondern auch zu Qualitäten, dem Projektablauf und den Kosten (bis zum Betrieb). Gerade dieser Ansatz verursacht bei vielen Architekt/-innen und Baubetrieben Zurückhaltung aufgrund von Schnittstellenproblemen und offenen Fragen zum geistigen Eigentum, zur Verantwortungs- und Haftungszuschreibung sowie zur Flexibilität im Bauprozess. Es gibt viele weitere Digitalisierungsstrategien. Für den Entwurf zielen sie zum Beispiel auf die maximale Ausschöpfung der Computerleistung für die bauliche Performance und die Integration diverser Anforderungen in einer kybernetischen Tradition oder loten die Grenzen des formal und technisch Machbaren mit ikonischen Gebäuden aus (<em>computational design/parametric design</em>). Auf der Baustelle sollen technisch die Potenziale einer Roboterisierung und Automatisierung der Bauarbeit oder organisatorisch die Potenziale digitalisierter Projektabläufe und des Datenaustauschs bis hin zu Bauplattform(ökonomi)en erschlossen werden.</p> <p>Jede Nutzung digitaler Möglichkeiten setzt eine Übersetzung der verschiedenen, soziologisch ungleichen, fragmentierten und implizit vorliegenden Wissensbestände in digitalisierte Informationsverständnisse voraus. Die Akteur-Netzwerk-Theorie betont, dass Übersetzung immer auch Verrat ist. Das gilt auch hier und ist den beteiligten Akteuren zumindest teilweise bewusst. Rollen werden zwischen Menschen, Computern und Robotern neu verteilt, Steuerungs- und Handlungsspielräume definiert, Ungleichheiten zementiert, Parameter und Handlungszwänge geschaffen.</p> <p>Mit unserem Beitrag möchten wir die Spannungen auf Basis der empirischen Forschung im Exzellenzcluster „Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur (IntCDC)“ herausarbeiten und in den Kontext übergeordneter Macht- und Konfliktstrukturen der Automatisierung einordnen.</p> 2021-09-01T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1312 Auswirkungen von Migration auf die Stabilität von Partnerschaften 2021-09-30T14:32:12+00:00 Lisa Mansfeld lisa.mansfeld@uni-due.de <p>Der Beitrag geht der Frage nach, inwieweit sich die Partnerschaftsstabilität von deutschen Auswanderer*innen, Rückwanderer*innen und Nicht-Mobilen unterscheidet. Dabei wird auf Daten der German Emigration and Remigration Panel Study (GERPS) für die international Mobilen sowie auf das Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) für die nicht-mobilen Bevölkerung zurückgegriffen. Mithilfe von binären logistischen Regressionen, die zuvor geschätzte Gewichte durch <em>Entropy Balancing</em> miteinbeziehen, zeigt sich, dass eine internationale Migration die Trennungswahrscheinlichkeit signifikant erhöht. Im Vergleich zu Nicht-Migrant*innen haben sowohl Aus- als auch Rückwanderer*innen signifikant höhere Trennungswahrscheinlichkeiten. Gleichzeitig sind Trennungswahrscheinlichkeiten nach einer Rückwanderung signifikant höher als nach einer Auswanderung.</p> 2021-07-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1351 Zusammenhalt, Ressentiment und Solidarität in biographischen Erzählungen über die Nachwendezeit 2021-09-30T14:32:16+00:00 Mathias Berek berek@tu-berlin.de <p>Die Nachwendezeit erhält anlässlich der Wende-Jubiläen, aber auch durch die zunehmend kritische Auseinandersetzung mit dem dominanten Erfolgsnarrativ, immer mehr Aufmerksamkeit. Das hier vorgestellte Projekt untersucht Erzählmuster von Solidarität, Ressentiment und Zusammenhalt in biographischen Erinnerungen an die 1990er Jahre. Im Fokus stehen dabei soziale Kämpfe und die Perspektiven marginalisierter Gruppen. Der Beitrag stellt den Ansatz des Projekts und erste Ergebnisse vor, die auf explorativen Interviews mit jüngeren deutschen Jüdinnen und Juden beruhen. Deren Blick auf die Nachwendezeit ist geprägt von einer Analyse der Einheit als völkischem Projekt, der Betonung von Vielfalt der Erinnerungskulturen, auch innerhalb des Judentums, und der Forderung von Allianzen der Marginalisierten in der postmigrantischen Gesellschaft.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1283 Das präemptive Zeitregime der Sorge um Kinder 2021-09-30T14:32:07+00:00 Michael Wutzler michael.wutzler@uni-siegen.de <p>Das Kindsein wird durch eine besondere Verwundbarkeit gekennzeichnet. Zugleich beschreibt die Lebensphase der Kindheit einen Raum von Entwicklungspotenzialen. Dieses Entwicklungsparadigma basiert auf der Transformation gesellschaftlicher Zeitstrukturen zu einer <em>possibilistischen</em> Zukunftskonzeption. Die Abhängigkeit von Kindern wird hinsichtlich der zugeschriebenen Aspekte der Verwundbarkeit und Entwicklungsfähigkeit festgehalten. Die Bedingungen der Sorge um Kinder erwachsen dabei aus der historisch situierten Problematisierung des Kindeswohls.</p> <p>In den vergangenen Jahrzehnten kam es zu einer tiefgreifenden Umgestaltung der Ordnung der Sorge um Kinder. An die Stelle geschlossener Standards (u. a. heteronormative Kleinfamilie), hinsichtlich derer die Sorge gegenwartsbezogen und defizitorientiert abgeglichen wird, tritt ein offenes Gefährdungspotenzial, hinsichtlich welchem die Sorge zukunftsbezogen flexibel organisiert wird. Mit diesem Wandel des Wissensregimes um das Kindeswohl geht ein Wandel des Verhältnisses und der Grenzziehungen sorgender Institutionen einher. Prävention ist dabei ein elementarer Aspekt der Transformation der Ordnung der Sorge von disziplinierenden zu vorwiegend kooperativen Techniken.</p> <p>Präventives Vorgehen basiert darauf, dass Gefährdungen frühzeitig begegnet wird. Die kooperative und präventive Sorge ist ein dauerhaftes Arrangement. Prävention fordert die Eigenverantwortung aller engagierten Sorgenden kooperativ ein. Dabei ist Prävention nicht nur schadenvermeidend, sondern zugleich entwicklungsfördernd. Versteht man Prävention einseitig als repressive Intervention, verkürzt dies den Charakter präventiven Handelns. Mittels Prävention sollen nicht nur Gefahren für Kinder abgewehrt, sondern generativ zugleich Ressourcen freigelegt und Entwicklungspotenziale verwirklicht werden. Derart wird ein neues Zeitregime des Sorgens deutlich, dass zu einer <em>präemptiven</em> Zeitkonzeption übergeht, „die auf eine Art von antizipatorischer Deduktion der Zukunft, die in der Gegenwart wirksam ist, verweist" (Avanessian und Malik 2016).</p> <p>Im Beitrag werden die wesentlichen Facetten des Imperativs kooperativer Sorge rekonstruiert, die zentrale Stellung, die präventive Strategien dabei einnehmen, aufgezeigt und die wirklichkeitsverändernden Effekte des damit einhergehenden <em>präemptiven</em> Zeitregimes der Sorge um Kinder diskutiert.</p> <p>&nbsp;</p> <p><a href="#_ednref1" name="_edn1"></a></p> 2021-06-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1314 „Nur wer fühlt, dass etwas zu ihm gehört, kann es kontrollieren“ 2021-09-30T14:32:20+00:00 Folke Brodersen brodersen@campus.tu-berlin.de <p>Die Arbeit an einer Selbstakzeptanz hat in der Gegenwart Konjunktur. Der Beitrag zeigt, wie diese Technik durch einen therapeutischen Kontext in ein Sicherheitsdispositiv eingespannt wird. Am Beispiel der präventiven Adressierung der Pädophilie unterscheide ich drei Formen der Akzeptanz: Die Übernahme einer Gefährlichkeit in das eigene Selbstbild durch eine identitäre Fixierung, die Integration einer prototypischen Kindlichkeit in die eigene Wahrnehmung als handlungsleitende Perspektive sowie die Akzeptanz und Aufhebung störender Affekte zur kognitiven Steuerung von Situationen. Ich zeige damit nicht nur, dass das Problem sexuellen Kindesmissbrauchs gegenwärtig weiter auf einige bestimmte Subjekte fixiert wird, sondern auch wie diese sich selbst als aktive, ethische Träger dieser Verantwortung zu stilisieren haben.</p> 2021-06-29T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1319 Polizeiliches Handeln im Spannungsfeld von Institution und Biographie 2021-09-30T14:32:12+00:00 Miriam Schäfer mschaef2@gwdg.de <p>In diesem Beitrag diskutiere ich, inwiefern biographische Strukturierungen und Wissensbestände von Polizist*innen in einem Passungsverhältnis zu der Institution Polizei und den Handlungsbedingungen polizeilicher Arbeit stehen. Die empirische Rekonstruktion dieses Passungsverhältnisses ermöglicht es zu verstehen und zu erklären, wie sich unterschiedliche polizeiliche Handlungsmuster in einer recht strukturierten Ausbildung und innerhalb einer hierarchisch bestimmten Organisation ausbilden (können). Empirische Grundlage der methodenpluralen Untersuchung&nbsp;sind biographisch-narrative Interviews mit Polizist*innen und Beobachtungsprotokolle aus einer mehrwöchigen teilnehmenden Beobachtung des Einsatz- und Streifendienstes in Niedersachsen.&nbsp;</p> <p>&nbsp;</p> <p><a href="applewebdata://AB75324B-F8FD-47ED-A52B-F475F2AA850C#_ftnref1" name="_ftn1"></a></p> 2021-07-02T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1346 Friedhofsverwaltungen im Spannungsfeld zwischen privater Trauerarbeit und öffentlichem Dienst 2021-09-30T14:32:20+00:00 Ekkehard Coenen ekkehard.coenen@uni-weimar.de <p>Das professionelle Handeln der Friedhofsverwalter*innen ist in Deutschland hochgradig spannungsgeladen: Einerseits zielt ihre Arbeit auf einen pietätvollen Umgang mit den Verstorbenen und die Unterstützung der (privaten) Trauerarbeit der Hinterbliebenen. Neben ethischen Normvorstellungen ist es dabei insbesondere der gegenwärtige Hype um eine möglichst individualisierte und personalisierte Bestattung, der auch die Friedhofsverwaltungen dazu drängt, sich an den Bedürfnissen der Trauergemeinschaften zu orientieren und die Prozesse auf den Friedhöfen entsprechend anzupassen. Andererseits stehen die Friedhofsverwalter*innen aber auch im öffentlichen Dienst, wodurch sie in der Pflicht stehen, die bestehenden Gesetzgebungen und Friedhofsordnungen durchzusetzen und die Abläufe in den Friedhofsbetrieben zu gewährleisten; auch wenn diese den Wünschen der Bestattungspflichtigen und Verstorbenen entgegenstehen. An ihr Arbeitshandeln werden folglich die widerstreitenden Ansprüche einer möglichst passgenauen Bestattung und eines standardisierten und reibungslosen Verfahrens herangetragen.</p> <p>In diesem Beitrag gehe ich darauf ein, dass die Friedhofsverwalter*innen hierbei weniger vor Problemen in der Sach- und Sozialdimension stehen. Friedhöfe stellen mittlerweile zahlreiche Bestattungsarten und Möglichkeiten der Grabpflege sowie Trauerrituale zur Verfügung, so dass eine Bestattungsfeier beinahe beliebig ausgestaltet werden kann. Auch der Kreis der Trauernden ist nicht mehr beschränkt. Viele Friedhöfe haben sich unterschiedlichen religiösen und kulturellen Gemeinschaften geöffnet und bieten zumindest Beisetzungen in entsprechenden Grabfeldern an, so dass die »Autonomie der Trauer« scheinbar durch die öffentliche Hand gefördert wird. Sobald jedoch die Zeitdimension in den Blick genommen wird, lässt sich das Postulat des selbstbestimmten Trauerns innerhalb des Bestattungswesens nicht aufrechterhalten. Die Bestattungsgesetze geben klare und knappe zeitliche Fristen vor, die Friedhofsverwaltungen takten die Bestattungen in ihre betrieblichen Zeitpläne ein, die Hinterbliebenen müssen aus Verfahrensgründen in kurzer Zeit eine Vielzahl organisatorischer Aufgaben bewältigen, und vieles mehr.</p> <p>Es sind die "Zeitregime des Bestattens", die zu enormen Konflikten führen können; sowohl in den Selbstbeschreibungen der Verwalter*innen als auch zwischen ihnen und den Hinterbliebenen. Friedhofsverwaltungen bilden "Agenturen des Trauerns", in denen zwischen den Bedürfnissen der Trauernden und den kommunalen und landesweiten Vorgaben vermittelt wird. Indem ich verdeutliche, dass das Bestatten mittlerweile in die rigiden Abläufe der "Todesverwaltung" eingebettet ist, zeige ich auf, dass die These der Personalisierung des Trauerns, die spätestens seit den 1960er Jahren zu einem prominenten Narrativ innerhalb der Thanatosoziologie geworden ist, sich zumindest für das Bestattungswesen nicht mehr aufrechterhalten lässt.</p> 2021-08-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1434 Der öffentliche Auftrag der Justiz 2021-09-30T14:32:23+00:00 Birgit Apitzsch birgit.apitzsch@sofi.uni-goettingen.de Berthold Vogel berthold.vogel@sofi.uni-goettingen.de <p>Justizjurist*innen sind ein paradigmatischer Fall einer Profession mit „öffentlichem Auftrag“. Bislang sind Ausgestaltung und Veränderungen professioneller Autonomie in der Justiz jedoch kaum Gegenstand professionssoziologischer Forschung. Vor diesem Hintergrund fragt der Beitrag danach, wie Richter*innen und Staatsanwält*innen professionelle Autonomie wahrnehmen, und wie diese Wahrnehmung ihr berufliches Handeln prägt. Der Beitrag geht diesen Fragen nach auf Grundlage der Diskussion des Forschungstandes und einer multimethodischen Untersuchung von Arbeitsbedingungen, Berufswahl und professionellem Selbstverständnis von Staatsanwält*innen und Richter*innen in der niedersächsischen ordentlichen Gerichtsbarkeit, und zieht Schlussfolgerungen für die professionssoziologische Forschung zur Justiz.</p> 2021-09-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1392 Krisen in Migrationsbiographien 2021-09-30T14:32:17+00:00 Christian Schramm christian.schramm@rub.de <p>Der Beitrag untersucht am Beispiel der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008, wie abrupte gesellschaftliche Umbrüche in Biographien von Migrant/-innen und ihren Familienmitgliedern verarbeitet werden. Mittels einer Kombination aus Biographietheorie, Familien- und Figurationssoziologie und Annahmen der Transnationalisierungsforschung werden anhand einer Einzelfallanalyse drei Fragen beantwortet: (1) Welche Orientierungsfunktionen erfüllt die Biographie unter Bedingungen des abrupten Wandels gesellschaftlicher Rahmenbedingungen? (2) Wie verändern sich dabei gegenseitige familiale Abhängigkeitsbeziehungen in transnationalen Familienfigurationen? (3) Was tragen diese Erkenntnisse zur Debatte um die Förderung von Resilienz von Migrant/-innen und ihren Familienmitgliedern bei? Ein zentrales Ergebnis ist, dass sich die individualbiographische Bedeutung von Krisen nur über die langfristige Dynamik der Wechselwirkungsbeziehungen zwischen den Familienmitgliedern (m.a.W. über den Figurationsprozess) erschließt. Chancen und Risiken des Resilienzpotentials von sich re- und de-transnationalisierenden Familienbeziehungen für Migrant/-innen und ihre Familienmitglieder müssen vor diesem Hintergrund beurteilt werden.</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1288 Twitch-Clips 2021-09-30T14:32:08+00:00 Felix Krell felix.krell@zu.de <p>Twitch-Clips können als kompakte Vertreter des audiovisuellen Livestreaming-Formats verstanden werden, das sich aktuell – besonders auch durch pandemiebedingte Digitalisierungsschübe – auf dem Weg in den Mainstream befindet. Eigenschaften wie interaktive und produktive Ko-Orientierung, Authentizität, visuelle Publikums-Repräsentation und Open-Endedness gewinnen zunehmend Einzug in die Medienwelt. Sowohl für den Medien- als auch beim Publikumswandel repräsentieren Twitch-Clips einen signifikanten Entwicklungsschritt in Richtung interaktiver Rezeption und Publikumsrepräsentation, da Zuschauer*Innen erstmals in Echtzeit an der Entstehung von Medieninhalten kollektiv mitwirken und sich dabei Grenzen zwischen Medienpersönlichkeiten und ihren Publika auflösen.</p> <p>Clip-<em>Kulturen</em> lassen sich in diesem Kontext ganz wörtlich verstehen, da Clips selbst zu Live-on-Tape Aufnahmen von konkreten, in Videoformat verewigten sozialen Interaktionen werden. Audiovisuelle Medien entwickeln sich zu Trägern von öffentlichem, interaktionalem Gehalt und damit zu eigenen Kommunikationsarenen, die stets alle Teilnehmer*Innen und deren Bezugsobjekte visuell repräsentieren. In diesem Zusammenhang stehen sowohl die Filmsoziologie als auch die Medien- und Kommunikationssoziologie auch zukünftig vor der Aufgabe intensiver Zusammenarbeit, da durch den Wandel audiovisueller Online-Medien auch deren Forschungsgebiete zunehmend miteinander verschmelzen.</p> 2021-06-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1325 Das umstrittene Erbe von 1989 2021-09-30T14:32:13+00:00 Uta Karstein karstein@uni-leipzig.de Alexander Leistner a.leistner@uni-leipzig.de Heike Delitz heike.delitz@uni-bamberg.de <p>Der Beitrag problematisiert die bisherige soziologische Debatten zu 1989 aus einer dezidiert kultursoziologischen Perspektive. Herausgearbeitet wird der Charakter von 1989&nbsp; als ebenso charismatischer wie umstrittener „Erinnerungsort“ (Nora).&nbsp;Dieser Erinnerungsort war von Anfang an <em>ambivalent</em> und <em>umstritten.</em> <em>Ambivalent</em>, weil sich ab dem Herbst 1989 sehr komplexe Entwicklungen überlagert haben und eigendynamisch ineinanderschoben. Dafür spricht die angesprochene Vielfalt der Bezeichnungen, die aus dieser Zeit stammen, und ganz verschiedene Perspektiven und Betroffenheiten sowie Affekte offenbaren, die sich mit diesem Ereignis verbinden. Umstritten ist er, weil sich an ihm früh kollektive Gedächtnisse gespalten und diversifiziert haben, und dies weiterhin tun – bis zum gegenseitigen Unverständnis oder gar Bruch zwischen damals Beteiligten. Der Beitrag plädiert vor diesem Hintergrund für eine verstärkte Hinwendung zu den eigensinnigen Narrativen, die von den verschiedenen Akteuren ins Spiel gebracht werden, aber auch für eine stärkere Selbstreflektion der deutenden Sozialwissenschaften.</p> 2021-07-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1337 Erbe unter Spannung 2021-09-30T14:32:20+00:00 Jochen Kibel jochen.kibel@tu-berlin.de <p>Die umstrittene Vereinnahmung der Vergangenheit steht im Zentrum gesellschaftspolitischer Konflikte. Im Folgenden wird der Erbebegriff Derridas für die Betrachtung erinnerungskultureller Debatten nutzbar gemacht. Erben wird als eine Modalität des Erinnerns gefasst, die Plätze, Gebäude und Denkmale in ihrer <em>räumlichen</em> Bedeutung immer wieder neu und spannungsreich hervorbringt. Die Spannungen zwischen unterschiedlichen Imaginationen von Gesellschaft müssen als Deutungskämpfe <em>um</em> Kultur verstanden werden, die sich auch im Umgang mit dem baukulturellen Erbe artikulieren. In diesen Debatten konkurrieren nicht nur unterschiedliche Vergangenheitsbezüge, sondern ebenso <em>räumliche</em> Deutungsmuster. Deshalb gestattet eine raumsoziologische Perspektive, die konkurrierenden Verräumlichungen des Erbes im Sinne einer Refiguration von Räumen zu deuten. Ein anschauliches Beispiel dafür bildet der Berliner Stadtraum im Umfeld der Rekonstruktion des Berliner Stadtschlosses. Es wird deutlich, dass Denkmaldebatten stets über eine materielle Dimension verfügen und meist mit einer symbolischen (Neu-)Besetzung von Orten einhergehen, an denen unterschiedliche Räume diskursiviert werden. Die Demarkationslinie erinnerungspolitischer Kämpfe verläuft dabei nicht mehr (ausschließlich) zwischen ost- und westdeutschen kollektiven Erzählungen, sondern quer zu diesen (auch) im Hinblick darauf, wie die Vergangenheit räumlich-materiell beerbt wird.</p> 2021-08-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1385 Die ‚Revolution von 1989‘: „Konterrevolution“, bloß „nachholende Revolution“ oder „originale Revolution in der Weltgeschichte“? 2021-09-30T14:32:23+00:00 Joachim Fischer joachim.fischer@tu-dresden.de <p>Der Beitrag setzt sich kritisch mit der bundesrepublikanischen soziologischen Darstellung der Revolution von 1989 auseinander – gegen deren Kategorisierung als "Transformation", "Zusammenbruch" oder "Wende" den originär revolutionären Charakter hervorhebend. Es handelt sich nicht um eine nachholende Revolution (Habermas), sondern um die weltgeschichtlich erstmalige Revolution von einer sozialistischen Sicherheitsgesellschaft in eine bürgerliche Risikogesellschaft.</p> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1296 Zombies kann man nicht beweinen 2021-09-30T14:32:24+00:00 Kai Brauer brauer@hs-nb.de <p>Im Beitrag wird ausgelotet, inwiefern die Erinnerungspolitik und Feierkultur zu den Ereignissen des Herbst 1989 im Osten Deutschlands als strukturell „verspannt“ bezeichnet werden kann. Angesetzt wird am Revolutionsbegriff selber, bzw. an dessen Diskussion in der Soziologie der 1990er Jahre. Für viele der heute Kommentierenden sind damit eigene Erlebnisse und Positionen damals verbunden, die ggf. die wissenschaftlichen Sichtweisen beeinflussen. Dies kann zu Vorwürfen gereichen, die schwer aufzulösen sein werden. Eventuell liegen die Verspannungen aber an strukturellen Barrieren, die mit dem abrupten Ableben der DDR zusammenhängen. Jegliche Erinnerung an die DDR, auch die an ihre Opposition, könnte unter wechselseitigem Verdacht der selektiven Wahrnehmung und Subjektivität geraten. Aus der Sicht des nordamerikanischen Ethnologen John Borneman könnten dafür latente Ängste und Ablehnungen vor dem toten, aber nie begrabenen, Körper der DDR verantwortlich sein. Die Verdrängung der DDR als Zombie könnte damit nicht nur eine gemeinsame Feierkultur behindern, sondern auch den Blick auf die Basis der Revolution systematisch verstellen. Dazu wird im zweiten Teil des Beitrags ein kursorischer Überblick über Berichte und Analysen der „Offenen Arbeit“ der protestantischen Kirche geboten, die vor allem durch Walter Schilling und die Kirche von Unten ein Begriff wurde. Diese kann, wie die Blues-Messen 1979–1984, durchaus als entscheidende zivilgesellschaftliche Basisarbeit in den zehn bis zwanzig Jahren vor 1989 beschrieben, in soziologischen Diskussion besser wahrgenommen, und schließlich auch als Teil nationaler Erinnerungskultur gewürdigt werden.</p> 2021-09-29T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1294 How to take care of the plants that feed the world? 2021-09-30T14:32:10+00:00 Franziska von Verschuer verschuer@soz.uni-frankfurt.de <p><span class="fontstyle0">Mitte des 20. Jahrhunderts </span>wurde i<span class="fontstyle0">m Zuge westlicher Entwicklungspolitik in einigen Ländern des Globalen Südens eine landwirtschaftliche Modernisierungsoffensive zum Zweck der Herstellung globaler Ernährungssicherheit durchgeführt, die als „grüne Revolution“ bekannt wurde. Die damit einhergehende Industrialisierung und Homogenisierung landwirtschaftlicher Produktion leistete jedoch auch einem Verlust pflanzengenetischer Vielfalt Vorschub, der bald zum globalen ökologischen Problem wurde. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erhob daraufhin die Konservierung von Agrobiodiversität in Saatgutbanken zu ihrer Kernstrategie gegen die sogenannte „genetische Erosion“. Der vorliegende Beitrag untersucht die internationale Saatgutbank auf der arktischen Insel Spitzbergen, die heute als Knotenpunkt der globalen Anstrengungen zur Verfügbarmachung landwirtschaftlicher Nutzpflanzenvielfalt für die Zukunft gelten kann. Sie unterscheidet sich von anderen Saatgutbanken dadurch, dass sie als Backup-Speicher für Sicherheitskopien des in den Genbanken der Welt konservierten Saatguts dient. Im „ewigen Eis“ bewahrt, sollen die als unschätzbar wertvoll geltenden Ressourcen gegen eine Vielzahl von Risiken rückversichert werden, denen die Sammlungen in aller Welt ausgesetzt sind. </span></p> <p><span class="fontstyle0">In einem Vortrag zum zwölfjährigen Jubiläum des arktischen Saatgutspeichers im Jahr 2020 brachte ein Vertreter der FAO das fürsorgende Selbstverständnis der Bewahrer*innen der globalen landwirtschaftlichen Biodiversität auf den Punkt: „Taking Care of the Plants that Feed the World”.</span> <span class="fontstyle0">Dieses Selbstverständnis stellt der Beitrag auf den Prüfstand, in dem die Frage erörtert wird, inwiefern Saatgutkonservierung als Praxis der Sorge begriffen werden kann, worauf sich die Sorge- und Konservierungsbemühungen letzten Endes richten und welche performativen Wirkungen dies für un/mögliche Zukünfte hat. Dem zugrunde liegt eine <em>technoökologische</em> Perspektive auf die Frage, wie Relationen zwischen Menschen und ihren nicht-menschlichen Mitwelten in technowissenschaftlichen Praktiken in Kraft gesetzt werden. Wie die untrennbar verwobene Geschichte der Gefährdung und Konservierung von Agrobiodiversität veranschaulicht, sind ökologische Probleme, die zur Gefahr </span><span class="fontstyle2">für </span><span class="fontstyle0">menschliches Leben werden, eng mit der Gefährdung von Ökosystemen </span><span class="fontstyle2">durch </span><span class="fontstyle0">(bestimmte) menschliche Kultur(en) verwoben. Während Konservierungsmaßnahmen auf den ersten Blick den Eindruck eines reaktiven Unter-Kontrolle-Bringens erwecken, zeigt der Beitrag eine Verschränktheit von Natur und Kultur im Design des arktischen Saatgutspeichers auf, die nicht nur anerkannt, sondern auch nutzbar gemacht wird. Dies macht </span><span class="fontstyle0">ein Verhältnis zu Natur und Zukunft im Spannungsfeld zwischen Sorge und Regierung erkennbar, dessen Potenziale und Grenzen genauer in den Blick genommen werden.&nbsp;</span></p> 2021-06-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1424 Grenzen der Sorge 2021-09-30T14:32:22+00:00 Lisa Alexandra Henke lihenke@uni-mainz.de <p>Im Kontext des Narrativs einer neuen Epoche der Klima- und Erdgeschichte (Anthropozän) geht ein Wandel im Verständnis von Sorgebeziehungen hin zu einer dezidiert posthumanistischen Konfiguration einher, die Versuche beinhaltet, Sorge nicht mehr als intentionale menschliche Handlung, sondern als kollektiv sozio-materielle Praxis aufzufassen, die auch von mehr-als-menschlichen-Akteur/-innen ausgehen kann.</p> <p>Trotz dieser nicht von der Hand zu weisenden Involvierung von u.a. Tieren, Artefakten und Technologien in Sorgepraktiken diskutiert der vorliegende Beitrag – unter Zuhilfenahme von Helmuth Plessners Konzept der exzentrischen Positionalität – die Grenzen der Sorge und trägt damit dazu bei, den Sorgebegriff in seiner (exzentrischen) Spezifik zu fassen. Mit Blick auf drei Dimensionen wird gezeigt, dass in der Sorge Grenzen primär realisiert und nicht aufgehoben werden: 1) Grenzen gegenüber dem Gegenstand der Sorge, 2) zeitliche Grenzen in der Tätigkeit des Sich-Sorgens sowie 3) Grenzen gegenüber diesem Gegenstands- und Zukunftsbezug selbst. Durch die terminologische und konzeptionelle Ausdifferenzierung des Sorgebegriffs wird es möglich, Krisenmomente, in denen sich Sorge im Verlust eines Gegenstands- und Zukunftsbezugs zeigt, dennoch als Formen der Sorge und nicht als bloße Abwesenheit von Sorge zu erschließen.</p> 2021-09-24T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1333 Geburt zwischen Leben und Tod 2021-09-30T14:32:13+00:00 Lisa Waschkewitsch lisa.waschkewitsch@googlemail.com <p>Der Vorgang der Geburt geht im gesellschaftlichen Diskurs mit einer klaren Annahme einher: Geburt schafft Leben. Dass Geburt ebenso Anlass, Grund und Auslöser für Tod und das Ende von Leben bedeuten kann, ist in der Inszenierung von Schwangerschaft und Geburt nicht vorgesehen. Der Beitrag betrachtet auf Grundlage empirischer Ergebnisse die Geburt als körperlich-leiblichen Prozess und Schwellenritual im Kontext von Schwangerschaftsverlusten. Anhand der Phänomene von früher Fehlgeburt und Neugeborenentod zeichnet die Autorin nach, welche Rolle die Geburt in den Fällen von schwangerschaftsbedingten Verlusten einnimmt. Dabei wird gefragt, wie die betroffenen Frauen den körperlich-leiblichen Vorgang der Geburt in den hier betrachteten Fällen von Schwangerschaftsverlust beschreiben und welche Formen der Ritualisierung und Routinisierung dabei stattfinden. Zudem wird aufgezeigt, welche Bedeutung der Geburt für das Verlusterleben zukommt und welche Schlüsse sich daraus für Assoziationen des Geburtsvorgangs nicht nur mit der Kategorie des Lebens, sondern auch mit den Kategorien von Tod, Verlust und Abschied ergeben.</p> 2021-07-19T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1411 Choice in maternity care and childcare policies in the Netherlands and Germany 2021-09-30T14:32:20+00:00 Hannah Zagel hannah.zagel@hu-berlin.de Nadine Reibling reibling@uni-siegen.de <p>This paper investigates whether choice has gained importance as a political narrative and factually in care policies in Germany and the Netherlands since the late 1980s. Previous literature suggests that welfare reform introduced an increasing focus on choice in various policy areas in Bismarckian welfare states and beyond, but whether choice is a central aspect across different care policies is not well understood. We argue that choice is an important component for analysing change in family-related policies, because it reflects how much welfare states have moved towards supporting individualism in family arrangements. Moreover, economic as well as sociological research is interested in choice due to its association with quality of care and inequalities. By analysing maternity care policies alongside childcare policies, we also add a hitherto often neglected state intervention in family life, i.e. policies addressing pregnancy and childbirth.</p> 2021-08-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1404 Fluchtbearbeitung und ambivalente Zivilgesellschaft in der BRD 2021-09-30T14:32:18+00:00 Andreas Kewes andreas.kewes@uni-siegen.de <p>Der Beitrag fokussiert die frühe westdeutsche Solidaritätsbewegung für Geflüchtete, welche seit Mitte der 1970er Jahre entstand und kritisch die restriktiven Asylgesetze begleitete. Es wird angenommen, dass die damals entstandenen Organisationen oder Publikationsformate zum Teil heute noch existieren und eine wichtige Rolle in der Asylpolitik spielen. Zugleich wird argumentiert, dass diese zivilgesellschaftlichen Akteur_innen, die in der Rückschau als ungemein progressiv erscheinen, für durchaus heterogene Positionen ein- und sich untereinander kritisch gegenüberstanden. Ambivalent ist dabei zweierlei: Einerseits die Rolle der Wohlfahrtsverbände im deutschen Asylregime, andererseits die Positionen anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen innerhalb der sozialen Bewegung und den Wohlfahrtsverbänden gegenüber.</p> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1438 „Aggressive Flüchtlinge, gewaltbereite Hooligans, verunsicherte Bürger“ 2021-11-05T07:54:06+00:00 Miriam Trzeciak trzeciak@b-tu.de Jana Schäfer Jana.Schaefer@b-tu.de <p>Unser Beitrag untersucht anhand ausgewählter Medienberichte aus dem Jahr 2018, wie Mediatisierungen von Migration und Konflikt in ostdeutschen Städten mehrdimensionale Prozesse des Othering (Veranderung) (re)produzieren. Angelehnt an das Instrumentarium der wissenssoziologischen Diskursanalyse (Keller 2011) rekonstruieren wir spezifische Deutungsmuster und Subjektpositionen, die ethnosexuelle und räumlich-kulturell-zeitliche Formen der Grenzziehung aufrufen. Durch die Kombination von postkolonialen und postsozialistischen Perspektiven beleuchten wir, wie die Prozesse des Othering mit essentialisierenden sowie homogenisierenden Vorstellungen von nationaler Zugehörigkeit einhergehen.</p> 2021-09-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1299 Problem angemessene(r) Berichterstattung 2021-09-30T14:32:08+00:00 Mirco Liefke liefke@em.uni-frankfurt.de <p>Ausgehend von ethnographischen Feldnotizen führt dieser Beitrag die Problembearbeitungskompetenz einer Fernsehnachrichtenredaktion am Beispiel der Klimaberichterstattung vor. Dabei werden jene Herausforderungen offengelegt, die mit der Thematisierung existentiell bedrohlicher Prozesse wie der globalen Klimaerhitzung einhergehen. Außerdem zeigen sich Präferenzen journalistischen Arbeitens sowie Kapazitäten, diskursive Potentiale und Überforderungen des redaktionellen Apparates und wie es diesem gelingt, aus importierten Informationen einen akzeptablen Fernsehbeitrag zu produzieren.</p> 2021-06-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1395 Geschlechterkritik und ihre 'contested matters' 2021-09-30T14:32:21+00:00 Michael Hutzler michael.hutzler@yahoo.de <p class="ydp8605d4c3western">Geschlechterpolitischer Aktivismus problematisiert soziale Arrangements, die auf der Kategorisierung von Männern und Frauen aufbauen. Eine soziologische Analyse dieser kritischen Praxis richtet den Blick auf die Art und Weise der Problematisierung und auf ihre performativen Effekte. Der Beitrag fragt im Zusammenhang einer ethnografischen Untersuchung einer queer-feministischen Aktivist:innengruppe nach den ‚contested matters‘ der Geschlechterkritik.</p> <p class="ydp8605d4c3western">Indem geschlechterkritischer Aktivismus die Geschlechterunterscheidung zum Gegenstand politischer Kritik macht, konzipiert er sie als ein ‚soziales Objekt‘ und partizipiert damit an der Soziologisierung dieser Zugehörigkeitskategorie. Anlass für die politische Kritik sind zunächst mit der Kategorisierung verbundene Ungleichheitseffekte, in der queer-feministischen Problematisierung kommt die Infragestellung der Legitimität der Klassifizierung selbst hinzu.</p> <p class="ydp8605d4c3western">Für die untersuchte Organisationsgruppe eines ‚Ladyfests‘ ist folgenreich, dass sie ihr ‚contested object‘ als mit Machteffekten ausgestattete ‚soziale Struktur‘ konzipiert, welche auch die Aktivist*innen selbst in Form sozialisatorisch erworbener Routinen erfasst. Das Objekt der Kritik erscheint so als übermächtig und ein einfaches Absehen von der zugrundeliegenden Unterscheidung als nicht geboten. Die Annahme einer klar benennbaren Verteilung von Privilegien und Benachteiligungen führt dabei zur Reaktivierung von Geschlecht als binär konzipiertem ‚membership device‘ (Sacks) und ermöglicht so zugleich eine bestimmte Form der politischen Zuspitzung.</p> <div class="ydp8605d4c3western">Die Nähe aktueller Geschlechterkritik zu den akademischen Diskursen der Gender Studies will die vorgestellte Untersuchung als Gelegenheit nutzen, die Wissenspraxis des Feldes mit jener der sozialwissenschaftlichen Forschung in Bezug zu setzen. Verzichtet man dabei auf den Anspruch einer prinzipiellen Überlegenheit soziologischen Wissens gegenüber dem ‚Alltagswissen‘ des Feldes, lassen sich dort zum Einsatz kommende sozialtheoretische Setzungen nach ihren praktischen Konsequenzen befragen.</div> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1338 'Soziologien verknüpfen' als Voraussetzung kosmopolitischer Theoriearbeit 2021-09-30T14:32:15+00:00 Youssef Dennaoui youssef.dennaoui@kt.rwth-aachen.de <p>Ulrich Becks Theorem der ‚Interferenz der Nebenfolgen‘ wird in diesem Beitrag in einer Weise weiterentwickelt, die erlaubt, den Fokus auf die multiplen Nebenfolgen und die brutalen Formen ihrer Interferenz zu richten, ganz egal aus welchen globalen Modernisierungserfahrungen diese resultieren. Damit ist die Idee verbunden, das Nebenfolgentheorem, wie es Beck für den europäischen Kontext im Rahmen seiner kosmopolitischen Soziologie erarbeitet hat, für andere Regionen und Lebenskontexte im globalen Süden zu öffnen und zu pluralisieren. Becks ‚kosmopolitisches Theoretisieren‘ als Projekt des Verknüpfens und Zusammenführens von Theorien und Geschichten aus unterschiedlichen Regionen der Welt muss hier seine Ausgangslage und Begründung finden. Zentrales Ziel dabei ist die Kosmopolitisierungsforschung, wie sie Beck eingeleitet hat, in ihren globalen verflechtungsgeschichtlichen, weltrisikogesellschaftstheoretischen, methodologischen und normativen Grundlagen stärker zu dezentrieren, um globale Modernisierungsnebenfolgen in ihren widersprüchlichen und konflikthaften Interferenzen zu untersuchen, anstatt sie getrennt voneinander als isolierte Einheiten zu behandeln.</p> 2021-08-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1374 Der Nationalsozialismus, »ein metaphysisches Geheimnis«? 2021-09-30T14:32:17+00:00 Alexandra Schauer alexandra_schauer@gmx.de <p>Bereits 1946 schrieb Max Horkheimer aus dem amerikanischen Exil an seinen in Deutschland verbliebenen Schüler Heinz Maus, dass er die »Ausbildung einer zeitgemässen Soziologie des Terrors« als »eine der wichtigsten und spezifisch deutschen Aufgaben« ansehe. Dieser Aufgabe ist die Soziologie bis heute nicht nachgekommen. Der Beitrag setzt an dieser Leerstelle an. Er versteht sich als eine Spurensuche, durch die Antworten auf die Frage gefunden werden sollen, warum sich ausgerechnet die Soziologie so wenig mit diesem Phänomen befasst. Der Weg, den diese Spurensuche einschlägt, ist ein Umweg. Anstatt sich unmittelbar mit der Gegenwart zu beschäftigen, fokussiert er das schwierige Verhältnis der Soziologie zum Nationalsozialismus und fragt, ob sich aus diesem etwas über die aktuelle Vernachlässigung des Rechtsterrorismus lernen lässt.</p> 2021-09-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1446 #baseballschlägerjahre 2021-09-30T14:32:17+00:00 Rieke Borges rieke.borges@uni-jena.de Franziska Wiest franziska.wiest@uni-jena.de <p>Mit dem 30-jährigen Wendejubiläum werden Diskurse und Deutungsmuster über Ostdeutschland viel diskutiert. Der Diskurs um den #baseballschlägerjahre erfuhr in diesem Zusammenhang viel Aufmerksamkeit und brachte einschlägige Erzählungen über gewaltvolle Transformationserfahrungen der 90er Jahre hervor. Dieser Beitrag stellt die Ergebnisse einer Diskursanalyse der Baseballschlägerjahre vor und widmet sich der Frage, wie in diesen Erzählungen rechte Gewalt und Männlichkeit mit ostdeutschen Zuschreibungen verknüpft werden. Die Ambivalenzen dieser dreifachen diskursiven Verschränkungen werden hinsichtlich ihrer Leerstellen und Anschlussfähigkeiten an Diskurse des „Braunen Ostens“ kritisch diskutiert.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1370 Handlungsfähigkeit in der Freizeit Jugendlicher 2021-09-30T14:32:23+00:00 Barbara Mataloni barbara.mataloni@univie.ac.at <p>Agency beschreibt die Fähigkeit von Jugendlichen auf ihre Umwelt einwirken zu können. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Eigenschaft, die vorausgesetzt werden kann, sondern um eine Fähigkeit, die sozial gebildet wird. Von Bedeutung für die Handlungsfähigkeit von Jugendlichen sind dabei auch die Bedingungen in ihrer Freizeit. In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse aus einer Online-Umfrage in Wien vorgestellt, in der mit einem neu entwickelten Messinstrument sowohl organisierte als auch nicht-organisierte Freizeitkontexte in den Blick genommen wurden. In organisierten Freizeitkontexten, d.h. „Bei einem Training, Kurs oder Probe“, sind die Möglichkeiten neue Aspekte über sich selbst kennenzulernen und mit unterstützenden Anderen in Kontakt zu sein besonders ausgeprägt. Auch nicht-organisierte Freizeitkontexte, wie z.B. „Bei Freunden und Freundinnen zuhause“, „Außer Haus, in der Stadt“ und „Im Freien in der Natur“ bieten Gelegenheiten für die Herausbildung von Handlungsfähigkeit. Darüber hinaus sind sie durch ein geringeres Ausmaß an Verpflichtung gekennzeichnet. Insgesamt scheinen die Erfahrungen in diesen Kontexten flüchtiger, fragiler, aber auch entwicklungsoffener zu sein.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1304 Postkoloniale Soziologie praktisch? 2021-09-30T14:32:09+00:00 Olaf Tietje olaf.tietje@soziologie.uni-muenchen.de <p>Wie kann in Theorieseminaren eine praktische Komponente verfolgt werden? Welche Bedeutungen haben neokoloniale Machtverhältnisse in eigenen Biographien und was kann der Café vor dem Seminar mit <em>subaltern agencies</em> zu tun haben? Diesen und weiteren Fragen geht der Text entlang einer Studienreise in den Süden Mexikos nach. Exemplarisch wird so beispielhaft an einem Forschungsseminar zu postkolonialer Soziologie die Bedeutung von Erfahrungen für das Verständis von theoretischen Perspektiven verfolgt.</p> 2021-06-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1303 Verwandlung von Lehrstoff in einen Comic 2021-09-30T14:32:19+00:00 Ursula Offenberger ursula.offenberger@uni-tuebingen.de <p>Der Beitrag beleuchtet ein Vorhaben, in dem Seminarstoff gemeinsam mit Studierenden zu einem Webcomic verarbeitet wurde, um das Seminarthema einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und Interesse an der Thematik zu wecken. Die Sozialforschung der Bewohnerinnen des Hull-House-Settlements in Chicago wird in ihrer Bedeutung als Pionierarbeit für die empirische Sozialforschung insgesamt dargestellt. Außerdem werden Überlegungen angestellt zum Comic als Medium von Wissenschaftskommunikation.</p> 2021-06-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1387 Partizipative Ansätze in der Hochschullehre? 2021-09-30T14:32:23+00:00 Yvonne Berger yvonne.berger@th-rosenheim.de <p>Der Beitrag beschäftigt sich mit den Herausforderungen forschenden Lernens im Rahmen einer qualitativen Evaluationsstudie zu inklusiven Klettergruppen. Dabei werden die zentralen empirischen Ergebnisse sowie die (Lehr-)Forschungspraxis selbst in den Blick genommen.&nbsp;Die Komplexität im Umgang mit <em>(un)doing disability</em> und die methodische Gegenstandsangemessenheit in der Evaluationsforschung wird anhand empirischer Daten veranschaulicht und die zur Anwendung kommenden qualitativen Methoden diskutiert. Am Beispiel dieser kollaborativen Studie mit Studierenden werden damit abschließend nicht nur empirischen Einsichten in den Gegenstand deutlich, sondern insbesondere methodische Herausforderungen forschenden Lernens von und mit Studierenden sichtbar.</p> 2021-07-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1344 Aufstocker*innen im aktivierenden Sozialstaat 2021-09-30T14:32:14+00:00 Sebastian Jürss juerss@uni-bremen.de <p>Der Beitrag befasst sich mit den Gerechtigkeitsvorstellungen von Aufstocker*innen. Anhand von einer Auswahl von problemzentrierten Interviews werden sowohl die Gerechtigkeitsvorstellungen wie auch die Wahrnehmung der Lage der Betroffenen rekonstruiert. Es lassen sich eine gemeinsame Ungerechtigkeitserfahrung, die Stigmatisierung als passive Leistungsempfänger*innen, und Gerechtigkeitsansprüche gegenüber der Gesellschaft und ihren Institutionen sowie Gerechtigsvorstellungen, die auf einer individuellen Ebene verbleiben, herausarbeiten. Wird der größere Lebenszusammenhang in die Analyse einbezogen, zeigen sich weitere Differenzierungsmöglichkeiten der Gerechtigkeitsvorstellungen, beispielhaft an der partnerschaftlichen Gerechtigkeit.</p> 2021-08-04T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1388 Spannungsdynamiken in der beruflichen Rehabilitation 2021-09-30T14:32:21+00:00 Sebastian Ixmeier sebastian.ixmeier@uni-due.de Ann-Katrin Peters ann-katrin.peters@uni-due.de Gero Scheiermann gero.scheiermann@uni-due.de <p>Die gesellschaftliche Teilhabe von langzeitarbeitslosen Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen ist ein zentrales Ziel sozialpolitischer Anstrengungen. Als wichtiger Schlüssel dafür kann eine Arbeitsmarktintegration angesehen werden. Der Forschungsstand deutet jedoch darauf hin, dass die Chancen auf eine erfolgreiche Berufsausbildung dieser Zielgruppe gering sowie ein anschließender Übergang in den Arbeitsmarkt häufig problematisch sind. Auch staatliche Förderprogramme zur Beseitigung dieser strukturellen Benachteiligung können die Zielgruppe bislang nicht flächendeckend erreichen.</p> <p>Um eine Verbesserung dieses sozialpolitischen Spannungsfeldes herbeizuführen, hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit dem Bundesprogramm „rehapro“ eine neue Förderinitiative auf den Weg gebracht. In diesem Kontext wurde Anfang 2020 das Modellprojekt „Essen.Pro.Teilhabe“ initiiert. Im Projekt arbeiten verschiedene private und gemeinnützige Träger (u.a. Ärzt*innen, Psycholog*innen, Sozialarbeiter*innen, Arbeitsvermittler*innen) unter der Leitung des JobCenters Essen interdisziplinär zusammen, um eine bestmögliche, ganzheitliche Betreuung der arbeitsmarktfernen Zielgruppe mit (drohenden) Rehabilitationsbedarf&nbsp;zu ermöglichen. Zentrales Ziel des Modellprojektes ist die Verbesserung der allgemeinen Teilhabesituation sowie die Identifikation von Gelingensbedingungen für den Regelbetrieb. Im Rahmen des Beitrags wird das Projekt im Forschungszusammenhang vorgestellt und erste Erkenntnisse aus der wissenschaftlichen Projektbegleitung präsentiert.</p> <p>Dabei zeigen die Ergebnisse einer quantitativen Online-Befragung von Teilnehmer*innen zum Projektstart, dass besonders die gesundheitliche Prävention wie auch die Verbesserung der beruflichen Teilhabe im Rahmen des ganzheitlichen Ansatzes als Ziel- und Handlungsdimensionen weitgehend anerkannt werden. Zudem besteht eine allgemein positive Grundhaltung hinsichtlich der Verbesserung der individuellen Teilhabesituation sowie gegenüber der konkreten Projektgestaltung. Allerdings zeigt sich auch eine tendenziell geringere Bedeutung der sozialen Teilhabedimension sowie eine drohende Überforderung mancher Teilnehmer*innen im Zuge des ganzheitlichen Ansatzes. Der Beitrag schließt mit der These, dass die partielle Überforderung als Folge einer sozialstaatlich expansiven Förderstrategie angesehen werden kann und liefert einen Ausblick auf weitergehenden Forschungsbedarf.</p> 2021-09-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1379 Mehrdeutigkeit(en) sozialer Beziehungen aus interaktionistischer Perspektive 2021-09-30T14:32:17+00:00 Tom Töpfer toepfert@uni-hildesheim.de <p>In dem Beitrag wird, in der Tradition von Mead und Blumer, ein interaktionistischer Zugang zur Konzeptionalisierung und Erfassung der Mehrdeutigkeiten sozialer Beziehungen skizziert.&nbsp; Basierend auf einer interaktionistischen Konzeption des Zusammenspiels aus Situation, Interaktion und sozialer Beziehung illustriere und diskutiere ich in diesem Beitrag einen analytischen Ansatz zur Erschließung sozialer Beziehungen anhand verschiedener Deutungsebenen. Damit soll insbesondere die Netzwerkforschung angeregt werden, sich stärker mit einem interaktiven Verständnis sozialer Beziehungen auseinander zu setzen und dies als eine Möglichkeit der theoretischen Fundierung eines bislang eher wenig konzeptualisierten Beziehungsbegriffes wahrzunehmen. Außerdem möchte ich eine eher dyadisch orientierte Beziehungsforschung für die relationale Perspektive sensibilisieren, die der symbolische Interaktionismus anbietet und damit konzeptionelle Anschlussfähigkeiten zu einer Netzwerkperspektive aufzeigen. Ansetzend einer dyadischen Konstellation illustriere ich zunächst einen interaktionistischen Beziehungsbegriff, der soziale Beziehungen als deutungsabhängige Ordnungsprozesse versteht, die in Interaktionen und über Situationen verhaftet sind. Ich differenziere verschiedene Bezugsebenen zur Erfassung subjektiven und sozialen Sinns sowie intersituative und transsituative Bezugsebenen für den analytischen Zugriff auf soziale Beziehungen. Ich stelle daraufhin heraus, dass soziale Beziehungen genuin in Verweisungszusammenhänge und Beziehungsgefüge eingebettet sind und illustriere dies anhand der Figur der Triade. Schließlich deute ich an, wie der Forschungsprozess selbst als interaktiver Deutungsprozess konzeptionalisiert werden kann und dahingehend, aus interaktionistischer Perspektive, eine weitere, reflexive Deutungsebene eingezogen werden muss.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1309 Plattformen als infrastrukturzentrierte Märkte 2021-09-30T14:32:11+00:00 Christopher Grieser christopher.grieser@tu-berlin.de <p>Plattformen gelten als ein wesentliches Element des digitalen Kapitalismus. Ihre Rolle wird dabei als so zentral angesehen, dass sogar von einem „Plattform-Kapitalismus“ (Srnicek 2017) oder einer „Plattform-Gesellschaft“ (van Dijck et al. 2018) die Rede ist. Den auf den ersten Blick relativ diversen Typen von Plattformen, die von mobilen Betriebssystemen bis hin zu Arbeitsvermittlungs-Plattformen reichen, wird dabei zugeschrieben eine grundsätzlich ähnliche Funktionslogik zu besitzen (Kirchner, Beyer 2016). Obwohl somit die Verwendung eines allgemeinen Plattformkonzeptes sinnvoll wäre, wird beklagt, dass die verschiedenen Ansätze der Plattformforschung inkonsistent seien, da marktorientierte und technikorientierte Perspektiven auf Plattformen nicht zueinander in Bezug gesetzt werden (z.B. Schreieck et al. 2016, S. 2). Angesichts dessen möchte ich in diesem Beitrag vorschlagen, Plattformen als infrastrukturzentrierte Märkte zu konzipieren, um ebendiese Perspektiven zusammenzuführen.</p> <p>Die Fruchtbarkeit eines solchen integrierten Plattformbegriffes soll am Beispiel der Solo-Selbstständigkeit auf digitalen Märkten illustriert werden. Auch wenn beim Thema Selbstständigkeit zumeist an die Arbeitsvermittlungs-Plattformen der Gig Economy gedacht wird, finden sich Solo-Selbstständige aber auch auf verschiedenen anderen Plattformen wieder: So werden beispielsweise zahlreiche Games im App Store von unabhängigen ProgrammiererInnen („indie developer“) entwickelt und große Teile der Medieninhalte auf Video-Plattformen werden von selbstständig tätigen InfluencerInnen und StreamerInnen produziert (vgl. Nieborg, Poell 2018). Diese Vielfältigkeit der Plattformtypen macht das Thema Solo-Selbstständigkeit zu einem idealen Fall, um die Nützlichkeit eines generalisierten Plattform-Verständnisses zu demonstrieren. Die Vorzüge des integrierten Plattformbegriffes werden dabei anhand drei zentraler Konsequenzen diskutiert, die der digitale Kapitalismus für Selbstständige hat: die Senkung von Einstiegshürden in die Selbstständigkeit, die Homogenisierung von Kreativerzeugnissen, sowie eine verringerte Autonomie durch gleich mehrfache Abhängigkeiten von der Plattform.</p> 2021-06-21T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1431 Contenterstellung als Plattformarbeit 2021-09-30T14:32:20+00:00 Fabian Hoose fabian.hoose@uni-due.de Sophie Rosenbohm sophie.rosenbohm@uni-due.de <p>Blogs und Social-Media-Plattformen wie YouTube oder Instagram erfreuen sich wachsender Beliebtheit und ermöglichen zudem neue Formen des selbstständigen Erwerbs für (Video-)Blogger*innen. Diese Selbstständigkeiten sind von spezifischen Bedingungen der neuen digitalen Märkte geprägt. So zahlen Leser*innen und Zuschauer*innen nicht direkt für den Inhalt, sondern die (Video-)Blogger*innen monetarisieren über Werbung, Sponsoring und Produktplatzierungen die Aufmerksamkeit, die ihnen zuteilwird. Es bestehen niedrige Eintrittsbarrieren in diese Selbstständigkeiten, da nur geringe finanzielle Investitionen notwendig sind und kaum institutionelle Marktbeschränkungen wie z.B. spezifische Ausbildungszertifikate oder Berufsnormen bestehen, um als Blogger*in oder YouTuber*in tätig zu werden. Der Beitrag stellt (Video-)Bloggen als Form digitaler Erwerbsarbeit vor und ordnet zentrale Funktionsweisen davon in die derzeigitge Diskussion über Plattformarbeit ein. Empirische Basis bildet das Projekt „Entgrenzte Arbeit im Netz: Bloggen und Vloggen als neue digitale Arbeitsformen“, welches vom Mercator Research Center Ruhr gefördert und am IAQ durchgeführt wurde.</p> 2021-08-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1435 Soloselbstständige Erwerbsarbeit in der Plattformökonomie. 2021-09-30T14:32:23+00:00 Jasmin Schreyer jasmin.schreyer@fau.de <p>Das unabhängige Kurierkollektiv, das 2017 in Berlin gegründet wurde, ist zu 100 Prozent selbstverwaltet, autonom und emissionsfrei. Es agiert als dezentrales Netzwerk und will als "Agentur für nachhaltige urbane Logistik" sowohl einen individuellen Bewusstseinswandel als auch einen gesellschaftlichen Wandel im Hinblick auf eine nachhaltige Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen initiieren.</p> <p>Die explorative qualitative Fallstudie befasst sich mit verschiedenen Aspekten der Plattformökonomie, wie den Arbeitsbedingungen (Stichwort: Atomisierung und Ausbeutung der Arbeitenden), die durch das Kollektiv mittels Selbstbestimmung und kollektive Entscheidungsfindung überwunden werden sollen. Aber auch in Bezug auf die technischen Koordinationsmechanismen setzt sich das selbstverwaltete Unternehmen von anderen Plattformunternehmen ab. Die von Crow genutzte technische Infrastruktur lässt sich nicht auf einen alles koordinierenden Algorithmus reduzieren, sondern wird aus mehreren Quellen gespeist, was die Fehlerquote erhöht, gleichzeitig aber auch immer alternative Strategien bereitstellt, wenn es ein technisches Problem mit einer der verwendeten Anwendungen gibt.</p> 2021-08-26T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1349 Grenzen der Aufklärung? 2021-09-30T14:32:16+00:00 Stefan Müller stefan.mueller@sowi.uni-giessen.de <p>Eine Auseinandersetzung mit Antisemitismen in Bildungskontexten bildet unterschiedliche Herausforderungen. Der Beitrag diskutiert strukturelle Rahmenbedingungen institutioneller Bildung und&nbsp;verknüpft diese mit einer exemplarischen Analyse eines Arbeitsblattes. Entscheidend ist dabei, ob&nbsp;sozialwissenschaftliches Wissen gegen und über Antisemitismen curricular für Lehrende und Lernende (nicht) vorgesehen ist.&nbsp;Exemplarisch wird skizziert, wie Bildungsmaterialien, die sowohl didaktischen als auch fachwissenschaftlichen Anforderungen genügen, keine Garantien zum Schutz vor Ressentiments bieten&nbsp;können. Gezeigt wird, dass neben Faktenwissen zudem&nbsp;sozialwissenschaftlich reflexive Wissensformen benötigt werden, um vergangene und aktuelle Erscheinungsweisen von Antisemitimen&nbsp;erkennen und kritisieren zu können.</p> 2021-09-01T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1281 Krise der Sozialforschung und pragmatische Normativität 2021-10-04T09:08:55+00:00 Rainer Diaz-Bone rainer.diazbone@unilu.ch <p>Der Beitrag skizziert zunächst gesellschaftliche Kritiken an der Sozialforschung sowie Veränderungen der gesellschaftlichen Positionierung der Sozialforschung. Seit Jahren ist eine aufkommende paradoxe Situation zu beobachten, die darin besteht, dass einerseits eine wachsende Nachfrage nach sozialwissenschaftlichen Daten und empirischen Analysen zu beobachten ist, dass andererseits zugleich auch eine wachsende Kritik an solchen Daten und empirischen Analysen aufkommt. In der Öffentlichkeit verschlechtert sich für Umfragen das „Survey-Klima“. Mit der Etablierung der Internet-basierten Big Data-Technologien entsteht zudem ein im wesentlichen unternehmensbasierter Bereich der Sozialforschung, in dem massenhaft generierte Daten, deren Auswertung und die darauf beruhenden Strategien der kommerziellen Gesellschaftsanalyse und Verhaltensbeeinflussung für die Öffentlichkeit und akademische Sozialforschung unsichtbar sind. Es steigt auch daher das Bewusstsein für damit verbundene Probleme des Datenschutzes und die Sorge über die gesellschaftlichen Auswirkungen von kommerziellen Big Data-Technologien. Zudem entstehen weitere "Datenwelten" wie die zivilbürgerliche Datenwelt und auch die amtliche Statistik positioniert sich als Datenwelt neu.</p> <p>Was sind also Perspektiven für die Sozialforschung im Umgang mit der Kritik und der Konkurrenz durch andere Datenwelten? In dem Beitrag wird auf der Grundlage der Soziologie der Konventionen versucht, die Ausrichtung der Sozialforschung und weiterer Datenwelten auf plurale Formen des Gemeinwohls als Ansatzpunkt zu wählen. Die Soziologie der Konventionen betrachtet Sozialforschung – wie jede Form der Koordination – als auf Logiken fundiert, die zugleich eine pragmatische Normativität darstellen. In dem Beitrag wird daher das Konzept der Datenwelten eingeführt, um systematisch die Kritik und Spannungen zwischen den vier Datenwelten der Sozialforschung, der Big Data Welt, der zivilbürgerlichen Datenwelt und der amtlichen Statistik zu analysieren.</p> 2021-05-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1414 Theorie-informierte Akteur*innen als Herausforderung für qualitative Verfahren 2021-09-30T14:32:21+00:00 Guy Schwegler guy.schwegler@unilu.ch <p>Der Beitrag möchte eine methodologische Herausforderung präsentieren für Leitfaden-Interviews und vergleichbare Techniken der qualitativen Sozialforschung. Die Herausforderung betrifft den Umgang mit Theorie-informierten Akteur*innen bei der Datenerhebung und den daraus folgenden Analysen. Als Resultat von gesellschaftlichen Entwicklungen (u.a. Bildungsexpansion) treten mehr und mehr Interviewsituationen auf, in denen Forschende mit explizit theoretisch informierten Akteur*innen konfrontiert sind. Das heißt, es müssen Personen ‚beforscht‘ werden, die über dieselben oder ähnliche kultur- und sozialwissenschaftliche Theorie-Ressourcen verfügen wie die oder der Forschende. Diese Situation stellt gewisse Vorstellungen von Sozialforschung in Frage, etwa davon was nun genau ‚empirische‘ Daten sind oder ab wann von Experteninterviews gesprochen werden kann. Methodologisch nochmals radikaler formuliert wird aber die Frage danach gestellt, wer über die ‚Interpretationshoheit‘ und die ‚Deutungshoheit‘ verfügt, wenn nicht mehr nur die Forschenden über Theoriekompetenzen für die Auswertung und Interpretation verfügen. Der Beitrag soll methodologischen Prämissen für den Umgang mit dieser Herausforderung aufzeigen und auch konkretere Techniken für Interviews und anschließende Analysen präsentieren. So werden auf der einen Seite Debatten um Grundlagenprobleme der verbreiteten qualitativen Methodologien aufgenommen: etwa um einen zunehmenden „theorielosen Empirismus“ von Ansätzen oder um die Möglichkeit, wie Theorie-Induzierung genau erfolgt („theoretische Empirie“). Auf der anderen Seite wird auch ein weiterer Blick auf gesellschaftliche Herausforderung gelenkt, die genauso für qualitative wie für quantitative Ansätzen gelten: Es erfolgt nämlich nicht nur eine Reifikation der verschiedenen Methoden in der Gesellschaft, sondern auch eine Performativität von theoretischen Konzepten und der damit verbundenen Denkweisen der Sozialforschung.</p> 2021-09-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1315 Ein neues Verhältnis von Umwelt und Gesellschaft durch alternative Lebens- und Arbeitsformen? 2021-09-30T14:32:15+00:00 Birgit Peuker birgit.peuker@fu-berlin.de <p>Der Mensch schafft sich durch sein Tätigsein, seine Umwelt. Dies hat die sozial-ökologische Forschung in Rückgriff auf die sozial-konstruktivistische Technikforschung herausgestellt. Jedoch ist nicht nur von Bedeutung, was das Produkt dieser Tätigkeit ist, sondern auch, wie diese Tätigkeit organisiert ist. In modernen Gesellschaften ist das Tätigsein durch die Lohnarbeit in hierarchischen Arbeitsorganisationen gekennzeichnet.&nbsp; Das vorherrschende Verhältnis von Umwelt und Gesellschaft ergibt sich damit im Zusammenspiel großer technischer Systeme (GTS).</p> <p>Der Beitrag zeichnet nach, wie Alternativen zum dominierenden Verhältnis von Umwelt und Gesellschaft entstehen können und welche gesellschaftlichen Bedingungen sie haben. Alternative Lebens- und Arbeitsformen werden seit Beginn der Industrialisierung zunächst in der Lebensreformbewegung gesehen, dann in den selbstverwalteten Betriebe der 1980er Jahre verortet und bis zu den Nachhaltigkeitsakteuren offener Werkstätten und urbaner Gärten weiterverfolgt.</p> <p>Diskutiert wird, welche Organisation von Arbeit von den Akteuren anvisiert und welcher Umweltbezug dabei mitgedacht wird. Oftmals handelt es sich um kooperative Organisationsformen mit partizipativen Elementen oder flachen Hierarchien, die eine höhere Umweltsensibilität ermöglichen sollen. Der Beitrag argumentiert, dass die transformative Kraft alternativer Lebens- und Arbeitsformen in den Werten von Selbstbestimmung und Umweltsensibilität liegt, die sie nicht oder nur ungenügend in der Industriegesellschaft verwirklicht sehen. Es bleibt offen, ob alternative Lebens- und Arbeitsformen mehr sind, als eine systemstabilisierende Ergänzung oder den Keim einer sozial-ökologischen Gesellschaft in sich tragen.</p> 2021-08-12T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1390 Politische Bildung und Angebote sozialer Arbeit als Krisenlösungsagenten politischer Spannungen? 2021-09-30T14:32:18+00:00 Maren Zschach zschach@dji.de Diana Zierold zierold@dji.de <p>Der Beitrag beschäftigt sich mit Angeboten sozialer Arbeit und politischer Bildung mit jungen Menschen und thematisiert die Frage, inwiefern entsprechende pädagogische Formate als Krisenlösungsagenten politischer Spannungen zum Tragen kommen. Zentral ist dabei, wie Fachkräfte mit Jugendlichen arbeiten und welche Rolle Aspekten pädagogischer Professionalität zukommt.</p> 2021-09-13T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1425 Spannungen zwischen Religion und Stadt 2021-09-30T14:32:18+00:00 Silke Steets silke.steets@fau.de <p>In der Soziologie wurden Religion und Stadt bislang selten zusammengedacht. Erst in den letzten Jahren ist mit dem Themengebiet der <em>Urban Religion&nbsp;</em>ein, allerdings vorwiegend empirisches Forschungsfeld entstan­den, das die Effekte des (konflikthaften) Aufeinanderprallens unterschiedlicher religiöser Weltsichten und Praktiken in der Stadt in den Blick nimmt. Der Beitrag macht dies zum Ausgangspunkt eines konzeptionellen Nachdenkens über Religion und Stadt und vertritt folgende These: Um die Bedeutung von Religion für die spätmoderne Gesellschaft zu verstehen, müssen wir unseren Blick auf Städte richten, denn dort formen sich neue Subjektivitäten und dort werden sowohl neue zivilisatorische Arrangements erfunden wie Chancen verspielt. Dass dem so ist, hat etwas mit der Räumlichkeit des Städtischen zu tun.&nbsp;Die Argumentation verläuft in vier Schritten: Nach einer kurzen Theoriegeschichte zum Verhältnis von Religion und Stadt wird die Notwendigkeit eines räumlich definierten Stadtbegriffs abgeleitet. Anhand von qualitativen Interview- und Beobachtungsdaten wird anschließend gezeigt, wie sich religiöse Subjektivierungen in einem diasporischen Setting ausbilden und welche Konflikte dabei verhandelt werden. Konkret geht es darum, wie im stark säkularisierten Leipzig eine spätmodern-evangelikale Subjektivität und Lebensführung aufgebaut und aufrechterhalten wird. Die Konklusion fasst die Ergebnisse zusammen.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-13T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1377 Die polizeilich-publizistische Konstruktion von „Problemvierteln“ – und konkurrierende Deutungen 2021-09-30T14:32:23+00:00 Moritz Rinn moritz.rinn@uni-due.de Jan Wehrheim jan.wehrheim@uni-due.de <p>In diesem Beitrag analysieren wir am Beispiel des Stadtteils Essen-Altendorf Wechselwirkungen zwischen Situationsbe-deutungen, stadtteilimageproduzierenden Diskursen und polizeilichen Interventionen sowie deren Auswirkungen auf Quartiersalltage der ‚üblichen Verdächtigen‘ aus einer symbolisch-interaktionistischen Perspektive. Sichtbar werden polizeilich-publizistische Verstärkerkreisläufe, die weitere, tendenziell restriktive polizeiliche und stadtpolitische Interventionen neu legitimieren. Entsprechende Politiken reproduzieren dabei jedoch nicht nur die ‚Problematik‘ und ‚Gefährlichkeit‘ eines Stadtteils und damit die Stigmatisierung der Bewohner*innen, sie evozieren auch Ambivalenzen und konkurrierende Problemkonstruktionen und insofern auch Gegenerzählungen.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1286 Petri Nets for Modelling Norms of Social Exchange 2021-09-30T14:32:05+00:00 Georg P. Mueller Georg.Mueller_Unifr@bluewin.ch <p>Traditional social network analysis is mainly interested in the topology of networks and less in the flow of items passing through these channels. Thus, sociological analyses dealing with the norms and rules of exchange between individual or collective actors are beyond the capacities and interests of traditional network analysis. For this reason, the author proposes to consider for such purposes the <em>Petri net&nbsp;</em>approach, which was originally designed for describing concurrent processes in computers and other automata. On the grounds of his earlier experiences with this approach, he suggests to use and adapt its concepts in order to describe phenomena like commercial exchange, gifts and return gifts, reciprocity, and the equivalence of exchange. In most of these cases, the flows of goods are paralleled by return flows of money, other goods, or prestige, such that use of Petri nets imposes itself.</p> <p>In order to demonstrate the usefulness of the Petri net approach, the author presents a formalisation of the Kula trade: in his classic book about the <em>Argonauts of the Western Pacific</em>, Malinowski describes two counter-rotating rings of the so-called Kula trade with prestige goods, i.e. beautiful necklaces and arm shells, which are exchanged between a group of islands in the Western Pacific. The function of this trade is non-commercial: it serves for maintaining the social cohesion between the participating tribes by a regular and reciprocal exchange of equivalent gifts. A formalisation of the Kula trade with elements from the Petri net approach allows to study the conditions under which the mentioned <em>regularity </em>and <em>reciprocity&nbsp;</em>of this trade are <em>maintained </em>or&nbsp;<em>violated</em>. Due to the complex nature of the studied Petri net, <em>computer simulations&nbsp;</em>are used, by which means the number of items available for exchange, different social reciprocity norms, and other parameters can be varied.</p> 2021-05-12T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1322 Soziales Upgrading in globalen Wertschöpfungsketten 2021-09-30T14:32:14+00:00 Christina Teipen christina.teipen@hwr-berlin.de Fabian Mehl Fabian.Mehl@hwr-berlin.de <p>Der Beitrag untersucht die Auswirkungen der Integration in globale Wertschöpfungsketten auf Arbeitsbedingungen im Globalen Süden. Anhand von Analysen in vier Branchen sowie sechs Schwellen- und Entwicklungsländern werden die Einflussfaktoren für soziales Upgrading vergleichend diskutiert. Im Fokus steht hierbei insbesondere die Rolle unterschiedlicher nationaler Systeme industrieller Beziehungen. Im Ergebnis zeigt sich, dass ökonomisches Upgrading allein nur begrenztes soziales Upgrading nach sich zieht, sofern keine Institutionen unabhängiger kollektiver Interessenvertretung existieren. Demgegenüber stehen Länder mit starken demokratischen Gewerkschaften, in denen auf Branchenebene teils beträchtliche Verhandlungserfolge erzielt werden konnten. Soziales Downgrading lässt sich hingegen für diejenigen Fälle diagnostizieren, in denen es sowohl an ökonomischem Upgrading als auch an gewerkschaftlichen Vertretungsstrukturen mangelt.</p> 2021-07-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1355 Zwischen Reproduktion und Transformation 2021-09-30T14:32:21+00:00 Joris Steg steg@uni-wuppertal.de <p>Der Artikel befasst sich mit den Auswirkungen von Krisen auf die politisch-ökonomische Ordnung moderner kapitalistischer Gesellschaften, präziser auf das Verhältnis zwischen Demokratie und Kapitalismus sowie die Rolle des Interventionsstaates. Konkret wird herausgearbeitet , inwieweit und aufgrund welcher Faktoren Krisen transformativ wirken und das historisch-spezifische Arrangement zwischen Demokratie und Kapitalismus umordnen – bzw. aufzuzeigen, wann und warum eine Krise die politisch-ökonomische Ordnung reproduziert. Dazu werden in einem Vergleich die Großen Krisen des Kapitalismus – die Great Depression 1929ff., die Stagflationskrise 1973ff. sowie die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007ff. – in ihren Ursachen, ihrem Verlauf und ihren Folgewirkungen betrachtet. Darüber hinaus wird ein Versuch unternommen, die politisch-ökonomischen Folgen der Corona-Krise einzuordnen und zu bewerten. Krisen, so die grundsätzliche These, bewegen sich als dialektische Doppelinstanz zwischen Reproduktion und Transformation. Während die Great Depression und die Stagflationskrise politisch-ökonomische Transformationskrisen waren, was sich in den paradigmatischen wirtschaftspolitischen Umordnungen hin zum Keynesianismus bzw. Neoliberalismus ausdrückt, war die Finanz- und Wirtschaftskrise 2007ff. keine Transformationskrise. Auch die Corona-Krise wird, so die ausblickende These, wahrscheinlich nicht zu einer substanziellen Umordnung des Verhältnisses zwischen Demokratie und Kapitalismus führen.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1361 Konflikte um Wohnen in Gentrifizierungsgebieten 2021-09-30T14:32:18+00:00 Moritz Rinn moritz.rinn@uni-due.de Jan Wehrheim jan.wehrheim@uni-due.de Lena Wiese lena.wiese@uni-due.de <p>In diesem Beitrag diskutieren wir die Frage, wann und in welchen Formen Widerstände und Konflikte in Gentrifizierungsprozessen entstehen, und wann diese ausbleiben, am Gentrifizierungsprozess in Altona-Altstadt. Der Hamburger Stadtteil weist seit knapp zwei Jahrzehnten starke Mietsteigerungen, Immobilienpreise, stadtpolitische Aufwertungsstrategien und deutliche Zeichen von Verdrängung auf. Initiativen des Hamburger Recht auf Stadt-Netzwerkes haben auch hier gegen Gentrifizierung protestiert. Gleichzeitig haben uns Bewohner*innen im Rahmen eines qualitativ-ethnographischen Forschungsprojektes zwar vielfach über die Gentrifizierung des Stadtteils, aber kaum über selbst ausgetragene Konflikte etwa um Mieterhöhungen berichtet. Diesen vermeintlichen Widerspruch untersuchen wir mit Fokus auf <em>verdrängungsrelevante Situationen</em> aus einer praxisanalytischen Perspektive, die kritisch-materialistische Sozialforschung mit einer symbolisch-interaktionistischen Methodologie verbindet. Als zentraler Befund zeigt sich, dass normative Definitionen ‚impliziter Mietvertragsverhältnisse‘ sowie Typisierungen der jeweiligen Vermieter*innen und Selbstzuschreibungen eigener Handlungs(un)fähigkeit von entscheidender Bedeutung dafür sind, ob Bewohner*innen Mieterhöhungen überhaupt als problematisch definieren und ob und wie sie in Aushandlungen mit Vermieter*innen treten. Konfliktorientierter Widerstand gegen drohende Verdrängung resultiert also nicht einfach aus eigener Betroffenheit, sondern ist deutlich voraussetzungsvoller, wobei die normative wie strategische Dimension von <em>agency</em> in verdrängungsrelevanten Situationen in Rechnung gestellt werden muss.</p> 2021-09-14T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1375 „Den müssen wir melken, [...] das ist […] kein Mensch“ 2021-09-30T14:32:22+00:00 Christian Reutlinger christian.reutlinger@ost.ch Anja Speyer anja.speyer@ost.ch Heidi Furrer heidi_furrer@outlook.com <p>Ein Paradigmenwechsel in der Schweizer Raumplanung (Stichwort: „Verdichtung nach innen“) führt zur baulichen Aufwertung und Verdichtung – und mitunter auch zu Leerkündigungen. &nbsp;Mieter und Mieterinnen sind mit Wohnungskündigungen und dem Verlust ihrer Wohnung, ihrer vertrauten Umgebung und ihrer sozialen Kontakte konfrontiert. Aufgrund der angespannten Situation auf städtischen Wohnungsmärkten in der Schweiz entsteht somit eine bedrohliche Situation, mit der die Betroffenen umgehen müssen. Ob und wie Betroffenen aus drei Deutschschweizer Städten das gelingt, hat ein interdisziplinäres Team am IFSAR Institut für Soziale Arbeit und Räume der OST – Ostschweizer Fachhochschule in St. Gallen im Rahmen einer qualitativen Studie untersucht. Die Ergebnisse dokumentieren einerseits das Erleben der betroffenen Mieter und Mieterinnen und ihren Umgang mit der „krisenhaften Situation“. &nbsp;Andererseits zeigen sie, dass Verdrängungsprozesse aus komplexen Verknüpfungen hervorgehen, die die Betroffenen jeden Tag in ihrem Handeln herausfordern.</p> 2021-09-22T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1430 Vielfalt als Herausforderung organisationaler Einheit? 2021-09-30T14:32:12+00:00 Yvonne Albrecht y.albrecht@hu-berlin.de Serhat Karakayali karakayali@dezim-institut.de <p>Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) gründete sich 2001 in einem Fusionsprozess von fünf Einzelgewerkschaften (DPG; DAG; ÖTV; IG Medien; Handel, Banken, Versicherungen). Diese Fusion mündete in eine komplexe Organisationsstruktur mit einer räumlichen Gliederung in 13 Fachbereiche, welche innerorganisational kontinuierlich auf dem Prüfstand steht: In der Organisation soll künftig Komplexität reduziert werden. Maßnahmen wie die zusätzliche Einführung von Migrationsquoten werden aus dieser Perspektive als unnötig und problematisch angesehen. Gleichzeitig besteht eine drängender werdende innerorganisationale Notwendigkeit, demografischen Entwicklungen z.B. im Hinblick auf migrationsbezogene Diversität und der Vertretung von Interessen von Migrant*innen gerecht zu werden. Drängender wird dies zudem aufgrund von Forderungen interner Akteur*innen wie der Personengruppe der Migrant*innen und der Migrationsausschüsse nach einer Migrationsquote. Zudem ist eine differenzaffine, anti-rassistischen und teilhabeorientierte Positionierung ein wichtiger Aspekt der ver.di-Organisationsidentität. Insofern – so unsere These – werden die Forderung nach Komplexitätsreduktion und Einheit und die Forderung nach mehr Vielfalt innerorganisational als gegensätzlich dargestellt und produzieren ein Spannungsverhältnis, das derzeit auch blockierende Effekte auf die weitere Öffnung gegenüber migrationsbezogener Diversität erzeugt.</p> 2021-07-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1389 Wer gehörte zur „Allianz der Schmuddelkinder“? 2021-09-30T14:32:21+00:00 Dimitra Kostimpas dimitra.kostimpas@lmu.de Hella von Unger unger@lmu.de <p>Die Kernfragen dieses Beitrags lauten: Wie wurden Migrant*innen Teil von Aidshilfe-Organisationen, welche Inklusions- und Exklusionsprozesse können in diesem Kontext identifiziert werden und wie vollzog sich dabei die spezifische Organisationsgeschichte und -identität? Die Deutsche Aidshilfe e.V. vereint seit ihrer Gründung 1983 verschiedene, von HIV und Aids besonders betroffene Gruppen: zunächst hauptsächlich schwule und bisexuelle Männer, bald auch Drogengebrauchende und Sexarbeiter*innen. Dieses Bündnis wurde in der Organisation selbstironisch und selbstbewusst auch als „Allianz der Schmuddelkinder“ bezeichnet - im Sinne einer Aneignungsstrategie und politischen Solidarisierung unterschiedlich mehrfach-stigmatisierter Gruppen. Anhand dieser Selbstbezeichnung wird die Frage aufgeworfen, inwiefern Migrant*innen Teil dieses Bündnisses waren bzw. wurden.</p> <p>Im Rahmen des BMBF-geförderten Projekts „Zivilgesellschaftliche Organisationen und die Herausforderungen von Migration und Diversität: Agents of change“ (ZOMiDi; 2018-2021) wurde im Teilprojekt Gesundheit/HIV eine Organisationsstudie in der Deutschen Aidshilfe e.V. (DAH) mithilfe qualitativer Datenerhebungsverfahren durchgeführt. Die Analyse zeigt eine dynamische Geschichte der Ein- und Ausschlüsse von Migrant*innen. Insbesondere in den 1980er und 1990er Jahren, in denen der Begriff der „Allianz der Schmuddelkinder“ geprägt wurde, lassen sich gegenläufige und teils widersprüchliche Entwicklungen feststellen. Seit den 2000er Jahren fand eine umkämpfte, aber kontinuierliche Entwicklung hin zu mehr Inklusion statt. Hieran anschließend wird diskutiert, welche Bedingungen die Veränderungen und Öffnungsprozesse ermöglicht haben.&nbsp;</p> 2021-09-13T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1372 Macht Minderheitenstatus differenzaffin? 2021-09-30T14:32:23+00:00 Sanja Bökle boekle@mmp.mpg.de Karen Schönwälder schoenwaelder@mmg.mpg.de <p>Die Auseinandersetzung zivilgesellschaftlicher Organisationen mit Migration und migrationsbedingter Diversität ist Neuland für die Forschung. Der Beitrag präsentiert Ergebnisse eines Projekts (ZOMiDi), das für ausgewählte zivilgesellschaftliche Organisationen in Deutschland empirische Erkenntnisse erarbeiten und auf dieser Basis theoretische Überlegungen zu Dynamiken des Wandels in diesem Organisationstypus vorlegen will. Im Mittelpunkt steht hier eine Organisation zunächst von Schwulen, dann auch von Lesben in Deutschland.</p> <p>Ein Bekenntnis zur Vielfalt der Gesellschaft gehörte seit seiner Gründung zur Programmatik dieses Verbandes. Die Forderung nach Anerkennung individueller Verschiedenheit war und ist für Menschen, deren sexuelle Identität lange kriminalisiert wurde, zentraler Baustein einer Akzeptanz der eigenen Verschiedenheit als Teil gesellschaftlicher Normalität. Trotzdem verlief die Auseinandersetzung mit der migrationsbedingten sozio-kulturellen Diversität nicht konfliktfrei. Der Beitrag erklärt die konflikthafte Entwicklung der Positionen dieses Verbandes Schwuler und Lesben seit den 1990er Jahren als Ausdruck zweier Spannungsfelder. Einmal ist dies die Koexistenz von Vorstellungen von Vielfalt und Community/Gemeinschaft. Zweitens ist die Unterscheidung zwischen Migrant*innen innerhalb der eigenen schwullesbischen Bevölkerungsgruppe und außerhalb, in der Gesellschaft im Allgemeinen, zentral für das Verständnis dieser zivilgesellschaftlichen Organisation. Haltungen zu Migrant*innen, so unser Argument, ergeben sich nicht unmittelbar aus dem Minderheitenstatus, sondern vermittelt über organisationsspezifische&nbsp; Selbstverortungen oder Positionsbestimmungen der Organisationsidentität.</p> 2021-09-14T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1292 Vulnerabilität – Sensibilisierung - Fremderfahrung 2021-09-30T14:32:10+00:00 Claudia Peter c.m.peter@gmx.de Marc Strotmann m.strotmann@tum.de <p>Im Folgenden wird eine Konzeptualisierung von Verletzbarkeit vorgestellt, die aus der Auseinandersetzung mit empirischen Beobachtungen unserer Forschung gewonnen wurde. Diese Überlegungen haben an zwei Punkten ihren Ausgang genommen: Zum einen ist nach unserer Ansicht die bisherige Begriffsarbeit zu Verletzbarkeit (zu) sehr durch Abstrahierungen geprägt. In Absehung, diese direkt vom konkreten Subjekt herzuleiten und in ihrer je spezifischen Formation auszuweisen, wird sie stattdessen, quasi in anderer Richtung, zugeschrieben.&nbsp;Zum anderen ist – wenn man sich die bisherige empirische Forschung dazu anschaut – zu konstatieren, dass es bisher nicht gelungen ist, auf die phänomenale Ebene zu gelangen.</p> <p>Wir konzipieren Verletzbarkeit als ein Latenzphänomen, das im Falle von Patienten auf einer Exponiertheit gründet.&nbsp;Exponiertheit bestimmen wir als einen – im Gegensatz und in Relation zu den mitweltlich Anderen – <em>verschobenen Spielraum der eigenen Betreffbarkeit.&nbsp;</em><em>Betroffen zu sein</em> ist dabei nicht mit einem permanenten Zustand gleichzusetzen, sondern mit einem Grad der <em>Affizierbarkei</em><em>t</em>, des Angesprochen- und/oder Angestoßen-Werdens durch etwas, das sich einer unmittelbaren und reflexiv zu vermittelnden Sinnbildung entzieht. Wenn Verletzbarkeit, wie wir es hier in Anspruch stellen, vor allem durch seine Exponiertheit charakterisiert und markiert wird, dann berühren wir Latenzphänomene, welche sich in verschiedenen Subtilitätsgraden zeigen.&nbsp;Im sich Entziehenden zeigt sich schon ein noch unbestimmtes Etwas. So, wie sie übersehen werden können, können sie auch bemerkt werden: Latenzphänomene. So, wie sie nicht schon manifest sind, sind sie aber dennoch schon ‚da‘, erscheinen aber noch nicht oder nicht gänzlich. In dieser Latenz sind sie noch offen und unabgeschlossen und davon abhängig, ob und wie an sie – eben auch durch die Anderen – angeschlossen wird.</p> <p>Diese spezifischen Formen der Verletzbarkeit der Patienten haben also zwei Dimensionen: (1) aufgrund der leibkörperlichen Veränderungen, den Symptomen, durch die Krankheit selbst oder die Therapien stellen sie ein spezifisches Potential dar und (2) dieses Potential stiftet eine besondere Form der Beziehungserfahrung zwischen den Patienten und den Anderen, die (nicht) sensibilisiert darauf zu antworten verstehen (Vermeidung oder Zustandekommen von Verletzungen). Abschließend werden wir uns vor allem der zweiten Dimension zuwenden, um zu erörtern, inwieweit aus einer Verletzbarkeit eine manifeste Verletzungserfahrung entstehen kann, aber nicht muss.</p> 2021-06-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1329 „Mir wirds scho auslange. Das bedeutet doch nichts anderes als après moi la déluge. Wie kann man nur so daherreden.“ 2021-09-30T14:32:12+00:00 Philipp Rhein philipp.rhein@uni-tuebingen.de <p>Häufig wird kolportiert, Wähler/-innen rechtspopulistischer und rechtsaußen Parteien seien nostalgisch pessimistisch, restaurativ oder angstgetrieben veranlagt. Damit wird suggeriert, dass ihre temporalen Handlungshorizonte in erster Linie vergangenheitsorientiert seien. In diesem Beitrag werden diese Befunde aufgegriffen und differenziert. Der Beitrag zeigt Ergebnisse einer qualitativ-rekonstruktiven Analyse von Zeiterleben von AfD-Wähler/-innen. Im Vordergrund stehen vornehmlich dystopische, d.h. zukunfts- und untergangsorientierte Formen der Zeitwahrnehmung. Nachdem drei verschiedene Formen des Zeiterlebens dargestellt wurden, die empirisch rekonstruieren werden konnten, wird gezeigt, dass sich diese Formen des Zeiterlebens auf überraschend übereinstimmende Weise mit Orientierungen an Verzicht und Mühe sowie an Deutungsmustern verwerflichen Wohlstands verbinden. Diese Schnittstelle lässt sich als Dekadenz-Orientierung beschreiben. Hinter der zentralen Orientierung an Dekadenz verbirgt sich ein utopisches Zeiterleben, das Gesellschaft in der historischen Zeit dem Verfall anheimgefallen sieht. Es wird gezeigt, dass die Vergangenheitssicht der Fälle dieser Studie nicht hinreichend zutreffend mit Nostalgie beschrieben ist und ihre Zukunftserwartung auch nicht ängstlich ist. Dekadenz-Orientierung heißt, dass sie in der Vergangenheit nicht per se einen positiven Horizont entdecken und ihr Erwarten politischer Problembearbeitung ist deutlich nach vorne in die Zukunft gerichtet.</p> 2021-07-14T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1509 Der Verlust normativer Selbstverständlichkeit 2021-09-30T14:32:22+00:00 Frank Schumann Frank.Schumann@posteo.de <p>Der Beitrag entfaltet anhand der aktuellen Studienlage die These, dass ein Verlust normativer Selbstverständlichkeit ein wesentliches Motiv für die Wahl der Alternative für Deutschland darstellt. Damit ist gemeint, dass die normative Basis, auf der AfD-Wähler:innen bisher Ansprüche auf soziale und politische Teilhabe formuliert haben, in deren Wahrnehmung zunehmend erodiert. Um die These zu begründen, stellt der Beitrag zunächst auf Grundlage verschiedener Studien zwei Hinweise auf normativer Irritationen seitens der AfD-Wähler:innen vor: Erstens ein Gefühl der Benachteiligung und zweitens der Eindruck, dass ein soziales Ordnungsgefüge zerfällt. Anschließend werden diese Hinweise mit der Soziologie der Kritik von Luc Boltanski in einen theoretischen Rahmen überführt, der es erlaubt, das zentrale normative Prinzip zu rekonstruieren, welches in den Augen der AfD-Wähler:innen seiner Selbstverständlichkeit beraubt wurde: nämlich ein nativistisch verstandenes Leistungsprinzip, das Leistungsprämien für soziale und kulturelle Insider vergibt.</p> 2021-09-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1367 Die Bedeutung der Begriffe „Links“ und „Rechts“ in verschiedenen sozialstrukturellen Kontexten 2021-09-30T14:32:19+00:00 Alice Barth albarth@uni-bonn.de Jakob Horneber jakobho@uni-bonn.de <p>War die sozialstrukturelle Verortung der politischen Richtungsbegriffe „Rechts“ und „Links“ lange unzweifelhaft, so ist diese Klarheit spätestens seit der Entstehung der mehrheitlich aus bürgerlichen Verhältnissen stammenden „Neuen Linken“ und der bevorzugt ökonomisch Benachteiligte adressierenden „Neuen Rechten“ passé. Während die soziale Stellung heute kein eindeutiger Indikator mehr dafür ist, ob jemand sich als „Links“ oder „Rechts“ einordnet, kann sie jedoch die ideologische Bedeutung, die den Begriffen „Links“ und „Rechts“ beigemessen wird, maßgeblich prägen. In der Forschung zur subjektiven Bedeutung der politischen Richtungsbegriffe wurde bereits verschiedentlich gezeigt, dass die verbreitete Annahme eines eindeutigen und kollektiv geteilten Verständnisses von „Links“ und „Rechts“ nur sehr eingeschränkt zutrifft. Mögliche sozialstrukturelle Zusammenhänge wurden dabei bisher allerdings weitgehend außer Acht gelassen. Wir stellen daher folgende Fragen:</p> <ol> <li>Welche kohärenten Konzepte von „links“ und „rechts“ gibt es in der deutschen Bevölkerung?</li> <li>Inwiefern ist die Sozialstruktur – unter Konstanthaltung der politischen Positionierung – hierbei ein strukturierender Faktor?</li> </ol> <p>Wir verwenden Daten aus dem ALLBUS 2008, in dem die Assoziationen der Befragten mit „Links“ und „Rechts“ offen abgefragt wurden und analysieren diese mit CAGalt, einer Variante der Korrespondenzanalyse für Textdaten. Wir zeigen, dass auch bei Befragten mit der gleichen politischen Selbstverortung unterschiedliche Assoziationen mit den Begriffen „Links“ und „Rechts“ auftreten. So lassen sich ökonomische, kulturelle oder politisch-systemische Konzepte sowie eine diffus-emotionale Reaktion abgrenzen, die mit Bildung, Region (Ost/West) und Alter assoziiert sind. Wir argumentieren, dass die auftretenden Muster für zwar unterschiedliche, aber jeweils in sich konsistente Konzepte von „Links“ und „Rechts“ sprechen. Unsere Analyse zeigt, dass die vermeintliche Auflösung sozialstrukturell bedingter politischer Bindungen sich zumindest für das ideologische Verständnis nicht bestätigen lässt und dass die Sozialstruktur mithin ein bedeutender Faktor politischer Verortung bleibt.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1436 Postwachstumsprojekte im Spannungsfeld von kollektiven und einzelnen Sinnzusammenhängen 2021-09-30T14:32:14+00:00 Birgit Blättel-Mink b.blaettel-mink@soz.uni-frankfurt.de Luki Sarah Schmitz s.schmitz@soz.uni-frankfurt.de Dennis Eversberg dennis.eversberg@uni-jena.de Freidericke Hardering f.hardering@fh-muenster.de Andrea Vetter a.vetter@knoe.org <p>Postwachstumsprojekte reagieren auf aktuelle Krisen der kapitalistischen Gesellschaft. Sie stellen jedoch keine konfliktfreien sozialen Gebilde dar, sondern bergen Spannungen vor allem zwischen einem kollektiven Sinn und einer Vielfalt an individuellen Eigensinnen. Wie diese differenten Sinnformen gefasst werden können, wie sie sich in einzelnen Postwachstumsprojekten manifestieren und wie sie gelöst werden, stellen die Ausgangsfragen dieser Podiumsdiskussion dar. Nebst der Suche nach Antworten auf die gestellten Fragen geht es darum, reflexive Kritiken zu formulieren, die als solidarische Einlassung zu einer produktiven Reflexion anregen. Postwachstum wird damit nicht auf die ökonomische Dimension beengt, sondern es werden vielfältige soziale Formen identifiziert, in die Irritationen eingebunden sein können. Auf der Basis eigener Forschungsergebnisse, aber auch auf der Basis gemachter Praxiserfahrungen in Postwachstumsprojekten wird schließlich die Rolle soziologischer Forscher:innen in der Annäherung an Postwachstumsprojekte diskutiert.</p> 2021-07-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1297 Von Spaß- und Disziplinsmuskeln 2021-09-30T14:32:12+00:00 Corinna Schmechel schmecco@hu-berlin.de <p>In meinem Beitrag möchte ich anhand von Interviewmaterial von Fitnesssportler_Innen queerer Sportgruppen aufzeigen, wie die Ambivalenzen in der Arbeit am eigenen Körper subjektiv verhandelt werden. Dabei handelt es sich stets nicht nur um Arbeit am Körper, sondern stets auch um Arbeit am Selbst, hier konkret am queeren und feministischen Selbst.&nbsp;Ich möchte darlegen, wie in spannungsvollem Verhältnis zu populären Schönheitsnormen eine Art emotionaler Autonomie von diesen angestrebt wird, welche als widerständig konzipiert wird und doch Teil hegemonialer Selbstentwürfe ist. Es wird anschaulich, wie alltagspraktisch „Autonomie durch Unterwerfung“ (Bauman 1992, S. 240) produziert und in Körperbilder und -praktiken eingeschrieben wird und welche Relevanz im vorliegenden Material den Kategorien Geschlecht und Dis_ability dabei zukommt.</p> 2021-06-24T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1396 Die leibliche Ambiguität des Kampfschreis und die soziale Konstruktion von Triebhaftigkeit 2021-09-30T14:32:21+00:00 Michael Staack staack@sport.uni-frankfurt.de <p>Der Kampfsport „Mixed Martial Arts“ (MMA) ist ein soziokulturelles Feld, in dem die vulgärfreudianische Vorstellung herrscht, dass Kampfsport-Trainings und -Wettkämpfe kathartische Effekte hätten: Intensive Kampfsport-Trainings und -Wettkämpfe würden entspannen, indem sie Triebe und Aggressionen abbauen würden. Auf Basis ethnographischer Daten aus dem MMA-Training zeigt der Beitrag, dass kampfsportliche Trainings und Wettkämpfe zwar einerseits tatsächlich leibliche Spannung abbauen – sie andererseits aber parallel auch aufbauen. Dieser gleichzeitige Ab- und Aufbau leiblicher Spannung wird durch die spezifische Weise des kämpferischen Atmens im MMA evoziert. Bezugnehmend auf Collins‘ (2004) Beobachtung, dass sexuell aktive Menschen gleichzeitig sich als sexuelle Spannung abbauend erleben (und dies als ‚sexuelle Trieb- bzw. Bedürfnisbefriedigung‘ beschreiben) und dabei aber immer zugleich auch sexuelle Spannung aufbauen, ermöglicht der Beitrag eine <em>soziologische Perspektive auf die</em> <em>soziale Konstruktion von Triebhaftigkeit</em>. Er zeigt, wie die spezifisch körperliche soziale MMA-Praxis, die aus Teilnehmenden-Perspektive zu einem Abbau von Trieben führt, das Erleben von Triebhaftigkeit überhaupt erst aufbaut.</p> 2021-09-10T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1407 Zwischen unbegründeten Ängsten und berechtigten Sorgen 2021-09-30T14:32:16+00:00 Malte Flachmeyer malte.flachmeyer@unibas.ch <p>Im vorliegenden Beitrag wird argumentiert, dass die EZB ihre Legitimationsstrategie während der Eurokrise vor allem in Auseinandersetzung mit zwei Aspekten entwickelte: Der (fraglichen) Effizienz von Finanzmärkten und der (fraglichen) geldpolitischen Einheit der Eurozone, gegenüber denen quantitative Zusammenhangsbehauptungen weiter an Bedeutung verloren. Auf Basis diesbezüglicher Rationalitätsvorstellungen positionierte sich die Geldpolitik zwischen finanzwirtschaftlichen Spannungen und Staatlichkeit, indem sie die Richtigkeit und Nützlichkeit von Finanzmarktpreisen beurteilte. Hier ist die Kernmotivation dreier Staatsanleiheankaufprogramme verankert: Die Erzeugung homogener geldpolitischer Bedingungen in der Eurozone.&nbsp; Es werden zunächst die Begründungskontexte des Securities Markets Programme (SMP), der Outright Monetary Transactions (OMTs) und des Public Securities Purchase Programme (PSPP) skizziert und verglichen. Im Anschluss wird die Entwicklung der (zum Teil widerstreitenden) Rationalitätsvorstellungen des Eurosystems näher diskutiert.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1443 The Legitimacy and Strength of National, European, and Global Solidarity 2021-09-30T14:32:15+00:00 Jürgen Gerhards j.gerhards@fu-berlin.de <p>The article distinguishes between three different territorial spaces of solidarity: solidarity between citizens of the same nation state, solidarity between member states and the citizens within the EU, and global solidarity in the sense of solidarity with countries and citizens outside of the EU. Based on a survey conducted in 13 EU countries, we examine the extent to which citizens are willing to support people within the three solidarity spaces. The strength of different solidarity spaces is, however, not only an empirical question, but is related to a controversial debate in social philosophy. Cosmopolitans argue that support for people in need should have a global outreach and not stop at any border, while communitarians assume that solidarity is based on connectedness and requires common institutions. Empirical findings support the communitarian view of solidarity. Solidarity with citizens of one's own country receives the greatest support. At the same time, the majority of respondents are also in favor of European solidarity, although the level of solidarity at the European level is below the level of nation-state support. Finally, the results show that European solidarity enjoys significantly higher support than universal, global solidarity.</p> 2021-08-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1357 Die Säkularisierung Europas 2002 bis 2016 2021-09-30T14:32:21+00:00 Alexander Wilhelm Schmidt-Catran alex@alexanderwschmidt.de Heiner Meulemann meulemann@wiso.uni-koeln.de <p>Das Ausgangsniveau der Säkularisierung der Länder Europas nach 1989 spiegelt zwei Spannungslinien wider: den rezenten politischen Konflikt zwischen West und Ost und die historische konfessionelle Spaltung zwischen Katholizismus, Orthodoxie und Protestantismus. Wie stark bestimmen beide den Fortgang der Säkularisierung? Um diese Frage zu behandeln, werden zunächst die beiden Spannungslinien, die entsprechende Gruppierung der Länder und die Datenbasis zu ihrer Untersuchung vorgestellt. Anschließend werden Ausgangspunkt und Fortgang der Säkularisierung zwischen Ländergruppen verglichen.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1302 Spaltet Corona die Gesellschaft? 2021-09-30T14:32:11+00:00 Fabian Beckmann Fabian.Beckmann@rub.de Anna-Lena Schönauer anna-lena.schoenauer@rub.de <p>Soziologische Deutungen der Corona-Krise beschwören das populär gewordene „Brennglas“, wonach die Pandemie soziale Probleme und Strukturprinzipien (post-)moderner Gesellschaften verdichtet hervortreten lässt. Dabei wird der Pandemie auch das Potenzial zugeschrieben, die Spaltung demokratisch-liberaler Gesellschaften zu verstärken. Vor allem die Querdenken-Bewegung fungiert im Diskurs als (weiterer) Indikator einer grundlegenden Legitimationskrise spätmoderner Gesellschaften. Der Beitrag greift diese Lesart auf und untersucht auf Basis einer quantitativen Erhebung die Einstellungen der deutschen Bevölkerung zur Pandemiebekämpfung. Die Befunde widerlegen eine grundlegende Spaltung der Gesellschaft sowohl mit Blick auf Globaleinstellungen als auch die Mittel zur Pandemiebekämpfung und zeigen, dass die Einstellungsmuster hinsichtlich der Pandemiebekämpfung einem eigenen sozialstrukturellen Muster folgen. Sich radikalisierende Protestbewegungen stellen durchaus eine Gefahr für das Gemeinwohl dar, sind aber nicht zwangsläufig ein geeigneter Seismograph für ein grundlegendes Unbehagen in der Gesellschaft.</p> 2021-06-17T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1452 The tensions of autonomy 2021-10-20T08:01:45+00:00 Alain Ehrenberg ehrenberg.alain@gmail.com <p>All tensions are not negative. There are structuring and destructuring tensions, and it is not always easy to decide which is which. By nature, democracy is inherently based on the institution of conflict, an institution which enables the representation of different interests in a society of free and equal individuals, multiple expressions of individual and collective agents, and the peaceful resolution of disagreements. Considering this framework, how can destructuring tensions be transformed into structuring ones?</p> <p>In this paper I will address the topic of society under tension with a case study, that of French society, and the type of individualism which characterizes it.</p> <p>A mapping of contemporary tensions in society cannot be established independently from globalization (the entry into a world culture, and generalized urbanization), which represents a change comparable to the Industrial Revolution, and the foundering of this industrial society, with the weakening of the welfare state and social protection, instituted in Western society after the Second World War. If collective challenges are similar everywhere, the path followed by the different national societies to address them differ somewhat.</p> <p>In the framework of globalization, to which the French are the most hostile in the European Union (after Greece), France offers images of pessimism, distrust, conflict, disquiet, and division among its citizens. It seems to be a society of malaise, in which the grammar of collective life is marked by strong negativity, though statistical data demonstrate that this society is doing rather well (in terms of degrees of inequality, the poverty rate, standards of living, health, etc.).</p> <p>Starting from the topic of collective malaise, the paper will highlight certain major tensions in French society. It will first situate them in the context of changes in collective representations of individualism marked by autonomy – the personal turn of individualism; then it will describe the features of this malaise (weakening of social links, new psychic pathologies, anxiety about the future and nostalgia for the past, etc.) by using the two examples of work and the welfare state (the French “social model” is invested as a foundation of the “living together”); after this, it will clarify underlying tensions which express, through this malaise (a crisis of equality à la française, and a difficulty to evolve the concept of protection); and finally, it will design paths enabling responses, to a certain extent, and will specify what a politics of autonomy could consist of.</p> <p><a href="https://www.youtube.com/watch?v=pHoDttH_q5g" target="_blank" rel="noopener">Video recording of the keynote</a></p> 2021-05-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1307 Technologiemonitoring zur Prävention von Extremismus und terroristischer Gewalt 2021-09-30T14:32:11+00:00 Isabel Kusche isabel.kusche@kit.edu Christian Büscher christian.buescher@kit.edu <p>Im Anwendungsfeld Extremismus und terroristische Gewalt stoßen Präventionsbemühungen heute auf die Rolle, die soziale Medien und das Internet sowohl bei der Verbreitung extremistischen Gedankenguts als auch der Vorbereitung von Gewalttaten spielen. Technologische Innovationen in diesem Bereich berühren gleichermaßen ein Regime der zivilen Sicherheit, das auf Prävention nach der Logik des Verdachts setzt, und ein liberales Regime der ökonomischen (Un-)Sicherheit, das Zukunftsoffenheit als Voraussetzung für weitere Innovation prämiert. Die Technikfolgenabschätzung (TA) bewegt sich im Unterschied zu anderen Präventionsbemühungen seit langem in diesem Spannungsfeld zwischen Verdacht und bejahter Zukunftsoffenheit. Der Beitrag skizziert die Besonderheiten von TA als Ansatz der Prävention und diskutiert das Beispiel des Tor-Browsers aus dieser Perspektive. Im Fokus stehen dabei insbesondere nichtintendierte Folgen einer Präferenz für Sicherheit sowie die Rolle von Rekombinationen mehrerer Technologien. Sie machen Unterscheidungen wie normal vs. abweichend oder intendierter vs. nichtintendierter Gebrauch für eine Folgenabschätzung im Bereich Extremismus und Terrorismus unbrauchbar. Vorgeschlagen wird eine funktionale Perspektive, die danach fragt, inwieweit neu entstehende Technologien Koordinationsprobleme lösen, die für extremistische und terroristische Akteure zentral sind.</p> 2021-06-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1448 Kategorisierungspraktiken in der Extremismusprävention 2021-09-30T14:32:22+00:00 Yannik Porsché yannik.porsche@unibw.de <p>Das institutionelle Format pädagogischer Schulungen zur universellen Extremismusprävention birgt das Versprechen, einem Anstieg verschiedener Arten von Extremismus mittels zielgerichteter Interventionen zu begegnen. Ich untersuche, wie eine NGO in Zusammenarbeit mit der Polizei in einem dreistündigen Spiel Radikalisierungsprozesse in Schulklassen simuliert. In einer Reflexion des Spiels erklärt die NGO die Mechanismen der Radikalisierung mit dem Ziel, die Resilienz von Teilnehmenden gegen Radikalisierung im realen Leben zu stärken. Im Zentrum dieses Beitrags steht die Frage, welche Menschen die NGO als „Risikopersonen“ kategorisiert und wie die Präventionsmaßnahme unterschiedliche Zielgruppen beeinflussen soll. Auf theoretischer Ebene schlage ich vor, dass eine konstruktivistisch-ethnomethodologische Perspektive auf die (Re-)Kategorisierung von Menschen durch Institutionen gewinnbringend um die eines undogmatischen Realismus ergänzt werden kann. Methoden der Ethnographie und Interaktionsanalyse machen sichtbar, wie die NGO die für in Deutschland aufgewachsene Schüler:innen konzipierte Präventionsmaßnahme im Spiel mit Geflüchteten anpasst. Die NGO berücksichtigt die Erfahrungen der Geflüchteten und modifiziert die Maßnahme von einem ursprünglichen Fokus darauf, Extremismus zu bekämpfen, indem sie Teilnehmende irritieren, zu Bemühungen, Extremismus zu bekämpfen, indem sie sie integrieren. In diesem Beitrag diskutiere ich, inwieweit das Design und die späteren Anpassungen der Präventionsmaßnahme miteinander kompatibel sind und wie Präventionsarbeit in Erwartungen verstrickt ist, eine standardisierte, „weiche“ und schnelle Lösung für komplexe und dynamische gesellschaftliche Probleme zu bieten.</p> 2021-09-27T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1347 "Rettet den Diesel!" 2021-09-30T14:32:15+00:00 Gisela Mackenroth gisela-wiebke.mackenroth@uni-jena.de <p>Die Entscheidung für die Einführung von Dieselfahrverboten wurde 2019 in Stuttgart durch Demonstrationen beantwortet. Die Proteste betonten u.a. mit symbolischem Bezug auf die französischen <em>Gilets Jaunes</em> Stadt und Land bzw. Zentrum und Peripherie als Pole unterschiedlicher Interessen. Bei den in ihrer Selbstbeschreibung "unpolitischen" Protesten von "Bürgern" und "Dieselfahrern" lassen sich Vereinnahmungen durch rechtspopulistische Strategien beobachten. Zugleich haben sich die Organisator*innen allerdings in öffentlichen Aussagen von rechten Gruppierungen abgegrenzt. Der Artikel möchte diese widersprüchliche Beziehung zu rechtspopulistischen Haltungen durch eine Analyse raumbezogener Praktiken und Argumentationen während der Proteste untersuchen. Auf Grundlage rekonstruierter rechtspopulistischer Kommunikationsstrategien zeigt der Beitrag, wie während der Proteste Stadt-Land-Beziehungen zu einer politischen Differenz gewendet wurden. In einer zusammenführenden Betrachtung argumentiert der Beitrag, dass die rechtspopulistische Gegenüberstellung von Stadt und Land an Aspekte rechter Großstadtfeindschaft anknüpft. Er zeigt im Vergleich mit urbanen umweltpolitischen Bewegungen auf, wie die Proteste gegen die Fahrverbote Formen einer demokratischen Konfliktaustragung entgegenlaufen. Der Beitrag untersucht die Fahrverbotsproteste als ein Beispiel für gegenwärtige rechtspopulistische Dynamiken im gesellschaftspolitischen Alltag.</p> 2021-08-26T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1383 Berufsorientierung als regionale Disparität 2021-09-30T14:32:17+00:00 Michael Bigos bigos@zfl.uni-mainz.de <p>Schulen haben den Auftrag die Berufsorientierung von Jugendlichen zu unterstützen, zu fördern und zu begleiten. Dieser Anspruch einer guten Berufsorientierung wird in der Schulpraxis häufig über Kooperationen oder Netzwerke mit externen Akteuren eingelöst bzw. erweitert. Dabei trifft das in segregativ gestaltete und förderal differenzierte Schulsystem auf lokale Infrastruktur, Arbeits- und Ausbildungsmärkte und variante Hochschullandschaften. Einerseits kommt dabei die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen der Governance regionaler Disparitäten in der Makroperspektive auf. Auf der Mikroebene einzelner Schulstandorte ist andererseits auch zu diskutieren, ob lokale Steuerungsimpulse der einzelnen Schule die Ungleichheiten ‚managen‘ können oder diese sogar noch aktiv befördern.</p> <p>Der Vortrag baut auf eine Interviewstudie mit weiterführenden Schulen zur Konzeption und Ausgestaltung von Kooperationen in der schulischen Berufsorientierung auf. Die Auswertung nach der Grounded Theory zeigt, dass Schulen die Kooperationen im Bereich der Berufsorientierung gezielt forcieren, um arbeitsweltnahe Erfahrungen für die SchülerInnen zu ermöglichen und den Berufswahlprozess zu fördern. Weiter zeigt sich, dass an den untersuchten Standorten die schulische Berufsorientierung zwar vor dem Hintergrund übergreifender Reglungen und Vorgaben aber letztlich auf der Ebene der einzelnen Schule gesteuert wird. Damit kommen zusätzlich zu der bildungsgangbezogenen Statusbindung der SchülerInnen durch die regionale Ausgestaltung noch die Verfügbarkeit von Kooperationspartnern als potenziell verstärkendes Moment sozialer Ungleichheit hinzu.</p> <p>Theoretisch werden im Beitrag dabei die Ergebnisse an den Neo-Institutionalismus rückgebunden und Wirkmechanismen sozialer Ungleichheit am empirischen Material aufgezeigt. Zum einen die „Eigengesetzlichkeit der Schule“, welche durch Auswahl und Strukturierung externer Kooperationen die Funktionslogik der Differenzierung und Selektion weiter ausbaut. Zum anderen auch die Einbindung der regionalen Infrastruktur, welche die bestehenden Disparitäten in Arbeitsmarkt, Mobilitäsgefüge oder vorhandene Ausbildungsmöglichkeiten (dual/akademisch/schulisch) neue Ungleichheiten, Chancen und Schranken für SchülerInnen erschafft.</p> 2021-09-08T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1433 Soziale Ungleichheit, Problemviertel und politische Entscheidungsprozesse zu Schulstandorten 2021-09-30T14:32:23+00:00 Anne Walde walde@dji.de <p>Der Artikel untersucht politische Entscheidungsprozesse zu gymnasialen Schulstandorten mit dem Fokus auf das Thema soziale Ungleichheit. Am empirischen Beispiel eines Leipziger „Problemviertels“ wird der Frage nachgegangen, warum dort um die Jahrtausendwende sämtliche Gymnasien geschlossen wurden, obwohl die Akteure durchaus die sozialpolitische Relevanz eines Gymnasialangebots hervorhoben. Mithilfe des analytischen Governance-Ansatzes wird gezeigt, dass dies keineswegs widersprüchlich ist und warum Argumente der Ungleichheit ‚es so schwer hatten‘.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1313 Transnationalisierung revisited 2021-09-30T14:32:14+00:00 Barbara Pusch puschbarbara@gmail.com <p>Grenzüberschreitungen sind ein Strukturelement von Transnationalisierungsprozessen. Das Überschreiten von Grenzen wird dabei als gegeben angenommen. Die COVID-19-bedingten Reiseeinschränkungen werfen nun die Frage auf ob – und wenn ja wie – (globale) Krisen, die grenzüberschreitende Mobilität zumindest kurzfristig einschränken, transnationale Lebensentwürfe beeinflussen. Der Beitrag setzt an diesem Punkt an und analysiert die Auswirkungen der aktuellen Corona-Maßnahmen auf die Lebenswelt und Zukunftsplanung hochqualifizierter transnationaler Migrant*innen. Damit wird der Blick auf eine Personengruppe gerichtet, die bis zum Ausbruch der Pandemie Anfang 2020 unter sehr privilegierten Bedingungen ihr Leben über nationale Grenzen hinweg entfalten konnte.</p> 2021-08-05T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1342 Follow-Up-Interviews im Rahmen biographischer Fallrekonstruktionen 2021-09-30T14:32:20+00:00 Arne Worm arne.worm@sowi.uni-goettingen.de Eva Bahl ebahl@uni-goettingen.de <p class="Einzug05" style="text-indent: 0cm;">In diesem Beitrag stellen wir das methodische Vorgehen vor, irregularisierte Migrationsverläufe durch eine Kombination von biographischen Fallrekonstruktionen und Folgeinterviews zu untersuchen. Im Rahmen eines prozessorientierten und methodenflexiblen Forschungsdesigns haben wir Migrant:innen über einen längeren Zeitraum hinweg begleitet. Wir diskutieren die daraus resultierenden empirischen Befunde zur Entstehung, Aufrechterhaltung und zum Wandel prekärer Transnationalität. Der Beitrag basiert auf empirischen Forschungsergebnissen aus dem (seit 2019) laufenden DFG-Projekt „Biographische Verläufe von Migrierenden aus Syrien und Westafrika in Brasilien und in Deutschland – Prozesse der Inklusion und Partizipation im Kontext sogenannter irregulärer Migration“.</p> 2021-08-19T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1353 Neue Hochschulgovernance und die Vereinbarung professioneller und organisationaler Leistungsbegriffe 2021-09-30T14:32:16+00:00 Melike Janßen janssen@dzhw.eu <p>Im Kontext der neuen Hochschulgovernance ist der Begriff der Leistung ubiquitär: So werden etwa im Rahmen der LOM Grundausstattungsmittel auf der Basis erbrachter Leistungen an die Universitäten verteilt, die diese wiederum ebenfalls leistungsorientiert an die Fakultäten weiterleiten oder gar bis auf die Ebene der einzelnen Lehrstühle herunterbrechen können; und wer mehr leistet – so der Anspruch der (leistungsorientierten) W-Besoldung – soll in Form von Leistungszulagen ein höheres Einkommen erhalten, wohingegen 'leistungsschwächere' Kolleg/innen Einkommensverluste erfahren können. Insofern zeigt sich hier auf den ersten Blick die Verwirklichung des meritokratischen Prinzips, die auf den zweiten Blick jedoch problematisch ist. Ursächlich hierfür sind vor allem die zugrunde liegenden, nur vermeintlich konsensualen Leistungsbegriffe. Als Bewertungs-, Sanktions- und Legitimationsprinzip stößt die Verwirklichung des Leistungsprinzips aus Perspektive der von Leistungsbewertungen betroffenen Akteure an Grenzen, wenn ihm ein 'professionsfremder' Leistungsbegriff zugrunde liegt. Der Beitrag nimmt sich daher den unterschiedlichen Vorstellungen "guter" Forschung und Lehre an und rückt die Vereinbarung der organisationalen und ‚professionellen‘ Leistungsbegriffe in den Blick. Dabei werden die differenten Leistungsbegriffe evident, die Professor/innen verschiedener Disziplinen als betroffene Akteure von Leistungsbewertungen einerseits formulieren, als Maßstäbe an ihr eigenes Handeln und das ihrer Fachkolleg/innen anlegen, mit denen sie sich andererseits durch die Universität konfrontiert sehen. Hier zeigt sich zum Teil eine Divergenz zwischen der zu erbringenden Leistung zur Erlangung ökonomischen und symbolischen Kapitels innerhalb der Universität und den in den Fachgemeinschaften akzeptierten Leistungsparametern, die Grundlage der dortigen Kapitalakkumulation darstellen. Drei zentrale Konstellationen und ihre im Forschungs- und Lehralltag auftretenden Folgen werden im Beitrag diskutiert: (der bereits angedeutete) Konflikt, Übereinstimmung, Kompromiss.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1423 Die Sprache der qualitativen Ungleichheitsforschung 2021-10-04T09:02:46+00:00 Laura Cäcilia Behrmann laura.behrmann@posteo.de Falk Eckert falk.eckert@isf-muenchen.de <p>Wissenschaftliches Schreiben ist eine diskursive Praktik und als solche Teil einer Diskursformation welche Relevanz- und Themensetzungen wissenschaftlicher Forschung, ihrer Untersuchungsmethoden und Konventionen <em>gelungener</em> Forschungspraxis und deren Darstellungsform maßgeblich beeinflusst. Der Beitrag widmet sich den diskursiven Praktiken und Strategien der Präsentation qualitativer Ungleichheitsforschung am Beispiel von Zeitschriftenartikeln in englisch- und deutschsprachigen, hochrangigen, peer-reviewed soziologischen Journalen im Zeitraum von 1995–2018. Die Ergebnisse geben Anlass über die Rolle des Sagbaren und Nicht-Sagbaren in qualitativen-mikroanalytischen Ungleichheitsforschung nachzudenken und diskutiert die Bedeutung des aktiven Subjekts der ForscherInnen gegenüber Konventionen akkurater Forschungsverfahren.&nbsp;</p> 2021-08-27T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1426 Die Objektivation der Sprache 2021-09-30T14:32:21+00:00 Silke Steets silke.steets@fau.de Hubert Knoblauch hubert.knoblauch@tu-berlin.de <p>Nach dem „linguistic turn“ nahm die Sprache eine bedeutende Rolle in der Soziologie ein. Lag der Schwerpunkt der Forschung zunächst auf dem Verhältnis von Sprache, Institutionen und sozialer Ungleich­heit, rückte später verstärkt das sprachliche Handeln in den Blick. So bildete die Sprachsoziologie eine der wichtigsten Säulen sowohl der theoretischen als auch der empirischen Soziologie; darüber hinaus kam es zu erfolgreichen Koopera­tionen mit der Sozio­linguistik. Im Zuge dieser Fokussierung auf Sprache, sprachliches Handeln und sprachvermittelte Inter­aktionen wurde allerdings zunehmend die Vernachlässigung der nichtsprachlichen Kommunikation bemerkt, was zur intensiven empirischen und theoretischen Erforschung nichtsprachlichen kommunikativen Handelns führte – etwa im Rahmen des kommunikativen Konstruktivismus, der Praxis­theorien oder der neuen Materia­lismen. Während diese Ausweitungen empirisch, methodologisch und theo­retisch enorm fruchtbar waren, ist indessen die sprachsoziologische Forschung (nicht nur) im deutsch­sprachigen Raum nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Zwar gibt es noch einige Aktivitäten in der Linguistik und der stark linguistisch dominierten konversationsanalytischen Gesprächsforschung, doch wird die gegenwärtige Soziologie der gesellschaftlichen Rolle und Bedeutung der Sprache nicht mehr gerecht.&nbsp;Deswegen stellt sich die Forderung nach einer neuen Soziologie der Sprache. Diese muss an die (qualitativen wie quantitativen) empirischen Ausrichtung der Sprachsoziologie anschließen und ihre Verbindung zur (Sozio)Linguistik und Pragmatik erneuern sowie vor dem Hintergrund jüngerer theoretischer Entwicklungen neu über Sprache nachdenken. Ihre Aufgaben reichen von der Rolle der Sprache im Prozess der kommunikativen Konstruktion der Wirklichkeit oder in gesellschaftlichen Diskursen bis hin zur Funktion von Sprache in institutionellen Zusammenhängen (Wissenschaft, Religion, Ökonomie) sowie in ko-präsenten und/oder in mediatisierten bzw. digitalisierten Kontexten. Darüber hinaus muss die Refiguration der Sprache in der gegenwärtigen Gesellschaft betrachtet werden, also Überlagerungen gegenläufiger Tendenzen der Vermischung und Pluralisierung von Sprachen einerseits (hervorgerufen durch Tourismus und Migration, digitale Vernetzung und die globale Bedeutung des Englischen) sowie der Abgrenzung in Dialekten, Sondersprachen und Fachsprachen andererseits.</p> 2021-09-13T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1284 Der Tod und das Virus 2021-09-30T14:32:05+00:00 Ekkehard Coenen ekkehard.coenen@uni-weimar.de <p>Dieser Beitrag beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Pandemie aus einer thanatosoziologischen Perspektive heraus. Dabei werden etablierte Aussagen zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod kritisch betrachtet; konkret: die Annahmen zum spektakulären Tod, zum 'guten Sterben', zur Einsamkeit der Sterbenden und zur 'postmodernen Trauer'. Zunächst wird darauf eingegangen, dass die Corona-Krise letztendlich auch eine Krise der todesbezogenen Institutionen ist, deren Funktionalität quasi von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt worden ist, so dass sich ein thanatopraktischer Ausnahmezustand entwickelt hat. Anschließend wird die Frage behandelt, was es bedeutet, dass durch Covid-19 die Sterblichkeit des Menschen quasi über Nacht wieder diskursiv in den Vordergrund getreten ist. Hierbei wird insbesondere die Rolle der massenmedialen Berichterstattung hinsichtlich des menschlichen Verhältnisses zum Tod betont. Zum Schluss werden die Implikationen für die Thanatosoziologie im Besonderen sowie deren Verhältnis zur Soziologie im Generellen thematisiert.</p> 2021-05-04T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1320 Spannungsfreie transstaatliche Zusammenarbeit nach einem interkulturellen Training? 2021-09-30T14:32:13+00:00 Mei-Chen Spiegelberg mei-chen.spiegelberg@tu-dresden.de <p>Globale Vergesellschaftung bewirkt komplexe gesellschaftliche Spannungen. So führt beispielsweise die Parallelität transstaatlicher Kooperation und Konkurrenz zu ambivalenten Beziehungen zwischen Nationalstaaten. Mit einem ethnografischen Zugriff untersucht das Dissertationsprojekt interkulturelle Trainings, die zur Vorbereitung deutsch-chinesischer Kooperationsbeziehungen im Wirtschafts- und Wissenschaftskontext dienen. In Trainings werden die Ursachen eines Konflikts in der transstaatlichen Zusammenarbeit i.d.R. auf die verschiedenen Vorgehensweisen bezogen, die durch Differenzen der nationalen/regionalen/ethnischen/religiösen Zugehörigkeiten markiert werden. Dabei zeigt sich eine Spannung in der ambivalenten Relation zwischen der Zielsetzung des Trainings, in der interkulturelle Kompetenz zur Schlüsselqualifikation des kosmopolitischen Individuums avanciert, und der partiellen Zuschreibung von Zugehörigkeiten (häufig nach der national-ethnischen Kategorie) der Akteur*innen. Im Rahmen des Dresdner Sonderforschungsbereichs 1285 <em>Invektivität: Konstellationen und Dynamiken der Herabsetzung</em> nutzt das Projekt herabsetzende, verletzende und ausgrenzende Aspekte der Kommunikation als analytische Ressourcen und geht der Frage nach, inwiefern die sozialen Ordnungsvorstellungen in interkulturellen Trainings hinsichtlich der Vermeidung von Invektiven ausgehandelt und welche Differenzierungskategorien dabei ausgewählt werden, um die Unterschiedlichkeit der Ordnungen zu beschreiben.&nbsp;Im Beitrag werden zunächst das Forschungsfeld und die theoretischen Konzepte vorgestellt. Anschließend werden die Zwischenergebnisse anhand des Datenmaterials präsentiert.</p> 2021-07-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1393 Wie beeinflusst die soziale Herkunft Studienverläufe von Bachelorstudierenden in Deutschland? 2021-09-30T14:32:17+00:00 Christina Haas christina.haas@uni.lu <p>Im Beitrag wird untersucht, wie die soziale Herkunft Verläufe von Studierenden durch das Bachelorstudium beeinflusst. Während bereits gezeigt wurde, dass sich Schulabgänger/-innen unterschiedlicher sozialer Herkunftsgruppen in ihrer Studieneintrittswahrscheinlichkeit unterscheiden und ob sie nach dem Bachelorstudium ein Masterstudium aufnehmen, gibt es weniger Forschung zum Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und der Gestaltung des Studienverlaufs zwischen Ersteinschreibung und Studienabschluss bzw. -abbruch.</p> <p>Der Beitrag rekonstruiert auf Basis der Studierendenkohorte des Nationalen Bildungspanels Verläufe von Studierenden, die sich im Wintersemester 2010 für ein Bachelorstudium an deutschen Universitäten eingeschrieben haben, mittels Sequenzmusteranalyse. Diese Methode erfasst den gesamten Studienverlauf und ermöglicht es, die Studiendauer, Studienabbrüche, -abschlüsse, Fachwechsel und ferner Unterbrechungen zu berücksichtigen.</p> <p>Der soziale Hintergrund der Studierenden wird als mehrdimensionales Konzept verstanden. Dabei werden im Beitrag die elterliche Bildung sowie der berufliche Status berücksichtigt, die mit der Bereitstellung kultureller und ökonomischer Ressourcen verknüpft sind.</p> <p>Die Ergebnisse der Sequenzmusteranalyse und der anschließenden Clusteranalyse verweisen auf sechs Studienverlaufstypen, die unterschiedlich häufig in der Studierendenpopulation vorzufinden sind. Insgesamt deuten die Ergebnisse der multinomialen logistischen Regression vor allem auf eine Benachteiligung von Studierenden aus niedrig gebildeten Elternhäusern hin: im Gegensatz zu Studierenden aus akademischen Elternhäusern weisen diese häufiger komplexe und nicht abgeschlossene Studienverläufe auf. Ähnliches gilt im Hinblick auf den beruflichen Status des Elternhauses.</p> 2021-09-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1289 Möglichkeiten der beobachtenden Teilnahme von Menschen mit der Diagnose ‚Demenz‘ 2021-09-30T14:32:11+00:00 Jo Reichertz Jo.Reichertz@kwi-nrw.de <p>Berichtet wird über eine Feldforschung bei Familien, in denen eine Person mit der Diagnose Demenz lebt. Gefragt wird, wie sich in den Familien Kommunikationsmacht und Identitätszuschreibungen ändern. Gezeigt wird zudem, dass jede Art der Beobactung auch schon Intervention ist. Die Forscher*innen erleben nicht nur, wie die Beobachteten immer wieder in Krisen, sondern wie sie auch selbst immer wieder in Krisen geraten, und unklar ist, was denn jeweils der Fall ist. &nbsp;</p> 2021-06-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1326 Ethnografische Kredibilität auf dem Prüfstand 2021-09-30T14:32:14+00:00 Debora Niermann debora.niermann@gmail.com <p>Die Glaubwürdigkeit ethnografischen Wissens entscheidet sich, wie wenige andere wissenschaftliche Wissensformen, an der von den Ethnograf_innen selbst zu leistenden Abwägung der (Nicht-)Präsentation (il-)legitimen Vorder- und Hinterbühnenwissens. Anders als im deutschsprachigen Methodenraum werden in der soziologischen US-amerikanischen Ethnografie Schlagabtausche zu Fragen ethnografischer Validität nicht auf distanziert-methodologischer Ebene ausgetragen, sondern an den Ethnografien und damit an den Wissensprodukten selbst.</p> <p>Der Beitrag widmet sich der Diskussion und Einordnung des sicherlich, in jüngerer Zeit, öffentlichkeitswirksamsten Falls dieser Art, in dem sich die Aushandlung von Gütekriterien ethnografischer Kredibiliät dokumentiert: die Debatte um Alice Goffmans „On the run. Fugitive Life in an American City“. Der Artikel skizziert den hierzulande kaum wahrgenommenen <em>Goffman Scandal </em>und diskutiert ihn auf der Grundlage der im Rahmen der DFG-Studie „Etablierte Außenseiter. Zur (Re-)Produktion ethnografischen Wissens in der gegenwärtigen US-amerikanischen soziologischen Ethnografie“ entwickelten Forschungsergebnisse. Dabei wird die Debatte um Kriterien ethnografischer Kredibilität zum einen gedeutet als Ausdruck gegenwärtig stattfindender Verschiebungen im Feld der US-amerikanischen Ethnografielandschaft und sich dabei vollziehender (Re)Positionierungsleistungen der klassischen Chicago School-Ethnografie gegenüber von an Deutungsmacht gewinnenden theorieakzentuierenden Ethnografieansätzen. Darüber hinaus werden zur Erklärung interdisziplinäre Deutungskonkurrenzen, (il-)legitime Repräsentationspraktiken und das Erstarken sozialwissenschaftlichen Journalismus‘ in Konkurrenz zur Public Ethnography herangezogen. Abschließend erfolgt die Thematisierung soziologieimmanent entwickelter methodischer wie epistemologischer Lösungswege.</p> 2021-07-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1421 Digitale Neuordnung und (il)legitime Wissensregime in einer Bildergesellschaft 2021-09-30T14:32:21+00:00 Debora Frommeld debora.frommeld@oth-regensburg.de <p>Der Beitrag zeigt, dass es sich bei der populären Figur eines ‚richtigen‘ oder gesunden Körpergewichts um eine diskursive soziale Konstruktion handelt, die aus der Veralltäglichung eines genuin naturwissenschaftlichen Diskurses im 19. und 20. Jahrhundert hervorging. Das 21. Jahrhundert steht für die Etablierung eines Wissensregimes und gleichzeitig für neue Spielräume gesellschaftlichen Wissens, die sich in einer sogenannten „Bildergesellschaft“ unter anderem in den sozialen Medien konstituieren. Eine wissenssoziologische Diskursanalyse medizinischer und wissenschaftlicher Fachliteratur, gesundheitspolitischer Kampagnen, einschlägiger Internetforen, -seiten und Blogs von Body Positive-Aktivist*innen entschlüsselt dynamische Bewegungen und Gegen-Bewegungen im Umfeld des ‚richtigen‘ Körpergewichts. Die bisherige hierarchische Ordnung von Wissen weist zwei Diskursstränge auf: Eine negative Bewertung und Moralisierung von Übergewicht sowie die Konjunktur eines Body Shaping. Gegen die kollektive Selbstoptimierung in Richtung eines fitten, schlanken Körpers formiert sich allerdings seit einiger Zeit Widerstand. Dieser organisiert sich zum einen in wissenschaftlicher Hinsicht, zum anderen wird ein neues Schönheits- und Körperverständnis populär. Die Initiativen der Fat Studies und der Body Positivity-Bewegung erreichen bereits weltweit diskursive Sichtbarkeit und könnten normatives Wissen langfristig entmachten.</p> 2021-09-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1417 Das Komische als Spannungslöser 2021-09-30T14:32:24+00:00 Arne Dreßler dressler@uni-koblenz.de <p>Tabuwissen ist eine problematische Sorte von Wissen. Denn von ihm soll eigentlich nicht mehr bekannt werden, als dass man es nicht zu wissen habe. Dies stellt die Vermittlung von Tabuwissen vor eine Herausforderung. Anhand einer historischen Stadtplanreihe, die schwerpunktmäßig über sexuelle Dienstleistungen in bundesdeutschen Großstädten informierte, untersucht der Beitrag, wie die Stadtpläne mit dem Tabu umgehen, das ihr Wissen betraf. Dabei fällt als ungewöhnlichstes Element die Nutzung von Comicfiguren auf. Zwar werden auch sie genretypisch für Reiseliteratur in die Vermittlung des Was, Wo, Wann und Wie der örtlichen Optionen eingespannt. Aber die Einführung des Komischen in den Prostitutionskontext Anfang der 1970er Jahre hilft vor allem, die im Tabu angelegte Spannung zu lösen, einerseits von dem vermittelten Wissen angezogen, andererseits von ihm abgestoßen zu sein. Damit verhelfen die Stadtpläne ihren an sexuellen Dienstleistungen interessierten Benutzern nicht nur zu einem Können, sondern arbeiten zur Überwindung der Tabuschranke auch und zugleich unmerklich an ihrem Wollen und Dürfen.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1364 Prekäre Arbeit, prekäre Anerkennung, prekäre Lebensverhältnisse 2021-09-30T14:32:18+00:00 Christine Wimbauer christine.wimbauer@hu-berlin.de Mona Motakef mona.motakef@tu-dortmund.de <p>Derzeit führt uns die COVID-19-Krise sehr eindringlich die grundlegende Verletzbarkeit und Unsicherheit allen Lebens vor Augen. Auch die Prekarität der Ökonomie, der gesellschaftlichen Grundlagen und des Sozialen werden mehr als deutlich. Aber schon vor COVID-19 kam es mit dem sozialpolitischen Wandel (Stichwort „Hartz IV“) seit den 2000er Jahren in Deutschland zu einer Ausweitung prekärer Beschäftigung. Prekarisierung betraf darüber hinaus auch schon vor COVID-19 das gesamte Leben: Soziale Beziehungen, Familie, Paarbeziehungen, Liebe können prekär werden, die Sorge für sich und andere, die Gesundheit, soziale Teilhabe, Wohnraum und die Zukunftsperspektiven und weiteres (vgl. Motakef/Wimbauer 2020, Kap. 12.6). Auch prekäre Beschäftigung hat nicht nur ökonomische Ungleichheitsfolgen, zumal sie in der Regel mit geringem Einkommen verbunden ist, sondern auch mit Anerkennungsdefiziten in vielen Bereichen. Schließlich wirkt sie sich auch auf das Soziale aus: „Es löchert die Gesellschaft von innen raus auf“, so eine von uns Befragte. Wofür aber finden Menschen in prekären Beschäftigungen und Lebenslagen Anerkennung und welche Anerkennungsdefizite werden deutlich? Und wie entwickeln sich diese Anerkennungsdefizite und Ungleichheiten durch die gegenwärtige COVID-19-Pandemie weiter?</p> <p>Wir stellen Ergebnisse des DFG-Projektes „Ungleiche Anerkennung? Arbeit und Liebe im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter“ (WI2142/5-1) vor (Wimbauer/Motakef 2020) und bringen diese mit der gegenwärtigen Corona-Krise zusammen. Im Projekt haben wir 24 prekär Beschäftigte (mit und ohne Paarbeziehung) in narrativen Paar- und Einzelinterviews befragt. Theoretisch nehmen wir eine geschlechter- und ungleichheitssoziologische und zudem eine Anerkennungsperspektive im Anschluss an Honneth ein. Wir untersuchen u.a.:</p> <ul> <li>Wofür finden prekär Beschäftige in der Erwerbssphäre und in Paar-/Nahbeziehungen Anerkennung, wofür nicht? Welche Ungleichheiten zeigen sich dort? Welche Gruppen sind besonders prekär?</li> <li>Lassen sich Anerkennungsdefizite in der Erwerbssphäre in anderen Berei­chen kompensieren oder kumulieren sie in verschiedenen Lebenslagen und im Lebensverlauf in multiplen Exklusionen?</li> <li>Welche Rolle kommt dabei Geschlecht zu? Gerade Frauen leisten viel unbezahlte Sorgearbeit und sind oft mehrfach belastet, aber werden ökonomisch und intersubjektiv dafür kaum anerkannt.</li> </ul> <p>&nbsp;</p> <p>Wir präsentieren empirische Ergebnisse aus dem Projekt und verbinden diese mit den aktuellen pandemischen Ereignissen. Eine ausführliche Version unseres Vortrages / Beitrages findet sich in Wimbauer/Motakef (2021); die gesamten Projektergebnisse in Wimbauer/Motakef (2020). Wir zeichnen nach, wie prekäre Lebenslagen im Lebenszusammenhang entstehen können. Deutlich wird, wie „problematisch und existenziell“ die Kumulation von Anerkennungsdefiziten für die Einzelnen sein kann. Besonders betroffen sind Menschen, die etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht unbegrenzt erwerbsarbeiten können. Auch zeigen sich vielfältige Geschlechterungleichheiten: Anerkennungsdefizite und Ungleichheiten treffen oft prekär beschäftigte Frauen, die in einer Paarbeziehung leben und dort unsichtbar Sorge- und prekäre Erwerbsarbeit leisten. Dazu sind Alleinerziehende, Menschen ohne Paarbeziehung und/oder mit chronischen Erkrankungen oft besonders prekär und von multiplen Anerkennungsdefiziten betroffen.</p> <p>Die COVID-19-Krise macht die große Verletzbarkeit der Menschen deutlich. Bereits jetzt zeichnen sich eine erhebliche Ausweitung von Prekarität und erhebliche Spaltungen und Verwerfungen ab: Hier stehen Beamte und Wissensarbeiter*innen im gut bezahlten Homeoffice oder gar entschleunigt sitzend im Gärtchen. Dort sind Menschen, die neuerdings „systemrelevant“, aber stark unterbezahlt etwa in Krankenhäusern, Nahrungsmittelproduktion/Verkauf (oft Frauen, oft unterbezahlt) oder bspw. der Polizei arbeiten und/oder Menschen, die mit Kindern, Vorerkrankungen und/oder Sorgen um Angehörige in der (kleinen) Wohnung sitzen oder arbeiten gehen (müssen). Hinzu kommen all die bereits jetzt prekär oder nicht Beschäftigten, die durch die ökonomischen Folgen der Lockdowns womöglich ihre wirtschaftliche Existenz verlieren. Größere Ungleichheiten, gesellschaftliche Spaltungen und Verwerfungen erscheinen vorprogrammiert.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1363 Prekäre (Sorge-)Arbeit, prekäre Lebenszusammenhänge 2021-09-30T14:32:22+00:00 Mona Motakef mona.motakef@tu-dortmund.de Christine Wimbauer christine.wimbauer@hu-berlin.de <p>Mit Prekarisierung werden zunehmend unsichere Erwerbs- und Lebenslagen beschrieben. In der Prekarisierungsforschung ist das Interesse an den subjektiven Wahrnehmungen von prekär Beschäftigten und Erwerbslosen gewachsen. Doch wie lässt sich das Verhältnis zwischen objektiven Strukturen prekärer Arbeit und deren subjektiver Wahrnehmung bestimmen? In unserem Beitrag diskutieren wir, ausgehend von einer mehrdimensionalen Heuristik von Prekarität im Lebenszusammenhang (Wimbauer/Motakef 2020), wie prekär Beschäftigte ihre prekäre Lebenslage unter Anerkennungsgesichtspunkten wahrnehmen. In dem Beitrag stehen Überlegungen im Zentrum, welche Rolle sozialstrukturelle Kategorien dabei einnehmen. Insbesondere fokussieren wir die Kategorie Geschlecht als eine zentrale Strukturkategorie und stellen prekäre (Sorge-)Arbeit ins Zentrum. Damit wollen wir explizit die verbreitete androzentrische Verkürzung von prekärer Arbeit auf prekäre Erwerbsarbeit überschreiten.</p> <p>Wir stellen Befunde unserer anerkennungstheoretisch fundierten empirischen Studie – das DFG-Projekt „Ungleiche Anerkennung? Arbeit und Liebe im Lebenszusammenhang prekär Beschäftigter“ (WI2142/5-1) – vor (Wimbauer/Motakef 2020). In dieser Studie haben wir eine geschlechtersensible Perspektive auf Prekarität und Anerkennung (Honneth, Butler) im Lebenszusammenhang entfaltet und eine Heuristik mit acht Dimensionen von Prekarität entwickelt. Wir haben 24 prekär Beschäftigte – Paare und Menschen ohne Paarbeziehung – mittels Paar- und Einzelinterviews befragt:</p> <p>- Wofür wünschen sie in der Erwerbsarbeit, in Paar- und Nahbeziehungen Anerkennung? Wofür erhalten sie tatsächlich Anerkennung? Wo zeigen sich Anerkennungsdefizite?</p> <p>- Welche Bedeutung haben die verschiedenen Lebensbereiche und Anerkennungsdefizite für die Befragten, wie deuten sie ihre Situation?</p> <p>- Können Anerkennungsdefizite in der Erwerbssphäre in anderen Lebensbereichen, durch Partner/in, Familie, Freund*innen oder anderes kompensiert werden – oder kumulieren Anerkennungsdefizite?</p> <p>Im Ergebnis zeigen wir, dass bei allen prekär Beschäftigten unseres Samples, die Sorgearbeit leisten, diese unter prekären Bedingungen stattfindet, aber nicht alle Befragten diese auch als Nichtanerkennung wahrnehmen. Grundlegend für die Wahrnehmung von Prekarität, insbesondere von der Prekarität von Sorgearbeit und des Sorgearrangements, sind zunächst die gesellschaftlich vermittelten subjektiven Deutungen und Relevanzsetzungen. Blickt man weiter auf die Kategorie Geschlecht, so zeigt sich die Wahrnehmung der Prekarität von Sorge als vergeschlechtlicht. Offenbar werden an Frauen und Männer unterschiedliche Sorge- und Erwerbsarbeitserwartungen gestellt. Leisten Frauen Sorge, nehmen sie deren Prekarität wahr, zugleich normalisiert die Geschlechternorm aber offenbar ihre Prekaritätswahrnehmung. Wir diskutieren, dass es eine Chance darstellen kann, wenn immer mehr Männer Geschlechternormen überschreiten und im Sinne einer ‚caring masculinity‘ Sorgearbeit leisten. In unserem Sample wird von ihnen prekäre Sorge stärker wahrgenommen und skandalisiert, wobei insgesamt nur sehr wenige Männer unserer Studie nennenswert Sorgearbeit leisten. Daneben ist die Prekaritätswahrnehmung geschlechterübergreifend dann sehr ausgeprägt, wenn die Einlösung einer als legitim betrachteten Norm – Meritokratie in der Erwerbssphäre, aber auch zum Beispiel das Recht auf Familiengründung – verhindert wird.</p> <p>Weiter stellt sich die Frage, wie normative Orientierungen von Individuen angeeignet werden: Auch wenn die Erwerbsnorm im aktivierenden Sozialstaat für alle gilt, sind nicht alle an ihr orientiert. Wer ist warum am Ernährermodell orientiert und wer will warum um jeden Preis ein Hausfrauen- oder Zuverdienerinnenmodell vermeiden, wie wir es in unserem Sample auffanden? Neben biographischen Erfahrungen sind zudem die individuelle Lebenshaltung und bestimmte psychische Dispositionen von Bedeutung, auch wenn dies Fragen aufwirft, die uns an die Grenzen der Soziologie bringen und womöglich in den Aufgabenbereich der Psychologie fallen. So ist am Ende die Frage nach den subjektiven Wahrnehmungen ein komplexes Wechselverhältnis aus gesellschaftlichen Rahmen der Anerkennbarkeit (Butler), institutionellen Anerkennungsordnungen, normativen Orientierungen, vermittelt durch sozialstrukturelle Positionierungen und durch subjektive biographische Erfahrungen im Elternhaus, der Familie, der Erwerbssphäre und durch psychosoziale Dispositionen.</p> <p>It’s the tructure, stupid? – ja und nein. Die Struktur ist mächtig, aber sie ist nicht übermächtig. Sie begrenzt und ermöglicht Deutungen, und einer der wichtigsten Zwischenschritte dabei sind – neben Ressourcen – die Normen, wie zum Beispiel Geschlechter- und Arbeitsnormen. Aber auch diese können, wie nicht nur unsere Empirie zeigt, womöglich an der einen oder anderen Stelle überschritten werden. Die Soziologie kann erforschen, wann, wie und warum dies möglich ist. Noch besser kann sie dies erforschen, wenn sie dabei – so unser Fazit – auf interdisziplinäre Hilfe zurückgreift.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-09-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1295 Antisemitismus als antimodernes Ressentiment 2021-09-30T14:32:10+00:00 Johannes Kiess kiess@soziologie.uni-siegen.de <p>Allenthalben wird beklagt, die Soziologie vernachlässige die Antisemitismusforschung. Tatsächlich scheint eine Soziologie des Antisemitismus immer noch nur „in Fragmenten“ vorzuliegen, wie etwa Heiko Beyer 2015 bemängelte (Beyer 2015). Das liegt – wie bei der Vorurteils- oder der Rechtsextremismusforschung – auch daran, dass benachbarte Disziplinen diese Felder teils wirkungsvoll besetzen. Im Falle Antisemitismus sind vor allem die psychoanalytische Sozialpsychologie und die Geschichtswissenschaft zu nennen. Soweit, so bekannt. Auch die Organisatorinnen dieser Ad-hoc-Gruppe stellen ein Defizit bei der Soziologie fest. Mein Ausgangsgedanke für diesen Vortrag ist, dass die Soziologie selbst als Reaktion auf die Moderne entstanden ist – und damit zeitgleich mit dem modernen Antisemitismus. Wenngleich sich die Soziologie dem Thema eher sporadisch genähert hat, ist ihr klassischer Gegenstand – die moderne Gesellschaft – allerdings aufs Engste mit dem Gegenstand Antisemitismus verbunden. Aus dieser Überlegung heraus will ich skizzieren, was man von den Klassikern des Faches lernen kann und was eine allgemeine Soziologie des Antisemitismus als Programm, nicht nur als individuelles Forschungsprojekt leisten könnte.</p> 2021-06-11T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1422 Antisemitismuserfahrungen bei Nachkommen von Überlebenden der Shoah 2021-09-30T14:32:22+00:00 Jakob Eisemann eisemannjakob@gmail.com <p>In der bisherigen Landschaft der Antisemitismusforschung finden die Wahrnehmungen und Erfahrungen von Jüdinnen und Juden in ihrer inter- und innersubjektiven Spezifik überraschend wenig Berücksichtigung. Anhand einer tiefenhermeneutischen Interpretation berichteter Antisemitismuserfahrungen eines Nachkommen von Überlebenden der Shoah wird veranschaulicht, dass selbst die Erfahrungen unterschwelliger Vermeidung, Einfühlungsverweigerung und Ausgrenzung (durch nicht-jüdische Deutsche) eine äußerst destruktive Dynamik für die Betroffenen annehmen können. Durch den qualitativen Ansatz wird exemplarisch deutlich, wie die bewussten und unbewussten Wechselwirkungen der ‚transgenerationalen Tradierung extremen Traumas‘ und der ‚Gefühlserbschaften des Nationalsozialismus‘ szenisch wirksam werden und noch gegenwärtige Konflikte zwischen Jüdinnen und Juden und nicht-jüdischen Deutschen psychosozial strukturieren können.</p> 2021-09-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1334 Religion, Vorurteile und Rechtsextremismus – kommt zusammen, was nicht zusammengehört? 2021-09-30T14:32:14+00:00 Verena Schneider verena.schneider@uni-leipzig.de Gert Pickel pickel@rz.uni-leipzig.de Cemal Öztürk cemal.oeztuerk@uni-due.de <p>Rechtspopulistische und rechtsextreme Akteur:innen in Deutschland und Europa machen verstärkt „den Islam“ oder „die Muslime“ für gesellschaftliche Konflikte verantwortlich. Neben Muslim:innen dienen ihnen auch Jüd:innen als Feindbild. Sowohl bei Muslimfeindlichkeit als auch bei Antisemitismus fungiert Religionszugehörigkeit als Ablehnungsmarker, den Rechtsextreme und Rechtspopulist:innen zur Mobilisierung nutzen: Sie knüpfen gezielt an bestehende Vorurteile und Bedrohungswahrnehmungen gegenüber Mitgliedern dieser beiden Religionsgruppen an. Auf der anderen Seite scheint sich Religiosität auch auf Seiten der Mehrheitsgesellschaft auf die Ausbildung rechtsextremer Einstellungen auszuwirken. Wie genau hängen Religion, Vorurteile und Rechtsextremismus miteinander zusammen? Anhand von Umfragedaten stellen die Autor:innen die ambivalente Wirkung von Religiosität heraus: Während eine dogmatisch-fundamentalistische Religionsauslegung rechtsextreme Einstellungen befördert, wirkt eine soziale Religiosität – also die Kombination von religiösem mit sozialem Engagement – extrem rechten Haltungen entgegen. Abschließend gehen die Autor:innen auf die Brückenfunktion von Vorurteilen ein: Abwertende Haltungen gegenüber Muslim:innen, Jüd:innen und anderen sozialen Gruppen können als „Scharniere“ hin zu rechtsextremen Vorstellungswelten dienen.</p> 2021-07-26T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1454 Wie viel Christentum steckt in der Heimatliebe? 2021-09-30T14:32:20+00:00 Aletta Johanna Diefenbach aletta.diefenbach@fu-berlin.de <p>Die Rolle des Christentums wird in der gegenwärtigen Politisierung von rechts bisher als diffuser Identitätsmarker für das Eigene, als <em>belonging without believing</em>, beschrieben. Referenzen wie die „christliche Leitkultur“ würden zwar für das Identitäre stehen, damit artikuliere sich aber eher ein säkulares und kulturelles, statt ein glaubendes Wir. Diagnosen dieser Art wurden bisher vor allem an öffentlichen Programmatiken oder Diskursen festgemacht. Weniger klar ist, wie solche christlichen Codes auch auf der lebensweltlichen Ebene der politischen Mobilisierung und der neuen Gruppenbildung ihre Relevanz erhalten. Der Beitrag zeigt an drei exemplarischen Fällen auf, wie facettenreich und damit auch umstritten das Christentum für eine kollektive Identität der Neuen Rechten ist: Zwar zeigt sich ein vereinendes Potential in der gemeinsamen Identifikation mit dem Christentum als säkularisierte Kulturleistung. Doch letztlich offenbaren sich in den Positionierungen zum Christentum fundamentale Identitäts- und gesellschaftliche Ordnungsvorstellungen. Damit wird auch die Fragilität des Ethnopluralismus als politische Strategie sichtbar. Denn sobald es gilt, sich mittels kultureller Differenz nicht über das Andere, Fremde, sondern das Eigene und zu Verteidigende zu definieren, tritt die eigene kulturelle Vielfalt hervor, die wiederum Konfliktpotentiale bergen kann. Empirische Grundlage für diese These bilden Gruppendiskussionen mit verschiedenen lokal agierenden Gruppen der sogenannten Neuen Rechten (AfD, PEGIDA, Identitäre Bewegung).</p> 2021-08-11T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1405 Berufliche Aufstiege in der digitalisierten Produktionsarbeit? 2021-09-30T14:32:19+00:00 Kathleen Warnhoff kathleen.warnhoff@wzb.eu <p>Gegenstand des vorliegenden Beitrages ist die Frage nach dem Wandel von Arbeit im Kontext der Digitalisierung. Im Mittelpunkt steht eine empirische Standortbestimmung zum Umsetzungsstand von Industrie 4.0-Konzepten in deutschen Industriebetrieben der Metall- und Elektroindustrie. Im Zuge dessen stehen viele Akteure vor der Herausforderung, die Kompetenzentwicklung von Beschäftigten zukunftsgerichtet zu gestalten.</p> <p>Der derzeitige Forschungsstand legt nahe, dass die kontinuierliche Einführung innovativer Technologien nicht von allen Beschäftigtengruppen gleichermaßen als Chance erlebt wird. Das könnte ein Hinweis sein, dass sich bestehende Ungleichheiten auf der Betriebsebene reproduzieren. Dieser Beitrag greift daher die Frage auf, wie sich die Einführung neuer Technologien auf die Weiterbildungsaktivitäten von Industriebeschäftigten auswirkt.</p> <p>Vertiefend wurden typische Berufsgruppen der Industriearbeit in der Metall- und Elektrobranche und ihre Tätigkeitsfelder empirisch untersucht. Die Befunde zeigen, dass gelingende Lernprozesse im Arbeitsleben weniger auf neu einführte Technologien am Arbeitsplatz zurückzuführen sind. Der Vergleich von Arbeitsbedingungen zeigt ein Ungleichgewicht zu Lernbedingungen am Arbeitsplatz, die beim arbeitsintegrierten Lernen nachteilig sein können. Für bereits marginalisierte Beschäftigtengruppen ist dies besonders nachteilig, denn sie haben weniger Zugang zu formalen Weiterbildungsangeboten. Darüber hinaus ergeben sich aus den Nachteilen am Arbeitsplatz Hindernisse für das arbeitsintegrierte Lernen, die zu Lernwiderständen führen können. Angesichts der Befunde entsteht der Bedarf nach einer weiterführenden Diskussion in betrieblichen und politischen Aushandlungsarenen, um über die Entwertung der Arbeit hinsichtlich der Bedingungen zum Lernen im Prozess der Arbeit zu reflektieren.</p> 2021-09-22T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1439 How refugees are interpreted in public debates in different countries 2021-09-30T14:32:15+00:00 Daniel Drewski daniel.drewski@fu-berlin.de Jürgen Gerhards j.gerhards@fu-berlin.de <p>This paper presents work in progress from a comparative qualitative analysis of political discourses on the admission or rejection of refugees in different countries around the world. Despite being subject to the norms and principles of international law that require states to open their borders to refugees seeking safety from persecution and serious human rights violations, states differ significantly in terms of their refugee policies and their justifications for these policies. In our project, we compare political discourses on the admission of refugees in different countries. We also try to account for country differences by drawing on the notion of “discursive opportunity structures”. We illustrate how different discursive opportunity structures might have shaped the political discourses in two of our six country cases: The Turkish discourse on Syrian refugees and the Chilean discourse on Venezuelan migrants.</p> 2021-08-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1300 Forschung zu marginalisierten und diskriminierten Gruppen 2021-09-30T14:32:12+00:00 Christine Körner koernerc@hu-berlin.de <p>Sexarbeit ist seit langem ein gesellschaftlich umstrittenes Thema, was sich unter anderem in der unterschiedlichen rechtlichen Regulierung in internationaler sowie historischer Perspektive in Deutschland zeigt. Dabei fand durch das Inkrafttreten des Prostituiertenschutzgesetzes 2017 eine rechtliche Neuregulierung statt, die auch Veränderungen bzgl. der Forschung zu dieser Personengruppe erwarten lässt. Welche Besonderheiten sind bei der Forschung zu Sexarbeit aktuell zu erwarten und wie kann dem methodologisch begegnet werden? Dieser Frage geht dieser Beitrag nach und fokussiert im Folgenden die gesellschaftliche und politische Debatte zu Prostitution und ihre rechtliche Regulierung.</p> 2021-07-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1339 Die Arbeit mit unstrukturierten textbasierten Daten 2021-09-30T14:32:15+00:00 Franziska Hein-Pensel franziska.hein-pensel@tu-ilmenau.de <p>Aufgrund der steigenden Verfügbarkeit großer Textdaten sind Text Mining und insbesondere Topic Modeling relevante Methoden, um sich Forschungsfragen in verschiedenen Fachbereichen zu nähern (Roberts et al. 2019). Topic Modeling kann dabei als eine explorative Technik beschrieben werden, um Informationen aus Textdaten in großem Maßstab zu gewinnen (DiMaggio et al. 2013). Dies führt dazu, dass das Interesse an Topic Modeling im letzten Jahrzehnt deutlich gewachsen ist und sich von der Informatik in andere Disziplinen, wie der Soziologie (z.B. Apishev et al. 2016; Bohr, Dunlap 2018) oder den Wirtschaftswissenschaften (z.B. Wang et al. 2017; Schmiedel et al. 2019), verzweigt hat.</p> <p>Mit Hilfe einer methodischen Kombination von Topic Modeling und qualitativer Kodierung können Wissenschaftler*innen Informationen aus einem Datenkorpus gewinnen, die von Hand nicht vollständig auswertbar gewesen wären (z.B. Shimizu 2017; Croidieu, Kim 2018). Dieser methodengemischte Ansatz erfordert eine konstante Zirkulation zwischen der Interpretation des Outputs und der Datenaufbereitung für die quantitative Analyse. Aufgrund der Komplexität dieses Prozesses ist sowohl Zeit als auch Sorgfalt gefordert.</p> <p>Trotz der wachsenden Popularität von Topic Modeling in den Sozialwissenschaften fehlt es nach wie vor an gemeinsamen Qualitätsrichtlinien für Wissenschaftler*innen, um die Transparenz ihrer Arbeit zu gewährleisten (Antons et al. 2020). Im Vergleich dazu gehört es in der Informatik zur gängigen Praxis, den Leser*innen einen detaillierten technischen Bericht anzubieten, der alle Informationen zur Erstellung der präsentierten Ergebnisse enthält. Hierdurch wird die Nachvollziehbarkeit der Analyseschritte gewährleistet.</p> <p>Der vorliegende Beitrag plädiert dafür, dass bei der Implementierung eines Text Mining Algorithmus aus der Informatik in die Sozialwissenschaft die erzeugten Ergebnisse mit den gleichen Standards wie in ihrer Ursprungsdisziplin behandelt werden sollten und zeigt hierfür Möglichkeiten auf. In diesem Beitrag wird die Verwendung von Topic Modeling und induktiver Kodierung sowie das Zusammenspiel beider Methoden diskutiert. Der Mehrwert dieser Studie besteht darin, Qualitätsleitlinien für den Umgang mit unstrukturierten Textdaten zur Gewährleistung von Transparenz vorzustellen.</p> 2021-08-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1410 Multiple Sicherheitsrationalitäten als (Ent-)Spannungspotentiale? Empirische Einsichten in den Interventionsraum der gewerblichen Veranstaltungssicherheit und seine Regierung 2021-09-30T14:32:17+00:00 Bernadette Hof bernadette.hof@soziologie.uni-halle.de <p>Sicherheit ist ein höchst mehrdeutiger politischer Leitbegriff, wobei sich diese Mehrdeutigkeit auch auf der Ebene der verschiedenen polizierenden Akteure nachvollziehen lässt. Vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Wandels der Organisation der Herstellung von Sicherheit und Ordnung gewinnt diese Perspektive an Relevanz. Vor allem im Bereich der Gefahrenabwehr wird bzw. soll Sicherheitsarbeit zunehmend von staatlichen, kommerziellen und zivilgesellschaftlichen Akteuren gemeinsam und zuweilen kooperativ betrieben werden. Wichtige Akteure sind hier auch gewerbliche Sicherheitsdienstleister, deren Einsatzbereich sich immer stärker auf den öffentlichen, vor allem aber den halböffentlichen Raum ausdehnt. Im vorliegenden Beitrag sollen Ausschnitte aus dem Sicherheits- und Ordnungswissen gewerblicher Sicherheitsdienstleister, welche kommerzielle Großveranstaltungen absichern, präsentiert werden. Im Zentrum steht dabei das Wissen um den Interventionsraum Veranstaltung und seine gute Regierung. Es soll argumentiert werden, dass Einblicke in das Sicherheits- und Ordnungswissen gewerblicher Sicherheitsdienstleister von großer Bedeutung sind, um Möglichkeiten und Hindernisse einer pluralisierten Sicherheitsarbeit diskutieren zu können.</p> 2021-09-06T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1305 Sleeptracking – Zur digitalen Vermessung des Schlafs 2021-09-30T14:32:10+00:00 Stefan Meißner stefan.meissner@hs-merseburg.de <p class="Einzug05">Der Beitrag rekonstruiert und reflektiert die bisherigen Forschungen zu Selbstvermessung und Quantified Self. Davon ausgehend wird die Differenz von Verfügbarkeit/Unverfügbarkeit, wie sie kürzlich Hartmut Rosa vorgelegt hat, für die Beschreibung von Schlaftracking herangezogen. Dies mündet in einen eher generalisierenden Ausblick, der Self Tracking als Umgang mit anthropophilen Medien deutet. Diese Perspektive erlaubt einen Blick auf gänzlich neue Selbstverhältnisse, die weniger als Ausdruck "sozialer Kontingenz" verstanden werden können und vielmehr als Umgang mit "personaler Kontingenz" begriffen werden sollten.</p> <p>&nbsp;</p> 2021-06-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1463 Kritik als Ferment einer Soziologie, die soziale Ungleichheit zum Thema macht 2021-10-20T07:32:47+00:00 Regina Becker-Schmidt r.becker-schmidt@t-online.de <p>Seit den Anfängen der Soziologie, die sich im 19ten Jahrhundert als eigenständige Disziplin etabliert, versteht diese sich als ein Fach, das nicht Einzelfakten ins Auge fasst, sondern gesellschaftliche Entwicklungen untersucht. „Soziologie“ entsteht in Zeiten des Umbruchs, die durch die Französische Revolution bestimmt sind. Die Diskurse der Aufklärung stellen die traditionellen Vorstellungen von hierarchischen Sozialordnungen in Frage, der Prozess der Industrialisierung bewirkt tiefgreifende Umwälzungen in den Arbeits- und Lebensformen der Bevölkerung, in der Sozialwissenschaft entfalten sich konkurrierende Positionen. Das Postulat der Wertfreiheit, das sich an naturwissenschaftlichen Standards orientiert, wird konterkariert durch das Medium der Kritik, in dem soziale Konflikte und Krisen in den Blick genommen werden. An den aktuellen Bezugnahmen auf Henri de Saint-Simon, Auguste Comte und Max Weber lässt sich zeigen, welche Impulse aus den frühen Phasen der Soziologie bis heute relevant geblieben sind.</p> <p><a href="https://www.youtube.com/watch?v=pHoDttH_q5g" target="_blank" rel="noopener">Videoaufzeichnung des Vortrags</a></p> 2021-10-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1310 Spannungsfeld Kunstaktivismus 2021-09-30T14:32:13+00:00 Marie Rosenkranz marie.rosenkranz@hu-berlin.de <div> <p>Dieser Beitrag widmet sich am Beispiel der "School of Integration" (Manchester Art Gallery 2019) der kubanischen Künstlerin Tania Bruguera der Frage, mit welchen Begriffen von Kunst, Politik und Aktivismus aktivistische Künstler*innen agieren. Dazu nehme ich&nbsp;neben dem genannten Kunstprojekt auch einige Vorträge der Künstlerin in den Blick, in denen sie ihr künstlerisch-aktivistisches Selbstverständnis öffentlich reflektiert.&nbsp;</p> </div> <p>&nbsp;</p> 2021-07-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1398 ... Und wenn die Fremde Brecht zitiert? 2021-09-30T14:32:22+00:00 Christine Carolin Best christine.best@tu-dortmund.de Kerstin Guhlemann kerstin.guhlemann@tu-dortmund.de <p>Spannungen generierende Stereotype über Personen mit Migrations- und Fluchtgeschichte werden nicht erst seit der Migrationsbewegung von 2015 von medialen Diskursen aufgegriffen und damit gleichermaßen verstärkt. Basierend auf der Annahme von Theater als universalem Kommunikations- und Ausdrucksmittel, bei dem soziale Kategorien wie Herkunft, Geschlecht oder Aussehen keine Rolle spielen, begegnet das Projektformat „JobAct Sprachkultur“ unter Anwendung des Ansatzes der Sozialen Kunst und durch die Kombination von Sprachtraining, Arbeitsmarktintegration sowie klassischem deutschen Theater allen drei Stereotypen. Der Beitrag beleuchtet die Bedeutsamkeit von Sprache und Arbeit im integrationspolitischen Kontext sowie den medialen Diskurs hierüber und identifiziert hieraus resultierende Spannungen, um sodann zu untersuchen, wie Soziale Kunst jenen Spannungen begegnen kann.</p> 2021-09-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1350 Feministische spekulative Fabulation und die Frage der Bevölkerung im Anthropozän 2021-09-30T14:32:16+00:00 Josef Barla barla@soz.uni-frankfurt.de <p>Vor dem Hintergrund des sechsten großen Artensterbens und multipler ineinander verschränkter planetarer Katastrophen rücken alte und neue Fragen von Bevölkerung ins Zentrum politischer Diskurse. Während feministische Interventionen ‚Bevölkerung‘ als biopolitisches Werkzeug begriffen und die Kritik am Konzept der Bevölkerung bzw. die Forderungen nach einer Reduktion dieser als zutiefst verwurzelt in rassistischen und kolonialen Imaginationen verorteten haben, werden zunehmend Stimmen laut, die betonen, dass ‚wir‘ es ‚uns‘ im Anthropozän nicht mehr leisten könnten, die Frage der Bevölkerung auszuklammern. Über eine kritische Auseinandersetzung mit dem Ruf nach einer feministischen Aneignung der Frage der Bevölkerung, erschließt der Aufsatz, inwieweit die ökologische Mobilisierung der Frage der Bevölkerung tatsächlich eine überzeugende Antwort auf das Anthropozän sein kann. Hierfür wird Haraway durch Haraway gelesen, ist es doch sie, die stets betont hat, dass es von Gewicht ist, welche Erzählungen Erzählungen erzählen. Dabei wird argumentiert, dass Haraway den Einwand zu voreilig beiseite wischt, dass ihre Figur des Chthuluzäns und das Konzept der Bevölkerung nicht so ohne Weiteres von rassistischen Imaginationen, kolonialistischer Gewalt und biopolitischen Praktiken des Zählens und Verwaltens von Leben und Sterben entkoppelt werden können. Zugleich soll Haraway aber auch gegen eine verkürzte Kritik verteidigt werden, die ihr einen misanthropischen Populationismus und die Abkehr vom Materialismus zugunsten eines unkritischen Idealismus vorhält. In Auseinandersetzung mit der Verschränkung von Bevölkerung, Verwandtschaft und Auslöschung im Anthropozän wird schließlich der Beitrag feministischer spekulativer Fabulation als Ressource für widerständige Praktiken der Verweltlichung besprochen. Weit entfernt von einem unkritischen Idealismus, der Denken zur alleinigen Grundlage von Erfahrung erklärt und dabei die dynamische Eigensinnigkeit und Materialität der Welt untergräbt, wird für ein Verständnis von spekulativer Fabulation als eine materielle Praxis des Inbeziehungtretens und des Antwortens <em>mit</em> der Welt <em>als Teil dieser</em> plädiert.</p> 2021-09-03T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1415 Unschuldiges Fleisch - Unschuldige Subjekte? 2021-09-30T14:32:22+00:00 Sandra Matthäus matthaeus@soziologie.uni-kiel.de <p>Der Beitrag beschäftigt sich in einer ersten Annäherung mit der Biotechnologie "Clean Meat" (CM). Diese verspricht einen Fleischkonsum ohne schlechtes Gewissen, da die Produktion von Fleisch mittels der CM-Technologie (fast) ohne tierisches Leiden und Sterben auskomme und eine radikal geringere Umweltbelastung darstelle. Um ergründen zu können, inwiefern CM ökologische Sensibilitäten und Gerechtigkeiten stärkt und derart unserem Leben auf Kosten Anderer entgegenwirkt, nähere ich mich dieser als einer Verweltlichungspraxis aus einer relational symbolisch-materiellen Perspektive vor dem Hintergrund der Arbeiten von Donna Haraway, Jane Bennett sowie Annemaie Mol und Marilyn Strathern an, mit der sich jenseits einer den Dualismus von Natur und Kultur reproduzierenden Perspektive danach fragen lässt, was es ist, was wir mit CM essen und was wir insofern werden. Ich komme dabei zu dem Schluss, dass CM u.a. unseren Glauben an die Legitimität unseres "Berechtigungssubjekt"-Daseins sowie an die Überlegenheit unserer westlich-modernen Wissenspraktiken nährt und insofern eher eine Radikalisierung der westlich-(spät-)modernen Lebensweise denn deren Transformation darstellt.</p> 2021-09-22T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1386 Sozialer Wandel, soziale Identität und populistische Einstellungen 2021-09-30T14:32:19+00:00 Martin Groß martin.gross@uni-tuebingen.de <p>Nach der Theorie der sozialen Identität (Tajfel 2010) sind zwei hauptsächliche Mechanismen auszumachen, mittels derer der aktuelle soziale Wandel soziale Identitäten bedrohen können. Zum einen vermehren sich durch Prozesse wie Individualisierung, Pluralisierung der Lebensformen oder kultureller Diversifizierung die Optionen sozialer Kategorisierung, was zu einer Art „kognitivem Overload“ und damit zu Verunsicherung führen kann (Hermans, Dimaggio 2007). Zum anderen erfahren zahlreiche soziale Kategorien eine deutliche Umwertung: Beispielsweise werden neue Familienformen aufgewertet, traditionelle Lebensweisen und Geschlechterrollen abgewertet.&nbsp; Verunsicherung und sinkende soziale Anerkennung (insbesondere auch die Abwertung als vormals superior erachteter Kategorien) wecken aber für weite Teile der Bevölkerung das Bedürfnis nach Vereinfachung und Wiederherstellung alter Anerkennungsordnungen (Fukuyama 2019), was „populistischen“ Politikstilen entgegenkommt. Obwohl sich diese These zunehmender Beliebtheit erfreut, stehen empirische Belege der Auswirkungen der Bedrohung sozialer Identitäten weitgehend aus.</p> <p>Die aktuelle Studie will dieses empirische Defizit vermindern. Basierend auf einer deutschlandweiten Online-Studie (n=1003, geschichtet nach alten/neuen Bundesländern) untersucht sie die Effekte von Identitätsverunsicherung und Anerkennungsdefiziten hinsichtlich vierer bedeutsamer sozialer Kategorien auf unterschiedliche Dimensionen populistischer Einstellungen. Die Ergebnisse machen deutlich, dass die bislang übliche Gegenüberstellung einer eher ökonomisch ausgerichteten „Modernisierungsverliererthese“ (Bisbee et al. 2019) und eine kulturalistisch ausgerichteten „Backlash-These“ (Inglehart, Norris 2017) zur Erklärung populistischer Einstellungen eher Scheingegensätze beschreiben. Zentral für die Ausbildung populistischer Einstellungen sind Identitätsbedrohungen. Diese resultieren aus Verlusten sozialer Anerkennung, die sich sowohl aus reinen Wertkonflikten ergeben können (z.B. Abwertung traditionaler Lebensformen), als auch aus ökonomisch fundierten Konflikten (Abwertung gering qualifizierter Arbeit etc.).</p> <p>Die Theorie sozialer Identität legt damit einen bedeutsamen psychologischen Mechanismus offen, der erklärt, wie und unter welchen Umständen Prozesse sozialen Wandels sich in populistischen politischen Einstellungen niederschlagen.</p> 2021-09-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1510 Gesellschaft unter Spannung und die Chancen der Soziologie 2021-10-20T08:05:35+00:00 Birgit Blättel-Mink b.blaettel-mink@soz.uni-frankfurt.de <p>Liebe Mitglieder der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (DGS), liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, liebe Studierende, liebe Gäste,<br>ich begrüße Sie und Euch ganz herzlich im digitalen Raum – wer hätte das gedacht, dass die Soziologie, die „kritischste“ aller Wissenschaften, einmal ein solches Format wählen würde, um sich auszutauschen und zu vernetzen? Ein kleines störendes und uns Menschen durchaus gefährliches Lebewesen macht es möglich. Gut ist mit Sicherheit, dass wir einiges an CO2-Emissionen einsparen, schlecht ist, dass wir physisch getrennt sind – aber das muss ja nicht notwendig auch „social distancing“ bedeuten. Ich, beispielsweise, sitze hier gemeinsam mit Sonja Schnitzler (Geschäftsführerin der DGS) im Konferenzraum des IfS – Institut für Sozialforschung an der Goethe-Universität Frankfurt umgeben von historischem Mobiliar und Ankündigungen von Frankfurter Adorno-Vorlesungen, die im Jahr 2020 leider entfallen mussten!</p> <div>&nbsp;</div> <p><a href="https://www.youtube.com/watch?v=H0ijZCJYXes" target="_blank" rel="noopener">Videoaufzeichnung der Eröffnungsveranstaltung</a></p> 2021-08-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1511 Eröffnungsvortrag zum DGS-Kongress 2020 2021-10-20T08:03:42+00:00 Hubert Knoblauch hubert.knoblauch@tu-berlin.de <p>Liebe Mitglieder der DGS, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Studierende, verehrte Gäste,<br>mit dieser Ansprache wollte ich Sie eigentlich hier vor Ort in Berlin begrüßen. Unser ehemaliger Bundespräsident Joachim Gauck sollte, auch im Gedenken an den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung, eine seiner bestechenden Reden halten, und der brausende Ernst-Reuter-Platz im quirligen Berlin war als der Rahmen gedacht, in dem der Kongress Diskussion und Austausch von Gedanken, Worten und Argumenten ermöglichen sollte. Als lokaler Veranstalter muss ich mit einer ähnlichen Wehmut, die die gesamte Veranstaltungsbranche teilt, den Ausfall zahlreicher Ereignisse bedauern, die so viele von Ihnen im Vorfeld von langer Hand geplant und aufwändig organisiert hatten: Ausstellungen, Filme, Führungen, Diskussionsveranstaltungen, Begegnungen mit Politik und Öffentlichkeit, ja, auch Musik und Tanz fallen aus und damit viel von dem, was nicht nur im Städtemarketing, sondern auch für uns praktizierende Berliner*innen das so Einnehmende an dieser Stadt ist. Ich will die wehmütigen Affekte nicht zu stark anrühren, doch darf ich als lokaler Veranstalter wenigstens an Einiges erinnern, was auch den digitalen Kongress bereichern würde: Die Eröffnungsfeierlichkeiten im Schiller Theater (das Sie auf der Folie im Hintergrund sehen), die gemeinsamen Begegnungen und die Geselligkeit von Kongressen in einer Stadt, die nicht erst seit Simmel so sehr für die Gesellschaft steht, die unser Gegenstand ist – und die zudem noch extra für ein traumhaftes, Corona-gerechtes Konferenz-Außenwetter gesorgt hat.</p> <p>&nbsp;</p> <p><a href="https://www.youtube.com/watch?v=H0ijZCJYXes" target="_blank" rel="noopener">Videoaufzeichnung der Eröffnungsveranstaltung</a></p> 2021-09-02T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1282 Form und Medium der Digitalisierung 2021-09-30T14:32:14+00:00 Dirk Baecker baecker@mac.com <p>Der Beitrag schlägt einen soziologischen Begriff der Digitalisierung vor, der im Anschluss an Niklas Luhmann von einer Theorie der strukturellen Kopplung verschiedener Typen von Systemen ausgeht. Dies hat den Vorteil, dass Strukturen der Digitalisierung im Medium von technischen Systemen mit Strukturen der Kopplung im Medium von sozialen und psychischen Systemen verglichen werden können. Der Beitrag sucht den Anschluss an eine Theorie digitaler Objekte, die als Formen im Medium von Schnittstellen analysiert werden können. Mithilfe des Formbegriffs von George Spencer-Brown findet diese Theorie der Digitalisierung zurück zur Frage nach den Unterscheidungen, die eine analoge Umwelt digitalisieren, das heißt in diskrete Werte übersetzen, die untereinander geordnet, verschaltet und verrechnet werden können. Für die soziologische Forschung bedeuten diese Überlegungen, dass eine Theorie der Digitalisierung nur ausgearbeitet werden kann, wenn sie ein größeres Augenmerk auf die Strukturen hat, die es organischen, neuronalen, psychischen, sozialen und technischen Systemen ermöglichen, sich im Medium der wechselseitigen Konfrontation mit Komplexität zu synchronisieren.</p> 2021-08-02T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1318 "Apples up!" 2021-09-30T14:32:12+00:00 Sven Thiersch sven.thiersch@rub.de Eike Wolf eike.wolf@rub.de <p>Der Beitrag resümiert bisherige Ergebnisse eines Projekts zum Zusammenhang von digitalen Mediatisierungsprozessen von Unterricht und der hierin sich vollziehenden sozialen Interaktionspraxis. Auf dieser Grundlage wird anhand der objektiv hermeneutischen Rekonstruktion einer empirischen Interaktionssequenz die These der Gleichzeitigkeit von Transformation und Persistenz pädagogischer Sozialität als digital-mediatisierungsbezogene Erscheinung von Strukturproblemen pädagogischen Handelns entwickelt. Digital mediatisierte Praktiken unterrichtlicher Interaktion bringen so zwar ‚neue‘ Bearbeitungen und sprachliche Bezugsobjekte des Lehrer*innen- und Schüler*innen-Seins hervor, die Struktur unterrichtlicher Interaktion indes stabilisiert und verfestigt sich.</p> 2021-07-02T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1356 Dark Social-Kommunikation in der Öffentlichkeitstheorie 2021-09-30T14:32:18+00:00 Martin Rolf Herbers martin.herbers@zu.de <div class="page" title="Page 1">&nbsp;</div> <div class="page" title="Page 2"> <div class="layoutArea"> <div class="column"> <p>Der Beitrag diskutiert die Integration neuer Formen digitaler Dark Social-Kommunikation in bestehende Theorien der Öffentlichkeit. Unter dem Begriff „Dark Social“ werden digitale Kommunikationsprozesse verstanden, deren Entstehung und Verlauf öffentlich nicht eindeutig nachvollzogen werden können. Dies bezieht sich in der Regel auf persönliche Kommunikationen über Messengerdienste (WhatsApp, Telegram, Facebook Messenger). Sie lassen sich dem individuellen Privatbereich zuordnen, obgleich durch sie auch öffentlich relevante Inhalte verbreitet werden können. Daher sind sie gegenwärtig besonders bei der Organisation von Protest relevant. Trotz ihrer semi-öffentlichen Rolle bleiben Dark Social-Kommunikationen bislang in der Öffentlichkeitstheorie unberücksichtigt, da in der Forschung meist auf öffentlich wahrnehmbare Kommunikation fokussiert wird. Eine solche Einschränkung ist mit Blick auf gegenwärtige soziale und technische Wandelprozesse wie Individualisierung und Digitalisierung, welche die bisherige Öffentlichkeitstheorie herausfordern, analytisch nicht mehr zeitgemäß. Der Beitrag erarbeitet daher die Grundlagen bestehender Öffentlichkeitstheorie und erweitert sie vor dem Hintergrund der Wandelprozesse der Digitalisierung und der Individualisierung. Nach einem Abriss der öffentlichkeitstheoretisch relevanten Charakteristika der Dark Social-Kommunikationsangebote werden beide Theoriebestände reflektiert und integriert. Dies wird am Beispiel aktueller Protestkommunikation verdeutlicht.</p> </div> </div> </div> 2021-09-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1380 Plattformen unter Spannung 2021-09-30T14:32:22+00:00 Matthias Wieser matthias.wieser@aau.at Udo Göttlich udo.goettlich@zu.de <p>Der Beitrag führt kurz in das Thema "Plattformen unter Spannung" und die Beiträge der Session ein. Dabei geht es um Analysen und Bestandsaufnahmen zur Rolle digitaler Medien und Plattformen für die Artikulation, Bearbeitung und Bewältigung gesellschaftlicher Konflikte und Problemlagen im Kontext des Strukturwandels von Öffentlichkeit.&nbsp;Aufhänger für soziopolitische und soziotechnische Spannungen über, in und durch Plattformen sind aktuelle Formen des Protests und Widerstands insbesonderer rechtsextremistischer AktivistInnen.</p> 2021-09-16T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1287 Ungleichheitsperzeptionen und Medien 2021-09-30T14:32:11+00:00 Ursula Dallinger dallinger@uni-trier.de <p>In den Sozialwissenschaften erhält das nur ungefähre Wissen der BürgerInnen über ökonomische Ungleichheiten viel Aufmerksamkeit. Die Wahrnehmung der Armutsquote, der Vermögensungleichheit, der eigenen Position in der Einkommensverteilung decken sich nicht mit den Fakten. Man vermutet 'verzerrte' politische Präferenzen aufgrund des Bias bei den Ungleichheitsperzeptione. Die Wahrnehmung wirtschaftlicher Ungleichheiten und welche Konsequenzen sich für „nötige“ politische Reaktionen ergeben, dürfte durch die Medien beeinflusst sein. Die Rolle der Medien bei der Entstehung von Ungleichheitsperzeptionen ist aber wenig erforscht. Der Beitrag geht davon aus, dass an der „Übersetzung“ objektiver Ungleichheit in Präferenzen für egalisierende Politik politische Kommunikation beteiligt ist. Er stützt sich einerseits auf Zallers (1992) Modell der Präferenzformation durch die von Medien verfügbar gemachte Rahmen und Informationen. Andererseits nutzen Akteure aus Parteien und Interessenverbänden, Kirchen und Zivilgesellschaft die Vorläufigkeit von Einstellungen zu policy issues und praktizieren crafted talk (Jacobs/Shapiro 2000), um Unterstützung zu generieren. Der Beitrag fragt empirisch auf der Basis von Surveyexperimenten, wie Medien die verteilungspolitische Nachfrage beeinflussen. Erprobt werden ein Priming, das die Tendenz zur Selbsteinstufung in der Mitte der Sozialhierarchie verunsichert, und ein Frame zu durch Umverteilung gefährdeten Arbeitsplätzen wie auch zu gesellschaftlichem Zusammenhalt. &nbsp;</p> 2021-06-23T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1306 Soziale Bedingungen subjektiver Prekaritätswahrnehmungen 2021-09-30T14:32:20+00:00 Andrea Hense andrea.hense@sofi.uni-goettingen.de Daniel Baron daniel.baron@soziologie.uni-halle.de Fabian Beckmann fabian.beckmann@rub.de Fabian Hoose fabian.hoose@uni-due.de <p>Soziokulturelle und sozioökonomische Destandardisierungs- und Flexibilisierungsprozesse lassen in westlichen Gesellschaften seit den 1980er Jahren vermeintliche Normalitäten individueller Lebens- und Arbeitsformen brüchig werden. Vor allem die multiplen Entgrenzungen im Bereich der Arbeitswelt – etwa mit Blick auf Erwerbsformen, soziale Sicherungsansprüche und soziale Mobilität – werden soziologisch seit geraumer Zeit im Rahmen der Prekaritätsforschung diskutiert und problematisiert. Neben den hieraus erwachsenen objektiven sozialen Risiken wird auch auf die subjektiven Wahrnehmungs- und Verarbeitungsformen unsicherer Arbeits- und Lebensverhältnisse fokussiert. Trotz einer Vielzahl empirischer Erkenntnisse bleibt die Theoretisierung des Zusammenhangs der objektiven Lebenslagen und Arbeitsbedingungen einerseits sowie deren subjektiver Deutung und Wahrnehmung andererseits bislang weitgehend unklar. Der vorliegende Beitrag greift diese „Theorielücke“ auf und beleuchtet theoretisch-konzeptionelle Anknüpfungspunkte der Arbeits- und Ungleichheitssoziologie. Dabei wird der Fokus auf die Arbeiterbewusstseins- und Subjektivierungsforschung sowie Bourdieus Habitus- und Feldtheorie gelegt. Der Beitrag legt jeweils Grundüberlegungen der Ansätze dar und fragt nach der zugrundeliegenden Theoretisierung des Makro-Mikro-Links. Durch eine Diskussion der Schwachstellen und Mehrwerte der jeweiligen Ansätze werden so Anknüpfungspunkte für die zukünftige Forschung zu subjektiver Prekarität aufgezeigt.</p> 2021-06-29T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1323 Angst um die Vormachtstellung 2021-09-30T14:32:12+00:00 Rebekka Blum rebekka.blum+dgs@posteo.de <p>Die Erforschung des Phänomens Antifeminismus als eigenständige Ideologie zeigt, dass sich teils deutliche Kontinuitäten im Antifeminismus des Kaiserreichs und aktuellen Entwicklungen erkennen lassen. So treten antifeministische Wellen dann verstärkt auf, wenn bestehende gesellschaftliche Machtstrukturen infrage gestellt werden. Darüber hinaus ist Antifeminismus stets eng mit Antisemitismus, Rassismus, LSBTQIA*-Feindlichkeit und weiteren Ideologien der Ungleichheit verflochten. Das seit jeher von AntifeministInnen geteilte Feindbild Feminismus und das Ideal der heterosexuellen weißen Kleinfamilie ermöglicht es verschiedenen AkteurInnen, sich im gemeinsamen Feindbild zu verbinden. Zentral geht es darum, Frauen auf ihre potentielle Mutterschaft und das Private festzuschreiben. Auch das Narrativ eines vermeintlichen „großen Austauschs“, das von zahlreichen rechten und antifeministischen AkteurInnen geteilt wird, hat seine Wurzeln im Kaiserreich und war bei mehreren rechten und rassistischen Anschlägen der letzten Jahre ein zentrales Motiv. Daher ist es notwendig, Antifeminismus als eigenständiges und gefährliches Phänomen, das verschiedene AkteurInnen im gemeinsamen Feindbild vereint und breit gesellschaftlich anschlussfähig ist, ernst zu nehmen und als zentrales Forschungsthema zu setzen.</p> 2021-07-01T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1335 Über die „Alles verschlingende Vulva“ und „warum die Juden den Feminismus erfunden haben“ 2021-09-30T14:32:20+00:00 Maria Kanitz mariakanitz@web.de <p>Es hat in den letzten Jahren einen erheblichen Backlash zu traditionellen Rollenmustern gegeben. In Deutschland hängt dies vor allem mit dem Erstarken der „Neuen Rechten“ zusammen. Doch seit geraumer Zeit folgen auf Worte nun auch Taten, wie Anschläge der letzten Jahre verdeutlichen. Hinter einer antifeministischen Ideologie steht auch immer ein Verschwörungsgedanke, der sich überwiegend antisemitischer Codes bedient. Karin Stögner nennt diese Verstrickung „Intersektionalität von Ideologien“. Der vorliegende Beitrag geht noch einen Schritt weiter: Während sich Stögner in ihrer Ausarbeitung auf die Intersektionalität von Sexismus und Antisemitismus bezieht, wird hier ein verschwörungsideologischer Antifeminismus untersucht. Der Beitrag folgt dabei der Annahme, dass Sexismus lediglich eine Diskriminierungsform ist, während hinter Antifeminismus eine Ideologie steht. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, dass Frauen nicht per se als Projektionsfläche dienen, sondern im Besonderen eine geheime Elite, die den Feminismus orchestriert. Das Ziel dieser Elite ist es, Frauen nicht nur gefügig zu machen, sondern auch deutsche Männer zu „entmannen“, indem Frauen ihnen auf Grund ihrer Emanzipation Sex entziehen. Diese geheime Übermacht kann mit dem Bild des „allmächtigen Juden“ analog gesetzt werden. Diese Verzahnung skizziert der Beitrag anhand einer Auseinandersetzung mit der neurechten Wochenzeitung <em>Junge Freiheit</em>.</p> 2021-07-27T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1412 Antifeminismus und Antisemitismus in der Gegenwart 2021-09-30T14:32:23+00:00 Florian Hessel florian.hessel@rub.de Janne Misiewicz janne.misiewicz@uni-hamburg.de <p>Feminismus und ‚Gender‘ fungieren gegenwärtig über verschiedene politische Lager und Milieus hinweg als Feindbild. Insbesondere in Themenfeldern wie Familien-, Geschlechter- und Sexualpolitiken können antifeministische Gehalte eine Verbindung zwischen verschiedenen extrem rechten Strömungen und dem bürgerlichen Mainstream herstellen. Antifeminismus kommt eine wichtige ideologische wie organisatorische Integrations- und Scharnierfunktion zu. Innerhalb dieser Konstellation spielt auch (latenter) Antisemitismus eine Rolle. Nach einer Einführung in das gesellschaftsgeschichtliche und konzeptionelle Verhältnis von Antifeminismus und Antisemitismus wird im Beitrag exemplarisch analysiert, wie Antifeminismus am Beginn des 21. Jahrhunderts kulturell codiert ist und welche Potenziale der Verschränkung mit antisemitischen Deutungsmustern eröffnet werden.</p> 2021-08-30T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1362 Datenqualität und Selektivitäten digitaler Daten 2021-09-30T14:32:18+00:00 Nina Baur nina.baur@tu-berlin.de Peter Graeff pgraeff@soziologie.uni-kiel.de <p>Der Begriff „digitale Daten“ ist unpräzise, weil in den Sozialwissenschaften spätestens seit den 1960ern Daten nicht nur digital erhoben, verarbeitet und analysiert wurden, sondern in der Forschungspraxis auch oft parallel analoge und digitale Daten erhoben wurden. Am Beispiel der quantitativen Sozialforschung schärft der Beitrag den Begriff der „digitalen Daten“ durch die Unterscheidung zwischen forschungsinduzierten, klassischen und neuartigen prozessproduzierten Daten („Big Data“). Auf dieser Basis zeigen wir, dass klassische Modelle der empirischen Sozialforschung zur Beurteilung der Datenqualität und Selektivitäten von prozessproduzierten Daten – wie etwa das sogenannte Bick-Müller-Modell – auch auf neuartige prozessproduzierte Daten übertragen können, deren Besonderheit es ist, dass sie meist im Kontext des Web 2.0 entstehen und i.d.R. ausschließlich digital sind. Mit Hilfe des Bick-Müller-Modells lassen sich die spezifischen Stärken und Schwächen von neuartigen prozessproduzierten Daten aufzeigen. Allgemein lässt sich festhalten, dass Web 2.0-Daten blinde Flecken aufweisen, insofern dass sowohl im nationalstaatlichen Rahmen, als auch im globalen Kontext große Teile der Bevölkerung keinerlei digitale Spuren hinterlassen. Diese digitalen Ausschlüsse folgen weitgehend herkömmlichen Mustern sozialer Ungleichheit: Im Gegensatz zu jungen, hochgebildeten Männern aus der oberen Mittelschicht in Großstädten des globalen Nordens hinterlassen ältere, geringgebildete Arbeiterfrauen aus dem ländlichen Afrika praktisch keinerlei digitale Spuren. Verwendet man Web 2.0-Daten in der Forschung, besteht damit die Gefahr, dass keinerlei, unvollständige oder verzerrte Informationen über die Personenkreise, die am stärksten sozial benachteiligt werden, gewonnen werden. Weiterhin kommt es zu einer Machtverschiebung hinsichtlich Dateneigentümerschaft vom Staat und der Bevölkerung hin zu multinationalen Konzernen. Dies heißt aber nicht, dass Web 2.0-Daten nicht für die Forschung geeignet sind. Vielmehr werden durch die Anwendung des Bick-Müller-Modells verschiedene analoge und digitale Datensorten miteinander vergleichbar, was wichtig ist, weil – wie die Analyse zeigt – sich nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf eine spezifische Forschungsfrage zeigen lässt, welche Daten besser, weniger oder gar nicht geeignet sind.</p> 2021-09-15T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1401 Das Digitale und seine Ethnografie(n) 2021-09-30T14:32:22+00:00 Sebastian Dahm sebastian.dahm@uni-bielefeld.de Simon Egbert simon.egbert@tu-berlin.de <p>Zweifellos hat die Digitalisierung maßgebliche Folgen für das gesellschaftliche Zusammenleben ebenso wie für die Analyse desselben. Letzteres impliziert nicht nur theoretische Adaptionsnotwendigkeiten, sondern gleichfalls methodische Innovationen – nicht nur, aber insbesondere in der soziologischen Forschung. Seien es neue gesellschaftliche Praktiken, die durch die Digitalisierung entstehen und adäquat analysiert werden müssen oder neue Datentypen, die empirischen Forscher*innen durch die Digitalisierung zugänglich werden. In beiden Fällen sollten die durch die Digitalisierung der Gesellschaft angestoßenen Veränderungen sowohl als Herausforderung wie auch als Chance für analytische Neu- bzw. Weiterentwicklungen begriffen werden.</p> <p>Folgerichtig hat die Diskussion um „Digital Methods“ schon seit einigen Jahren Hochkonjunktur (z. B. Rogers 2013; Snee et al. 2016; Caliandro 2018). Und obgleich durchaus zahlreiche Beiträge aus der qualitativen Sozialforschung existieren, bilden v. a. quantitativ orientierte Versuche – gemeinhin unter Bezeichnungen wie „Digital Humanities“ (z. B. Berry 2012; Warwick et al. 2012; Griffin et al. 2016) oder auch „Computational Social Science“ (Lazer et al. 2009; Conte et al. 2012; Alvarez 2016) subsumiert – in diesem Zusammenhang die Mehrheit. Zudem ist nicht selten der generelle Impetus auszumachen, wonach es einer grundsätzlichen Digitalisierung empirischer Methoden bedarf (z. B. Lupton 2015; Marres 2017) – also einer vollumfänglichen Übersetzung qualitativer und/oder quantitativer Methoden in digitale Register.</p> <p>Dieser Lesart möchten wir im Beitrag mit Blick auf ethnografische Herangehensweisen die These entgegenhalten, dass gleichsam die bewährten Verfahren empirischer Sozialforschung bereits eine wichtige Voraussetzung für die Erforschung digitaler Phänomene darstellen.</p> <p>Im Zuge dessen stellen wir Ansätze vor, die digitalisierte Praktiken ethnografisch zu analysieren (Online-Interaktion, Nutzung digitaler Medien sowie algorithmische Praktiken im engeren Sinne), um zu verdeutlichen, dass insbesondere mit Blick auf die Ethnografie von Algorithmen im engeren Sinne noch umfassender Forschungsbedarf herrscht und das die neuen analytischen Möglichkeiten durch die Digitalisierung keineswegs bedeutet, dass es per se neuer ‚digitaler Methoden‘ bedarf.</p> 2021-09-20T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1293 Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen durch Kleriker im Bistum Münster 2021-09-30T14:32:11+00:00 David Rüschenschmidt d.rueschenschmidt@wwu.de Natalie Powroznik powroznik@wwu.de <p>Ein Forschungsprojekt der Universität Münster erforscht den sexuellen Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker im Bistum Münster in der Zeit seit 1945 in geschichts- und sozialwissenschaftlicher Perspektive. Neben der Vermessung der quantitativen und diachronen Dimensionen des Missbrauchs zielt das Projekt darauf, mittels geschichtswissenschaftlicher und soziologischer Zugriffe Bedingungsfaktoren und Entwicklungsprozesse herauszuarbeiten, Strukturen des Wissens und Nichtwissens, des Sagbaren und des Nicht-Sagbaren offenzulegen, den Umgang der Verantwortungsträger mit Missbrauch sowie die Anfänge der Aufarbeitung durch das Bistum zu analysieren. Im vorliegenden Beitrag werden die analytischen Zugänge präsentiert, einige Schlaglichter auf bislang erarbeitete Zusammenhänge geworfen und erste Thesen zur Diskussion gestellt.</p> 2021-06-24T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1331 Resonanz als multi-konstellatives Affizierungsverhältnis 2021-09-30T14:32:14+00:00 Dietmar Jürgen Wetzel dietmar.wetzel@medicalschool-hamburg.de <p>Resonanz wird in dem Beitrag als <em>multi-konstellatives Affizierungsverhältnis</em> konzipiert. Unbestritten ist Resonanz gegenwärtig ein wichtiges gesellschaftliches Thema geworden, dies scheint auch vermehrt für den Bildungsbereich und insbesondere für die Schule zu gelten. Resonanzerfahrungen müssen zukünftig nicht nur im Kontext einer <em>Kritik der Resonanzverhältnisse</em> (Rosa 2012) reflektiert werden, vielmehr bedarf es einer dekonstruktiv-konstellativen Verwendungsweise und (relativierenden) Einbettung von Resonanz in einen gesellschaftstheoretischen Zusammenhang. Ausgehend von den <em>Affect Studies</em> habe ich den Versuch unternommen zu eruieren, was die Faktoren sind, die Resonanzerfahrungen begünstigen oder andernfalls verunmöglichen. Neben der Berücksichtigung der Persönlichkeit (Habitus), der Beziehungsqualität (interaktional), dem Bezug auf Drittes (das gemeinsame Thema, die Sache) und den Materialitäten/Räumlichkeiten (Stimmungen) wird eine konstellativ-relationale Analyse notwendig, die hier als multidimensionales Analyse-Modell vorgestellt worden ist. Mit Blick auf Prüfungen im Schulalltag lässt sich festhalten: Resonanz und die Prüfungssituation stehen nicht unbedingt in einem konstruktiv-positiven Verhältnis. Und dennoch: Auch wenn sich in vielen Prüfungssituationen Resonanz in der vorliegenden Untersuchung nur bedingt eingestellt hat, so kann doch ein Lerneffekt, etwa in Sachen Resonanzsensibilität entstehen. Umso mehr müsste dem Lehrpersonal daran gelegen sein, eine positive Resonanzsituation zu erzeugen. Das Fach Philosophie, in dessen Kontext die empirischen Forschungen zu den Prüfungen stattfanden, fungiert als <em>Resonanzachse</em> und erscheint dadurch, vor allem im Vergleich zu anderen Fächern, privilegiert zu sein.</p> 2021-07-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1336 Die Übersetzung situativer ‚Bauchgefühle‘ in eine Analyse politischer Affekte 2021-09-30T14:32:20+00:00 Florian Spissinger florian.spissinger@uni-leipzig.de Julia Leser julia.leser@hu-berlin.de <p>Emotionen und Affekte haben in der öffentlichen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit nationalistischer und neurechter Politik Konjunktur. Während Forschung ‚aus der Distanz’ jedoch häufig dabei stehen bleibt, ‚negative’ Emotionen zu problematisieren, nimmt ethnografische Forschung die Komplexität affektiver Dynamiken nuancierter in den Blick. Darüber hinaus ist Feldforschung selbst derart affektiv geprägt, dass sie eine erhöhte Sensibilität für affektive Wissensproduktion aufweist: Die situativ auftretenden ‚Bauchgefühle’ der Forschenden können so zum Gegenstand der Analyse werden. Unser Beitrag widmet sich der affektiven Dimension des Forschungsprozesses anhand eigener ethnografischer Forschung mit neurechten Akteur/-innen in Deutschland. Wir zeigen, wie affekttheoretische Einsichten dazu beitragen können, emotional herausfordernde Begleiterscheinungen wie Unwohlsein, Abstoßung oder Hin- und Hergerissenheit in der Forschung mit neurechten Gruppen in ihren politischen und normativen Dimensionen zu interpretieren. Der Beitrag entfaltet dafür einen zweifachen methodischen Übersetzungsschritt: ‚Bauchgefühle‘ und die eigene Emotionsarbeit werden in ‚affective fieldnotes‘ übersetzt, um dann in einem zweiten Schritt affekttheoretisch gedeutet zu werden. Was als individuelle Bauchgefühle im Forschungsprozess erscheint, lässt sich so als affektiv vermittelte Normativität untersuchen: Politische und forschungsethische Debatten über rechte Gruppen materialisieren sich im Feld als inkorporierte politische Affekte.</p> 2021-08-05T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1420 Der affektive Rekurs auf Lebensentwürfe zwischen praktischer Ökonomisierung und Ästhetisierung 2021-09-30T14:32:23+00:00 Julia Elven julia.elven@fau.de <p>Spätestens seit den gegenwartsanalytischen Verweisen auf eine Ästhetisierung der Gesellschaft erstarkt das soziologische Interesse an sozialen Affekten. Dabei ist aus praxistheoretischer Perspektive die Verkopplung jedweder sozialen Praxis mit spezifischen Affektstrukturen zu konstatieren. Insofern weisen auch die dahingehend bislang eher unverdächtigen Prozesse praktischer Ökonomisierung Affektbeziehungen auf, die freilich durch die Beanspruchung einer hyperrationalen Handlungslogik invisibilisiert sind. Eine Affektanalyse hilft also dabei, die Rekonstruktion praktischer Logiken zu vervollständigen. Allerdings nehmen entsprechende theoretische und methodologische Diskurse gegenwärtig erst an Fahrt auf. &nbsp;Der vorliegende Beitrag geht diesem Zusammenspiel von theoretischer und methodischer Bedeutung von Affekten auf der Grundlage der Auseinandersetzung mit Lebensentwürfen von Existenzgründerinnen nach. Anhand der spezifischen Affektstrukturen der hierbei empirisch unterschiedenen Typen zeigt sich nicht zuletzt eine entlang von Ästhetisierungs- und Ökonomisierungslogiken variierende emotionale Gestimmtheit der Praktiken. Dies kann aber wiederum für eine kritische Reflexion der methodisch in Anschlag gebrachten Bedeutung affektiver Äußerung fruchtbar gemacht werden.</p> 2021-09-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1368 Protest in der Plattformöffentlichkeit 2021-09-30T14:32:19+00:00 Jan-Felix Schrape jan-felix.schrape@sowi.uni-stuttgart.de <p>In meinem Beitrag möchte ich aus medien- und techniksoziologisch informierter Sicht einige Verdachtsmomente zu dem fortschreitenden Wandel der gesellschaftlichen Öffentlichkeitsstrukturen sowie zu den Folgen und Konsequenzen entwickeln, die damit für soziale Bewegungen mit Blick auf ihre Aktivitäten und die Generierung öffentlicher Sichtbarkeit einhergehen. In einem ersten Schritt nehme ich die weitreichenden Rekonfigurationen in den Infrastrukturen der öffentlichen Kommunikation in den Blick, die durch die Digitalisierung angestoßen worden sind. In einem zweiten Schritt diskutiere ich am Beispiel der jugendzentrierten Bewegung Fridays for Future, wie sich diese Neuordnungen für zivilgesellschaftliche Protestkollektive mit Blick auf ihre Koordination und die Herstellung von Aufmerksamkeit ausspielen. In einem dritten Schritt stelle ich daran anknüpfend die These zur Diskussion, dass Mehr­ebenenmodelle von Öffentlichkeit trotz der Pluralisierung der Kommunikationsarenen und der veränderten Balance zwischen technischen und sozialen Strukturierungsleistungen nach wie vor eine instruktive Orientierungsgrundlage in der Untersuchung zivilgesellschaftlicher Protestdynamiken bieten.</p> 2021-09-28T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1437 Flucht, Corona und Klima 2021-09-30T14:32:19+00:00 Lena Laube llaube@uni-bonn.de <p>Der Beitrag schlägt vor, ganz unterschiedliche gesellschaftliche Krisen als Mobilitätskrisen zu erfassen: die sogenannte „Flüchtlingskrise“ in 2015/16, die COVID-19-Pandemie 2020/21 und die sich erst abzeichnende „Klimakrise“. Unter den in diesen Krisen ergriffenen, politischen Maßnahmen finden sich u.a. eine temporäre Rückkehr zu klassischen Grenzkontrollen im Schengenraum wie auch neuartige Politiken der Immobilisierung der Wohnbevölkerung während nationaler Lockdowns. Die drei hier untersuchten Krisen eint, dass bestimmte Mobilitätsformen als Ursache oder Auslöser der Krise angesehen werden. Aus dieser Problemdefinition folgt, dass bisherige Mobilitätspraktiken grundlegend in Zweifel gezogen werden und Mobilitätspolitiken als Form der Problemlösung herangezogen wurden und werden.</p> <p>Zum Vergleich der Krisen in ihrer Dimension als Mobilitätskrisen entwickelt der Beitrag eine Heuristik von Grenz- und Mobilitätspolitiken und analysiert, welche Formen der Mobilitätssteuerung bei der jeweiligen politischen Reaktion auf diese Krisen im Fokus stehen. Es zeigt sich, dass nationale Grenzen zwar in den ersten beiden Mobilitätskrisen in ihrer Bedeutung gestärkt wurden, sich aber sowohl angesichts der Corona- als auch der Klimakrise neuartige Formen der Mobilitätssteuerung etablieren, die das Ziel einer allgemeinen Reduzierung von Mobilität verfolgen. Der Beitrag zur Ad-hoc-Gruppe „(Not) done with walls? Prozesse des De- und Rebordering in globaler Perspektive” schließt mit der Aufforderung an die Grenzsoziologie, sich diesen neuen Grenzformen, Abstandmarkierungen und Beschränkungen globaler Bewegungsfreiheit zuzuwenden.</p> 2021-09-27T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1298 Diversität und Diskriminierung als "Fall" für Wissensorganisationen unter Spannung 2021-09-30T14:32:08+00:00 Stefanie Maria Ernst stefanie.ernst@uni-muenster.de <p>Spätestens seit den in den 1970er Jahren aufgebrochenen sozialen Spannungen sind langfristig soziale Mobilitätsprozesse ausgelösten worden, die nicht nur eine gewachsene Sensibilität und verinnerlichte Gerechtigkeitsnormen hinterlassen haben. Soziale Ungleichheiten und Diversität werden vielmehr systematisch rechtlich und institutionell bearbeitet; Organisationen stellen sich spezifische Anforderungen, bestehende Dilemmata auszuloten. Am Beispiel eines empirischen deutsch-italienischen Projektes wird die Politik der Vielfalt als sowohl inkludierendes als auch exkludierendes Moment reflektiert, um sowohl Aufschluss über Erscheinungsformen von Diskriminierung, die zugrundeliegenden Deutungs- und Erwartungsstrukturen von Diskriminierten und Diskriminierenden als auch Muster von Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten aufzuspüren. Das breite und vielfältige Datenset (Konzeption, Durchführung und Evaluierung einer Qualifizierungsmaßnahme für Lehrkräfte sowie die erhobenen regionalen Prozessdaten aus Expert*innen- und Telefoninterviews, Schüler*innenbefragungen) zeigt die Diskrepanz zwischen erlebter und erwarteter bzw. zugeschriebener Diskriminierung sowie verschiedene Niveaus von (Un-)Rechtsbewusstsein und Rechtskenntnis.</p> <p>Der Prozess, Wissen über soziale Ungleichheit, Diskriminierung und Diversität zu vermitteln und gleichzeitig Bedingungen diskriminierungssensiblen Arbeitens auszuloten und lokale Organisationspraktiken zu verändern, ist hier durch organisationale behördliche Pfade geprägt. Zudem ist die Reaktion der Schulen ambivalent, was nicht nur auf bekannte eingeschriebene Funktions- und Eigenlogiken des Organisationstypus Schule mit ihren spezifischen Akteurs- und Teilnahmekonstellationen verweist, sondern auch die Dilemmata Beteiligtenorientierter Verfahren in hierarchischen Organisationen aufzeigt. Die theoretische Einbettung des Forschungs- und Evaluationsprojektes folgt zum einen der prozessorientierten Arbeits- und Organisationsforschung als auch dem praxistheoretischen, 'rassismuskritischen' Ansatz reflexiven Arbeitens. Zum anderen finden sich Anknüpfungspunkte an die Diversity- und Gendered Organization-Debatte.</p> 2021-06-09T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1358 Rating-Agenturen im Finanzmarktkapitalismus 2021-09-30T14:32:23+00:00 Thomas Matys thomas.matys@fernuni-hagen.de <p>Der Beitrag befasst sich mit der Institutionalisierung des globalen Rating-Dispositivs. Hierbei spielen Organisationen eine zentrale Rolle. In organisations- und wirtschaftssoziologischer Perspektive werden Forschungsfelder, "Genese", "Praktiken" und "Felder", generiert und analysiert, innerhalb derer die historische Herausbildung, die organisationalen Accounting-Praktiken sowie die globalen Verflechtungs- und Herrschaftszusammenhänge der Rating-Kultur aufgezeigt werden.&nbsp;</p> 2021-09-30T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1408 Neue Routinen, veränderte Handlungsorientierungen? 2021-09-30T14:32:16+00:00 Mareike Heller mareikeheller@posteo.de Juliane Karakayali karakayali@eh-berlin.de <p>Weitgehend bekannt ist, dass Schule in der Migrationsgesellschaft an der Produktion und Verfestigung von natio-ethno-kulturellen Zuschreibungen (Mecheril 2004) und den damit verbundenen Ungleichheiten und Ausschlüssen beteiligt ist. Ein aus dieser Perspektive noch weniger untersuchter Bereich der Schule sind die Vorbereitungsklassen für neu zugewanderte Schüler*innen. Was passiert, wenn Schüler*innen, die nicht den Normalitätserwartungen der Schule entsprechen, gemeinsamen mit den anderen Schüler*innen unterrichtet werden? Am Beispiel von Schulen, an denen neu zugewanderte Schüler*innen von vornherein am Regelschulbetrieb teilhaben und nur stundenweise in Vorbereitungsgruppen zusätzliche Förderung in Deutsch erhalten, wird nachvollzogen, ob die Beschulung von als „neu zugewandert“ klassifizierten Schüler*innen den Regelbetrieb und die Handlungsroutinen der Schule verändert. Auf der Grundlage von Interviews mit Lehrkräften und Schulleitungen und Unterrichtsbeobachtungen an insgesamt vier Grundschulen in Berlin und Köln wird rekonstruiert und typisiert, welche Rolle die Askription "neu zugwandert"&nbsp; in den Handlungsorientierungen der Lehrkräfte annimmt.</p> 2021-08-31T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1400 Klassifikationen von Migration und Sprache in Datensätzen und Publikationen der Bildungsforschung und der amtlichen (Schul-)Statistik 2021-09-30T14:32:22+00:00 Liubovi Colbasevici lcolbasevici@uos.de Thomas Kemper thomas.kemper@uni-osnabrueck.de Linda Supik linda.supik@gmx.de <p>Der Beitrag adressiert die Klassifikation von Migration durch statistische Erhebungen zu Migration, zum Migrationshintergrund und zu Sprache. Ausgegangen wird zunächst von bisherigen Befunden dazu, dass es nicht den einen ‚Migrationshintergrund‘ gibt, sondern höchst unterschiedliche statistische Ansätze, Migration zu messen und eine Unterscheidbarkeit zwischen Personen mit und ohne Migrationshintergrund herzustellen. Die unterschiedenen Schüler*innen können erst dadurch unterschiedlich beschult und beforscht werden. Der Beitrag verfolgt verschiedene Ziele. Zunächst werden unterschiedliche Operationalisierungen des Migrationshintergrundes dargestellt, die in verschiedenen Erhebungen und Statistiken verwendet werden. Dann wird veranschaulicht, dass sich vereinzelt auch innerhalb derselben Erhebung unterschiedliche Operationalisierungen finden. Die Ursachen hierfür sowie die hiermit einhergehenden Probleme werden thematisiert. Anschließend wird aufgezeigt, dass verschiedene Bezeichnungen für den ‚Migrationshintergrund‘ verwendet werden. Terminologische Unterschiede sind nicht nur zwischen unterschiedlichen Studien zu beobachten, sondern im Zeitverlauf z.T. sogar für dieselbe Studie mit derselben Operationalisierung. Weiter werden die verschiedenen Konzepte der Erfassung von Sprache in ausgewählten Erhebungen kontrastierend vorgestellt, die z.T. in die Bestimmung des ‚Migrationshintergrunds‘ einfließen. Veranschaulicht werden kann auch, dass selbst in wissenschaftlichen Publikationen falsche – z.B. nicht trennscharfe – migrationsbezogene Begrifflichkeiten verwendet werden oder inhaltlich unzutreffende Zuordnungen und damit sozial wirksame Unterscheidungen erfolgen.</p> <p>Die genannten Aspekte werden anhand von einschlägigen Datensätzen untersucht, die in der Bildungsforschung häufig Verwendung finden, wie die internationale Schulleistungsstudie PISA (Programme for International Student Assessment), das Nationale Bildungspanel NEPS, die amtliche repräsentative Bevölkerungsstatistik (Mikrozensus) sowie die amtlichen Schulstatistiken der Bundesländer.</p> 2021-09-14T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020 https://publikationen.soziologie.de/index.php/kongressband_2020/article/view/1444 Mindestlohn und Arbeitsintensität 2021-09-30T14:32:17+00:00 Ralf Himmelreicher Ralf.Himmelreicher@geschaeftsstelle-mindestlohn.de Jennifer Schlachter jennifer.schlachter@posteo.de <p>Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland führte zu Kostensteigerungen, vor allem bei den Lohnkosten. Durch Mindestlöhne verursachte gestiegene Lohnkosten durch höhere Anforderungen an die Beschäftigten zu kompensieren erscheint plausibel. So wurde auf Grundlage von Interviews auf der Managementebene festgestellt, dass durch gezielte Strategien die Produktivität der Beschäftigten erhöht werden soll. Zudem ist laut einer repräsentativen Betriebsbefragung in Deutschland ‚Arbeitsverdichtung‘ die am häufigsten genannte Anpassungsstrategie an den Mindestlohn. Über eine zunehmende Arbeitsintensität berichten zudem Personalvertretungen. Auch Beschäftigte im Mindest- und Niedriglohnbereich geben in Befragungen an, dass sie intensiver arbeiten würden. Dies betrifft allerdings, darauf verweisen einige Studien, nur eine Minderheit der Beschäftigten im unteren Segment der Bruttostundenlöhne.</p> <p>Ziel dieses Beitrags ist es, einen theoretisch eingebetteten Literaturüberblick über verschiedene Forschungsansätze und Befunde zum Thema Mindestlohn und Arbeitsintensität zu geben. Hierzu ordnen wir publizierte Zusammenhänge zwischen Mindestlohn und Arbeitsintensität nach methodischen und regionalen Kriterien, sowie danach, ob betriebliche Akteure oder Beschäftigte berichten. &nbsp;</p> <p>Im Ergebnis wurden nur von wenigen befragten Betrieben und Beschäftigten mindestlohninduzierte Veränderungen der Arbeitsorganisation, wie Arbeitsverdichtung oder effizientere Arbeitsorganisation, genannt. Dies ist auf eine grundsätzlich möglichst effiziente Arbeitsorganisation zurückzuführen. Als eine Reaktion auf gestiegene Lohnkosten wurde auch eine Zunahme des nicht vergüteten Mehraufwands berichtet. Zu bedenken ist, dass Möglichkeiten zur Arbeitsintensivierung nicht an jedem Arbeitsplatz gegeben sind, etwa wegen der technisch organisatorischen Arbeitsbedingungen oder ausbleibenden Kundenströmen. Möglich sind auch Erklärungen, die berücksichtigen, dass Beschäftigte mit Mindestlohn in den Betrieben zur untersten Lohngruppe zählen und nicht bereit sind, für die niedrigste Bezahlung im Betrieb eine höhere Arbeitsbelastung in Kauf zu nehmen.</p> 2021-09-07T00:00:00+00:00 Copyright (c) 2021 Gesellschaft unter Spannung. Verhandlungen des 40. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2020