Personal Space in Social VR
Aushandlungen physisch-digitaler Territorien des Selbst
Schlagworte:
Social VR, VRChat, Ko-Präsenz, Personal Space, Digitale BelästigungAbstract
Interaktionstheorien sehen den menschlichen Körper als Ankerpunkt sozialer Situationen. In solchen handeln und kommunizieren Körper nicht nur, sondern sind auch ein räumlich-strukturierendes Element und stellen somit soziale Nah- und Distanzverständnisse wie -praktiken her. In einer von tiefgreifenden Mediatisierungsschüben geprägten Gegenwart (Hepp 2021) entstehen zunehmend Situationen delokalisierter körperlicher Ko-Präsenz. Durch in Social VR-Plattformen übliche Körpervermessung steigert sich die interaktionale Komplexität von Körper- und Raumvorstellungen enorm: Physische und avatarielle Körper wie Umwelten fallen phänomenal zusammen und müssen trotz Widerständigkeiten in Einklang gebracht werden. Entstehende Synchronisationsprozesse lassen sich eindrücklich anhand der Wahrnehmung, Konstruktion und interaktionalen Aushandlung von Personal Space in Social VR erkennen. Im Anschluss an Erving Goffman untersucht dieser Beitrag avatariell-körperliche Wirkungsbereiche und liefert Einblicke in mediatisierte ko-präsente Nähe. Es wird gezeigt, welche Rolle digital-physische Territorien des Selbst – in ihrer technischen wie sozialen Ausprägung – einnehmen und wie sich Handlungsräume, Körper und leiblich-affektive Wahrnehmung in VR-Situationen wechselseitig bestimmen. Für unsere Analyse greifen wir auf ethnographische Beobachtungen und Interviews zurück, die wir seit 2018 in VRChat durchführen.
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