Körperlichkeit als Daueraufgabe

Infrastrukturpraktiken wohnungsloser Menschen in Berlin zwischen täglichem Ringen um Zugänge und körperlich-sozialen Folgen

Autor/innen

  • Andrea Protschky Technische Universität Darmstadt, Universiteit Utrecht

Schlagworte:

Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, Kritische Infrastrukturen, Soziologie des Körpers, Bourdieu

Abstract

Mithilfe körpersoziologischer Ansätze und auf Grundlage einer qualitativen empirischen Studie in Berlin betrachtet dieser Beitrag das Verhältnis von Infrastrukturpraktiken und Körperlichkeit wohnungsloser Menschen. Infrastrukturen für Wasser, Energie, Kommunikation und Mobilität sind heute, auch durch ihre Einbindung in die Wohnung, eng mit körperlichen Funktionen und Bedürfnissen verbunden – ermöglichen etwa warmes Essen, Hygiene oder die Entsorgung von Ausscheidungen. Ohne diesen Zugangspunkt und mit begrenzten finanziellen Mitteln ist es für viele wohnungslose Menschen schwierig, körperliche Bedürfnisse zu erfüllen; ihre durch die eingeschränkte Infrastrukturnutzung geprägte Körperlichkeit wird zur Grundlage für weitere Ausschlüsse von Infrastrukturen und anderen Bereichen. Durch eine praxistheoretische Perspektive auf Körperlichkeit ergänzt der Beitrag bisherige Forschung zu Infrastruktur und Wohnungslosigkeit, die trotz ihrem zunehmenden Fokus auf den Körper die gegenseitige Prägung von Infrastrukturpraktiken und Körperlichkeit eher vage beschreibt. Die Ergebnisse zeigen, dass Infrastrukturnutzung für wohnungslose Menschen körperlich voraussetzungsvoll, mit komplexer Organisation verbunden und durch Abhängigkeiten etwa von sozialen Organisationen und dem eigenen Körper prekär ist – und begründen Forderungen nach langfristigen und rechtlich legitimierten Räumen für die Infrastrukturnutzung. Der körpersoziologische Blick legt offen, wie Körperlichkeit sowohl Voraussetzung für Infrastrukturnutzung ist, durch Infrastrukturpraktiken geprägt wird als auch eine Grundlage für Ausschlüsse von Infrastruktur darstellt.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Aus der Wohnung, aus der Welt? Aktuelle soziologische Perspektiven der Wohnungslosigkeitsforschung