Zukunftsindifferenz revisited
Schlagworte:
Transzendenzerfahrung, Religionssoziologie, Apokalyptik, ZeitdiagnoseAbstract
Angesichts der Krisendichte der jüngeren Gegenwart bedarf die um den Jahrtausendwechsel diagnostizierte These einer damaligen „Zukunftsindifferenz“ (Schnettler 2004) erneuter kritischer Betrachtung. Soziologie kann dabei zeitdiagnostisch als „rückwärtsgewandte Prophetie“ auftreten – wie Hans-Georg Soeffner (1999) formuliert hat. Ausgehend von der weiter nützlichen Differenzierung in verschiedene Ebenen der Transzendenz im Anschluss an Alfred Schütz (1946/2003), Thomas Luckmann (1991) und Hubert Knoblauch (1998) wird dabei zu reflektieren sein, wie sich aktuelle gesellschaftliche Zukunftsentwürfe entwickelt haben und welche Wirkmächtigkeit sie entfalten können. Dabei werden in der Rückschau markante Wechsel in der je herrschenden Weltansicht offenbar, die zwischen apokalyptischer Befürchtung, Indifferenz und Zukunftsoptimismus oszillieren. Zur Geschichte der Zukunft gehört ebenfalls, dass es divergierende oder gar polarisierte Zukunftsentwürfe gibt, die miteinander in mehr oder weniger scharfe Konkurrenz treten, wenn es um die Legitimation von Handlungsplänen sowie deren gesellschaftliche Um- und Durchsetzung geht. Geprüft werden soll deshalb, in welchem Verhältnis Anstrengungen zur Etablierung kollektivverpflichtender einheitlicher Zukunftsziele mit möglichst globaler Reichweite einerseits zur beobachteten Partikularisierung diverser kleinteiliger Zukunftsentwürfe auf mittlerer und kleinerer Ebene anderseits stehen.
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