(Berufs-)Biografische Erfahrungen und die Sozialisation von Wissenschaftler*innen

Autor/innen

  • Sabine Schäfer Universität Bielefeld

Schlagworte:

Wissenschaftler*innen, berufliche Sozialisation

Abstract

Seit mehr als 100 Jahren beherrscht Max Webers Diktum vom akademischen Hazard als Leitnarrativ die Große Erzählung von der wissenschaftlichen Karriere. Protagonist der Großen Erzählung ist die Figur des Privatdozenten bzw. der/des fortgeschrittenen Postdoktorand*in, der nach vielen Jahren der Unsicherheit auf unbezahlten bzw. befristeten Positionen endlich eine Lebenszeitprofessur ergattert. Diese Große Erzählung ist verflochten mit  Studien zum wissenschaftlichen Werdegang, die eine große Menge an Wissen über statistische Verhältnisse und Mechanismen sozialer Ungleichheiten auf den unterschiedlichen Ebenen in Hochschulen und Wissenschaft hervorgebracht haben. Im vorliegenden Beitrag geht es dagegen darum, Aufschluss über individuelle Handlungsoptionen im dynamischen Prozess der beruflichen Sozialisation von Wissenschaftler*innen zu gewinnen, die Spielräume jenseits der Großen Erzählung eröffnen. Grundlage für die Untersuchung von zwei autobiografischen Texten arrivierter Wissenschaftler ist die Unterscheidung in strategisches und taktisches Handeln von Michel de Certeau. Die Fallanalysen zeigen, dass Wissenschaftler*innen durch die Kombination von biografischen Erfahrungen, die sie in unterschiedlichen sozialen Welten gemacht, und Übersichten, die sie dabei erlangt haben, Gelegenheiten wahrnehmen und ergreifen, wobei sie einem individuellen Handlungsmodus folgen. Dabei wird sichtbar, wie sie (berufs-)biografische Erfahrungen in Ressourcen für einen erfolgreichen wissenschaftlichen Werdegang umwandeln.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Sektion Professionssoziologie: Wissenschaft als Beruf (re)visited