Welche Kinder kriegen?

Subjektivierungs- und praxisanalytische Perspektiven auf Kinderkriegen, Gefühle und Pränataldiagnostik

Autor/innen

  • Eva Sänger Universität zu Köln

Schlagworte:

Behinderung, Affekt, Schwangerschaft, Pränataldiagnostik, Elternschaft, Mutterschaft, Fötus, Test, Disability Studies

Abstract

Pränataldiagnostische Untersuchungen im Rahmen der medizinischen Schwangerenvorsorge werfen die Frage auf, welche fötalen Körper überhaupt geboren werden sollen. Vertreter*innen der Disability Studies kritisieren, dass Pränataldiagnostik ableistisch ist. Die Suche nach fötalen Auffälligkeiten beruht auf einem defizitorientierten Modell von Behinderung und bei dem Befund einer genetischen Besonderheit steht die Frage im Raum, ob die Schwangerschaft abgebrochen werden soll. Der Beitrag zeigt auf der Basis einer ethnografischen Studie zum pränatalen Elternwerden im Kontext medizinischer Schwangerschaftsvorsorgen auf, welche Bedeutung die affektive Ebene der medizinischen Schwangerenvorsorge und Pränataldiagnostik für elterliche Subjektivierungsprozesse hat und lotet das Verhältnis von Ableismus und der Affektivität von Praktiken für das vorgeburtliche Elternwerden bzw. Kinderkriegen aus.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Kinderkriegen zwischen polarisierten Diskursen, pluralisierten Praktiken und segmentierter Forschung. Eine sozialtheoretische Spurensuche