Schützt Bildung vor fremdenfeindlichen Einstellungen? Bildung als psy-chologische oder soziologische Variable

Autor/innen

  • Susanne Rippl TU Chemnitz, Institut für Soziologie

Schlagworte:

Rechtsextremismus, Bildung, Fremdenfeindlichkeit

Abstract

Bildung gilt gemeinhin als wichtiger Präventionsfaktor gegen anti-demokratische und fremdenfeindliche Haltungen. Aktuell will man insbesondere rechtspopulistischen Einstellungen, die von Vorurteilen und Vereinfachungen geprägt sind, bildungspolitisch begegnen. Der erwartete präventive Effekt gilt als wichtige nicht-monetäre „Rendite“ der Bildungspolitik. Schon Dahrendorfs Hinweis, dass Bildung weitaus mehr sei, als „eine Magd der Wirtschaft“, verweist auf die Bedeutung nicht-monetärer Renditen von Bildung, die sich in der Stärkung der demokratischen Grundlagen unserer Gesellschaft manifestieren.   

Obwohl der negative Zusammenhang von Bildung und fremdenfeindlichen Einstellungen vielfach belegt ist (zum Beispiel Rippl 2002; Zick et al. 2011), das Bildungsniveau also mit geringerer Fremdenfeindlichkeit einhergeht, zeigt bereits der Blick in die deutsche Geschichte, dass eine Immunität höher Gebildeter gegenüber menschenfeindlichen Ideologien nicht zwangsläufig gegeben ist. Auch aktuelle Wahlanalysen zeigen, dass zum Beispiel AfD-Wähler/-innen in allen Bildungsschichten zu finden sind. Der von Bildungspolitiker/-innen vermutete negative Zusammenhang und fremdenfeindlichen und rechtsextremen Einstellungen, gilt offenbar nicht in allen Kontexten.

Hier stellt sich die Frage, welche konkreten Mechanismen hinter dem Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Vorurteilen stecken. Bildung ist ein multidimensionales Konzept: Sehr grob unterteilt lassen sich psychologische Aspekte – im Sinne der Steigerung der kognitiven Kompetenz – und soziale Aspekte – im Sinne des Zugangs zu Positionen oder  Deutungsgemeinschaften – unterscheiden, die in unterschiedlicher Weise wirken und auch in unterschiedlicher Weise kontextsensitiv sind. Beide Aspekte sollen in der vorliegenden Analyse differenziert betrachtet werden. Zur empirischen Prüfung werden Sekundäranalysen des kumulierten Allbus und der letzten Welle des World Value Surveys (WVS-Studien) präsentiert.

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Veröffentlicht

2017-07-17

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Nicht-monetäre Bildungserträge im Lebensverlauf