Mikrosimulationen zur Abschätzung von Entwicklungen von Bildungsabschlüssen. Der Versuch eines Plädoyers.

Autor/innen

  • Marc Hannappel Universität Koblenz-Landau
  • Klaus G Troitzsch Universität Koblenz-Landau

Schlagworte:

Mikrosimulation, Bildungsexpansion, Demographie

Abstract

Die Soziologie ist nicht nur eine multiparadigmatisch angelegte Wissenschaft, sie hat in ihrer Genese auch zahlreiche methodische Ansätze hervorgebracht. Nicht nur die Unterscheidung zwischen qualitativer und quantitativer Methode ist hierbei entscheidend. Innerhalb des jeweiligen Forschungsparadigmas haben sich in den letzten Jahrzehnten wiederum die methodischen Herangehensweisen derart ausdifferenziert, dass ein umfassendes Lehrbuch, welches beiden empirischen Methoden halbwegs gerecht werden will, weit mehr als tausend Seiten umfassen muss. Hinzu kommt, dass durch den technischen Fortschritt immer größere Daten erfasst und ausgewertet werden können. Für den Bereich der quantitativen Methode gilt, dass noch nie so viele Datensätze, mit einer zum größten Teil hohen Datenqualität, zur Verfügung standen, die mit den verschiedensten und noch so komplexen (auch mehrstufigen) Auswertungsverfahren bearbeitet werden können. Die Zeit für den Einsatz von Mikrosimulationen könnte folglich besser kaum sein. Interessanterweise findet eine Anwendung von Mikrosimulationen, zumindest in der deutschsprachigen Soziologie, mit wenigen Ausnahmen nicht statt. Mikrosimulationen werden zwar tatsächlich immer häufiger angewendet, allerdings geschieht dies fast ausschließlich innerhalb großer Forschungsinstitute im Rahmen der Politikberatung als Folgeabschätzung politischer Reformen.

Im Beitrag wird genau das thematisiert. Neben einer methodologischen Einordnung der Mikrosimulation, der Skizze der wichtigsten Prinzipien und der Präsentation ausgewählter Ergebnisse über die Wechselwirkungen zwischen Bildungsexpansion und demographischem Wandel aus einem abgeschlossenen Dissertationsvorhaben, soll auch das Fehlen dieser Methode im Köcher der soziologischen Forschungsmethoden diskutiert werden. 

Literaturhinweise

Allmendinger, J. et al. 2010: Soziologische Bildungsforschung. In R. Tippelt, B. Schmidt (Hg.), Handbuch Bildungsforschung. Wiesbaden: VS Verlag, 47–70.
Anger, C. et al. 2006: Bildungsarmut und Humankapitalschwäche in Deutschland. Köln: Deutscher Instituts-Verlag.
Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016: Bildung in Deutschland 2016. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
Axelrod, R. 1997: Advancing the Art of Simulation in the Social Science. In R. Conte et al. (Hg.), Simulating social Phenomena. Berlin: Springer, 21–40.
Baumert, J. et al. 2003: Schulumwelten – institutionelle Bedingungen des Lehrens und Lernens. In PISA-Konsortium Deutschland (Hg.), PISA 2000. Ein differenzierter Blick auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Opladen: Leske + Budrich. S. 261-331
Becker, G.S. 31994: Human Capital: Theoretical and empirical Analysis with special Reference to Education. Chicago and London: University of Chicago Press.
Becker, R. 2000: Klassenlage und Bildungsentscheidungen. Eine empirische Anwendung der Wert-Erwartungstheorie. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 52. Jg., Heft 3, 450–474.
Becker, R. 2010: Soziale Ungleichheit von Bildungschancen und Chancengerechtigkeit – eine Reanalyse mit bildungspolitischen Implikationen. In R. Becker, W. Lauterbach (Hg.), Bildung als Privileg. Wiesbaden: VS Verlag, 161–189
Becker, R. 2011: Bildungssoziologie – was sie ist, was sie will, was sie kann. In R. Becker (Hg.), Lehrbuch der Bildungssoziologie. Wiesbaden: VS Verlag, 9–36.
Becker, R., Lauterbach, W. 2010: Bildung als Privileg. Erklärungen und Befunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit. Wiesbaden: VS Verlag.
Bellenberg, G., Klemm, K. 2000: Scheitern im System, Scheitern des Systems? Ein etwas anderer Blick auf Schulqualität. In H.-G. Rolff (Hg.), Jahrbuch Schulentwicklung. Weinheim: Juventa, 51–75.
Blossfeld, H.-P. et al. 1991: Wie wirkt sich das steigende Bildungsniveau der Frauen tatsächlich auf den Prozess der Familienbildung aus? Eine Antwort auf die Kritik von Josef Brüderl und Thomas Klein. Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft, 17. Jg., Heft 3, 337–351.
Boudon, R. 1974: Education, Opportunity, and Social Inequality. Changing Prospects in Western Society. New York: John Wiley & Sons.
Bourdieu, P. 1982: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Brüderl, J., Klein, T. 2003: Die Pluralisierung partnerschaftlicher Lebensformen in Westdeutschland, 1960–2000: Eine empirische Untersuchung mit dem Familiensurvey 2000. In: W. Bien, J.H. Marbach (Hg.), Partnerschaft und Familiengründung. Opladen: Leske + Budrich, 189–218.
Deutsches PISA-Konsortium 2001: PISA 2000. Basiskompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich. Opladen: Leske + Budrich.
Ditton, H. 2010: Der Beitrag von Schule und Lehrern zur Reproduktion von Bildungsungleichheit. In R. Becker, W. Lauterbach (Hg.), Bildung als Privileg. Wiesbaden: VS Verlag, 243–271.
Geißler, R. 2005: Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandel der Chancenstrukturen im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht, Ethnie und deren Verknüpfungen. In P.A. Berger, H. Kahlert (Hg.), Institutionalisierte Ungleichheiten. Weinheim: Juventa. S. 71–100.
Galler, H.P. 1997: Discrete-Time and Continuous-Time Approaches to dynamic Microsimulation reconsidered. Canberra: National Centre for Social and Economic Modelling, http://www.natsem.canberra.edu.au/storage/tp13.pdf (letzter Aufruf 24. Dezember 2016)
Geißler, R. 2014: Die Sozialstruktur Deutschlands. Wiesbaden: Springer VS.
Gilbert, N., Troitzsch, K.G. 2005: Simulation for the Social Scientist. Maidenhead, Brekshire, New York: Open University Press.
Hannappel, M., Troitzsch, K.G. 2015: Mikrosimulationsmodelle. In N. Braun, N.J. Saam (Hg.), Handbuch Modellbildung und Simulation in den Sozialwissenschaften. Wiesbaden: Springer VS, 455–489.
Hannappel, M. 2015: (K)ein Ende der Bildungsexpansion in Sicht?! Ein Mikrosimulationsmodell zur Analyse von Wechselwirkungen zwischen demographischen Entwicklungen und Bildungsbeteiligung. Marburg: Metropolis.
Henz, U., Maas, I. 1995: Chancengleichheit durch die Bildungsexpansion. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 47. Jg., Heft 4, 605–633.
Herlyn, I. et al. 2002: Späte erste Mutterschaft – erste empirische Befunde. In N.F. Schneider, H. Matthias-Bleck (Hg.), Elternschaft heute. Opladen: Leske + Budrich, 121–144.
Hradil, S. 2006: Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. Wiesbaden: VS Verlag.
Immhoff, E. van, Post, W. 1998: Microsimulation for Population Projection. Population: An English Selection, 10. Jg., Heft 1, 97–138.
Klemm, K. 2012: Zur Entwicklung des Lehrkräftebedarfs in Rheinland-Pfalz. Duisburg-Essen: Bildungsforschung Bildungsplanung (bfb).
Klein, T., Lauterbach, W. 1994: Bildungseinflüsse auf die Heirat, die Geburt des ersten Kindes und die Erwerbsunterbrechung von Frauen: Eine empirische Analyse familienökonomischer Erklärungsmuster. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 46. Jg., Heft 2, 278–298.
Konsortium Bildungsberichterstattung 2006: Bildung in Deutschland. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Bildung und Migration. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.
Kreyenfeld, M., Konietzka, D. 2004: Angleichung oder Verfestigung von Differenzen? Geburtenentwicklung und Familienformen in Ost- und Westdeutschland. MPIDR Working Paper 2004-25. Rostock: Max-Planck-Institut für Demographische Forschung.
Kultusministerkonferenz 2005: Prognose der Studienanfänger, Studierenden und Hochschulabsolventen bis 2020. Bonn: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2005/2005_10_01-Studienanfaenger-Absolventen-2020.pdf (letzter Aufruf 24. Dezember 2016).
Kultusministerkonferenz 2013: Vorausberechnung der Schüler- und Absolventenzahlen 2012–2025. Berlin: Sekretariat der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, http://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/Statistik/Dokumentationen/Dokumentation_Nr._200_web.pdf (letzter Aufruf 24. Dezember 2016).
Leim, I. 2008: Die Modellierung der Fertilitätsentwicklung als Folge komplexer individueller Entscheidungsprozesse mit Hilfe von Mikrosimulation. Marburg: Metropolis.
Mannion, O. et al. 2012: JAMSIM: a Microsimulation Modelling Policy Tool. Journal of Artificial Societies and Social Simulation, 15. Jg., Heft 1, 1–14.
Middendorff, E. et al. 2013: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2012. 20. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, durchgeführt durch das HIS-Institut für Hochschulforschung. Berlin.
Müller, W. et al. 2011: Hochschulbildung und soziale Ungleichheit. In R. Becker (Hg.), Lehrbuch Bildungssoziologie. Wiesbaden VS Verlag, 289–327.
Nida-Rümelin, J. 2014: Der Akademisierungswahn. Zur Krise beruflicher und akademischer Bildung. Hamburg: edition Körber-Stiftung.
Picht, G. 1964: Die Deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation. Olten und Freiburg: Walter-Verlag.
Sell, S. 2013: Zu viele Akademiker in Deutschland? Forschung und Lehre, 20. Jg., Heft 11, 898.
Siegel, N.A. et al. 2010: SOEP 2009. Methodenbericht zum Befragungsjahr 2009 (Welle 26) des Sozio-ökonomischen Panels. Berlin: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung.
Solga, H., Wagner, S. 2010: Die Zurückgelassenen – die soziale Verarmung der Lernumwelt von Hauptschülerinnen und Hauptschülern. In R. Becker, W. Lauterbach (Hg.), Bildung als Privileg. Wiesbaden: VS Verlag, 191–219.
Spangenberg, H. et al. 2011: Nachschulische Werdegänge des Studienberechtigtenjahrgangs 2006. Dritte Befragung der studienberechtigten Schulabgänger/innen 2006. 3 1/2 Jahre nach Schulabschluss im Zeitvergleich. In HIS: Forum Hochschule 18.
Spielauer, M. 2009: Microsimulation Approaches. Ottawa, http://www.statcan.gc.ca/eng\-/microsimulation/modgen/new/chap2/chap2 (letzter Aufruf 13. März 2015).
Statistisches Bundesamt 2015: Bevölkerung Deutschlands bis 2050. 13. Koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Wiesbaden.
Walker, L. 2010: Modelling inter-ethnic Partnerships in New Zealand 1981–2006. A census-based Approach. Auckland, http://researchbank.swinburne.edu.au/vital/access/manager/Repository/swin:235 (letzter Aufruf 24. Dezember 2016).
Wirth, H. 2007: Kinderlosigkeit von hochqualifizierten Frauen und Männern im Paarkontext. Eine Folge von Bildungshomogamie? In D. Konietzka, M. Kreyenfeld (Hg.), Ein Leben ohne Kinder. Wiesbaden: VS Verlag, 167–199.

Downloads

Veröffentlicht

2017-09-06

Ausgabe

Rubrik

Sektion Modellbildung und Simulation: Prozesse sozialer Schließung. Theorie, Modell, Experiment