Privates Vorsorgeverhalten: Abgrenzungspraktik und Privileg der Mittelschichten?

Autor/innen

  • Laura Hanemann Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Soziologie Lehrbereich soziale Entwicklungen und Strukturen

Schlagworte:

Mittelschichten, Krise des Sozialstaates, Vorsorgeverhalten

Abstract

Im folgenden Beitrag wird die Frage diskutiert, wie die Mittelschichten in Deutschland für ihren Ruhestand vorsorgen. Grundlage dieser Überlegungen ist die Annahme, dass sich die aktuelle Debatte um die Lage der Mittelschichten nur ausreichend verstehen lässt, wenn man auch den Zusammenhang von Mittelschichten und wohlfahrtsstaatlichem Wandel betrachtet. Dieser Wandel lässt sich exemplarisch anhand der deutschen Alterssicherung beobachten, bei der sich ein Paradigmenwechsel vom sorgenden zum aktivierenden Sozialstaat vollzieht.

In einer ersten Skizze werden Überlegungen zu den Absicherungspraxen und dem Vorsorgeverhalten der Mittelschichten präsentiert. Es wird die Frage verfolgt, ob die "Rentenkrise" als eine materielle und diskursive Abstiegsdrohung des Mittelstandes analysiert werden kann, im Zuge dessen die Alterssicherung zunehmend zu einem privaten Gut und einem Teil des Kampfes um Statuserhalt wird. Planungssicherheit und weitreichende Altersvorsorge würden dann ein neues Statussymbol und ein entscheidendes soziales Privileg von einzelnen Mittelschichtsangehörigen darstellen. 

Autor/innen-Biografie

Laura Hanemann, Ludwig-Maximilians-Universität München Institut für Soziologie Lehrbereich soziale Entwicklungen und Strukturen

Laura Hanemann, geboren 1982, wurde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena promoviert und ist seit Oktober 2015 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Ludwig-Maximilians-Universität München. Am Lehrbereich für Soziale Entwicklungen und Strukturen (Prof. Dr. Stephan Lessenich) beschäftigt sie sich derzeit mit dem privaten Rentenabsicherungsverhalten in einer drei-Generationen-Perspektive. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Arbeit der Selbstständigen, Arbeit und Subjekt, Soziologie des Lebenslaufs sowie qualitative Sozialforschung.
Hanemann, Laura (2016): Zwischen Zeitsouveränität und Zeitpanik: Zum Lebensrhythmus der Solo-Selbstständigen. Konstanz: UVK.

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Veröffentlicht

2017-09-05

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Legitime Ungleichheiten? Wertorientierungen und Abgrenzungspraktiken der Mittelschichten