Der vorzeitige Rückzug aus dem Arbeitsleben – Zur Wirksamkeit von formellen und informellen Altersgrenzen

Autor/innen

  • A. Doris Baumgartner a.d.baumgartner sozialforschung, zürich

Schlagworte:

Rentenalter, Altersgrenzen, Altersbilder, Lebensphasen, Schließungsmechanismus, Frühpensionierung, Stereotypen

Abstract

Institutionalisierte Altersgrenzen wie das formelle Rentenalter haben eine wichtige Schutz- und Legitimationsfunktion, indem sie Erwartungen strukturieren. Diese Funktion wird aber durch informelle wesentlich tiefere Altersgrenzen konterkariert, welche sich auf den Zeitpunkt des Aus­scheidens aus dem Erwerbsleben auswirken. Der Beitrag zeigt auf, wie informelle Altersgrenzen zunehmend formelle Grenzen überlagern. Je nach Stellung, beruflicher Situation und institutionellen Regelungen geschieht der vorzeitige Rückzug freiwillig etwa in Form einer Frühpensionierung oder aber unfreiwillig als anhaltende Arbeits­losigkeit oder als Folge gesundheitsbedingter Beeinträchtigung. Beim frühzeitigen Rückzug aus dem Erwerbsleben sind informelle Altersbarrieren be­sonders wirksam, weil sie den Zugang zur erwerbsmäßigen Integration weitgehend versperren. Als belegte Tatsache gilt, dass es über 55-Jährige schwierig auf dem Arbeitsmarkt haben. Werden sie arbeitslos, laufen sie Gefahr, dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen zu werden und tragen das Risiko, frühzeitig unfreiwillig aus dem Erwerbsleben auszuscheiden. Treiber für den vorzeitigen Rückzug sind zum einen die demografische Zusammen­setzung der Erwerbs­bevölkerung und zum anderen Schließungs­mechanismen mit aktiven und passiven Ausgrenzungs­­­strategien. Während Rekru­tierungs­strategien auf junge Arbeitskräfte zielen und Ältere bei Neueinstellungen deutlich weniger berücksichtigt werden, sind bestehende Beschäftigungs­verhältnisse von stereotypen Alters­bildern und zunehmender Instabi­lität geprägt. Informelle Altersbegrenzungen, die nicht selten in Altersdiskriminierung münden, sind daher äußerst wirksam und erlangen vor allem in Lebens­phasen mit schwacher Normierung wie der Phase des erwerbsfähigen Erwachsenenalters große Bedeutung. Beim Vergleich der drei deutschsprachigen Länder hat sich außerdem gezeigt, dass sich informelle Altersgrenzen in Ländern mit geringer arbeitsrechtlicher Regulierung besonders gut etablieren.

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Veröffentlicht

2017-08-14

Ausgabe

Rubrik

Sektion Alter(n) und Gesellschaft: Altersgrenzen und soziale Schließung