Die retrospektive Erfindung der DDR-Gesellschaft im Spielfilm – Integrationsangebote für Ostdeutsche unter westdeutscher Diskurshegemonie

Autor/innen

  • Sylka Scholz Friedrich-Schiller-Universität Jena

Schlagworte:

Filmanalyse, Visuelle Soziologie, Mediensoziologie

Abstract

25 Jahre nach der deutsch-deutschen Vereinigung konstatiert die Bundeszentrale für politische Bildung eine ‚Bildungslücke DDR‘. Vor diesem Hintergrund haben Filme über die DDR-Geschichte unterschiedliche gesellschaftliche Funktionen: Sie vermitteln für die jüngeren Generationen Wissen über das Leben in der DDR. Für die älteren in der DDR aufgewachsenen Generationen lassen sich die in Ost- und Westdeutschland, aber auch international erfolgreichen Filme als Integrationsangebote verstehen. Zugleich fungieren die Filme als eine „Form der Anerkennung von Zugehörigkeit im vereinten Deutschland“ – sie zeigen einen „gelungen virtuellen Integrationsprozess“, der jedoch in sich widersprüchlich und prekär ist. Diese Widersprüchlichkeit resultiert u. a. daraus, dass die bundesdeutsche Erinnerungskultur zur DDR-Vergangenheit unter westlicher Deutungsmacht steht. Welches Wissen über die DDR und welche Identitäts- und Integrationsangebote für Ostdeutsche formulieren aktuelle, populäre Spielfilme? Und wer wird aus der neuen gesamtbundesdeutschen Gesellschaft ausgeschlossen? Diese Fragen werden mit Hilfe einer selbst entwickelten diskursanalytisch orientierten wissenssoziologischen Filmanalyse exemplarisch anhand des Spielfilms über die DDR, „Goodbye, Lenin!“, untersucht.

Autor/innen-Biografie

Sylka Scholz, Friedrich-Schiller-Universität Jena

Prof. für Qualitative Methoden und Mikrosoziologie

Literaturhinweise

Balogh, J., Murke, B. 2015: Geteilte Ansichten. Jugendliche stellen Fragen zur deutschen Einheit. Wien: Ueberreuter.
Bernhardt, P. 2009: Spiel’s noch einmal Erich? Eine hegemonietheoretisch orientierte Lesart von Good Bye, Lenin! als Beitrag zum Ostalgiediskurs. In W. Bergem, R. Wesel (Hg.), Deutschland fiktiv. Die Deutsche Einheit, Teilung und Vereinigung im Spiegel von Literatur und Film. Münster: Lit, 89–130.
Bohnsack, R. 2011: Qualitative Bild- und Videointerpretation. Die dokumentarische Methode. Opladen, Farmington Hills: Barbara Budrich.
Brunner, U. 2006: Filmheft: Der Rote Kakadu. Bonn: BpB.
Dieckmann, C. 2005: Deutschlands Medien und ostdeutsche Öffentlichkeit. Aus Politik und Zeitgeschichte, 55. Jg., Heft 40, 3–8.
Dölling, I. 2003: Zwei Wege gesellschaftlicher Modernisierung. Geschlechtervertrag und Geschlechterarrangements. Ostdeutschland in gesellschafts-/modernisierungstheoretischer Perspektive. In G.-A. Knapp, A. Wetterer (Hg.), Achsen der Differenz. Gesellschaftstheorie und feministische Kritik II. Münster: Westfälisches Dampfboot, 73–100.
Falck; M. 2006: Filmheft: Das Leben der Anderen. Bonn: BpB.
Gebhard, G., Geisler, O., Schröter, S. (Hg.) 2007: Heimat. Konturen und Konjunkturen eines umstrittenen Konzepts. Bielefeld: Transcript.
Geißler, R. 2002: Sozialstruktur Deutschlands. Die gesellschaftliche Entwicklung vor und nach der Vereinigung. 3. Auflage. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
Heinzmann, J. (Hg.) 2016: Filmgenre: Heimatfilm international. Stuttgart: Reclam.
Keller, R. 2011: Wissenssoziologische Diskursanalyse. Grundlegung eines Forschungsprogramms. Wiesbaden: VS Verlag.
Keller, R. 2007: Diskursforschung. Eine Einführung für SozialwissenschaftlerInnen. Wiesbaden: VS Verlag.
Knoblauch, H. 2005: Wissenssoziologie. Konstanz: UVK.
Lindenberger, T. 2006: Zeitgeschichte am Schneidetisch. Zur Historisierung der DDR im deutschen Spielfilm. In G. Paul (Hg.), Visual History. Ein Studienbuch. Göttingen: Vandenhoeck & Rubrecht, 353–372.
Linderberger, T. 2011: Kino als Aufarbeitung? In H. Berger, M. Dejnega, R. Fritz, A. Prenninger (Hg.), Politische Gewalt und Machtausübung im 20. Jahrhundert. Zeitgeschichte, Zeitgeschehen und Kontroversen. Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 599–610.
Mai, M., Winter, R. 2006: Kino, Gesellschaft und soziale Wirklichkeit. Zum Verhältnis von Soziologie und Film. In M. Mai, R. Winter (Hg.), Das Kino der Gesellschaft – die Gesellschaft des Kinos. Interdisziplinäre Positionen, Analysen und Zugänge. Köln: Halem, 7–24.
Mathes, B. 2007: Mit der „Heimat“ verheiratet? Die Architekten von Peter Kahane. In B. Mathes, Die imaginierte Nation. Berlin: DEFA-Stiftung, 42–71.
Merkel, I. (2014): Historisch-Kritische Filmanalyse. In C. Bischoff, K. Oehme-Jüngling, W. Leimgruber (Hg.), Methoden der Kulturanthropologie. Bern: Haupt, 257–272.
Mikos, L. (2008). Film- und Fernsehanalyse. Konstanz: UVK.
Moles Kaupp, C. 2003: Filmheft: Good Bye, Lenin! Bonn: BpB
Peltzer, A., Keppler, A. 2015: Die soziologische Film- und Fernsehanalyse. Berlin, Boston: De Gruyter Oldenbourg.
Rödder, A. 2015: Ist die deutsche Einheit Geschichte? Forschung und Lehre, 22. Jg., Heft 10, 820–824.
Schenk, R. 2005: Die DDR im deutschen Film nach 1989. Aus Politik und Zeitgeschichte, 55. Jg., Heft 44, 31–38.
Schmitz W. 2013. Das Zeichen „Heimat“: Zur Semiotik eines wandelbaren Konzeptes in der deutschen Kultur. In J. Klose (Hg.), Heimatschichten. Anthropologisch Grundlegung eines Weltverhältnisses, Wiesbaden: Springer/VS, 569–599.
Scholz S. 2004: Männlichkeit erzählen. Lebensgeschichtliche Identitätskonstruktionen ostdeutscher Männer. Münster: Westfälisches Dampfboot.
Scholz S. 2008: Sozialistische Helden. Hegemoniale Männlichkeit in der DDR. In S. Scholz, W. Willms (Hg.), Postsozialistische Männlichkeiten in einer globalisierten Welt. Berlin: Lit-Verlag, 11–35.
Scholz, S. 2016: Everyday Socialist Heroes and Hegemonic Masculinity in the German Democratic Republic, 1949–1989. In S. Wendt (Hg.), Extraordinary Ordinariness. Everyday Heroism in the United States, Germany, and Britain, 1800-2015. Frankfurt am Main: Campus, 185–216.
Scholz, S. 2017: Heimatfilm. In A. Geimer, C. Heinze, R. Winter (Hg.), Handbuch Filmsoziologie. Wiesbaden: VS (im Erscheinen).
Scholz, S., Lenz, K. 2013: Ratgeber erforschen. Eine Wissenssoziologische Diskursanalyse von Ehe-, Beziehungs- und Erziehungsratgebern. In S. Scholz, K. Lenz, S. Dreßler (Hg.), In Liebe verbunden. Zweierbeziehungen und Elternschaft in populären Ratgebern von den 1950ern bis heute, Bielefeld: Transcript, 49–76.
Scholz, S, Kusche, M., Scherber, N., Scherber, S., Stiller, D. (2013): Das Potenzial von Filmanalysen für die (Familien-) Soziologie. Eine methodische Betrachtung anhand der Verfilmungen von "Das doppelte Lottchen" [115 Absätze]. Forum Qualitative Sozialforschung (letzter Aufruf 10.01.2017).
Winter, R. 1992: Filmsoziologie. Eine Einführung in das Verhältnis von Film, Kultur und Gesellschaft. München: Quintessenz.
Winter, R. 2012: Das postmoderne Hollywoodkino und die kulturelle Politik der Gegenwart. Filmanalyse als kritische Gesellschaftsanalyse. In C. Heinze, S. Moebius, D. Reicher (Hg.), Perspektiven der Filmsoziologie. Konstanz: UVK, 41–59.
Zeisberger, I. 2012: „Good Bye, Lenin!“ Die deutsche ‚Wende‘ im Film seit 1989. In M. Nies (Hg.), Deutsche Selbstbilder in den Medien. Film – 1945 bis zur Gegenwart. Marburg: Schüren, 151–166.

Downloads

Veröffentlicht

2017-08-16

Ausgabe

Rubrik

Sektion Medien- und Kommunikationssoziologie: Gesellschaftsentwürfe im Film und Fernsehen der Gegenwart