Berufe, Berufsgewerkschaften und Lohngerechtigkeit

Autor/innen

  • Matthias Dütsch Geschäfts- und Informationsstelle für den Mindestlohn Mindestlohnkommission c/o Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin
  • Olaf Struck Universität Bamberg

Schlagworte:

Berufe, Berufsgewerkschaften, Soziale Schließung, Industrielle Beziehungen, Organisationale Gerechtigkeit

Abstract

Berufsgewerkschaften haben in Deutschland in den letzten Jahren in zunehmendem Maße tarifpolitisch eigenständig agiert. Aufgrund ihrer homogenen Struktur und Durchsetzungsstärke konnten sie für bestimmte Berufsgruppen hohe Gehaltszuwächse aushandeln. Vor allem Arbeitgeberverbände und Branchengewerkschaften warnten jedoch vor gesellschaftlichen Problemen und negativen Folgewirkungen. Der vorliegende Beitrag adressiert zunächst die Frage, aus welchen Gründen spezifische Berufsgruppen erfolgreich Schließungen im Arbeitsmarkt mit Hilfe von Berufsgewerkschaften bewerkstelligen können. Zudem wird im Kontext der organisationalen Gerechtigkeitsforschung empirisch untersucht, ob und unter welchen Umständen besonders hohe Gehaltssteigerungen für spezifische Berufsgruppen von den Beschäftigten dieser Branchen als ungerecht oder gerecht empfunden werden und ob sie ggf. negative Folgewirkungen nach sich ziehen. Analysen auf Basis der Befragung ›Bonuszahlungen, Lohnzuwächse und Gerechtigkeit‹ (BLoG) zeigen, dass (lediglich) 31 % aller Befragten die Gehaltszuwächse als ungerecht empfinden. Dabei gibt etwa ein Viertel der Nicht-Gewerkschaftsmitglieder an, dass sich die Arbeitsmotivation verringert und die innerbetrieblichen sozialen Beziehungen verschlechtert haben. Sowohl die Gerechtigkeitswahrnehmung sowie die Folgewirkungen können den Analysen zufolge durch verschiedene Aspekte der distributiven und prozeduralen Gerechtigkeit – darunter insbesondere Transparenz von Ursachen und Forderun­gen – moderiert werden. Exklusive Lohnzuwächse für einzelne Berufsgruppen werden folglich unter bestimmten Bedingungen akzeptiert. Auch Branchengewerkschaften übernehmen (wieder verstärkt) das Streikmodell der Berufsgewerkschaften in ihren Reihen für Berufe mit spezifischen Qualifikationsbündeln, die schwer am Arbeitsmarkt zu ersetzen sind. Inwieweit diese Entwicklung auf Dauer mit einer Entsolidarisierung zwischen den verschiedenen Berufs- und Beschäftigtengruppen einhergeht, ist eine offene Frage.

Autor/innen-Biografie

Olaf Struck, Universität Bamberg

Professor für Arbeitswissenschaft



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Veröffentlicht

2017-09-14

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Die Regulierung von Berufen und soziale Ungleichheit in Deutschland