Die Bewältigung von Vertrauenskrisen im Versicherungs-Strukturvertrieb – am Beispiel Kundenakquise. Privates-persönliches Vertrauen als ökonomische Ressource

Autor/innen

Schlagworte:

Vertrauen, Systemvertrauen, persönliches Vertrauen, privates Vertrauen, Vertrauensbeziehung, Netzwerk, Einbettung, Markt, Strukturvertrieb, Multi-Level-Marketing, Akquise

Abstract

Der Beitrag behandelt die Frage, mit welchen Routinen der Versicherungs-Strukturvertrieb versucht, ein dauerhaftes und für ihn existenzielles Vertrauensproblem zu bewältigen. Er beschreibt eine zentrale Strategie, mit der Vertrauensproblematik im Kontext der Neukundengewinnung umzugehen, die darauf abzielt, mangelndes Systemvertrauen durch den gezielten Rückgriff auf persönliches Vertrauen zu kompensieren. Private Vertrauensbeziehungen von Mitgliedern und Kund/-innen werden dabei als ökonomische Ressource erschlossen und systematisch ausgebeutet. Neben Erkenntnissen zur Verwobenheit von „systemischen und personalen Aspekten des Vertrauens“ (Sauer et al. 2013) liefert der Beitrag Einsichten zu den Fragen, inwiefern in privaten Kontexten entstandenes Vertrauen zur Lösung von Kooperationsproblemen auf besonders ‚vertrauensbedürftigen‘ Märkten beitragen kann,  welche „performativen Akte des Vertrauensnehmers“ (Beckert 2002) dies erfordert und inwiefern der Rückgriff auf persönliches Vertrauen für ökonomische Zwecke organisierbar ist. Zudem wird die Frage berührt, welche „problemerzeugenden Effekte“ (Strulik 2012) diese Problemlösung wiederum hat.

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Veröffentlicht

2015-12-23

Ausgabe

Rubrik

Ad-hoc: Vertrauenskrisen – Forschungsstand und Perspektiven der soziologischen Analyse