Öffentliche Selbst- und Fremddarstellungen der Soziologie
Schlagworte:
Soziologie, Public Sociology, Personen-WebpagesAbstract
Wie öffentlich ist die Soziologie? In der Disziplinfolklore ist dies meist schon negativ beantwortet: Die Soziologie ist nicht öffentlich sichtbar, sie hat keinen Platz in den Massenmedien. Dies wird u.U. noch bedauert oder an die ,gute alte Zeit‘ erinnert, in der es anders war. Wir denken: Das ist falsch. Einer empirischen Wissenschaft kann es nicht genügen, Fragen, die mit den eigenen Mitteln beantwortet werden können, anekdotischer Evidenz zu überlassen. Inhaltlich ist der Diagnose auch nicht zuzustimmen. Ein Blick in eine beliebige Tageszeitung beweist: In irgendeiner Form taucht die Soziologie tagtäglich auf. Dazu ist nicht nur für an Universitäten beschäftigte Soziolog_innen der Umstand, eine persönliche Webpage zu benötigen, zumeist unumgänglich. Diese Webpages sind Teil der öffentlichen personalen Selbstdarstellung. Public sociology fragt aber weiter, nicht nur, ob die Soziologie in der Öffentlichkeit wahrnehmbar ist, sondern auch: wozu eigentlich? Und sicher sind die düsteren anekdotischen Diagnosen eher so zu verstehen, dass die gegenwärtige Rolle der Soziologie nicht die ist, die phantasiert wird. Dieser Debattenzustand macht aber beides unsichtbar: Die tatsächliche öffentliche Präsenz der Soziologie und die Diskussion darüber, welche Rolle für die Soziologie wünschenswert wäre.
Im Beitrag wählen wir die personale Selbstdarstellung und die massenmediale Fremddarstellung als Ausgangspunkt, von dem aus die Öffentlichkeit der Soziologie fokussiert werden soll. Die personale Selbstdarstellung unterliegt einer Vielzahl höchst unterschiedlicher und eben doch miteinander verwobenen Bedingungen: u.a. mediale, organisationale, persönliche und gesamtgesellschaftliche. Das Design der standardisierten Inhaltsanalyse umfasst einen Vergleich dreier Sozialwissenschaften: Ethnologie, Ökonomik und Soziologie im Längs- und Querschnitt. Es werden Fragen nach dem Ort des Erscheinens, der Funktion im Artikel, dem Träger, den Produktionsbedingungen des dargestellten Wissens, mögliche Konfliktfelder und Darstellungen von Geltung des Wissens erhoben. Die Kombination aus makrohermeneutischer und standardisierter Analyse verspricht unter Einbezug der multimedialen Formate der personalen Selbstdarstellung und der Fremddarstellung in der deutschen Qualitäts-Tagespresse eine Diagnose des Verhältnisses von Soziologie und ihrer Öffentlichkeit und zudem eröffnet sich ein Raum der Diskussion über dieses Verhältnis.
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