Zur Bedeutung sportbezogener Handlungsorientierungen und Verhaltensmuster für die Sportpartizipation junger Menschen mit Migrationshintergrund

Autor/innen

  • Siegfried Nagel Universität Bern Institut für Sportwissenschaft
  • Claudia Klostermann Universität Bern
  • Christelle Hayoz Universität Bern
  • Torsten Schlesinger Technische Universität Chemnitz

Schlagworte:

Sportpartizipation, Migration, sport- und körperbezogene Handlungsorientierungen

Abstract

Trotz vielfältiger sportpolitischer Initiativen und Integrationsprogramme sind junge Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere Mädchen und junge Frauen, im Sport und vor allem in Sportvereinen unterrepräsentiert. Welche sozialen Grenzziehungs- und Schließungspraktiken stecken hinter diesem Phänomen? Hierbei werden einerseits strukturell bedingte Schließungsprozesse und organisationskulturelle Integrationsbarrieren diskutiert (z. B. Seiberth, Weigelt-Schlesinger & Schlesinger, 2013), andererseits wird auf lebensstilbedingte Abgrenzungsprozesse und kulturell bedingte Selbstexklusion verwiesen (z. B. Burrmann, Mutz & Zender, 2015).

Anknüpfend an den zweiten Argumentationsstrang soll die Rolle sport- und körperbezogener Handlungsorientierungen sowie damit verbundener Verhaltensmuster für die Sportpartizipation junger Menschen mit Migrationshintergrund analysiert werden. Datengrundlage bildet eine Stichprobe mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen (Alter: 15–30 Jahre; n=4039), die im Rahmen des Projekts «Strukturelle und kulturelle Faktoren der Sportpartizipation Jugendlicher und junger Erwachsener» per Online-Survey befragt wurde.

Die Ergebnisse zeigen zunächst, dass junge Menschen mit Migrationshintergrund, insbesondere mit Herkunft aus Ost- und Südeuropa, eine in Relation zur einheimischen Bevölkerung geringere Sportbeteiligungsquote aufweisen und vor allem in Sportvereinen unterrepräsentiert sind. Weiterführende Analysen machen deutlich, dass die Unterschiede hinsichtlich der Sportpartizipation über folgende Faktoren vermittelt werden, die einerseits für regelmäßige sportliche Aktivitäten von Bedeutung sind und andererseits bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund weniger stark ausgeprägt sind: Sportbezogene Verhaltensmuster und Orientierungen in der Familie, körper- und bewegungsbezogene Handlungsorientierungen sowie tendenziell auch sportbezogenes Wissen. Hierbei zeigen sich interessante Unterschiede bzgl. der Determinanten Herkunftsland, Migrantengeneration und Geschlecht.

Autor/innen-Biografien

Claudia Klostermann, Universität Bern

 

Christelle Hayoz, Universität Bern

 

Literaturhinweise

Alkemeyer, T., Bröskamp, B. 1996: Einleitung – Fremdheit und Rassismus und Sport. In B. Bröskamp, T. Alkemeyer (Hg.), Fremdheit und Rassismus im Sport. Tagung der dvs-Sektion Sportphilosophie. Sankt Augustin: Academia, 7–40.
Barker, D., Barker-Ruchti, N., Sattler, S., Gerber, M., Pühse, U. 2011: Understanding youths with migration backgrounds and their relations to physical education. Sport¬unterricht, 60. Jg., Heft 8, 239–242.
Boos-Nünning, U., Karakaşoğlu-Aydin, Y. 2005: Viele Welten leben. Zur Lebenssituation von Mädchen und jungen Frauen mit Migrationshintergrund. Münster: Waxmann.
Bourdieu, P. 1989: Antworten auf einige Einwände. IN K. Eder (Hg.), Klassenlage, Lebensstil und kulturelle Praxis. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 395–410.
Bourdieu, P. 1992: Programm für eine Soziolo¬gie des Sports. In P. Bourdieu (Hg.), Rede und Antwort. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 193–207.
Bourdieu, P., Wacquant, L. J. 1996 : Reflexive Anthropologie. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Breuer, C., Wicker, P. 2008: Demographic and economic factors influencing inclusi¬on in the German sport system – a microanalysis of the years 1985 to 2005. Euro¬pean Journal for Sport and Society, Vol. 5, Issue 1, 33–42.
Bröskamp, B. 1994: Körperliche Fremdheit. Zum Problem der interkulturellen Begegnung im Sport. Sankt Augustin: Academia Verlag.
Bundesamt für Statistik 2016: Ständige Wohnbevölkerung nach Geschlecht und Staatsangehörigkeitskategorie am Ende des Jahres. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/02/blank/key/bevoelkerungsstand/02.html (letzter Aufruf 12. Dezember 2016)
Burrmann, U. 2005: Zur Vermittlung und interge¬nerationalen „Vererbung“ von Sportengagements in der Herkunftsfamilie. In U. Burrmann (Hg.), Sport im Kontext von Freizeitengagements Ju¬gendlicher. Köln: Sport und Buch Strauß, 207–266.
Burrmann, U., Mutz M., Zehnder U. (Hg.) 2015: Jugend, Migration und Sport. Kulturelle Unterschiede und die Sozialisation zum Vereinssport. Wiesbaden: Springer VS.
Elling, A., Claringbould, I. 2005: Mechanisms of inclusion and exclusion in Dutch sports landscape: Who can and wants to belong? Sociology of Sports Journal, Vol. 22, Issue 4, 414–434.
Esser, H. 1999: Soziologie – Spezielle Grundlagen. Band 1: Situationslogik und Handeln. Frankfurt am Main: Campus.
Fischer, A., Wild-Eck, S., Lamprecht, M., Stamm, H. P., Schötzau S., Morais, J. 2010: Das Sportverhalten der Migrationsbevölkerung: Vertiefungsanalyse zu „Sport Kanton Zürich 2008“ und „Sport Schweiz 2008“. Zürich: Kantonale Fachstelle für Integrationsfragen und Fachstelle Sport.
Gebauer, G. 1986: Festordnung und Geschmacksdistinktionen. Die Illusion der In¬tegration im Freizeitsport. In G. Hortleder, G. Gebauer (Hg.), Sport-Eros-Tod. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 113–143.
Goldsmith, P. A. 2003: Race relations and racial patterns in school participation. Socio¬logy of Sport Journal, Vol. 20, Issue 2, 147–171.
Hoekman, R., van der Werff, H., Nagel, S., Breuer, C. 2015: A cross-national comparative perspective on sport clubs in Europe. In C. Breuer, R. Hoekman, S. Nagel, H. van der Werff (eds.), Sport clubs in Europe. A cross-national comparative perspective. New York: Springer, 419–435.
Kleindienst-Cachay, C. 2007: Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund im organisierten Sport. Ergebnisse zur Sportsozialisation – Analyse ausgewählter Maßnahmen zur Integration in den Sport. Hohengehren: Schneider.
Kleindienst-Cachay, C., Cachay, K., Bahlke, S. 2012: Inklusion und Integration. Eine em¬pirische Studie zur Integration von Migrantinnen und Migranten im organisierten Sport. Schorn¬dorf: Hofmann.
Lamprecht, M., Fischer, A., Stamm, H. P. 2014: Sport Schweiz 2014: Sportaktivität und Sportinteresse der Schweizer Bevölkerung. Magglingen: Bundesamt für Sport.
Moens, M., Scheerder, J. 2004: Social determinants of sports participation revisited. The role of socialization and symbolic trajectories. European Journal for Sport and Society, Vol. 1, Issue 1, 35–49.
Mutz, M., Burrmann, U. 2015: Geschlechtertypische Rollenerwartungen und die Mitgliedschaft im Sportverein. In U. Burrmann, M. Mutz, U. Zehnder (Hg.), Jugend, Migration und Sport. Kulturelle Unterschiede und die Sozialisation zum Vereinssport. Wiesbaden: Springer VS, 131–148.
Nagel, M. 2003: Soziale Ungleichheiten im Sport. Aachen: Meyer & Meyer.
Schmiade, N., Mutz, M. 2012: Sportliche Eltern, sportliche Kinder. Die Sportbeteiligung von Vorschulkindern im Kontext sozialer Ungleichheit. Sportwissenschaft, 42. Jg., 115–125.
Seiberth, K., Thiel, A. 2007: Fremd im Sport? Barrieren der Integration von Men¬schen mit Migrationshintergrund in Sportorganisationen. In R. Johler, A. Thiel, J. Schmid, R. Treptow (Hg.), Europa und seine Fremden. Die Gestaltung kultureller Viel¬falt als Herausforderung. Bielefeld: transcript, 199–214.
Seiberth, K., Weigelt-Schlesinger, Y., Schlesinger, T. 2013: Wie integrationsfähig sind Sportvereine? Eine Analyse organisationaler Integrationsbarrieren am Beispiel von Mädchen und Frauen mit Migrationshintergrund. Sport und Gesellschaft, 10. Jg., Heft 2, 174–198.
Thiel, A., Cachay, K. 2003: Soziale Ungleichheit im Sport. In W. Schmidt, I. Hart¬mann-Tews, W.-D. Brettschneider (Hg.), Erster Kinder-und Jugendsportbericht. Schorndorf: Hofmann, 275–295.
Thiel, A., Seiberth, K., Mayer, J. 2013: Sportsoziologie. Ein Lehrbuch in 13 Lektionen. Aachen: Meyer & Meyer.
Wheeler, S. 2011: The significance of family culture for sports participation. International Review for the Sociology of Sport, Vol. 47, Issue 2, 235–252.

Downloads

Veröffentlicht

2017-09-08

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Grenzziehungs- und Schließungsprozesse im Sport und in Sportorganisationen