Engagementbeendigung in der Wohlfahrtspflege. Vom Suchen, Finden und Verlieren einer sinnvollen Tätigkeit
Schlagworte:
bürgerschaftliches Engagement, dokumentarische Methode, qualitative Sozialforschung,Abstract
Wenn standardisierte Sozialforschung zu bürgerschaftlichem Engagement die verschiedene Beteiligung von Menschen mit jeweils unterschiedlichen sozialen Merkmalen im Engagement konstatiert, dann häufig mit dem Bild von Einzelakteuren mit bestimmten Kapitalienausstattungen. Diese scheinen in ihrer Geltung einigermaßen eindeutig. Aus einer stärker konstruktivistischen Perspektive heraus stellen sich aber die Fragen, ob Handlungsmotive, Kapitalien und Merkmale im Verlauf des Engagements tatsächlich stabil bleiben (so sie es jemals waren) und ob es nicht im Engagementverlauf zu einer Neu- und Umkonstituierung der Engagierten kommen könnte? Auf Grundlage einer qualitativen Interview- und Gruppendiskussionsstudie zu beendetem bürgerschaftlichen Engagement in Wohlfahrtsverbänden widmet sich dieser Beitrag den genannten Fragen. Hierfür werden Narrative über die Erwartungen an ein Engagement, starke Erfahrungen währenddessen sowie über das Abwägen am Ende des Engagements rekonstruiert. In den Rekonstruktionen wird deutlich, wie sich Handlungsmotive und Positionen im Feld im Verlauf des Engagements wandeln. Relevant in den Narrativen sind dabei insbesondere biografisch erworbene Eigenschaften und Wertungen, weniger aber die scheinbar objektiven gesellschaftlichen Zugehörigkeitskategorien. Im Vortrag stehen die Ambivalenzen des Abbruchs und die Überlagerungen verschiedener Inklusions- und Exklusionsprozesse innerhalb einzelner Engagiertenbiographien im Mittelpunkt. Dabei kommt der Dialektik aus Resonanzerfahrungen im Engagement einerseits, dem Widerspruch gegenüber systematisch bedingten Zwängen andererseits, eine zentrale Bedeutung zu. Sie verweist auf Neuaushandlungen von Akteursverständnissen bei KlientInnen, Co-Engagierten, hauptamtlichen Verbandsmitarbeiter/-innen und den Engagierten selbst.
Literaturhinweise
Beetz, M., Rosa, H., Winkler, T., Corsten, M. 2014: Was bewegt Deutschland? Sozialmoralische Landkarten engagierter und distanzierter Bürger in Ost- und Westdeutschland. Weinheim: Beltz.
Bohnsack, R. 2010: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 8., durchgesehene Auflage. Opladen: Barbara Budrich.
Browne, P. L. 2010: The dialectics of health and social care. Toward a conceptual framework. Theory and Society, Vol. 39, Issue 5, 575–591. DOI: 10.1007/s11186-010-9120-6.
Ehrhardt, J. 2011: Ehrenamt. Formen, Dauer und kulturelle Grundlagen des Engagements. Frankfurt am Main [u.a.]: Campus.
Garner, J. T., Garner, L. T. 2011: Volunteering an opinion. Organizational voice and volunteer retention in nonprofit organizations. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, Vol. 40, No. 5, 813–828. DOI: 10.1177/0899764010366181.
Gross, N. 2009: A pragmatist theory of social mechanisms. American Sociological Review, Vol. 74, No. 3, 358–379. DOI: 10.1177/000312240907400302.
Haski-Leventhal, D., Bargal, D. 2008: The volunteer stages and transitions model. Organizational socialization of volunteers. Human Relations, Vol. 61, No. 1, 67–102. DOI: 10.1177/0018726707085946.
Hirschman, A. O. 1974: Abwanderung und Widerspruch. Reaktionen auf Leistungsabfall bei Unternehmungen, Organisationen und Staaten. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck).
Jakob, G. 1993: Zwischen Dienst und Selbstbezug. Eine biographieanalytische Untersuchung ehrenamtlichen Engagements. Opladen: Leske + Budrich.
Munsch, C. 2010: Engagement und Diversity. Der Kontext von Dominanz und sozialer Ungleichheit am Beispiel Migration. Weinheim u.a.: Juventa.
Nohl, A.-M. 2012: Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. 4. überarbeitete Auflage. Wiesbaden: Springer VS.
Rochester, C., Ellis Paine, A., Howlett, S. 2010: Volunteering and society in the 21st century. Houndmills, Basingstoke, Hampshire, UK, New York: Palgrave Macmillan.
Rosa, H. 2016: Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. Berlin: Suhrkamp.
Simonson, J., Vogel, C., Tesch-Römer, C 2017: Freiwilliges Engagement in Deutschland. Der Deutsche Freiwilligensurvey 2014. Wiesbaden: Springer VS.
Wilson, J. 2012: Volunteerism research. A review essay. Nonprofit and Voluntary Sector Quarterly, Vol. 41, No. 2, 176–212. DOI: 10.1177/0899764011434558.
Downloads
Veröffentlicht
Ausgabe
Rubrik
Lizenz
Beiträge im Verhandlungsband des 38. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie werden unter der Creative Commons Lizenz "Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International (CC BY-NC 4.0)" veröffentlicht.
Dritte dürfen die Beiträge:
-
Teilen: in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
-
Bearbeiten: remixen, verändern und darauf aufbauen
unter folgenden Bedinungen:
-
Namensnennung: Dritte müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden
-
Nicht kommerziell: Dritte dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen