Online-Journalismus – Zur Verdatung öffentlicher Kommunikation
Schlagworte:
Algorithmen, Journalismus, Verdatung, Big DataAbstract
Die umfassende Verdatung der Aktivitäten von Userinnen und Usern im Internet stellt ein wichtiges, wenn nicht zentrales Merkmal aktuellen medientechnologischen Wandels dar. Diese Entwicklung macht auch vor den traditionellen Massemedien nicht halt, die das Internet zunehmend als Verbreitungsmedium nutzen und damit einhergehend auch die Möglichkeiten der datenbasierten Echtzeit-Beobachtung des Online-Publikums. Zahlreiche sozialwissenschaftliche Beobachter/-innen verbinden mit dieser Entwicklung einen zunehmenden Verfall von Öffentlichkeit, da sie zum einen zu einer weiteren Publikumsorientierung und Boulevardisierung der Nachrichtenberichterstattung und zum anderen zu einer immer präziseren Ansprache kleiner und weitgehend voneinander isolierter Teilzielgruppen führe.
Demgegenüber soll in dem Beitrag auf Grundlage von Expert/inneninterviews mit Vertreter/-innen verschiedener massenmedialer Organisationen und Analysen der Struktur der Internet-Angebote verschiedener massenmedialer Organisationen ein differenzierteres Bild des Journalismus und der Herstellung von Öffentlichkeit im Internet gezeichnet werden. Dieses stellt heraus, dass nach wie vor immer auch von redaktionellen Festlegungen und Praktiken abhängt, wie genau das Publikum beobachtet und die Angebotsgestaltung realisiert wird. Die neuen Möglichkeiten der Technologie beginnen nicht einfach klassische journalistische Relevanzsysteme im Sinne einer immer stärkeren Publikumsorientierung zu konditionieren, sondern bleiben in ihren Potentialen teilweise ungenutzt und werden umgekehrt in bestehende journalistische Routinen eingepasst.Literaturhinweise
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