Eingreifendes Denken
Ethnografische Praxis als politische Kraft
Schlagworte:
Politische Ethnografie, teilnehmende Objektivierung, Genealogie, Praxistheorie, ÖffentlichkeitAbstract
Ethnografische Forschung ist stets in die Lebenswelten und Praktiken involviert, die sie erforscht, und damit eine mitspielende Kraft im Feld. Allerdings sind ethnografisch Forschende auf eine Weise ins erforschte Geschehen involviert, die sich vom Involvement der Beforschten klar unterscheidet: Die Forschungspraxis ist ganz anderen Bedingungen ausgesetzt und bearbeitet ganz andere Probleme als die Praxis der Beforschten. Anhand der Ethnografie eines Ökodorfes skizziert der Beitrag eine Forschungsstrategie, welche die Praktiken des Forschens und die erforschten Praktiken so miteinander ins Gespräch bringt, dass zwischen ihnen ein geteilter öffentlicher Raum entsteht. In ihm zeigen sich die verschiedenen Sichtweisen in ihrer jeweiligen Bedingtheit und damit Relativität. Dadurch werden die Selbstverständlichkeit und Wahrheit jeder Sichtweise erschüttert und in der Kollektivität der gemeinsamen Verhandlung die Möglichkeiten eines je anderen Handelns sichtbar. Ethnografie bleibt dann keine operierende, sondern wird zu einer informierenden Kraft, die im Unterschied zu jener aktiv und Handlungsmöglichkeiten eröffnend ins Geschehen eingreift, und zwar nicht als eine unmittelbare, sondern als eine ihrerseits vermittelte und somit bedingte, mit ihren eigenen Vollzugs- und Bezugsproblemen ringende Praxis. Sie gleicht damit Bertolt Brechts eingreifendem Denken, das sich im Blick auf das Feld der kritisierten gesellschaftlichen Verhältnisse, in dem es selbst situiert ist, und in der Perspektive ihrer Überwindung in die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen einmischt.
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