Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Verstehen

Der Einfluss des Physiologen Johannes von Kries auf die Wissenschaftslehre Max Webers

Autor/innen

  • Martin Neumann Universität Koblenz

Schlagworte:

Max Weber, Johannes von Kries, Wahrscheinlichkeit, Kausalanalyse

Abstract

In diesem Beitrag soll der Hintergrund von Webers Rezeption der Wahrscheinlichkeitstheorie, die Theorie der objektiven Möglichkeit des Physiologen Johannes von Kries, die sogenannte Spielraumtheorie näher beleuchtet werden. Insbesondere soll dabei auf juristische Anwendungen dieses Wahrscheinlichkeitskonzeptes eingegangen werden und wie sich Weber dies für eine Methodologie historischer Kausalanalyse zunutze machte.  Vor dem Hintergrund der Neukantianischen Philosophie von Erkenntnis als Begriffsbestimmung ordnete von Kries den Begriff der objektiven Möglichkeit in eine Theorie unscharfer Begriffe ein. Dieses Konzept hat in der Rechtswissenschaft Anwendung gefunden als als Theorie der adäquaten Verursachung. Diese Methodik ist wiederum von Max Weber zur Untersuchung historischer Kausalzusammenhänge aufgegriffen worden. Adäquate Ursachen sind solche, in denen die Geschichte einen anderen Verlauf hätte nehmen können. Hierzu bedient sich Weber der kontrafaktischen Analyse, wie sie in der Rechtswissenschaft entwickelt worden ist, um historische Kausalzusammenhänge zu studieren.

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Veröffentlicht

2019-10-22

Zitationsvorschlag

[1]
Neumann, M. 2019. Kausalität, Wahrscheinlichkeit und Verstehen: Der Einfluss des Physiologen Johannes von Kries auf die Wissenschaftslehre Max Webers. Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018. 39, (Okt. 2019).

Ausgabe

Rubrik

AG Sozial- und Ideengeschichte der Soziologie: Max Webers Wissenschaftslehre im Lichte der historisch-kritischen Edition