Die Gesellschaft der Statistik

Autor/innen

  • Katharina Manderscheid Universität Hamburg

Schlagworte:

Gesellschaft, amtlichte Statistik, Migration, Zugehörigkeit, Territorium, Zensus, Raum

Abstract

Gesellschaft ist ein klassischer Grundbegriff der Soziologie, der als Begriff im Fach jedoch immer schon umstritten war. So bekannt wie unumgesetzt dürfte die Kritik am sogenannten methodologischen Nationalismus durch Vertreter*innen des Spatial Turns, der sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung oder der transnationalen Ungleichheitsforschung sein (zum Beispiel Beck und Grande 2010; Weiss 2005; Urry 2000). In großen Teilen der soziologischen Literatur wird der Begriff schlicht nicht verwendet, sicher nicht zuletzt um dem Vorwurf einer essentialisierenden und ontologisierenden Gesellschaftskonzeption bzw. einem Containerkonzept zu entgehen. Hingegen vertritt Oliver Marchart die These, dass das Problem der Gesellschaftskonzeption nicht über eine Aussparung der Definition einer Gesellschaft aufgelöst werden könne. Vielmehr werde Gesellschaft als „dinglicher Negativabguss des Hohlraums, um den herum sich das Soziale bildet“ (Marchart 2013, S. 335) fortwährend mitgeführt.

Im Beitrag möchte ich am Beispiel der amtlichen Statistik nachzeichnen, welches Gesellschaftskonzept hier konkret mitgeführt wird.

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Veröffentlicht

2019-06-07

Zitationsvorschlag

[1]
Manderscheid, K. 2019. Die Gesellschaft der Statistik. Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018. 39, (Juni 2019).

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Macht der Methodologie – Methodologie der Macht