Typen des Querdenkertums
Befunde der Mixed-Methods-Analyse der Coronaproteste
Schlagworte:
Politischer Protest, Covid-19-Pandemie, Verschwörungstheorie, Rechtsradikalismus, Esoterik, Verschwörungsdenken, Massnahmenkritik, Coronaproteste, PandemieAbstract
Die Proteste der Bewegung der „Querdenker:innen“ haben viel Aufmerksamkeit erhalten, da auf den ersten Blick eine unwahrscheinliche politische Assoziation beobachtet werden konnte: Altlinke, Esoteriker:innen und Neonazis marschierten zusammen auf der gleichen Demonstration und skandierten „Frieden, Freiheit, keine Diktatur!“. Für unsere Untersuchung der Querdenken-Proteste haben wir eine Mixed-Method-Ansatz gewählt. Er besteht aus einem im Dezember 2020 in Telegramgruppen durchgeführten Online-Survey, mehreren ethnografischen Demonstrationsbeobachtungen und einer Vielzahl an qualitativen Interviews. Als grundlegende geteilte Merkmale der Querdenken-Bewegung identifizieren wir eine starke Entfremdung vom politischen System und ein tiefsitzendes Misstrauen gegen die Institutionen der liberalen Demokratie, die beide auf einem geteilten libertären Verständnis von Freiheit basieren. Empirisch lassen sich jedoch Subtypen innerhalb der Querdenker:innen unterscheiden. Wir haben in einer Faktorenanalyse unserer Surveydaten drei Typen von Querdenker:innen ausmachen können: 1. Die Gruppe der Verschwörungsgläubigen, 2. die Gruppe der Esoteriker:innen und 3. die Gruppe der Rechtsnationalen. Wir vertiefen diese Subtypen anhand einer Auswertung von 45 leitfadengestützten Interviews bezüglich Homologien, Konfliktlinien und spezifischen Verlaufsmuster weiter. Mit dieser Triangulation validieren wird einerseits die typologischen Unterscheidungen und bringen andererseits etwas Licht ins Dunkel der unwahrscheinlichen politischen Assoziation von friedensbewegten Energieheiler:innen und neonazistischen Aktivisten des „III. Weg“.
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