Mieter:innen zwischen Deprivation und Widerstand

Drohender Wohnraumverlust auf angespannten Wohnungsmärkten

Autor/innen

  • Robert Tiede Georg-August-Universität Göttingen

Schlagworte:

Soziale Ungleichheit in der Stadt, Verdrängung, Krise, Bourdieu, qualitative Methoden

Abstract

Auf den städtischen Wohnungsmärkten mangelt es an angemessenem und bezahlbarem Wohnraum. Die Nachfrage nach Wohnungen ist in vielen Städten groß und die Zahl der Kündigungen und Räumungen weiterhin hoch. Der vorliegende Beitrag geht den Fragen nach, wie Mieter:innen – angesichts der angespannten Wohnungsmärkte – einen drohenden Wohnraumverlust durch eine Kündigung erleben und welche Handlungsmuster sie entwickeln. Zu Beginn werden theoretische Bezüge zur kritischen Stadtsoziologie und zu Bourdieus Kapital-, Raum- und Feldbegriff hergestellt. Zur Beantwortung der Forschungsfragen werden dann qualitative Interviews mit Mieter:innen sowie mit Expert:innen ausgewertet, die ich 2021 und 2022 in Berlin geführt habe. Aus dem empirischen Material generiere ich vier Typen von Mieter:innen, die sich auf dem Spektrum zwischen Deprivation und (erfolgreichem) Widerstand befinden. Anhand der Typenbildung wird deutlich, dass die Auswirkungen und Handlungsmuster entlang der verfügbaren Kapitalien, aber auch entlang der Lebenslage und der Bindung an die Wohnung und die Nachbarschaft strukturiert sind.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Aus der Wohnung, aus der Welt? Aktuelle soziologische Perspektiven der Wohnungslosigkeitsforschung