Die Erfahrung von Zusammenhalt im Rahmen ungleicher Lebensführungen
Einblicke in die erste Welle des FGZ Quali Panels
Schlagworte:
Sozialintegration, Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Polarisierung, Pluralisierung, qualitative Methoden, LängsschnittstudieAbstract
Ob Klimawandel, (post-)pandemischer Alltag, Reaktionen auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, demografische oder sozialstaatliche Wandlungsprozesse post-industrieller Gesellschaften – vielgestaltige gesellschaftliche Umbrüche und Transformationen geben wieder zunehmend Anlass zur Problematisierung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Prominente soziologische Zeitdiagnosen sprechen von einer Polarisierung der Gesellschaft (vgl. Kaube und Kieserling 2022; Münch 2023), durch die sich antagonistische Lager zunehmend unversöhnlich gegenüberstünden (vgl. Reckwitz 2018). Andererseits mehren sich Stimmen, welche derzeitige Konfliktlinien nicht als Polarisierung, sondern vielmehr als Pluralisierung interpretieren (vgl. Mau et al. 2020). Bei aller Uneinigkeit darüber, wie stark und wodurch der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet sei, bleibt häufig unklar, worauf sich dieser Begriff konkret bezieht.
Mit Interviewdaten aus der ersten Welle des FGZ Quali Panels[1], mit dem die soziale Praxis der Wahrung und Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts untersucht wird, rücken wir in diesem Beitrag die Frage ins Zentrum, was die Befragten selbst unter gesellschaftlichem Zusammenhalt verstehen bzw. wie sie diesen auf unterschiedliche Weise erleben und praktizieren. Während in der öffentlichen Debatte primär Diagnosen der Polarisierung oder Solidarisierung verhandelt werden, wirft das empirische Material die Frage auf, was der Gegenstand des jeweiligen Erlebens ist, an dem sich die Befragten in ihren Praxen orientieren.
Anhand empirischer Fallbeispiele diskutiert der Beitrag vielfältige Erfahrungen und Vorstellungen von Zusammenhalt im Rahmen ungleicher Lebensführungen. In der Analyse unserer Interviews zeigt sich: Es gibt vielfältige und unterscheidbare Konzeptionen davon, was gesellschaftlicher Zusammenhalt bedeutet. Unsere Daten ermöglichen außdem einen tieferen Einblick in die Zusammenhänge unterschiedlicher Konzeptionen von gesellschaftlichem Zusammenhalt, diverser Praktiken der Lebensführung und den gesellschaftlichen Positionierungen der Befragten. Wir skizzieren, inwiefern sich die Vorstellungen von Zusammenhalt in den Alltagspraktiken der Menschen zeigen, und welche Bedeutung ihre soziale und ökonomische Einbettung haben könnten.
[1] Das Projekt „Qualitatives Panel: Milieuspezifische Praktiken der Gefährdung und Wahrung gesellschaftlichen Zusammenhalts“ wird im überregionalen Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) von den Standorten Bremen (SOCIUM Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik) und Göttingen (Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen) durchgeführt und befindet sich im Zeitraum von 2020 bis 2024 in der ersten Förderphase, in der zwei Wellen erhoben werden. Das FGZ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Literaturhinweise
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Küpper, Patrick. 2016. Abgrenzung und Typisierung ländlicher Räume. Thünen Working Paper 68. Braunschweig: Thünen Institut für ländliche Räume.
Küpper, Patrick, und Jan C. Peters. 2019. Entwicklung regionaler Disparitäten hinsichtlich Wirtschaftskraft, sozialer Lage sowie Daseinsvorsorge und Infrastruktur in Deutschland und seinen ländlichen Räumen. Thünen Report 66. Braunschweig: Thünen Institut für ländliche Räume.
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Reckwitz, Andreas. 2018. Die Gesellschaft der Singularitäten. Zum Strukturwandel der Moderne. 6. Auflage. Berlin: Suhrkamp.
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Rosenthal, Gabriele. 2015. Interpretative Sozialforschung. Eine Einführung. 5., überarbeitete und ergänzte Aufl. Weinheim: Beltz.
Schatzki, Theodore R. 1996. Social practices. A Wittgensteinian approach to human activity and the social. Cambridge: Cambridge University Press.
Witzel, Andreas, und Herwig Reiter. 2012. The Problem-Centred Interview. London: SAGE Publications.
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