Aufwertung durch verschworenes Misstrauen?

Analysen zum Einfluss sozialer Identitätsbedrohungen auf gesellschaftliche Kohäsion

Autor/innen

  • Volker Lang Universität Tübingen

Schlagworte:

Soziale Identität, Soziale Anerkennung, Sozialer Zusammenhalt, Institutionenvertrauen, Populismus, Verschwörungsmentalität

Abstract

In dieser Studie operationalisieren wir erstmalig Indikatoren der sozialen Anerkennungsordnung als Prädiktoren gesellschaftlicher Kohäsion und zeigen davon ausgehend das Identitätsbedrohungen von zentraler Bedeutung für die Erklärung – eines bröckelnden bzw. sich verschlechternden – sozialen Zusammenhalts sind. Insgesamt zeigt die Untersuchung entsprechend unserer Ausgangsthese, dass die gesellschaftliche Anerkennungsordnung von deutlich größerer Relevanz für den sozialen Zusammenhalt ist als die sozialstrukturelle Hierarchie und ihre Veränderungen, welche in der bisherigen Forschungsliteratur im Vordergrund stehen. Indikatoren für Identitätsbedrohung, die an der Makroebene sozialer Aggregation orientiert sind – schichtspezifische soziale Anerkennung und allgemeine Anomiegefühle, sind von besonderer Erklärungskraft für gesellschaftliche Kohäsion. Spezifischer ist politische Anerkennung für die Erklärung politischen Institutionenvertrauens und populistischer Einstellungen besonders relevant, während Identitätsverunsicherung schwerer ins Gewicht fällt wenn es um Misstrauen in Expert:innenwissen und Verschwörungsmentalität geht. Außerdem spielt finanzielle Anerkennung für die von uns untersuchten Bewertungen sozialer Kohäsion keine Rolle.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Sektion Soziale Indikatoren: Verschwörungslaube als Indikator einer polarisierten Gesellschaft? Theoretische und empirische Einsichten