Struktur, Repräsentation, Identität

Intersektionale Armutsforschung

Autor/innen

  • Sonja Fehr Universität Kassel

Schlagworte:

Klasse, Geschlecht, Migration, Herrschaftsverhältnisse, Mixed Methods, soziale Praxen, Doing Poverty

Abstract

Soziale Ungleichheit ist eine von Menschen gemachte und somit auch von Menschen veränderbare Grundtatsache gesellschaftlichen Lebens (Kreckel 1997). Im Sinne einer politischen Soziologie sozialer Ungleichheit stellt sich die forschungsleitende Frage nach gesellschaftlichen Kräften, die bestehende Armutsverhältnisse erhalten oder verändern sowie nach den Möglichkeiten des gezielten Einwirkens auf bestehende Verhältnisse.

Zur Beantwortung dieser Fragen bietet das Forschungsparadigma der Intersektionalität einen multiperspektivischen Rahmen. Anschließend an Winker und Degele (2010) kann soziale Ungleichheit auf den Ebenen struktureller Herrschaftsverhältnisse (Klassismen, Heteronormativismen, Rassismen und Bodyismen), symbolischer Repräsentationen und Identitätskonstruktionen über das Bindeglied sozialer Praxen (Bourdieu 2020) verknüpft werden. Im Beitrag wird das Konzept auf die Belange der Armutsforschung zugeschnitten. Ziel ist die Skizzierung eines sozialtheoretischen Rahmens, der zur ursächlichen Erklärung von Mechanismen und Zusammenhängen der Entstehung und Reproduktion von Armut als gesellschaftlichem Verhältnis zur Verfügung steht.

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Veröffentlicht

29.09.2023

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Polarisierte Verhältnisse: Theoretische Zugänge zum Phänomen der Armut