Ein vergessener soziologischer Klassiker
Zum 150. Geburtstag von Franz Oppenheimer (1864 – 1943)
Schlagworte:
Franz Oppenheimer, Soziologe, KlassikerAbstract
Franz Oppenheimer (1864 – 1943) war ein zu seiner Zeit berühmter Nationalökonom und Soziologe. Er hatte von 1919 bis 1929 in Frankfurt am Main die erste ordentliche soziologische Professur an einer deutschen Universität wahrgenommen. Nach seinem medizinischen Studium in Berlin war er für längere Zeit als Arzt tätig und wandte sich anschließend nationalökonomischen und soziologischen Forschungen zu. Er verkehrte in seiner Jugend im Friedrichshagener Dichterkreis in Berlin und war seit 1903 ein führendes Mitglied der zionistischen Bewegung, der er als nationalökonomischer Berater bei der Gründung von Siedlungsgenossenschaften in Palästina zur Verfügung stand. Oppenheimer war auch in Deutschland an der Gründung von verschiedenen landwirtschaftlichen Produktivgenossenschaften beteiligt, von der er sich als liberaler Sozialist und Vordenker der sozialen Marktwirtschaft vermittels einer ›inneren Kolonisation‹ die Lösung der sozialen Frage seiner Zeit erhofft hatte. Ende 1938 emigrierte er zunächst nach Japan und China. Anschließend ging er in die USA, wo er 1943 verarmt in Los Angeles verstarb.
Franz Oppenheimer (1864 – 1943) was a famous economist and sociologist of his time. In Germany, he was the first chairholder of a regular professorship in sociology (at the University of Frankfurt am Main between 1919 and 1929). Having studied medicine first, he worked for years as a physician in Berlin, until he finally turned to economics and sociology. In his youth he was a member of the Friedrichshagener Dichterkreis (a Berlin-based poetry circle) and since 1903 he was part of the Zionist movement and organised, as an economic advisor, the foundation and creation of the first Jewish settlements in Palestine. Following his ideas for the resolution of the social question, he tended to ›inner colonisation‹ and established various agrarian settlements in Germany. Backbone for these activities was his concept of ›Liberal Socialism‹ which identifies him as a mentor of the social market economy. Late 1938 he emigrated first to Japan then China and at last to the USA where he died impoverished in Los Angeles.
Literaturhinweise
Carstens, U. 2005: Ferdinand Tönnies. Friese und Weltbürger. Biographie. Norderstedt: Books on Demand.
Caspari, V., Lichtblau, K. 2014: Franz Oppenheimer. Ökonom und Soziologe der ersten Stunde. Frankfurt am Main: Societäts-Verlag.
Chickering, R. 1993: Karl Lamprecht. A German Academic Life (1856 – 1915). New Jersey: Humanities Press.
Eden-Genossenschaft (Hg.) 1993: 100 Jahre Eden. Eine Idee wird zur lebendigen Philosophie. Edener Mitteilungen, Nr. 5, Oranienburg, Eden.
Eisermann, G. 1959: Die deutsche Soziologie im Zeitraum 1918 bis 1933. Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 11. Jg., 54–71.
Fetscher, I. 1999: Franz Oppenheimers politisch-soziale Utopie(n). In E.-V. Kotowski, J. H. Schoeps, B. Vogt (Hg.), Wirtschaft und Gesellschaft. Franz Oppenheimer und die Grundlegung der Sozialen Marktwirtschaft. Berlin, Bodenheim: Philo Verlag, 98–120.
Glatzer, W. 2007: DGS-Gründungsmitglied Franz Oppenheimer in Frankfurt beigesetzt. Soziologie, 36. Jg., 325–327.
Greven, M. 1985: Zur Rettung der utopischen Vernunft gegen die Kritik ihrer bloß mißlungenen Umsetzung. Nachbemerkung zu Franz Oppenheimers »Sprung über ein Jahrhundert«. In D. Haselbach, Franz Oppenheimer. Soziologie, Geschichtsphilosophie und Politik des »Liberalen Sozialismus«. Opladen: Westdeutscher Verlag, 189–193.
Haselbach, D. 1985: Franz Oppenheimer. Soziologie, Geschichtsphilosophie und Politik des »Liberalen Sozialismus«. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Henning, C. 2006: »Der übernationale Gedanke der geistigen Einheit«. Gottfried Salomon(-Delatour), der vergessene Soziologe der Verständigung. In A. Barboza, C. Henning (Hg.), Deutsch-jüdische Wissenschaftsschicksale. Studien über Identitätskonstruktionen in der Sozialwissenschaft. Bielefeld: transcript-Verlag,
48–100.
Herrschaft, F., Lichtblau, K. (Hg.) 2010: Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Wiesbaden: Springer VS.
Hertzka, Th. 1890: Freiland. Ein sociales Zukunftsbild. Dresden, Leipzig: E. Pierson Verlag.
Herzl, Th., Oppenheimer, F. 1964: Briefwechsel. Bulletin des Leo Baeck Instituts, 7. Bd., 21–55.
Kaesler, D. 1984: Die frühe deutsche Soziologie 1909 bis 1934 und ihre Entstehungs-Milieus. Eine wissenschaftssoziologische Untersuchung. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Kaesler, D. 1985: Soziologische Abenteuer. Earle Edward Eubank besucht europäische Soziologen im Sommer 1934. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Köhnke, K. 1996: Der junge Simmel in Theoriebeziehungen und sozialen Bewegungen. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Koolwaay, J. 2010: Zwischen Profession und Experiment: Karl Mannheim in Frankfurt. In F. Herrschaft, K. Lichtblau (Hg.), Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Wiesbaden: Springer VS, 105–121.
Kressel, G. 1972: Franz Oppenheimer. Seine zionistische Tätigkeit und die Kooperative Merchawia in der Zeit der Zweiten Alijah. Tel Aviv: Yavne Publishing House.
Lenger, F. 1994: Werner Sombart (1863 – 1941). Eine Biographie. München: C. H. Beck.
Lichtblau, K., Taube, P. 2010: Franz Oppenheimer und der erste Lehrstuhl für Soziologie an der Universität Frankfurt. In F. Herrschaft, K. Lichtblau (Hg.), Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Wiesbaden: Springer VS, 55–70.
Linse, U. 1983: Zurück, o Mensch, zur Mutter Erde. Landkommunen in Deutschland 1890 – 1933. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.
Nassauer, K. 1964: Zwischen Liberalismus und Sozialismus. Zum 100. Geburtstag des Soziologen Franz Oppenheimer am 30. März. Frankfurter Rundschau, 26. März 1964, 12.
Oppenheimer, F. 1895: Freiland in Deutschland. Berlin: J. Fontane & Co.
Oppenheimer, F. 1896: Die Siedlungsgenossenschaft. Versuch einer positiven Ueberwindung des Kommunismus durch Lösung des Genossenschaftsproblems und der Agrarfrage. Leipzig, Berlin: Deutsches Verlagshaus.
Oppenheimer, F. 1898: Detlev von Liliencron. Eine aesthetische Studie. Berlin: Schuster & Loeffler.
Oppenheimer, F. 1900: Nationalökonomie, Sociologie, Anthropologie. Zeitschrift für Sozialwissenschaft, 3. Jg., 485–493 und 621–632.
Oppenheimer, F. 1903a: Skizze der sozial-ökonomischen Geschichtsauffassung. Vierteljahrsschrift für wissenschaftliche Philosophie und Soziologie, 27. Jg., 323–352 und 369–413.
Oppenheimer, F. 1903b: Ueber innere Kolonisation. Zeitschrift für Volkswirtschaft, Sozialpolitik und Verwaltung, 12. Jg., 383–386.
Oppenheimer, F. 1907: Der Staat. Frankfurt am Main: Literarische Anstalt.
Oppenheimer, F. 1908: Rodbertus’ Angriff auf Ricardos Rententheorie und der Lexis-Diehl’sche Rettungsversuch [Inaugural-Dissertation Kiel]. Berlin: Georg Reimer.
Oppenheimer, F. 1909a: Soziologie und Ökonomik. Monatsschrift für Soziologie, 1. Jg., 605–626.
Oppenheimer, F. 1909b: David Ricardos Grundrententheorie. Darstellung und Kritik. Berlin: Georg Reimer.
Oppenheimer, F. 1910: Theorie der reinen und politischen Ökonomie. Ein Lehr- und Lesebuch für Studierende und Gebildete. Berlin: Georg Reimer.
Oppenheimer, F. 1912a: Die soziale Frage und der Sozialismus. Eine kritische Auseinandersetzung mit der marxistischen Theorie. Jena: Gustav Fischer.
Oppenheimer, F. 1912b: Innere Kolonisation. Neue Rundschau, 23. Jg., 1185–1199.
Oppenheimer, F. 1915: Weltwirtschaft und Nationalwirtschaft. Berlin: Samuel Fischer.
Oppenheimer, F. 1918: Freier Handel und Genossenschaftswesen. Berlin: Reimar Hobbing.
Oppenheimer, F. 1922 – 1935: System der Soziologie. 4 Bände in acht Teilbänden nebst einem Registerband. Jena: Gustav Fischer.
Oppenheimer, F. 1928: Richtungen der neueren deutschen Soziologie. Drei Vorträge, gehalten am 1. bis 3. Mai 1928 an der University of London, School of Economics. Jena: Gustav Fischer.
Oppenheimer, F. 1929: Mein wissenschaftlicher Weg. Leipzig: Felix Meiner.
Oppenheimer, F. 1934: Sprung über ein Jahrhundert. Nach dem Englischen von Robert Holl. Bern: Gotthelf-Verlag [erschienen unter dem Pseudonym Francis D. Pelton].
Oppenheimer, F. 1964 [1931]: Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen. Herausgegeben von L.Y. Oppenheimer. Düsseldorf: Joseph Melzer Verlag.
Roth, G. 2001: Max Webers deutsch-englische Familiengeschichte 1800–1950. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Salomon-Delatour, G. 1964: Franz Oppenheimer als Soziologe und die Einheit der Sozialwissenschaft. In F. Oppenheimer, Erlebtes, Erstrebtes, Erreichtes. Lebenserinnerungen. Herausgegeben von L.Y. Oppenheimer. Düsseldorf: Joseph Melzer Verlag, 344–351.
Senft, G. 1997: Aufbruch in das gelobte Land. Die Ursprünge der Kibbutz-Wirtschaft. Wien: Verlag Monte Verita.
Simmel, G. 2008: Gesamtausgabe, Band 22: Briefe 1880–1911. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Thiel, Th. 2006: Wem Ehre gebührt. Nicht jedem verdienten Bürger pflegt die Stadt das Grab. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17. Mai 2006, 44.
Vogt, B. 1994: Die Utopie als Tatsache? Judentum und Europa bei Franz Oppenheimer. Menora. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte, München, Zürich: Piper Verlag, 123–142.
Vogt, B. 1997: Franz Oppenheimer. Wissenschaft und Ethik der Sozialen Marktwirtschaft. Bodenheim: Philo-Verlag.
Wagner, T. 2010: Gottfried Salomon-Delatour – Ein kosmopolitischer Soziologe der älteren Generation. In F. Herrschaft, K. Lichtblau (Hg.), Soziologie in Frankfurt. Eine Zwischenbilanz. Wiesbaden: Springer VS, 71–84.
Weber, M. 1926: Max Weber. Ein Lebensbild. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Weber, M. 2001: Gesamtausgabe. Abteilung I: Schriften und Reden, Band 22-1: Wirtschaft und Gesellschaft. Die Wirtschaft und die gesellschaftlichen Ordnungen und Mächte. Nachlaß, Teilband 1: Gemeinschaften. Tübingen: J. C. B. Mohr (Paul Siebeck).
Zagorodsky, M. 1929: Die Bilanz einer ackerbautreibenden Kolonie (Merchawia). Palästina, Heft 2-3, 33–38.
Zechlin 1969: Die deutsche Politik und die Juden im Ersten Weltkrieg. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.
Zoske, S. 2003: Ein Sozialist mit heißem Herzen und kühlem Kopf. Forscherpersönlichkeiten: Franz Oppenheimer brachte Ludwig Erhard auf gute Ideen. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 9. September 2003, 52.