Die nächste Krise kommt bestimmt – Von Prävention zu Präemption in der Finanzmarktregulierung

Autor/innen

  • Carola Maria Westermeier Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Soziologie

Schlagworte:

Resilienz, Finanzmarkt, Sicherheitsstudien, Prävention, Preemption, Finanzmarktregulierung, Finanzkrise,

Abstract

Als Reaktion auf die Finanzkrise wurden zahlreiche Maßnahmen ergriffen, die Krisen gleichen Ausmaßes verhindern sollten. Eine der markantesten Erweiterungen ist dabei die so genannten 'Makroprudentiellen Regulierung' als dritter Pfeiler der Finanzmarktsteuerung neben der klassischen Geldpolitik und der mikroprudentiellen Regulierung. Im Vergleich zu dem vor der Krise angewandten mikroprudentiellen Ansatz, der sich auf die Supervision und Regulierung einzelner Finanzinstitute und -akteure konzentrierte, setzt sich der makroprudentielle Ansatz zur Aufgabe, das Finanzsystem als Ganzes im Blick zu haben und so Finanzmarktstabiliät – das erklärte, aber im finanzökonomischen Diskurs uneinheitlich definierte Ziel von Regulierung – zu gewährleisten. Auf diese Weise soll etwa der Bildung von Blasen entgegengewirkt werden, die weniger durch individuelle, sondern vielmehr durch kollektive Aktivitäten ausgelöst werden. Während der mikroprudentielle Ansatz eher disziplinarisch agiert, wenn Finanzmarktpraktiken nicht den Regularien entsprechen, setzt makroprudentielle Regulierung weniger auf Verbote, sondern auf möglichst wenig Intervention in die finanzwirtschaftlichen Kreisläufe. Statt auf einzelne Praktiken der Finanzwirtschaft zu reagieren, werden Vorgaben gemacht, etwa zu vorzuhaltenden Eigenkapitalanteilen. Statt der bisherigen Vorsichtsmaßnahmen ('precaution') setzt makroprudentielle Regulierung auf Vorbeugung, um unvorhergesehenen Ereignissen dadurch begegnen zu können, dass man ihnen zuvorkommt ('preemption'). Dies impliziert ein ständiges Mitdenken und Einbeziehen zukünftiger Ereignisse – wie erneute Krisen –  in Handlungen der Gegenwart. Maßgeblich ist dabei die Grundannahme, dass weitere Finanzkrisen nicht vermeidbar sind, sondern allenfalls in ihren Auswirkungen begrenzbar. Dabei wird auf das Konzept der 'Resilienz' zurückgegriffen, gemäß welchem Unsicherheit bestimmter (kollektiver) Subjekte nicht nur davon bestimmt ist, wie groß die Bedrohung ist, der sie ausgesetzt sind, sondern ebenso von der Konstitution des Subjekts selbst. Zudem werden die Subjekte selbst als potentielle Urheber von Unsicherheit wahrgenommen. Im Idealfall sollte also ein resilientes Finanzsystem zukünftige Krisen verkraften können, ohne auf staatliche Hilfe angewiesen zu sein. Angesichts anhaltender Diskussionen um Werkzeuge und Ziele ist fraglich, ob dieses Szenario realistisch ist. 

Autor/innen-Biografie

Carola Maria Westermeier, Justus-Liebig-Universität Gießen Institut für Soziologie

Wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Sonderforschungsbereich "Dynamiken der Sicherheit"

Researcher at the Collaborative Research Centre SFB/TRR 138: 'Dynamics of Security'

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Veröffentlicht

2017-09-24

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Welches Wissen nutzen Zentralbanken? Ökonomik und Finanzmarktregulierung im Kontext der Krise