Organisationale Praktiken und Effekte quantifizierenden Berichtbarmachens
Keywords:
Reflexive Praktiken, empirische Praxeographie, Profifußball, Accounting, computergestützte SpielanalysenAbstract
Im Mittelpunkt des Beitrags stehen besondere Praktiken des Organisierens, die konzeptionell als quantifizierendes Berichtbarmachen gefasst werden. Mit dieser Konzeptualisierung von organisationalen Analyse- und Wissenspraktiken wird eine Brücke geschlagen zwischen dem in der Ethnomethodologie entwickelten Konzept der accountability – das heißt der methodischen Wirklichkeitskonstruktion, in der Teilnehmer/-innen in lokalen Praktiken die Faktizität faktischer Ereignisse, die Objektivität objektiver Sachverhalte oder die Identität identifizierbarer Vorgänge hervorbringen – und dem organisationalen Accounting als Sammelbegriff für Buchführung, Kostenrechnung, Bilanzierung, quantitative Leistungserfassung, Evaluation etc. Es wird gezeigt, dass die Familienähnlichkeit beider Begriffe, die bisher weitestgehend unberücksichtigt blieb, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen performativen Effekte der Realitätskonstruktion besteht.
Diese praxeologische organisationsanalytische Perspektive wird am empirischen Fall des Profifußballs entwickelt: Seit den 1990er Jahren sind im Profifußball neue softwaregestützte Verfahren der Spielanalyse und Leistungsbeobachtung entstanden. Sie bemühen sich um eine Quantifizierung, Informatisierung und statistische Analyse des Trainings- und Spielgeschehens und beeinflussen nicht nur die Arbeit von Trainer/-innen, Manager/-innen und anderen Expert/-innengruppen des Profifußballs, sondern auch die betriebswirtschaftlichen Strategien und Organisationsprozesse der Vereine, die mediale Berichterstattung sowie nicht zuletzt auch das öffentliche Räsonieren, Analysieren und Kritisieren von Zuschauer/-innen und Fußballinteressierten.
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