Die Gedankenfigur einer „Soziologie avant la lettre“
Systematik der Politiken des Denkens
Schlagworte:
Ideengeschichte, Politiken des Denkens, Intellektuelle, Lebensformen, Albert SalomonAbstract
Kennzeichnend für eine Wissenschaft in der Phase ihrer Institutionalisierung ist, dass ihre Protagonist*innen besonderen Wert darauf legen, die Eigensinnigkeit dieser Wissenschaft herauszuarbeiten und zu bewähren; dies gilt auch für die Soziologie in der Phase ihrer Institutionalisierung. Deswegen ist ein maßgebliches Element der soziologischen Praxis in dieser Phase die systematische Abgrenzung von anderen Formen des Wissens bzw. anderen wissenschaftlichen Disziplinen: die theoretische Demonstration, dass mit den Mitteln der Soziologie etwas sichtbar wird, das ohne sie nicht sichtbar wäre und also in vorsoziologischen Zeiten niemand gesehen hat. Diese Praxis der theoretischen Demonstration soziologischer Eigensinnigkeit ist seit dem Vollzug der akademischen Institutionalisierung einer Soziologie eine vergleichsweise routinierte Angelegenheit geworden. Die Soziologie darf und will in Teilen heute sich als multipolares Experimentierfeld verstehen, dessen Einheit der ausgewogenen Vielfalt der Theorien und Begriffe, Methoden und Verfahren, mit denen man hier hantiert, korrespondiert.
Bemerkenswerterweise hat man bisher eine der Voraussetzungen, von denen die Soziologie in der Phase ihrer Institutionalisierung ausging, unangetastet gelassen: diejenige, dass es vor der Erfindung des Namens einer Soziologie keine Soziologie gegeben hat. Der Vortrag schlägt eine Prüfung dieser Voraussetzung vor, indem er die Erkenntnissteigerung skizziert, die einer Soziologie möglich ist, die sich auf die Gedankenfigur einer „Soziologie avant la lettre“ einlässt. Zu diesem Zweck greift er auf das alte Mittel der theoretischen Demonstration zurück, die in diesem Fall die Soziologie in ein transhistorisches Gefüge unterschiedlicher Wissenspraxen einbettet: politische Theologie, Sophistik, Hermeneutik, politische Philosophie.
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