Von Worten und Dingen. Anmerkungen zu einem Missverständnis in der Debatte um den Performative Turn

Autor/innen

  • Lars Gertenbach Universität Kassel

Schlagworte:

Performativität, Soziologische Theorie, Medientheorie, Bruno Latour, Michel Callon, Karen Barad, John Austin, Postkonstruktivismus

Abstract

Weil in den Debatten um den Performativitätsbegriff typischerweise auf Austin und die Sprechakttheorie rekurriert wird, gilt das Modell der Performativität auch in der Soziologie häufig als Inbegriff für die Wirkmächtigkeit von Diskursen, Kommunikationen bzw. sprachlichen Benennungs- und Klassifikationspraktiken. Vor diesem Hintergrund nimmt der Beitrag die in den letzten Jahren mehrfach erfolgte Ausrufung des Performative Turns zum Ausgangspunkt, um zu fragen, ob diese starke Anbindung an die sprachtheoretischen und linguistischen Modelle angesichts der neueren Positionen in diesem Feld überhaupt noch aufrechtzuerhalten ist. Die These ist dabei, dass die vermeintlich evidente Filiation zu Austin und der Sprechakttheorie verstellt, dass es gerade diese sprachtheoretischen Annahmen sind, die in den neueren Positionen zur Debatte stehen. Den Auseinandersetzungen um den Begriff der Performativität liegt demzufolge ein Missverständnis zugrunde, das damit zusammenhängt, dass neuere Ansätze im Unterschied zur Sprechakttheorie und einigen konstruktivistischen und poststrukturalistischen Positionen in diesem Feld nicht sprach-, sondern medientheoretisch argumentieren. Anhand der Positionen von Callon, Latour, MacKenzie und Barad soll im Beitrag gezeigt werden, dass sich aus dem Übergang von der Sprach- zur Medientheorie nicht nur ein anderer epistemischer Ausgangspunkt ergibt, sondern dass die gesamte Debatte dadurch auch eine andere Stoßrichtung und ein gänzlich anders gelagertes Referenzproblem erhält.

Weil diese unterschiedlichen und zueinander inkongruenten Theorielinien in der gegenwärtigen Debatte noch nicht hinreichend differenziert sind, kann auch die Herausforderung dieser Positionen nur ungenügend in den Blick genommen werden. Der Beitrag zielt darauf, diese Differenz zwischen sprach- und medientheoretischen Zugängen zu erkunden, um die Tragweite und Grenzen des Performative Turns überhaupt genauer bestimmen zu können. Erst auf Basis dieser Überlegungen kann schließlich diskutiert werden, welche Konsequenzen mit dieser Weiterentwicklung des Performativitätsbegriffs für die soziologische Forschung verbunden sind.

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Veröffentlicht

2019-06-03

Zitationsvorschlag

[1]
Gertenbach, L. 2019. Von Worten und Dingen. Anmerkungen zu einem Missverständnis in der Debatte um den Performative Turn. Komplexe Dynamiken globaler und lokaler Entwicklungen. Verhandlungen des 39. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Göttingen 2018. 39, (Juni 2019).

Ausgabe

Rubrik

Ad-Hoc: Zur Performativität des Sozialen: Reichweite und Erklärungskraft neuer Analyseperspektiven