Friedhofsverwaltungen im Spannungsfeld zwischen privater Trauerarbeit und öffentlichem Dienst

Autor/innen

  • Ekkehard Coenen Bauhaus-Universität Weimar

Schlagworte:

Bestattungswesen, Friedhofsverwaltung, professionelles Handeln, Agenturen des Trauerns, Autonomie des Trauerns

Abstract

Das professionelle Handeln der Friedhofsverwalter*innen ist in Deutschland hochgradig spannungsgeladen: Einerseits zielt ihre Arbeit auf einen pietätvollen Umgang mit den Verstorbenen und die Unterstützung der (privaten) Trauerarbeit der Hinterbliebenen. Neben ethischen Normvorstellungen ist es dabei insbesondere der gegenwärtige Hype um eine möglichst individualisierte und personalisierte Bestattung, der auch die Friedhofsverwaltungen dazu drängt, sich an den Bedürfnissen der Trauergemeinschaften zu orientieren und die Prozesse auf den Friedhöfen entsprechend anzupassen. Andererseits stehen die Friedhofsverwalter*innen aber auch im öffentlichen Dienst, wodurch sie in der Pflicht stehen, die bestehenden Gesetzgebungen und Friedhofsordnungen durchzusetzen und die Abläufe in den Friedhofsbetrieben zu gewährleisten; auch wenn diese den Wünschen der Bestattungspflichtigen und Verstorbenen entgegenstehen. An ihr Arbeitshandeln werden folglich die widerstreitenden Ansprüche einer möglichst passgenauen Bestattung und eines standardisierten und reibungslosen Verfahrens herangetragen.

In diesem Beitrag gehe ich darauf ein, dass die Friedhofsverwalter*innen hierbei weniger vor Problemen in der Sach- und Sozialdimension stehen. Friedhöfe stellen mittlerweile zahlreiche Bestattungsarten und Möglichkeiten der Grabpflege sowie Trauerrituale zur Verfügung, so dass eine Bestattungsfeier beinahe beliebig ausgestaltet werden kann. Auch der Kreis der Trauernden ist nicht mehr beschränkt. Viele Friedhöfe haben sich unterschiedlichen religiösen und kulturellen Gemeinschaften geöffnet und bieten zumindest Beisetzungen in entsprechenden Grabfeldern an, so dass die »Autonomie der Trauer« scheinbar durch die öffentliche Hand gefördert wird. Sobald jedoch die Zeitdimension in den Blick genommen wird, lässt sich das Postulat des selbstbestimmten Trauerns innerhalb des Bestattungswesens nicht aufrechterhalten. Die Bestattungsgesetze geben klare und knappe zeitliche Fristen vor, die Friedhofsverwaltungen takten die Bestattungen in ihre betrieblichen Zeitpläne ein, die Hinterbliebenen müssen aus Verfahrensgründen in kurzer Zeit eine Vielzahl organisatorischer Aufgaben bewältigen, und vieles mehr.

Es sind die "Zeitregime des Bestattens", die zu enormen Konflikten führen können; sowohl in den Selbstbeschreibungen der Verwalter*innen als auch zwischen ihnen und den Hinterbliebenen. Friedhofsverwaltungen bilden "Agenturen des Trauerns", in denen zwischen den Bedürfnissen der Trauernden und den kommunalen und landesweiten Vorgaben vermittelt wird. Indem ich verdeutliche, dass das Bestatten mittlerweile in die rigiden Abläufe der "Todesverwaltung" eingebettet ist, zeige ich auf, dass die These der Personalisierung des Trauerns, die spätestens seit den 1960er Jahren zu einem prominenten Narrativ innerhalb der Thanatosoziologie geworden ist, sich zumindest für das Bestattungswesen nicht mehr aufrechterhalten lässt.

Downloads

Veröffentlicht

2021-08-03

Ausgabe

Rubrik

Sektion Professionssoziologie: Professionelles Handeln im öffentlichen Auftrag