Das Imaginäre der Praxis

Kollektive Subjektivierung im Kontext nachhaltiger Entwicklung

Autor/innen

  • Thomas Alkemeyer CvO Universität Oldenburg
  • Nikolaus Buschmann
  • Steffen Hamborg
  • Jedrzej Adam Sulmowski

Schlagworte:

Praxistheorie, Subjektivierung, Nachhaltigkeit

Abstract

Der Beitrag beschäftigt sich theoretisch und empirisch mit der Funktion des Imaginären einer ‚besseren‘, nachhaltigen Zukunft für das Selbstverständnis ‚transformativer Gemeinschaften‘ als emanzipatorische Kollektivsubjekte. Indem sich bspw. Ökodörfer als Experimentierräume für die Entwicklung nachhaltiger Lebensweisen und damit als Alternative zur Industrie- und Konsumgesellschaft ‚draußen‘ entwerfen, ist das Imaginäre einer besseren Zukunft kein bloßes Versprechen. Vielmehr wird es bereits im Hier und Jetzt des gemeinsamen Wirtschaftens und Lebens praktiziert: Es steckt als „Bedeutung im Vollzug“ nicht nur in soziomateriellen Arrangements und öffentlichen Tätigkeiten, sondern selbst noch in intimen Besorgungen wie der Verrichtung der Notdurft auf einer ressourcensparenden Trocken-Trenn-Toilette. Jeder Toilettengang wird – als pars pro toto und pars totalis – zu einem performativen politischen Akt, der ein kollektivierendes Imaginäres aufruft, das sich zwischen Bedrohungsszenario („Umweltzerstörung“) und Zukunftsvision („Leben im Einklang mit der Natur“) aufspannt. In derartigen Praktiken artikuliert sich sowohl eine Kritik an der Lebensweise ‚draußen‘ als auch ein Vorschlag zu ihrer Überwindung.

Wir beschreiben das Imaginäre transformativer Gemeinschaften anhand dreier miteinander verschränkter Dimensionen: Erstens bedarf es eines gemeinsam anerkannten Bezugsproblems, das in den Diskursen und Praktiken des Zusammenlebens fortlaufend als existentiell markiert, erlebbar gemacht und damit affektiv aufgeladen wird. Zweitens wird in der aktuellen Praxis eine Zukunft antizipiert, in der dieses Bezugsproblem ‚gelöst‘ ist. Drittens müssen die Kontingenz und der Konstruktionscharakter dieses historisch bestimmten gesellschaftlichen Imaginären operativ ausgeblendet werden, damit das Selbstverständnis und die Handlungsfähigkeit als Kollektivsubjekt dauerhaft erhalten bleiben.

Der Beitrag leistet somit erstens einen Beitrag zu einer Theorie der Subjektivierung von Kollektiven; und er trägt zweitens zur Theorie des Imaginären und zur Praxistheorie bei, indem er die wechselseitig konstitutive Verschränkung von Imaginärem und Realem ins Zentrum rückt.

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Veröffentlicht

2021-09-06

Ausgabe

Rubrik

Sektion Soziologische Theorie: Kollektive Identitäten – Soziologische Theorie, Analyse, Kritik