„Mir wirds scho auslange. Das bedeutet doch nichts anderes als après moi la déluge. Wie kann man nur so daherreden.“

Dekadenz als konjunktive Zeitorientierung unter AfD-Wähler/-innen

Autor/innen

  • Philipp Rhein Promotionskolleg 'Rechtspopulistische Sozialpolitik und exkludierende Solidarität' Universität Tübingen

Schlagworte:

AfD, Dekadenz, Rechtspopulismus, Zeit, Dokumentarische Methode

Abstract

Häufig wird kolportiert, Wähler/-innen rechtspopulistischer und rechtsaußen Parteien seien nostalgisch pessimistisch, restaurativ oder angstgetrieben veranlagt. Damit wird suggeriert, dass ihre temporalen Handlungshorizonte in erster Linie vergangenheitsorientiert seien. In diesem Beitrag werden diese Befunde aufgegriffen und differenziert. Der Beitrag zeigt Ergebnisse einer qualitativ-rekonstruktiven Analyse von Zeiterleben von AfD-Wähler/-innen. Im Vordergrund stehen vornehmlich dystopische, d.h. zukunfts- und untergangsorientierte Formen der Zeitwahrnehmung. Nachdem drei verschiedene Formen des Zeiterlebens dargestellt wurden, die empirisch rekonstruieren werden konnten, wird gezeigt, dass sich diese Formen des Zeiterlebens auf überraschend übereinstimmende Weise mit Orientierungen an Verzicht und Mühe sowie an Deutungsmustern verwerflichen Wohlstands verbinden. Diese Schnittstelle lässt sich als Dekadenz-Orientierung beschreiben. Hinter der zentralen Orientierung an Dekadenz verbirgt sich ein utopisches Zeiterleben, das Gesellschaft in der historischen Zeit dem Verfall anheimgefallen sieht. Es wird gezeigt, dass die Vergangenheitssicht der Fälle dieser Studie nicht hinreichend zutreffend mit Nostalgie beschrieben ist und ihre Zukunftserwartung auch nicht ängstlich ist. Dekadenz-Orientierung heißt, dass sie in der Vergangenheit nicht per se einen positiven Horizont entdecken und ihr Erwarten politischer Problembearbeitung ist deutlich nach vorne in die Zukunft gerichtet.

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Veröffentlicht

2021-07-14

Ausgabe

Rubrik

Ad-hoc: Das Elektorat rechter Parteien – Motive, Mechanismen, Kontexte