Die Übersetzung des Bauwissens und ihre versteckten Konflikte

Autor/innen

  • Cordula Kropp Universität Stuttgart
  • Yana Boeva Universität Stuttgart

Schlagworte:

Architektur, Bauwesen, Digitalisierung, Computerisierung, Wissen, Plattform

Abstract

Das Bauwesen gilt aufgrund seiner Fragmentierung als ein Nachzügler der Digitalisierung. Große Bauunternehmen und Regierungen erhoffen sich aber dadurch erhebliche Verbesserungen der Effizienz und Transparenz in Bauprozessen sowie eine Bewältigung der Wohnungskrise. Als ein wichtiger Treiber gilt die verbindliche Einführung von Building Information Modeling (BIM), ein digitales 3D-Modell für alle Phasen des Bauwerks. Dieses Modell liefert Informationen nicht nur zum planerischen Entwurf und allen Gewerken, sondern auch zu Qualitäten, dem Projektablauf und den Kosten (bis zum Betrieb). Gerade dieser Ansatz verursacht bei vielen Architekt/-innen und Baubetrieben Zurückhaltung aufgrund von Schnittstellenproblemen und offenen Fragen zum geistigen Eigentum, zur Verantwortungs- und Haftungszuschreibung sowie zur Flexibilität im Bauprozess. Es gibt viele weitere Digitalisierungsstrategien. Für den Entwurf zielen sie zum Beispiel auf die maximale Ausschöpfung der Computerleistung für die bauliche Performance und die Integration diverser Anforderungen in einer kybernetischen Tradition oder loten die Grenzen des formal und technisch Machbaren mit ikonischen Gebäuden aus (computational design/parametric design). Auf der Baustelle sollen technisch die Potenziale einer Roboterisierung und Automatisierung der Bauarbeit oder organisatorisch die Potenziale digitalisierter Projektabläufe und des Datenaustauschs bis hin zu Bauplattform(ökonomi)en erschlossen werden.

Jede Nutzung digitaler Möglichkeiten setzt eine Übersetzung der verschiedenen, soziologisch ungleichen, fragmentierten und implizit vorliegenden Wissensbestände in digitalisierte Informationsverständnisse voraus. Die Akteur-Netzwerk-Theorie betont, dass Übersetzung immer auch Verrat ist. Das gilt auch hier und ist den beteiligten Akteuren zumindest teilweise bewusst. Rollen werden zwischen Menschen, Computern und Robotern neu verteilt, Steuerungs- und Handlungsspielräume definiert, Ungleichheiten zementiert, Parameter und Handlungszwänge geschaffen.

Mit unserem Beitrag möchten wir die Spannungen auf Basis der empirischen Forschung im Exzellenzcluster „Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur (IntCDC)“ herausarbeiten und in den Kontext übergeordneter Macht- und Konfliktstrukturen der Automatisierung einordnen.

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Veröffentlicht

2021-09-01

Ausgabe

Rubrik

Sektion Wissenssoziologie: Wissen, Wahrheit, Digitalität – Wissenssoziologische Analysen digitaler Wissensregime