Soziale Diversität in angespannten Wohnungsmärkten?
Wohnungsleerstand trifft Lebenswelt – partizipativ gewonnene Skizzen zu polarisierender Wohnraumnutzung
Schlagworte:
Wohnungsleerstand, partizipative Forschung, Delphi-Studie, Diversity und InclusionAbstract
Die Wohnungsmärkte in Deutschland sind vielerorts angespannt. Besonders in Großstädten kann die Nachfrage nach Wohnraum seit Längerem nicht annähernd gedeckt werden (Henger et al. 2015). Die drängende Wohnraumversorgung in großen Städten fordert auch die umliegenden Kommunen heraus (Ehrhardt et al. 2022, S. 527). Auf dem Wohnungsmarkt geraten bestimmte Personengruppen je nach sozioökonomischem Status, sozialer Ähnlichkeit und gesellschaftlicher Erwünschtheit (Lukes et al. 2018) ins Hintertreffen. Der Wohnungsmarkt beeinflusst die soziale Komposition sowie die Funktionsfähigeit und Lebendigkeit der Kommunen als Gemeinwesen.
In der Metropolregion München, konkret im Landkreis Dachau, beobachtet die partizipativ ausgerichtete Feldstudie „WohL – Wohnungsleerstand wandeln! Partizipative Entwicklung neuer Konzepte zum Umgang mit un(ter)genutztem Wohnraum“ diese Phänomene, deckt Hintergründe auf und skizziert Lösungsoptionen.
Die WohL Delphi-Studie zeigt die Grenzen sozialer Diversität auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis Dachau sowie Impulse für die Förderung lebendiger und zukunftsfähiger Gemeinwesen auf. Demnach sind die aus der Literatur bekannten Listen der auf dem Wohnungsmarkt unerwünschten oder weniger erwünschten sozialen Merkmale zu erweitern. Vermieter:innen wählen häufig nach sozialer Ähnlichkeit. Dies zeigt, dass eine (Wieder-)Erschließung von bislang ungenutztem Wohnraum nicht nur räumliche Ressourcen nutzbar macht, sondern auch das Wagnis neuer Nachbarschaften zu moderieren vermag. Allerdings sind direkte Szenarien von Aufspüren der Angebote und Organisieren der Wohnraumvermittlung mit Kontextsensibilität und Lebensweltbezug umzusetzen.
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