Plurale Performativität
Geteilte Vulnerabilität im öffentlichen Raum
Schlagworte:
Butler, Performativität, Soziale Bewegungen, Vulnerabilität, KörperlichkeitAbstract
Fragen nach der Körperlichkeit und Materialität sind in der Bewegungsforschung erst jüngst aufgetaucht und stellen noch einen neuen und spärlich erforschten Bereich dar (vgl. Beyer und Schnabel 2017, S. 207). Dabei erscheint eine sozialwissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen besonders jetzt relevant und fruchtbar, da sich die Inszenierung und Thematisierung der körperlichen Dimensionen des Sich-Versammelns im öffentlichen Raum innerhalb diverser Bewegungen beobachten lässt: Diese – etwa Black Lives Matter oder Fridays for Future – rücken das körperliche Überleben vor dem Hintergrund von Rassismus, Sexismus oder Umweltzerstörung in den Fokus. Protestierende thematisieren die Gewalt, die gegen diese Körper gerichtet wird und machen diese im Hier und Jetzt sichtbar. Zum Problem wird dies jedoch, wenn diese Akte des Erscheinens im öffentlichen Raum nicht als politische Akte wahrgenommen werden. Zum Thema der „Polarisierungen in öffentlichen Räumen“ leiste ich einen Beitrag, indem ich die Fähigkeiten des Erscheinens, des Atmens, des Sich-Bewegen-Könnens jener aus dem Blickfeld des öffentlichen Raums vertriebenen beleuchte und, entgegen dominanter medialer Aufmerksamkeit als affirmativen, politischen (nicht-destruktiven!) Modus der gemeinsamen Vulnerabilität – in Anschluss an Judith Butlers Theoretisierung von Versammlungen – deute. Die Analyse und Erklärung der Wahrnehmung der Polarisierung im öffentlichen Raum bedarf, so meine Deutung, eine Betrachtung der körperlichen Dimensionen. In ihrem Spätwerk widmet sich Butler nicht nur den sozial-ontologischen Bedingungen der Performativität, die sie mit dem Begriff der Vulnerabilität in Verbindung bringt, womit sie das Blickfeld der Performativität auf den materiellen, gesellschaftlichen Kontext ausweitet, sondern sie bietet mit den „pluralen Akten“ des Sich-Versammelns einen politischen Modus an, der diese Vulnerabilität als Basis anerkennt. Die „plurale Akte“ des gemeinsamen, körperlichen Handelns rücken die körperlichen Bedingungen des Überlebens in den Bereich des Politischen und bilden – neben ihrem aus den 1990er Jahren bekannten subversiven Modus – einen zweiten, affirmativen Modus, der im Hier und Jetzt die Interdependenz der Körper in den Fokus rückt.
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