Vergeschlechtlichte Arbeitsteilung in der Corona-Krise als „Backlash“?
Was Diskurskoalitionen zwischen Sozialwissenschaften und Politik thematisieren – und was ausgeblendet bleibt
Schlagworte:
Corona-Maßnahmen, traditionelle Rollenbilder, Feminismus, Ökonomie, Kritik, MachteffekteAbstract
Als Folge der Lockdown-Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie rückte im Jahr 2020 in Österreich die Familie erstmals als Produzentin „systemrelevanter Leistungen“ ins Licht der öffentlichen Wahrnehmung: Sozialwissenschaftliche und massenmediale Beiträge problematisierten den Widerspruch zwischen der Notwendigkeit und der gesellschaftlichen Bewertung und Sichtbarkeit „privat“ geleisteter und vergeschlechtlichter Reproduktionsarbeit. Der Beitrag rekonstruiert anhand der Karriere des soziologisch geprägten Terminus der „traditionellen Rollenbilder“, wie das potentielle Konfliktfeld, das sich aus den getroffenen Maßnahmen und der empirisch dokumentierten Überforderung der Betroffenen ergab, diskursiv neutralisiert wurde, indem dessen kritische Stoßrichtung in gängige individualisierende und kapitalismuskompatible Bearbeitungsstrategien eingepasst wurde. Unter Bezug auf Erkenntnisse feministischer Ökonomie und Ideologiekritik wird rekonstruiert, wie unter Krisenbedingungen herrschende Mythen verfestigt werden und danach gefragt, welche Rolle sozialwissenschaftliche Kritik dabei einnehmen kann.
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