Welche Kinder kriegen?
Subjektivierungs- und praxisanalytische Perspektiven auf Kinderkriegen, Gefühle und Pränataldiagnostik
Schlagworte:
Behinderung, Affekt, Schwangerschaft, Pränataldiagnostik, Elternschaft, Mutterschaft, Fötus, Test, Disability StudiesAbstract
Pränataldiagnostische Untersuchungen im Rahmen der medizinischen Schwangerenvorsorge werfen die Frage auf, welche fötalen Körper überhaupt geboren werden sollen. Vertreter*innen der Disability Studies kritisieren, dass Pränataldiagnostik ableistisch ist. Die Suche nach fötalen Auffälligkeiten beruht auf einem defizitorientierten Modell von Behinderung und bei dem Befund einer genetischen Besonderheit steht die Frage im Raum, ob die Schwangerschaft abgebrochen werden soll. Der Beitrag zeigt auf der Basis einer ethnografischen Studie zum pränatalen Elternwerden im Kontext medizinischer Schwangerschaftsvorsorgen auf, welche Bedeutung die affektive Ebene der medizinischen Schwangerenvorsorge und Pränataldiagnostik für elterliche Subjektivierungsprozesse hat und lotet das Verhältnis von Ableismus und der Affektivität von Praktiken für das vorgeburtliche Elternwerden bzw. Kinderkriegen aus.
Literaturhinweise
Achtelik, Kirsten. 2019. Leidvermutung. Pränataldiagnostik und das Bild von Behinderung. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ) 69:31–36.
Achtelik, Kirsten. 2022. Emanzipative Selbstbestimmung. Schwangerschaftsabbruch nach Pränataldiagnostik im Spannungsfeld zwischen Individualismus und Gesellschaftskritik. In: Politiken der Reproduktion. Umkämpfte Forschungsperspektiven und Praxisfelder, Hrsg. Marie Fröhlich, Ronja Schütz und Katharina Wolf, 101–112. Bielefeld: transcript Verlag.
Ahmed, Sara. 2008. Sociable happiness. Emotion, Space and Society 1:10–13.
Althusser, Louis. 2010. Ideologie und ideologische Staatsapparate. Hamburg: VSA Verlag.
Baldus, Marion. 2006. Von der Diagnose zur Entscheidung. Eine Analyse von Entscheidungsprozessen für das Austragen der Schwangerschaft nach der pränatalen Diagnose Down-Syndrom. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Baldus, Marion. 2018. Verantwortete Elternschaft? Dilemmata des Elternwerdens im Kontext pränataler Diagnostik. Psychosozial 41:8–16.
Baumgärtner, Barbara, und Katja Stahl. 2005. Einfach schwanger? Wie erleben Frauen die Risikoorientierung in der ärztlichen Schwangerenvorsorge? Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag.
Burri, Regula Valérie. 2008. Bilder als soziale Praxis: Grundlegungen einer Soziologie des Visuellen. Zeitschrift für Soziologie 37:342–358.
Butler, Judith. 2001. „Das Gewissen macht Subjekte aus uns allen“. Subjektivation nach Althusser. In: Psyche der Macht. Das Subjekt der Unterwerfung. Hrsg. Judith Butler, 101–123. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
BzGA Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 2020. Pränataldiagnostik. Beratung, Methoden und Hilfen – ein Überblick. 09.02.2023, https://www. bzga.de/infomaterialien/familienplanung/familienplanung/praenataldiagn ostik-1/praenataldiagnostik-beratung-methoden-und-hilfen/ (Zugegriffen: 14. Februar 2023).
Campbell, Fiona Kumari. 2009. Contours of ableism: the production of disability and abledness. Basingstoke: Palgrave Macmillan.
Cremer, Marit. 2017. Berufsübergreifende Kooperationen bei Pränataldiagnostik: (Unerwartete) Ergebnisse eines Modellprojekts. In: Pränatale Diagnostik. Beratungspraxis aus medizinischer, psychosozialer und ethischer Sicht, Hrsg. Marit Cremer et al., 13–50.Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Degener, Theresia, 1992. Weibliche Selbstbestimmung zwischen feministischem Anspruch und „Alltagseugenik“. In: „Hauptsache, es ist gesund“? Weibliche Selbstbestimmung unter humangenetischer Kontrolle, Hrsg. Theresia Degner und Swantje Köbsell, 67–93. Hamburg: Konkret-Literatur-Verlag.
Duden, Barbara. 2007. Der Frauenleib als öffentlicher Ort. Vom Mißbrauch des Begriffs Leben. Mit einem Vorwort zur Neuauflage. Frankfurt am Main: Mabuse-Verlag.
Friedrich, Hannes, Karl-Heinz Henze und Susanne Stemann-Acheampong. 1998. Eine unmögliche Entscheidung. Pränataldiagnostik: Ihre psychosozialen Voraussetzungen und Folgen. Berlin: VWB-Verlag.
Garland-Thomson, Rosemarie. 2017. Building a World with Disability. In: Culture – Theory – Disability, Hrsg. Anne Waldschmidt, Hanjo Berressem und Moritz Ingwersen, 51–62. Bielefeld: transcript Verlag.
Graaf, Gert De, Frank Buckley und Brian G. Skotko. 2021. Estimation of the number of People with Down Syndrome in Europe. European Journal of Human Genetics 29:402–410.
Harpel, Tommy S. 2008. Fear of the unknown: ultrasound and anxiety about fetal health. health: An Interdisciplinary Journal for the Social Study of Health, Illness and Medicine 12:295–312.
Heimerl, Birgit. 2013. Die Ultraschallsprechstunde. Eine Ethnographie pränataldiagnostischer Situationen. Bielefeld: transcript Verlag.
Kasnitz, Devva, 2020. The Politics of Disability Performativity. Current Anthropology 61:16–25.
Knorr-Cetina, Karin. 2008. Theoretischer Konstruktivismus. Über die Einnistung von Wissensstrukturen in soziale Strukturen. In: Theoretische Empirie. Zur Relevanz qualitativer Forschung, Hrsg. Herbert Kalthoff, Stefan Hirschauer und Gesa Lindemann, 35–78. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.
Köbsell, Swantje. 1992. Humangenetik und pränatale Diagnostik: Instrumente der „Neuen Eugenik“. In: „Hauptsache, es ist gesund“? Weibliche Selbstbestimmung unter humangenetischer Kontrolle, Hrsg. Theresia Degener und Svantje Köbsell, 11–66. Hamburg: Konkret Literatur Verlag.
Köbsell, Swantje. 2015. Ableism. Neue Qualität oder ‚alter Wein‘ in neuen Schläuchen? In: Dominanzkultur reloaded: Neue Texte zu gesellschaftlichen Machtverhältnissen und ihren Wechselwirkungen, Hrsg. Swantje Kobsell, Iman Attia und Nivedita Prasad, 21–35. Bielefeld: transcript Verlag.
Könninger, Sabine, und Kathrin Braun. 2022. NIPT in Germany. Moral Concerns and Consumer Choice. In: Genetic Responsibility in Germany and Israel. Practices of Prenatal Diagnosis, Hrsg. Christina Schües, 137–157. Bielefeld: transcript Verlag.
Nelson, Katherine E. et. al., 2016. Survival and Surgical Interventions for Children With Trisomy 13 and 18. JAMA 4:420–428.
Ng, Nawi, Eva Flygare Wallén und Gerd Ahlström. 2017. Mortality Patterns and Risk among Older Men and Women with Intellectual Disability: a Swedish National Retrospective Cohort Study. BMC Geriatrics 17:1–13.
Parens, Erik, und Adrienne Asch. 1999. The Disability Rights Critique of Prenatal Genetic Testing. Reflections and Recommendations. The Hastings Center Report 29:1–22.
Pieper, Marianne. 1998. Unter ‚anderen Umständen‘ – werdende Elternschaft im Zeichen neuer Verfahren der Pränataldiagnostik. In: Frauen und Gesundheit(en) in Wissenschaft, Praxis und Politik, Hrsg. Arbeitskreis, Frauen und Gesundheit im Norddeutschen Forschungsverbund Public Health, 236–247. Bern: Verlag Hans Huber.
Rapp, Rayna. 2000. Testing Women, Testing the Fetus. The Social Impact of Amniocentesis in America. New York: Routledge.
Reckwitz, Andreas. 2003. Grundelemente einer Theorie sozialer Praktiken. Zeitschrift für Soziologie 32:282–301.
Reckwitz, Andreas. 2016. Praktiken und ihre Affekte. In: Praxistheorie. Ein soziologisches Forschungsprogramm, Hrsg. Hilmar Schäfer, 163–180. Bielefeld: transcript Verlag.
Sänger, Eva. 2020. Elternwerden zwischen „Babyfernsehen“ und medizinischer Überwachung. Eine Ethnografie pränataler Ultraschalluntersuchungen. Bielefeld: transcript Verlag.
Schatzki, Theodore. 1996. Social Practices. A Wittgensteinian Approach to Human Activity and the Social. Cambridge: Cambridge University Press.
Schneider, Werner, und Anne Waldschmidt. 2012. Disability Studies. (Nicht)Behinderung anders denken. In: Kultur. Von den Cultural Studies bis zu den Visual Studies. Eine Einführung, Hrsg. Stefan Moebius, 128–150. Bielefeld: transcript Verlag.
Schwennesen, Nete, und Lene Koch. 2012. Representing and intervening: ‘doing’ good care in first trimester prenatal knowledge production and decision-making. Sociology of Health & Illness 34:283–298.
Schwennesen, Nete, Mette Nordahl Svendsen und Lene Koch. 2008. Beyond informed choice: Prenatal risk assessment, decision-making and trust. Nordic Journal of Applied Ethics 2:11–31.
Stüwe, Taleo. 2021. Pränataldiagnostik. In: Handbuch Feministische Perspektiven auf Elternschaft, Hrsg. Lisa Yashodhara Haller und Alicia Schlender, 297–311. Königstein im Taunus: Barbara Budrich Verlag.
Stüwe, Taleo. 2022. „‚Alles gut‘ gibt es nicht!“ Die ärztliche Rolle in Entscheidungsprozessen zu Pränataldiagnostik. In: Politiken der Reproduktion. Umkämpfte Forschungsperspektiven und Praxisfelder, Hrsg. Marie Fröhlich, Ronja Schütz und Katharina Wolf, 229–242. Bielefeld: transcript Verlag.
Thomas, Gareth M. 2017. Down’s Syndrome Screening and Reproductive Politics: Care, Choice, and Disability in the Prenatal Clinic. London: Routledge.
Waldschmidt, Anne. 2003. Normierung oder Normalisierung: Behinderte Frauen, der Wille zum ‚Normkind‘ und die Debatte um die Pränataldiagnostik. In: Verkörperte Technik ─ Entkörperte Frau. Biopolitik und Geschlecht, Hrsg. Sigrid Graumann und Ingrid Schneider, 95–109. Frankfurt am Main: Campus Verlag.
Wehling, Anika. 2021. Männer im Schwangerschaftskonflikt. Erfahrungen nach einem beunruhigenden pränatalen Befund. Bielefeld: transcript Verlag.
Wehling, Peter, Shirin Moghaddari und Susanne Schultz. 2018. Genetisches Screening vor der Schwangerschaft – die Herausbildung eines neuartigen reproduktiven Präventionsregimes? Leviathan 46:255–279.
Wetherell, Margaret. 2012. Affect and Emotion. A New Social Science Understanding. London: SAGE Publications.
Woopen, Christiane, und Anne Rummer. 2010. Pränatale Diagnostik und Schwangerschaftsabbruch. Kooperation zwischen Ärzten, Beratungsstellen und Verbänden. Deutsches Ärzteblatt 3:A68–A70.
Downloads
Veröffentlicht
Ausgabe
Rubrik
Lizenz
Copyright (c) 2023 Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2022
Dieses Werk steht unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell 4.0 International.
Beiträge im Verhandlungsband des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Bielefeld werden unter der Creative Commons Lizenz "Namensnennung-Nicht kommerziell 4.0 International (CC BY-NC 4.0)" veröffentlicht.
Dritte dürfen die Beiträge:
-
Teilen: in jedwedem Format oder Medium vervielfältigen und weiterverbreiten
-
Bearbeiten: remixen, verändern und darauf aufbauen
unter folgenden Bedingungen:
-
Namensnennung: Dritte müssen angemessene Urheber- und Rechteangaben machen, einen Link zur Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden
-
Nicht kommerziell: Dritte dürfen das Material nicht für kommerzielle Zwecke nutzen