„Daß dies zu etwas Gutem führt, kann niemand sich vorstellen“
Die dystopischen Zukünfte der Reproduktionsmedizin und der Aufstieg der Bioethik
Keywords:
Reproduktionsmedizin, Zukunft, Reproduktion, Bioethik, Biopolitik, Biomacht, Socio-technical ImaginariesAbstract
Fortschritte auf dem Terrain der Gen- und Reproduktionstechnologien werden regelmäßig von öffentlichen Deutungskämpfen flankiert, in denen Zukunftsbezüge in Gestalt technologischer Utopien und Dystopien Konjunktur haben – vom Unsterblichkeitsversprechen auf der einen bis zum Untergang der Menschheit auf der anderen Seite. Prototypisch zeigten sich solche Zukunftsvisionen in den im Beitrag untersuchten Debatten um die Reproduktionstechnologie der In-vitro-Fertilisation (IVF), die in den 1980er Jahren in den Printmedien in der BRD geführt wurden. Mittels qualitativer Inhaltsanalyse wurden eine Reihe privilegierter Gegenstände identifiziert, an denen die Konstruktion dieser polarisierten Zukünfte ansetzte. Herausgearbeitet wurde zudem, mithilfe welcher Narrative, Metaphern und literarischen Referenzen die – vor allem dystopischen – Zukunftsszenarien produziert wurden. Darüber hinaus zeigt der Beitrag, welche Konsequenzen diese „gegenwärtigen Zukünfte“ hatten, wie sie also die „zukünftige Gegenwart“ geprägt haben. Aus dem Bündel rekonstruierbarer Folgen dieser Auseinandersetzungen wird vor allem eine Konsequenz herausgegriffen, die im Zusammenhang mit der weiteren Produktion und Zirkulation von Zukunftsszenarien zentral ist: Die Institutionalisierung einer professionellen Bioethik in der BRD. Als Reaktion auf die Verschränkung kultur- und kapitalismuskritischer Dystopien in den massenmedialen Debatten und auf eigenen Zukunftsszenarien zweiter und dritter Stufe fußend, etablierte sich diese Bioethik als von Politik, Medizin und Wissenschaft getragene Instanz der Entwicklung und Bewertung von Zukünften, die qua Rationalisierung dem unkontrollierten „Wuchern der Diskurse“ über die technologische Zukunft Einhalt gebieten sollte und zur Disziplinierung reproduktiver Zukünfte in den Debatten über die neuen Reproduktionstechnologien führte.
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Copyright (c) 2023 Polarisierte Welten. Verhandlungen des 41. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2022
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