Verrückte Zeiten?
Der öffentliche Diskurs um mentale Gesundheit im Kontext globaler Krisen als Entstigmatisierung?
Keywords:
Autoethnographie, Literatursoziologie, Depression, mentale Gesundheit, Pathologisierung, Krise, PsychiatriekritikAbstract
Schon länger ist eine gewisse Relevanzsetzung und Normalisierung psychischer Krisenerfahrungen und psychopathologisierter Phänomene in der Popkultur, in Berichterstattungen zu Stars, in Popsongs und Serien zu vermerken, deren normalisierendes und entstigmatisierendes Potential strittig, aber diskutabel ist (Nowotny 2021a). Auch das Genre der autobiografischen Berichterstattung über eigene psychische Krisen- und Krankheitserfahrungen von mehr oder weniger berühmten Personen wächst (z.B. Krömer 2022; Raether 2021; Niessl 2021). Selten jedoch wird dabei direkt auf soziale und politische Umstände als mögliche Ursachen eingegangen (Nowotny 2022; vgl. David 2022), geschweige denn das Konzept psychischer Erkrankung als solches infrage gestellt.
Im Kontext der Corona-Pandemie sowie des Krieges in der Ukraine zeigt sich eine weitere Verschiebung mindestens im deutschsprachigen Diskurs: Nun gelten grundsätzlich alle als psychisch belastet und gefährdet. Ein Anstieg von Depressionen und anderen Psychopathologien wird attestiert (Starzmann 2020; BMBF 2020).
Ist das als allgemeine Normalisierung, Enttabuisierung und Entstigmatisierung zu begreifen? Deutet sich ein Wandel in der Thematisierung mentaler Gesundheit im öffentlichen und populärwissenschaftlichen Diskurs an? Bietet die kollektive psychische Krisenerfahrung neue Möglichkeiten über die gesellschaftliche Bedingtheit psychischer Krisen zu sprechen, also auch an die Gesellschaftskritik der Antipsychiatrie und Psychiatriekritik anzuknüpfen? Dem soll anhand exemplarischer populärer Medienbeiträge nachgegangen werden, um erste heuristische Antworten auf diese Fragen zu finden.
References
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