Frau*- und Mann*sein in Südkorea: Lokalisieren der Geschlechterdichotomie als Kategorie der sozialen Orientierung und Grenzbegriff
Der Roman „Kim Jiyoung, geboren 1982“ (von Nam-Joo Cho) und eine Kontroverse über die (un-)gleichen Geschlechterverhältnisse
Keywords:
Polarisierung, kritische Diskursanalyse, Dispositiv, Affekthandlung, Hegemonie, Geschlechterforschung, Geschlechterordnung, patriarchale Strukturen, Gefühls- und Emotionsarbeit, Antifeminismus, post-koloniale Kritik, Care-Arbeit, Diskursdynamiken, silencing, Soziale Ungleichheit, epistemische UngleichheitAbstract
Der Name Jiyoung identifiziert sich mit einer weiblich sozialisierten Person in Südkorea. In der Wirklichkeit erhielt eine hohe Anzahl an Frauen* des Jahrgangs 1982 diesen Namen, so repräsentiere Jiyoung jede Frau* dieser Generation und (re-)figuriere deren Betroffenheit. Die Lebensereignisse der Jiyoung lassen die Leser*innen ihre eigene gesellschaftliche Ordnungsrealität wiedererkennen, wie die Lebensentscheidungen unter der patriarchalen Denk-, Deutungs- und Handlungsempfehlungsmatrix strukturell bestimmt werden. Jiyoungs Handlungspragmatik ist meist „sich zum Schweigen bringen (silencing nach Spivak)“, welches sich in einer Entscheidungsverschiebung oder Unentschlossenheit zwischen Akzeptanz und Anlehnung ihrer traditionellen und der davon emanzipierenden Rollenzuschreibung begründen lässt. Der Ausgangspunkt des Beitrags ist die konträre (Re-)Aktion auf den Roman der vergeschlechtlichten Subjekte in Südkorea von 2016 bis 2018; zwischen den Frauen* mit ihrem rasanten Beifall für die Offenbarung der generationsübergreifenden Verletzungen des Frauen*seins und den Männern* mit ihrem Boykott aufgrund der Männerfeindlichkeit und Realitätsverfälschung. Wiederverzauberung und zugleich Marginalisierung des Frau*- und Mann*seins durch die geschlechterdichotome boundary work reproduzierten sexualisierte Narrative und Wahrnehmungsfilter. Eine zentrale Fragestellung des Romans, ob das Ungleiche durch die Verortung vom Frau* oder Mann* sein das Unrecht legitimiere, fand schnell einen Rückgang. Der Beitrag setzt sich diskursanalytisch mit zwei herauszuarbeitenden Erkenntnissen auseinander: 1. Ein lokalspezifisch entwickelter Diskurs über die Geschlechterparadigmen produziert eine epistemische Neuausrichtung. Z. B. die Orientierung am Zweigeschlechtermodell lässt sich im Diskurskontext unverzichtbar gelten, denn die Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs setzt die Subjektverortung in der Zweigeschlechterkategorie voraus. 2. Die Gesellschaftsmitglieder, die sich außerhalb dieser Kategorie verorten, nicht als Teilhabenden am Diskurs wahrgenommen werden. Abschließend werden Forschungsaspekte vorgestellt: wie anschlussfähig sich die westeuropäisch vorgefassten Geschlechterverständnisse für die lokalspezifischen Deutungen der Genderdiskurse verhalten und inwieweit die Geschlechterdichotomie als soziale Orientierung zugleich als Grenzbegriff dezentrierend zu behandeln ist.
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