„Eine christliche, tolerante und europäische Nation“
Narrative der Zugehörigkeit in Georgien
Keywords:
Georgien, Narrative, Zugehörigkeit, imperiale und postimperiale Erfahrungen, ModernitätAbstract
Georgien stellt einen Palimpsest imperialer, postimperialer und postsowjetischer historischer Erfahrungen dar (vgl. van der Zweerde 2015). Seit dem 19. Jahrhundert, als unter der Herrschaft des Russischen Kaiserreichs von der damaligen lokalen Intelligenzija Ideen und Narrative über die georgische Nation entwickelt wurden, bleibt Georgien – mitsamt seiner politischen und gesellschaftlichen Eliten − in einer endlosen Suche nach seiner eigenen räumlichen und temporalen Zugehörigkeit gefangen. Dabei sind Fragen der Religion und des Christentums und der ihnen zugeschriebenen kulturellen Bedeutungen untrennbare Teile dieser Suche, also Elemente der Interaktion zwischen lokalen und globalen Narrativen und Imaginationen von Modernität in Georgien. Diese Narrative enthalten historische Kontinuitäten in sich, aber auch Brüche in den Selbstthematisierungen: wie Georgien im Kontext des russischen Kaiserreichs in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts modern und europäisch werden sollte; oder wie Georgien schon immer europäisch und damit modern gewesen sei, wie es nach der sogenannten Rosenrevolution im Jahr 2003 vom Präsidenten Micheil Saakaschwili in seinen öffentlichen Reden immer wieder betont wurde.
Der Beitrag beschäftigt sich mit diesen Narrativen der Zugehörigkeit in Georgien. Er zeigt, wie die Kategorie Religion bei der Selbstthematisierung der Modernität von Georgien in politischen Narrativen verwendet und verändert wird. Dabei analysiert der Beitrag, wie die verschiedenen Bedeutungen, die dieser Kategorie zugeschrieben werden, sowohl zur Rechtfertigung politischer Ansprüche als auch für die Herstellung der Bedeutungen von „Nation“ in imperialen und postimperialen Kontexten verwendet werden.
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