Die „Moralisierung der Märkte“ – Trend und Ordnungsfaktor in der (Welt-)Gesellschaft
Oder: Warum der steigende Fair-Trade-Konsum kein Indikator für eine „Moralisierung der Märkte“ ist
Schlagworte:
Moralisierung der Märkte, Moralisierung, Moral, Fair Trade, Selbstzwang, Pflicht, das Gute, Erstrebenswertsein, Fair Trade-Siegel, Geschichte des Fair Trade, Konsum, organische Solidarität, mechanische Solidarität, segmentäre Gesellschaft, Arbeitsteilung, gesellschaftlicher Zusammenhalt, Individualismus, ethischer Konsum, ethischer Handel, Altruismus, altruistisches Handeln, Siegelorganisation, Kleinbauern, ökologischer Kaffeeanbau, Gütesiegel, Rohprodukte, Weltwirtschaftssystem, soziale Entwicklung, Nachhaltigkeit, Strukturveränderungen, Kooperativen, Prämien, Gemeinschaftsprojekte, Bio-Zertifizierung, Benachteiligung von Frauen, Mindestpreis, Zertifizierungssysteme, Zertifizierung, Einkommenswirkung, gerechter PreisAbstract
Émile Durkheim meinte, dass die „eigenständige Moralität“ der arbeitsteiligen Gesellschaft „noch nicht so weit entwickelt ist, wie es jetzt schon nötig wäre“ - die „organische Solidarität“ müsse wachsen. Die Gesellschaft müsse erkennen, dass ihre Mitglieder nicht ihre „Dinge“ seien, sondern dass sie diesen Mitgliedern gegenüber Pflichten habe. Das Ziel sei die „Glorifizierung nicht des Ichs, sondern des Individuums“ - und nur dieses gemeinsame Ziel könne eine Gesellschaft zusammenhalten. Die Triebfeder eines so verstandenen Individualismus sei „nicht der Egoismus, sondern die Sympathie für alles, was Mensch ist, ein größeres Mitleid für alle Schmerzen, für alle menschlichen Tragödien, ein heftigeres Verlangen, sie zu bekämpfen und sie zu mildern, ein größerer Durst nach Gerechtigkeit“. In diesem Sinne muss auch die „Moralisierung der Märkte“ – schon als Ordnungsfaktor – zum Trend der (Welt-)Gesellschaft werden. Dass immer mehr Fair-Trade-Produkte gekauft und verkauft werden, wird oft als Zeichen für eine solche „Moralisierung der Märkte“ gesehen. So sagt Koos, dass die „‚Erfolgsgeschichte‘ des Fairen Handels“ ein Beispiel für die „Diffusion des ethischen Konsums in modernen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften“ sei; diese „zunehmende Verbreitung ethischer Konsummuster“ lasse sich als „‚Moralisierung der Märkte‘“ bezeichnen. In diesem Sinne fragen Schenk, Sunderer und Rössel: „Sind Deutschschweizer altruistischer als Deutsche?“ Das Ergebnis: Deutsche kaufen „seltener fair gehandelte Lebensmittel als Schweizer Befragte“. Sind die Schweizer*innen, die häufiger Fair-Trade-Produkte als die Deutschen kaufen, aber wirklich moralischer? „Keine eindeutigen Belege für Wirkung auf Einkommen und Wohl von Produzenten“ konnte 2017 eine von Fairtrade International in Auftrag gegebene Metastudie finden. Warum sollen die Konsument*innen dann für ein Fair-Trade-Siegel relativ viel Geld ausgeben, wenn das Versprechen vom gerechten Preis ein leeres Versprechen für die Produzent*innen bleibt? Der zunehmende Fair-Trade-Konsum ist damit kein Indikator für eine „Moralisierung der Märkte“.
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